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Die Zeit rund um den ersten Geburtstag
Ihr Baby kann sich jetzt schon fast selbstständig durch die Wohnung bewegen, es ist auf dem besten Weg, sprechen zu lernen und es kann grundsätzlich schon verstehen, was "Nein" heißt. Ihr Kind kann gehorchen - manchmal selbst dann, wenn es eigentlich etwas anderes will.Trotzdem ist Ihr Kind noch nicht in der Lage, zu verstehen, warum Erwachsene ärgerlich werden, wenn es nicht gehorcht. Die Gründe sind ihm schleierhaft: Ihre Wut kommt für Ihr Kind aus dem Nichts wie ein Blitz aus heiterem Himmel oder das Grollen der Götter.
Ihr Kleinkind kann nicht wissen, was genau das Fass zum Überlaufen gebracht hat: z.B. die verschüttete Milch auf dem gerade gewaschenen T-Shirt oder die ausgeräumte Aktentasche. Es versteht nicht, wie viel Arbeit solche Vorfälle für Sie bedeuten. Selbst wenn Ihr Kind die vorangegangene Spannung gespürt hat, hatte es keine Ahnung, woher sie rührte: Am Anfang war der Wecker, der nicht angesprungen ist. Sie sind deshalb zu spät aus dem Bett gekommen, haben Ihr Kind zu spät geweckt und sind danach zur Kita gehetzt.
Ihr Kleines weiß nicht viel über Ihre Gefühle - und das ist richtig so. Es muss sich damit nicht befassen. Vielleicht lacht Ihr Kind sogar, wenn Sie mit ihm schimpfen (weil es die Situation nicht versteht) und das macht Sie vermutlich erst recht wütend.
Aber wenn Sie jetzt schreien, erschreckt das Ihr Kind und es fängt an zu weinen. Falls Sie die Beherrschung soweit verlieren, dass Sie Ihr Kind sogar schütteln, ihm eine Ohrfeige verpassen und es in sein Bettchen fallen lassen, wird es entsetzt sein und sein Vertrauen in Sie wird erschüttert sein.
So entsetzt, wie Sie wären, wenn Ihr freundlicher Familienhund sich plötzlich gegen Sie wenden, sich in Ihrem Bein verbeißen und Ihnen ein tiefe Wunde reißen würde. Ihr Kind kann aus dieser Art von Bestrafung nichts lernen.
Nehmen wir an, Ihr Kleines schnappt sich die Vase auf dem Küchentisch, wirft sie auf den Boden und die Vase geht kaputt. Sie könnten ärgerlich auf Ihr Kind einschimpfen: Es hätte die Vase nicht anfassen dürfen, das hätten Sie schon so oft gesagt und es sollte sowieso vorsichtiger sein.
Aber denken Sie mal kurz darüber nach! Ihr Kind hat die Vase angefasst, weil sie auf dem Tisch stand. Es wollte einfach neugierig die Welt erkunden und erinnert noch nicht, welche Dinge verboten sind. Zudem ist seine Fingerfertigkeit und Feinmotorik für zerbrechliche und zarte Dinge nicht ausgebildet genug. Also war das alles wirklich die Schuld Ihres Kindes? Wenn die Vase so wertvoll war, warum stand sie dann in seiner Reichweite? Ihr Kind wird bestraft für das, was es ist: ein Kleinkind.
Jetzt stellen Sie sich vor, Ihr Kind kippt sein Essen vom Teller auf den frisch geputzten Küchenboden. Wütend sagen Sie: "Das sollst du doch nicht tun! Das weißt du doch!" Aber weiß Ihr Kind das wirklich? Ein paar Minuten vorher haben Sie noch gemeinsam die Bausteine aus der Kiste auf den Boden geschüttet. Muss Ihr Kind schon um den Unterschied zwischen Lebensmitteln und Spielzeug wissen?
Und was den sauberen Boden angeht: Ihr Kleines hat Ihnen vermutlich dabei zugeschaut, wie Sie den Boden mit Wasser eingeseift haben. Muss Ihr Kind schon verstehen, dass Seifenwasser die Dinge reinigt und Fett sie schmutzig macht? Und schon wieder sind Sie eigentlich darüber ärgerlich, dass Ihr Kind sich genau so benimmt, wie es Kinder in dem Alter eben tun.
