Passwörter schützen statt rausgeben – dieser Entwurf muss überarbeitet werden

Am vergangenen Freitag hat das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität vorgestellt. D64 begrüßt zwar grundsätzlich das Vorhaben, das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) zu überarbeiten und insbesondere gegen rechtsextreme Hasskriminalität vorzugehen.

D64 lehnt jedoch die im Entwurf enthaltenen weitreichenden Befugnisse von Sicherheitsbehörden gegenüber digitalen Plattformen – u.a. die Speicherung und Herausgabe von IP-Adresse, Portnummer und Passwörtern – als völlig unverhältnismäßigen Eingriff in Grundrechte ab und fordert eine grundlegende Überarbeitung des Entwurfs.

“Rechtsextremismus und Hasskriminalität müssen auch im Internet bekämpft werden. Gleichzeitig darf diese Bekämpfung weder als Vorwand für Vorratsdatenspeicherung noch für die Weitergabe von Passwörtern missbraucht werden. Wir fordern deshalb eine Überarbeitung des Entwurfs. Dieser muss die Datensicherheit und Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger sicherstellen und darf ihre freiheitlichen demokratischen Grundrechte nicht beschneiden.”, sagt D64-Vorstandsmitglied Lena Stork.

Effektive Strafverfolgung ist ohne die Herausgabe von Passwörtern möglich und sinnvoll. Bereits mit dem NetzDG sind die Betreiber dazu angehalten, strafbare Inhalte zu löschen. Selbstverständlich ist es notwendig über die Löschung hinaus strafbare Inhalte den Strafverfolgungsbehörden zuzuführen. Hierfür benötigen Bund und Länder mehr digital-versierte Polizeikräfte sowie Staatsanwältinnen und -anwälte, anstelle von ausufernden und unkontrollierten Überwachungskompetenzen.

Die Herausgabe vertraulicher Passwörter sowie die automatisierte Weiterleitung von IP-Adressen in Verdachtsfällen sind beides Forderungen, denen wir vehement widersprechen. Stattdessen sollte sich das BMJV dafür einsetzen, dass Unternehmen und Organisationen Passwörter so speichern, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter keinen Zugriff auf diese sensiblen Daten haben können. Wir fordern sicherere Systeme, statt mehr Unsicherheitsfaktoren. Zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger gilt es, die Prinzipien “Datenschutz und Sicherheit by Design” konsequent umzusetzen.

Auch aus technischer Sicht ist der Vorstoß des BMJV als antik und unsinnig einzustufen. Es ist Branchenstandard und Anforderung der Datenschutzgrundverordnung Passwörter nicht im Klartext zu speichern, sondern nur ein Abbild (“Hash”), um die Passwörter bei Diebstahl unbrauchbar zu machen. Die technische Umsetzung des Zwangs, Passwörter zu speichern und zugänglich zu machen, würde Unternehmen zwingen, sich den Anforderungen der Datenschutzgrundverordnung zu widersetzen, die Datensicherheit von Millionen Menschen gefährden und damit auch Deutschland als sicheren Digitalstandort mit starkem Datenschutz international schwächen.

Angesichts des fortwährenden Ausbaus der Befugnisse der Sicheitsbehörden werden grundrechtliche Freiheiten mehr und mehr eingeschränkt. Die Bundesregierung sollte sich vor Augen führen, dass sie nicht nur die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger, sondern auch das freiheitliche Zusammenleben schützen muss. Dafür ist es unabdingbar, dass ein Leben ohne staatliche Überwachung möglich ist. Dies ist insbesondere angesichts erstarkender autoritärer Regierungen, die auch in Europa um sich greifen, von herausragender Bedeutung.

Think Global – Act Local

Wer eine der Maximen der Digitalen Transformation, think global – act local, ernst nimmt und ihre gesellschaftliche Notwendigkeit begreift, versteht auch, dass weder die kulturellen Baustellen noch Lösungen ausschließlich in Berlin, auf der Bundesebene oder in exklusiven Kreisen gelöst werden können. Auch als digitaler Verein ist uns der persönliche Austausch und die Interaktion auf kommunaler Ebene ein besonders wichtiges Anliegen. Deshalb haben wir in diesem Herbst das netzkultur_festival in Freiburg finanziell unterstützt und wünschen uns, dass das Konzept auch andere kommunale Akteure inspiriert.

