piraten – PDF
„Da es in alten Zeiten für Menschen unmöglich war, auf dem Meer zu überleben, ohne gelegentlich auf das Festland zurückzukehren, wurde diese Linie von denen, die sie in klassischer Zeit überschritten, nicht einmal, sondern wiederholt überquert. Sie waren es gewohnt, die schwankende Grenze zu überqueren, welche die römische Juristen systematisch, in jedem Sinne des Wortes, demarkierten. Wenn solche Seefahrer Güter auf ihre Schiffe mitnahmen, brachten sie sie aus dem Rechtsbereich, in dem sie rechtmäßig ihrem Eigentümer zugeordnet werden konnten, in einen anderen, in dem Eigentumsansprüche von Rechts wegen enden müssen. Auf diese Art transportierten sie Gegenstände aus einem Gebiet, in dem sie als “in unserem Vermögen” befindlich gelten konnten, in ein Gebiet außerhalb davon (extra patrimonium): einen maritimen Raum ohne Besitzrecht, der in niemandes rechtmäßigem Besitz sein kann.”
Daniel Heller-Roazen, Der Feind aller: Der Pirat und das Recht
Besetzen, blockieren, verfremden, zurückholen, einfallen, sich konfrontieren, unterbrechen, Pirat werden…
Handlungen außerhalb des Gesetzes, sagen bestimmte Leute.
Handlungen da-draußen, sagen wir.
Handlungen, welche die Grenze der politischen Souveränität in Unruhe versetzen: ihr „dort“. Handeln dort, wo die politische Macht ihre Gewalt als von der Legalität gedeckt rechtfertigt. Dieses „dort“ bezeichnet den Ort einer Konfliktualität, den Ort eines Widerstands gegen die verallgemeinerte Ausweitung des Regimes biopolitischer Governance als Prozess der Domestizierung der Welt in die Ökonomie.
Dieser Widerstand bezeichnet den Ort eines außerhalb, eines da-draußen. Er manifestiert die Schwelle, jenseits derer sich ein neuer Raum des Politischen eröffnen kann. Hinter der Vielfalt der Handlungen da-draußen, die sporadisch im öffentlichen und privaten Raum wuchern, gelegentlich durch Lücken im ökonomischen Gewebe hindurch, zeichnet sich die Linie einer politischen Geste ab.
(more…)