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Verbraucherpolitik


Deutschland muss eine auf Leistung gerichtete Verbandsklage einführen – für die Werbewirtschaft zentral ist dabei das Festhalten an einem echten „Opt-in“-Prinzip, wie es sich zuletzt auch bei der Musterfeststellungsklage bewährt hat; der jüngste Regierungsentwurf faire Verbraucherverträge ist im Vergleich zum Referentenentwurf insbesondere mit Blick auf den Vertriebskanal Telefon verbessert.


Am 24. November 2020 hat das Europäische Parlament die Richtlinie zur Einführung der Europäischen Verbandsklage in der im Trilog zwischen den drei EU-Institutionen Parlament, Rat und Kommission verhandelten Version angenommen.1 Auffällig ist, dass die Richtlinie den Mitgliedstaaten bei zentralen Fragen der Ausgestaltung der neuen Verbandsklage einen nicht unerheblichen Gestaltungsspielraum einräumt, der ihnen ermöglichen soll, nationale Rechtstraditionen angemessen zu berücksichtigen. Dieser Spielraum für die Umsetzung auf nationaler Ebene wurde vom ZAW aber auch von den Mitgliedstaaten im jahrelangen Rechtsetzungsverfahren auf europäischer Ebene eingefordert. Entsprechend schafft die Richtlinie einen verbindlichen Rahmen für Verbandsklagen, schreibt jedoch nicht im Detail vor, wie diese europaweit auszugestalten sind. Nun gilt es, die europäischen Vorgaben im nationalen Recht so umzusetzen, dass die bestehende Zivilprozessordnung erhalten bleiben kann und kein Anreiz für missbräuchliche Sammelklagen vor deutschen Gerichten geschaffen wird.

Feststeht, dass auch Deutschland nun eine Verbandsklage, die auf Leistung gerichtet ist, einführen muss. Die Umsetzungsfrist läuft
bis zum 25. Dezember 2022. Im Vorfeld der bevorstehenden Umsetzung der Richtline in nationales Recht hat unlängst der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) einen Umsetzungsvorschlag unterbreitet. Aus Sicht des ZAW bedarf dieser an entscheidenden Punkten der Verbesserung. Die Werbewirtschaft arbeitet zusammen mit anderen Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft an einem Umsetzungsvorschlag, der die europäischen Vorgaben erfüllt, aber keine Anreize zu missbräuchlichen Klagen setzt. Was den Zeitkorridor anbelangt, so ist kaum damit zu rechnen, dass noch in der laufenden Legislaturperiode ein Gesetzentwurf erarbeitet wird, zumal die Umsetzungsfrist erst im Dezember 2022 endet.

Für die Werbewirtschaft zentral ist neben der Notwendigkeit, hohe Anforderungen an die klagebefugten Einrichtungen zu stellen, vor allem das Festhalten an einem echten „Opt-in“-Prinzip, wie es sich nicht zuletzt bei der Musterfeststellungsklage bewährt hat. Weitere Punkte betreffen die Beachtung des „loser-pays“- Prinzips, das Verbot des Strafschadensersatzes sowie der Ausschluss von Erfolgshonoraren. Insgesamt ist die Politik gefordert, Missbrauchsrisiken effektiv abzuhelfen und gleichzeitig die Unternehmen nicht erheblichen neuen Prozessrisiken auszusetzen.

Einheitliche hohe Anforderungen an klagebefugte Einrichtungen

Der ZAW tritt dafür ein, einheitliche hohe Anforderungen an klagebefugte Einrichtungen, ohne Unterscheidung zwischen innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Verbandsklagen, zu stellen. Auch sollten keine Klagen durch ad hoc-Einrichtungen zugelassen werden. Nur durch einheitliche hohe Anforderungen an die klageberechtigten Einrichtungen können missbräuchliche Klagen wirksam verhindert werden. Dies wäre bei ad hoc-Einrichtungen nicht gewährleistet.