Was immer andere Menschen sagen mögen, Sie verwöhnen und verziehen Ihr Baby in diesem Alter nicht, wenn Sie sanft und freundlich sind - und es schadet auch seinem Benehmen nicht. Im Gegenteil: Je bewusster Sie Ihr Kind lieben und sich darüber freuen, dass Ihr Kleines Sie auch liebt, desto besser. Nehmen Sie den unersättlichen Wunsch Ihres Babys nach Ihrem Lächeln und Ihren Umarmungen wahr und gehen Sie darauf ein.
Das Letzte, was Ihr Kleines will, ist Sie zu verärgern. Es wird allerdings noch eine Weile dauern, bis Ihr Kind versteht, was Ihnen gefällt. Ihre Bedürfnisse decken sich nicht unbedingt mit dem, was Ihrem Baby Spaß macht.
Ein Jahr bis zweieinhalb Jahre
In diesen Monaten entwickelt sich ihr Kind von einem Baby zu einer eigenständigen Persönlichkeit. Wenn Sie es wie ein Baby behandeln, dann wird es jeden Tag dagegen ankämpfen, um seine neu entdeckte Selbstbestimmung zu verteidigen. Aber Ihr Kind zahlt einen hohen Preis, falls es dafür Ihr Wohlwollen verliert. Bedenken Sie daher, dass Trotz kein „schlechtes Benehmen“ oder „Machtgehabe“ ist.Ihr Kind durchläuft eine völlig normale Entwicklung: Es entdeckt seinen eigenen Willen, was unheimlich wichtig für die Entstehung von Selbstbewusstsein ist. Und gleichzeitig versteht es noch nicht, warum es diesen wunderbaren, neu entdeckten Willen nicht immer umsetzen darf. Es ist so glücklich über seine Entdeckung des „Ich“, dass bei einem „Nein“ eine Sicherung durchbrennt und es einfach von seinen Gefühlen überwältigt wird.
Trotz ist daher kein böser Wille, sondern einfach ein Zeichen, dass Ihr Kind einen wichtigen Entwicklungsschritt macht – und wie jedes Kind in dem Alter Gefühle wie Frust und Wut noch nicht „vernünftig“ kontrollieren kann. Sie können ihm helfen, indem Sie ruhig und verständnisvoll reagieren. Setzen Sie Grenzen, aber nicht unnötig viele. Ist es wirklich so schlimm, wenn das Kind die Schublade ausräumt? Allein zur Straße zu laufen hingegen ist indiskutabel. Überlegen Sie daher also, wo Sie wirklich „Nein“ sagen müssen, und bleiben sie dann sanft, aber bestimmt, dabei. Signalisieren Sie Verständnis für den Frust Ihres Kindes und seien Sie da, um zu trösten.
Machen Sie sich immer wieder bewusst, dass man ein Kleinkind nicht so erziehen kann wie ältere Kinder. Vernünftige Argumente bringen oft wenig, weil sie einfach noch nicht im Kopf der Kleinen ankommen. Sie sollten trotzdem kurz erklären, warum etwas nicht geht, aber nicht erwarten, dass das allein reicht, um Ihr Kind zu überzeugen. Seine Gefühle können dennoch explodieren und dann braucht es Eltern, die dies als normale Entwicklung verstehen und Ihrem Kind gelassen und geduldig gegenübertreten.
Versuchen Sie also nicht, die absolute Kontrolle auszuüben und tragen Sie keine moralischen Kämpfe aus. Ihr Kleinkind wird "brav" sein, falls ihm gefällt, was Sie von ihm verlangen und falls es nicht selbst gerade Lust auf etwas hat, das Sie nicht mögen.
Die Bedürfnisse anderer Menschen zu verstehen, ist in diesem Alter einfach noch nicht drin. Es ist normal, dass Kinder in diesem Alter sehr egoistisch handeln. Das ist nicht böse gemeint, sondern ihr Gehirn ist einfach noch nicht so weit, zu erkennen, dass andere Menschen andere Bedürfnisse haben. Aber mit ein bisschen Bauernschläue richten Sie Ihr gemeinsames Leben vielleicht so ein, dass Sie und Ihr Kind die meiste Zeit dasselbe wollen.
Ihr Kleinkind hat die Bauklötze über das ganze Kinderzimmer verteilt und Sie wollen, dass das Zimmer ordentlich ist. Wenn Sie jetzt Ihr Kind bitten aufzuräumen, dann wehrt es sich vermutlich. Und falls Sie weiter darauf bestehen, entbrennt ein Machtkampf, den Sie nicht gewinnen können. Sie können Ihr Kind anschreien, es bestrafen und es als ein Häufchen Elend zurücklassen. Keiner der Bauklötze wird so je den Kinderzimmerboden verlassen und in die Kiste wandern.
