Knabenchor
In einem Knabenchor bzw. bei den Sängerknaben werden im Gegensatz zu einem gemischt besetzten Kinder- und Jugendchor die Sopran- und Altstimmen von Jungen („Knaben“) gesungen.
Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die Wurzeln der heutigen Knabenchöre liegen in Kurrenden und Kapellen (siehe a cappella) des Früh- und Hochmittelalters. Insbesondere in Kirchen, wo weiblicher Gesang noch bis ins 19. Jh. verboten war, wurden Jungen und kastrierte Männer eingesetzt. Die heute existierenden Knabenchöre sind traditionell der Kirchenmusik verbunden.
Der ausschließliche Einsatz von Jungen vor dem Stimmwechsel sowie dessen Verhinderung durch die Entfernung der Hoden lässt sich allein historisch begründen, da sich die Stimmen von gleich ausgebildeten Jungen und Mädchen nur wenig – hinsichtlich der Klangfarbe – unterscheiden.[1] Deutlich sind hingegen die Unterschiede erwachsener männlicher und weiblicher Sopran- bis Alt-Stimmen im Vergleich zu Kinderstimmen.
Das endgültige Kastrationsverbot von 1903, ausgesprochen durch Papst Pius X.[2] verdrängte die Knabenchöre nicht, obwohl auch „gemischte“ Kinderchöre und Mädchenchöre entstanden. Im 20. Jahrhundert, besonders in der Nachkriegszeit, wurden viele Knabenchöre neu gegründet.
Knabenchöre heute[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die bekanntesten Knabenchöre des deutschsprachigen Raums sind die traditionsreichen Kirchenchöre:
- Singknaben der St. Ursenkathedrale Solothurn (gegründet 742/1971) (CH)[3]
- Aachener Domchor (gegr. 796)
- Regensburger Domspatzen (gegr. 975)
- St. Florianer Sängerknaben (gegr. 1071) (A)
- Stadtsingechor zu Halle (gegr. 1116)
- Thomanerchor in Leipzig (gegr. 1212)
- Dresdner Kreuzchor (gegr. im 13. Jahrhundert)
- Rottweiler Münstersängerknaben (gegr. im 13. Jahrhundert)[4]
- Wiltener Sängerknaben (gegr. im 13. Jahrhundert) (A)
- Freiburger Domsingknaben (gegr. im 13. Jahrhundert)
- Augsburger Domsingknaben (gegr. vor 1440/1976)
- Staats- und Domchor Berlin (gegr. 1465/1843)
- Wiener Sängerknaben (gegr. 1498) (A)
- Dresdner Kapellknaben (gegr. 1709)
- Kölner Domchor (gegr. 1863)
- Mainzer Domchor (gegr. 1866)
- Stuttgarter Hymnus-Chorknaben (gegr. 1900)
Dazu kommen einige Neugründungen des 20. Jahrhunderts:
- Wuppertaler Kurrende (gegr. 1924)
- Knabenkantorei Basel (gegr. 1927) (CH)
- Knabenchor Unser Lieben Frauen Bremen (gegr. 1945)
- Windsbacher Knabenchor (gegr. 1946)
- Lübecker Knabenkantorei (gegr. 1948)
- Knabenchor Hannover (gegr. 1950)
- Münchner Chorbuben (gegr. 1952)
- Tölzer Knabenchor (gegr. 1956)
- Hamburger Knabenchor St. Nikolai (gegr. 1960)
- Zürcher Sängerknaben (gegr. 1960) (CH)
- St.-Martins-Chorknaben Biberach (gegr. 1962)
- Göttinger Knabenchor (gegr. 1962)
- Chorknaben Uetersen (gegr. 1965)
- Limburger Domsingknaben (gegr. 1967)
- Knabenchor der Jenaer Philharmonie (gegr. 1976)
- Aurelius Sängerknaben Calw (gegr. 1983)
- Knabenchor collegium iuvenum Stuttgart (gegr. 1989)
- Capella vocalis (gegr. 1993)
- Knabenchor der Abtei Niederaltaich, Pueri Cantores Altahensis (gegr. 2001)
- Knabenchor der Chorakademie Dortmund (gegr. 2002)
- Knabenchöre des Cantus Juvenum Karlsruhe (gegr. 2006)
- Bardel Boys Choir (gegr. 2017)
Die meisten Knabenchöre sind vollstimmig (SATB) besetzt. Eine Ausnahme sind die Wiener Sängerknaben, die ausschließlich über Sopran- und Altstimmen verfügen. Viele Sänger bleiben nach dem Stimmwechsel im Chor und singen in einer Männerstimme. Bei Bedarf werden für die Männerstimmen auch chorfremde Sänger verpflichtet.
Neben traditionellen liturgischen Aufgaben in Gottesdiensten gehören Konzerte zu den wesentlichen Aufgaben dieser Chöre.
Entsprechend dem Alter der Sänger von höchstens 14 Jahren sind die künstlerischen Gestaltungsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
Aufgrund von Nachwuchsproblemen wird zuweilen die Ergänzung der Sopran- und Altstimmen durch Mädchen gefordert,[5] so z. B. für den Thomanerchor.[6]
Werke für Knabenchor[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Gustav Mahler: Das klagende Lied für Soli, Knabenchor, gemischten Chor, großes Orchester und Fernorchester (1878–1880).
- Richard Wetz: Gesang des Lebens für Knabenchor und Orchester op. 29 (1908)
- Benjamin Britten: A Boy was Born, Variationen für gemischten Chor und Knabenchor op. 3 (1933)
- Benjamin Britten: Missa brevis D-Dur für Knabenchor und Orgel op. 63 (1959)
- Benjamin Britten: The Golden Vanity, Text von Colin Graham, für Knabenchor und Klavier op. 78 (1966)
Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Alexander Rausch: Sängerknaben. In: Oesterreichisches Musiklexikon. Online-Ausgabe, Wien 2002 ff., ISBN 3-7001-3077-5; Druckausgabe: Band 4, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2005, ISBN 3-7001-3046-5.
- Alphons von Aarburg: Engel, Bengel, Harfenklänge
Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- The Boy Choir & Soloist Directory (englisch)
Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- ↑ Ann-Christine Mecke: Warum Mädchen nicht in Knabenchören singen. Beitrag zur Tagung Geschlechterkonkurrenzen: Männer-Männer, Männer-Frauen, Frauen-Frauen. 2. bis 4. Februar 2006, TU Dortmund (PDF; 266 kB).
- ↑ vgl. das Apostolische Schreiben Tra le sollecitudini, 22. November 1903: Absatz V. Cantori, Nr. 13.
- ↑ Porträt. Website der Singknaben der St. Ursenkathedrale Solothurn, abgerufen 20. Juli 2019.
- ↑ Geschichte. Website der Rottweiler Münstersängerknaben, abgerufen 20. Juli 2019.
- ↑ Experte: Knabenchöre brauchen in Zukunft Mädchenstimmen. Hamburger Morgenpost, 25. Februar 2002.
- ↑ Mädchen singen, Knaben klingen. MDR Figaro-Café, 17. Juni 2012 (Memento vom 12. April 2013 im Webarchiv archive.today).