Frauenzeitschriften : Es kann nicht genug Problemzonen geben
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Was für ein Bikinityp sind Sie, und in welche Richtung feilen Sie ihre Fingernägel? Probleme, die in der Welt der Frauenzeitschriften anscheinend ziemlich dringlich sind. Bild: dpa
Was wollen Frauen? Der Zeitschriftenmarkt gibt darauf eine klare Antwort: Karriere, den besten Sex und lustige bunte Bommeln.
Ein paar Teile verziertes Porzellan, Klebknete und Porzellanmalstift – schon ist sie fertig, die hübsche neue Etagère. Da kann man dann etwas hineinlegen. Die Zeitschrift „Freundin“ empfiehlt zum Beispiel Schmuck, was sonst. Beim Versuch, das aktuelle Frauenbild über sechs willkürlich ausgewählte Frauenzeitschriften zu erkennen, ergibt sich ein interessanter Befund: Die Dame von Welt ist heute zugleich Bastelfee, Supermodel, Sexgöttin, Karrierefrau und Kuratorin ihrer persönlichen Umgebung. Sie ist blitzgescheit und gerät über kleine rosa Glitzerdinger aller Art aus dem Häuschen. Man kann den Frauenzeitschriften also zumindest nicht vorwerfen, ihrer Zielgruppe zu wenige Facetten zuzuschreiben.
Deshalb bäckt Deutschlands älteste Frauenzeitschrift „Freundin“, die 1948 auf den Markt kam, auch erst einmal lustige Bauernhofkekse, ehe wenige Seiten später Business-Mode angepriesen wird. Die „Jolie“ dagegen schlägt kleine bunte „DIY-Pompons“ zum Selbermachen vor, die anschließend an Kettchen, Schuhen und Taschen hängen sollen, auf dass Frauen aussehen mögen wie Fünfjährige oder Pennywise, der Clown. Aber wer Frauenzeitschriften auf die Basteltipps reduziert, tut ihnen Unrecht. Schließlich trauen sie uns auch zu, dass wir uns für das Schicksal der Jesidin Nadia Murad interessieren. Um ganz sicher zu gehen, stellt „Grazia“ neben ihr kleines Foto ein sechsmal so großes Bild ihrer Anwältin: Amal Clooney.
Einen Körper ohne Problem gibt es nicht
Die „Myself“ haut der Leserin ohne solchen Puderzucker drei erfolgreiche Wissenschaftlerinnen um die Ohren, eine Ökonomin, eine Mathematikerin in der Krebsforschung und eine Nanowissenschaftlerin. Nichts daran ist rosa oder glitzert. Die „Myself“ verteidigt ihren Ruf als Frauenmagazin mit Sinn und Verstand in der Septemberausgabe an allen Fronten: Auf vier Seiten stellt sie die Schriftstellerfamilie von Schirach vor, eine Immunologin wird zur Sexualität in der arabischen Welt befragt, und dann geht es um sieben Firmengründerinnen und ihre Geschäftsideen. Da wirkt die „Freundin“ mit ihrer Berichterstattung über sechs sozial engagierte Frauen schon deutlich behäbiger. Sogar die „Cosmopolitan“ gibt seitenweise Karrieretipps.
Alles kein Grund, den Intellekt einer Frau für entscheidend zu halten. Viel wichtiger ist Resilienz. Das liegt an Beiträgen wie der Bikini-Beratung in der „Brigitte“. „Welche Form ist die beste für welche Proportion? Wir haben vorsortiert.“ Vier Figurtypen werden benannt, die offenbar alle irgendwie kaschiert und optimiert werden müssen: hier wenig Busen und kaum Taille, da kräftige Oberschenkel, dort ein Bauchansatz, da schmale Hüften. Bikinis für einen nicht als Problem empfundenen Körperbau sucht man vergebens, sodass man sich einer Mängelliste zuordnen muss, nach dem Motto: Eine Frau ohne Komplexe hat nur noch nicht genau genug hingeschaut.
Neue Disziplinen im Bettsport
Zum Glück liefert die „Jolie“ praktische Lösungsvorschläge: Wir sollen uns die perfekte Figur für den Strand einfach mit Selbstbräuner aufsprühen. „Schmale Taille, schlanke Beine, sexy Dekolleté“ lassen sich so angeblich erlangen, aber der faszinierendste Tipp ist der für einen straffen Po: „Folgen Sie der Pobackenform mit einer dunklen Nuance. Das pusht Ihren Po zum Knack-Exemplar.“ Wahrscheinlicher ist, dass am Ende verliebte Streifenhörnchen der vermeintlichen Artgenossin zum Strand folgen. Kein einziger der zahlreichen Artikel über Selbstbräuner kommt ohne den Tipp aus, vorher ein Peeling zu machen. Dann ist das angeblich kein Problem. (Spoiler: Alles Lüge.) Diese Empfehlung dürfte in den letzten zehn Jahren etwa so oft abgedruckt worden sein wie der absolute Frauenzeitschriftsklassiker: Nägel nicht mit der Nagelschere schneiden, sondern feilen, und zwar immer von außen nach innen! Das käut die „Cosmopolitan“ aktuell wieder und zitiert sogar eine Fußpflegerin, das verleiht der Sache natürlich eine ganz neue Dringlichkeit.