Aber wenn Sie sagen: "Wetten, ich habe die Bücher schneller aufgeräumt als du die Bauklötze?", dann wird die unangenehme Aufgabe zum Spiel und der Befehl zur Herausforderung. Oder, bei kleineren Kindern: „Schau mal, die Bauklötze sind müde. Sie wollen in die Kiste, zum Schlafen. Kannst du ihnen helfen?“ Jetzt will ihr Kind dasselbe wie Sie und darum tut es dies auch. Es räumt die Bauklötze nicht "für Sie" auf. Es räumt sie auch nicht auf, weil es "brav" ist. Es räumt sie weg, weil Sie es dazu gebracht haben, es selbst zu wollen. Und das ist die beste Herangehensweise.
Begleiten Sie Ihr Kleines durch den Tag, indem Sie die Felsen schon voraussehen und sie umschiffen. Vermeiden Sie unnachgiebige Forderungen, denn diese werden mit Sicherheit unnachgiebig bekämpft werden. Helfen Sie Ihrem Kind dabei, das zu wollen, was Sie möchten. Und, wenn die Situation es zulässt, gehen Sie auch auf die Wünsche Ihres Kindes ein. Bringen Sie ihm so bei, Rücksicht auf einander zu nehmen.
Ihr Kleinkind, das nicht zwischen richtig und falsch unterscheiden kann und sich deshalb nicht bewusst für oder gegen schlechtes Benehmen entscheidet, wächst heran. Bald wird sich Ihr Kind tatsächlich an Ihre Anweisungen erinnern. Dann kann es sich auch die Folgen seiner Handlungen bewusst machen. Und es versteht schließlich auch die Feinheiten der Alltagssprache und erkennt, was Sie fühlen.
Wenn es soweit ist, kann Ihr Kind tatsächlich absichtlich "brav" oder "böse" sein. Welche der beiden Optionen ein Kind dann wählt, hängt sehr davon ab, wie es zu den Erwachsenen steht, die ihm nahe sind und die Macht über es haben. Wenn ihr Kleines dieses Alter erreicht und das Gefühl hat, dass Sie auf seiner Seite stehen und es lieben und unterstützen, wird es Ihnen (die meiste Zeit) gefallen wollen und sich so verhalten, wie Sie es wünschen - viele Ausrutscher inbegriffen.
Denn auch in diesem Alter wird das Gehirn Ihres Kindes noch immer von Gefühlen dominiert. Das bleibt sogar bis in das Jugendalter so! Vernünftiges Denken und Rücksichtnahme klappt zwar immer besser – aber dass Wutausbrüche und Unvernunft immer wieder dazwischen funken, ist entwicklungspsychologisch auch bei älteren Kindern und Teenies völlig normal.
Aber ein Kind, das dieses Alter erreicht und fühlt, dass seine Eltern es überwältigen, nicht verstehen und nicht unterstützen, hat vielleicht schon keine Lust mehr, zu gefallen. Man kann es ihnen ja eh nicht recht machen! Dieses Kind versucht den Ärger der Eltern zu ignorieren. Sie sind ja so oft verärgert! Und es wird die Liebe, die es eigentlich für seine Eltern empfindet, unterdrücken. Sie wurde ja so selten erwidert.
Falls Sie sich jemals fragen, ob Sie zu sanft oder zu freundlich mit Ihrem Kleinkind umgehen - oder falls irgendjemand Ihnen empfiehlt, etwas mehr Disziplin einzufordern - dann schauen Sie nach vorn!
Wenn Ihr Kind das Vorschulalter erreicht und keinen Wert mehr auf Ihre Anerkennung legt, wenn es keine Lust hat, mit Ihnen zusammenzuarbeiten und wenn es sich nicht sicher ist, ob es geliebt wird und lieben darf, dann haben Sie die Basis für eine einfache und effektive Erziehung Ihres Kindes verloren. In dieser Übergangsphase - in der Kleinkindphase - ist ein fröhliches Kind ein einfaches Kind. Und ein Kind, dem es jetzt einfach gut geht, das spürt, dass es geliebt und geschätzt wird, wird später einfacher zu erziehen sein.