Wissensgesellschaft – ein Verschleierungsbegriff?
Das jüngste Projekt der Digitalen Allmend hat abgehoben. Zu viert haben wir am 27. November die Lesegruppe Wissensgesellschaft gestartet. So eine Gesprächsrunde zu entwickeln ist eine Herausforderung. Leute mit verschiedenen Hintergründen sollen sich intensiv einbringen und gleichzeitig einen anspruchsvollen Text im Auge behalten. Das ist ganz gut gelungen.
Die Vorteile des Textes von Gemperle / Streckeisen (1) zeigten sich darin, dass niemand von der Position der Autoren begeistert war und der Text aber anregende Schlaglichter auf Entstehung und Vertreter des Konzepts von Wissensgesellschaft wirft. Hier einige der Punkte, um die sich unsere Diskussion gedreht hat.
Kann die Durchdringung mit IT-Technologie als Indikator für die Wissensgesellschaft angesehen werden? Die Autoren meinen nein und kritisieren eine Studie des Staatssekretariats für Wirtschaft (seco). In der Diskussion wurde bemerkt, dass die Autoren an keiner Stelle nachweisen, dass die kritisierte Studie übertriebene Schlussfolgerungen in Richtung Wissensgesellschaft zieht.
Im Abschnitt zum sozialwissenschaftlichen Post-Syndrom wurden die Ausführungen zu den fünfziger und sechziger Jahren als interessant taxiert. Da wird etwa Daniel Bells „The Coming of the Post-Industrial Society“ vorgestellt. Eher enttäuschte Äusserungen hat es zu den neueren Autoren gegeben, die ziemlich verkürzt „in die Pfanne gehauen“ werden.
Wo Gemperle / Streckeisen (andere) linke Positionen kritisieren, machen sie ihr Anliegen dann ziemlich klar. Jede Verwendung von Begriffen wie Informations- oder Wissensgesellschaft scheint für sie „einer kritischen Analyse der gesellschaftlichen Wirklichkeit im Wege zu stehen“ (S. 25). In der Diskussion haben wir aber mehrmals festgestellt, dass die Autoren selber auch einer von ihnen kritisierten pauschalisierenden und abstrakten Betrachtung verhaftet bleiben.
Ein lebhaftes Gespräch hat sich um die Frage entwickelt, wie weit Leitvorstellung und Strukturwandel der Wissensgesellschaft direkt zur Ausgrenzung von sozial Schwächeren führt, die nicht mit der Leichtigkeit des smarten Mittelstands agieren können.
In der Diskussion ist auch der Wunsch laut geworden, Grundbegriffe wie Information oder Wissen zumindest ein Stück weit zu klären. Das ist nun zu einem Eintrag in der nice to read Liste geworden, wir suchen einen geeigneten Text dazu. Weiter auf der Liste sind ein Kapitel zu Castells Netzwerkgesellschaft in (2) und ein Text zu Creative Commens (3). Weiter geht’s im Januar.
Urs
1) „Einleitung zur Diskussion ¸ber die Wissensgessellschaft.“ in: Gemperle, M.; Streckeisen, P. (Hrsg.): Ein neues Zeitalter des Wissens? Kritische Beiträge zur Diskussion über die Wissensgesellschaft. Zürich: Seismo, 2007. 280 S.
2) Jochen Steinbicker. Zur Theorie der Informationsgesellschaft: ein Vergleich der Ansätze von Peter Drucker, Daniel Bell und Manuel Castells.
3) „Uses of Creative Commons Licenses“. http://jcmc.indiana.edu/vol13/issue1/kim.html