Echtes „Opt-in“-Prinzip einführen

Im Einklang mit dem „Opt-in“-Prinzip sollte sichergestellt sein, dass ein Mandat der betroffenen Verbraucher in jedem Fall zu Beginn des Verfahrens zu verlangen ist. Nur so können die Verfahrensrechte der Verbraucher, insbesondere der Anspruch auf rechtliches Gehör, gewahrt werden. Für den Beklagten wiederum wären ohne rechtzeitiges Opt-in die Folgen eines Rechtsstreits in keinster Weise plan- und kalkulierbar. Um Missbrauch zu verhindern, ist darüber hinaus zu fordern, dass während des gesamten Verfahrens sichergestellt wird, dass eine relevante Anzahl von Verbrauchern den betreffenden Verstoß gegen verbraucherschützende Vorschriften geltend macht. Dies ist erforderlich, um den Zweck von Verbandsklagen, kollektive Verbraucherinteressen zu vertreten, zu verwirklichen. Klagen eines Verbands ohne Nachweis der betroffenen Verbraucher zur Schädigung der Wirtschaftsunternehmen muss effektiv vorgebeugt werden.

Schließlich muss sichergestellt werden, dass eine etwaige Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung an die Verfahrensbeteiligung des Verbrauchers gekoppelt ist. Andernfalls könnte dieser den Ausgang des gerichtlichen Verfahrens abwarten und erst dann eine eigene Beteiligung erklären. Für die betroffenen Wirtschaftsunternehmen auf der Gegenseite muss indes von vornherein feststehen, auf wen sich die Hemmung bzw. Unterbrechung der Verjährung erstreckt, um sich nicht einer unübersehbaren Vielzahl potenzieller Ansprüche gegenüberzusehen.

Regierungsentwurf „faire Verbraucherverträge“

Das Bundeskabinett hat im Dezember 2020 den Regierungsentwurf für ein Gesetz für faire Verbraucherverträge beschlossen. Es bleibt jedoch dabei, dass einige der Maßnahmenvorschläge die Werbewirtschaft erheblich belasten würden. Im Hinblick auf den Referentenentwurf des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) aus dem Januar 2020 hatte sich der ZAW angesichts des Ausbruchs der Corona-Pandemie für ein Belastungsmoratorium ausgesprochen. Zumal neben der Belastung der
Wirtschaft auch keine Verbesserung des Verbraucherschutzes erzielt werden kann, allerdings eine Erhöhung des Preisniveaus für Verbraucher. Diese Forderung, die angesichts der anhaltenden Corona-Krise unverändert Gültigkeit besitzt, ist von der Politik bedauerlicherweise nicht aufgegriffen worden.

Texterfordernis im Energiewirtschaftsgesetz für Energielieferungsverträge

Der Regierungsentwurf ist im Vergleich zum Referentenentwurf insbesondere mit Blick auf den Vertriebskanal Telefon verbessert. Die für den Bereich Energielieferungsverträge hier noch vorgesehene Einführung einer sektoralen Bestätigungslösung im BGB hätte zur Folge gehabt, dass telefonisch geschlossene Verträge bis zu einer aktiven Bestätigung des Verbrauchers in Textform schwebend unwirksam gewesen wären. Stattdessen wird nun das Energiewirtschaftsgesetz geändert und im dortigen § 41 Absatz 1 Satz 1 ein Textformerfordernis für die Wirksamkeit von Energielieferungsverträgen mit Haushaltskunden eingeführt. Der ZAW begrüßt diese Entwicklung ausdrücklich, stellt sie doch den Vertriebskanal „Telefon“ nicht unter Generalverdacht. Zudem wird damit erneut die Einführung einer Bestätigungslösung bei telefonisch geschlossenen Verträgen verhindert, die nicht in die Systematik des deutschen Vertragsrechts passt, die Wirtschaft schädigen und den Verbrauchern keinen Schutz gegen betrügerisch untergeschobene Verträge geben würde.

Bußgeldbewehrte Dokumentationspflicht für die Einwilligung in Telefonwerbung

Die bereits im Referentenentwurf enthaltene strafbewehrte Dokumentations- und Aufbewahrungspflicht für die Einwilligung in die
Telefonwerbung ist dagegen im Regierungsentwurf verblieben: Die vorherige ausdrückliche Einwilligung des Verbrauchers in Telefonwerbung soll in angemessener Form dokumentiert und für fünf Jahre ab Erteilung der Einwilligung bzw. nach jeder Verwendung der Einwilligung aufbewahrt werden. Ein Verstoß gegen die Dokumentation soll mit einem Bußgeld durch die Bundesnetzagentur bewehrt werden.

Der ZAW hat von Anfang an kritisiert, dass diese Maßnahme allein dem Zweck dient, der Bundesnetzagentur die Durchsetzung von Bußgeldern bei Telefonanrufen ohne Einwilligung zu erleichtern. Dem Verbraucher bringt eine bußgeldbewerte Dokumentationspflicht hingegen nichts. In einem Zivilprozess muss das Unternehmen beweisen, dass eine Einwilligung
erteilt wurde. Lediglich in den Ordnungswidrigkeitsverfahren der Bundesnetzagentur ist die Behörde beweispflichtig, dass keine wirksame Einwilligung vorlag. Es muss aber immer einen Verbraucher geben, der Opfer der unerlaubten Praxis des Telefonanrufs ohne Einwilligung geworden ist, der der Bundesnetzagentur bekannt ist. Wenn dieser aber nicht bezeugen kann, dass er keine Einwilligung zur Telefonwerbung erteilt hat, sollte auch kein Bußgeld wegen eines Telefonwerbeanrufs aufrechterhalten werden.

Eine zusätzliche Dokumentationspflicht belastet die lauter agierenden Unternehmen. Es müsste für jeden Anrufversuch zunächst
dokumentiert werden, dass eine Einwilligung vorliegt. Das bedeutet in einem Callcenter unzählige zusätzliche Arbeitsschritte, die abgearbeitet werden müssen, und eine riesige Datensammlung. Dies steht in keiner Weise im Verhältnis zum angestrebten Zweck der Maßnahme, der Bundesnetzagentur das Verhängen von Bußgeldern zu erleichtern, indem die Ordnungswidrigkeit vom unerlaubten Anruf zur mangelnden Dokumentation vorverlegt wird.

Verkürzung vom Vertragslaufzeiten

Leichte Verbesserungen brachte der Regierungsentwurf im Hinblick auf die Laufzeitvereinbarungen von Dauerschuldverhältnissen: Im Gegensatz zum Referentenentwurf sind Laufzeitvereinbarungen von Abonnements
unter Einbeziehung von allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von zwei Jahren künftig noch möglich, allerdings nur, wenn dem Verbraucher zugleich auch ein Vertrag mit einjähriger Laufzeit angeboten wird, der den gewichteten Preis der längeren Laufzeit nicht um mehr als 25 Prozent übersteigen darf. Auch eine automatische Verlängerung von bis zu einem Jahr bleibt im Gegensatz zum Referentenentwurf erhalten. Allerdings muss das Unternehmen den Verbraucher in Textform frühestens vier und spätestens zwei Monate vor Eintritt der automatischen Verlängerung über den Zeitpunkt, wann die Vertragslaufzeit endet, wie lange sich der Vertrag verlängert, wenn nicht gekündigt wird, und wann die Kündigung dem Unternehmer spätestens zugehen muss, informieren. Der Referentenentwurf hatte noch vorgesehen, Abolaufzeiten auf ein Jahr zu begrenzen und nur noch eine automatische dreimonatige Verlängerung zuzulassen.

Der ZAW hat sich hierzu bereits frühzeitig geäußert und deutlich gemacht, dass eine unverhältnismäßige Begrenzung der Vertragsfreiheit nicht nur massiv in die unternehmerische Finanzierung von Angeboten eingreift und diese substantiell erschwert, wenn sie diese nicht sogar unmöglich macht, sondern auch auf den Umstand hingewiesen, dass das Verbot längerer Vertragslaufzeiten preistreibende Effekte für die Verbraucher nach sich ziehen wird.

Daneben wäre auch die werbewirtschaftliche Refinanzierung unmittelbar nachteilig betroffen. Die Werbeerlöse sind abhängig von der Auflagenhöhe und der hierüber erzielten Reichweite einer Medienmarke. Der Abonnementauflage kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu. Jeder Eingriff in die Auflage und damit Reichweite eines Medienprodukts wirkt sich im Werbemarkt und im Vertriebsmarkt nachteilig aus. Im Werbemarkt kann aber nicht durch höhere Preise (zulasten der Verbraucher) gegengesteuert werden, da diese nichts an der verringerten Reichweite und damit an der Einbuße bei einem zentralen werbewirtschaftlichen Preisparameter ändern. Als Folge könnten die werbewirtschaftlichen Erlöse noch weiter sinken.

Stand: April 2021