Kultureller Wandel

Der kulturelle Wandel kann nur erfolgreich gestalten werden, wenn möglichst viele mitanpacken „können“. Dieses Können setzt sich zusammen aus dem Wissen und Verständnis der bestehenden Probleme und der Befähigung, sie lösen zu können. Und genau das liegt bei vielen Herausforderungen der Netzkultur nicht vor. Wie könnte aber das Informieren, Lernen und Gestalten dazu in der gesamtgesellschaftlichen Breite mehr ankommen? Vielleicht in einladenden Angeboten, die nicht nach Arbeit und Belastung riechen.

Foto Fionn Große

netzkultur_festival

In Freiburg heißt eine Lösung darauf netzkultur_festival, eine Veranstaltung die letzten Monat in einer der attraktivsten Räumlichkeiten der Region, dem Kreativpark Lokhalle, zum ersten Mal stattfand. Organisiert hat das Festival #freiburg_gestalten, ein agiles Netzwerk von ehrenamtlich Engagierten, das sich mit dem Thema Digitale Transformation kommunal befasst. Finanziert und als kostenfreies Angebot ermöglicht, wurde das Vorhaben über einige Sponsoren, u.a. auch D64. Die Idee des Festivals ist es, mit diversen Themen und Speaker_innen das breite Spektrum der Netzkultur abzubilden und im lockeren Rahmen eines Festivals möglichst viele Menschen mit und ohne Internethintergrund anzusprechen. Aber ein weiteres Ziel ist auch, einen Raum für mehr interdisziplinären Austausch zur Verfügung zu stellen.

In der Digitalen Transformation brauchen Menschen neben dem Netz auch physische Begegnungsräume und zwar in der Umgebung, in der sie sich die meiste Zeit aufhalten. Deshalb ist die kommunale Betrachtung so grundlegend wichtig und notwendig. Wo diese Räume fehlen, können sie geschaffen werden. Auch das ist eine Erkenntnis der Transformationsprozesse: Nicht darauf zu warten, dass eine Anweisung von oben kommt und günstige Voraussetzungen zu erhalten, sondern die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, sich Verbündete zu suchen, neue Wege zu gehen und günstige Voraussetzungen zu schaffen. Hier könnte das netzkultur_festival eine Blaupause für andere Städte und Regionen sein, als Projekt aus der Zivilgesellschaft für die Zivilgesellschaft.

Foto Fionn Große

 

Beim netzkultur_festival kamen ca. 70% der Speakerinnen und Speaker aus dem lokalen und 30% aus dem überregionalen Raum, weil es darum ging, die Expertise vor Ort sichtbar zu machen und an der kommunalen Entwicklung zu beteiligen. In der Digitalen Transformation müssen die Prophetinnen und Propheten im eigenen Land wertgeschätzt werden, um wirksame und nachhaltige Prozesse zu erreichen. Wer das Fehlen netzkultureller Angebote und eines Diskurses in seiner Umgebung beklagt, sollte sich spätestens jetzt Gedanken machen, welche Verbündete er alle mit ins Boot holen könnte, um sich mit ihnen gemeinsam auf den Weg zu machen, weil im kulturellen Wandel immer noch gilt: Think Global – Act Local.

Wer mehr zur Organisation des netzkultur_festivals wissen oder sich noch Inspiration abholen möchte, kann sich gerne bei unserem Vorstandsmitglied Dejan Mihajlović (dejan.mihajlovic@d-64.org) melden.

Nachruf auf Jimmy Schulz

Jimmy Schulz ist tot. Wir verneigen uns tief vor ihm, denn er hat als
unermüdlicher Streiter für eine bessere Digitalpolitik in diesem Land
gekämpft und ist stets für die Bürgerrechte in der digitalen Zeit
eingetreten. Jimmy hat mit seiner positiven Grundeinstellung viele
Menschen mitgerissen und er hat früh Zeichen gesetzt und stets
versucht, sein Umfeld aufzurütteln. So hat er 2010 im Bundestag eine
Rede gehalten und dabei vom iPad abgelesen, was zu einer Veränderung
der Geschäftsordnung des Bundestages führte. Das iPad ist mittlerweile
im Haus der Geschichte zu bewundern. Jimmy hat LAN-Parties im
Bundestag abgehalten, um für eine größere Akzeptanz von
Computerspielen zu werben, er hat Krypto-Parties organisiert, um
moderne Verschlüsselungstechnologien näher zu. bringen.

Jimmy hat immer gemacht, war immer ein Anlaufpunkt, auch als er nicht
im Bundestag war. Selbst als ihm der Krebs schon sehr zugesetzt hatte,
hat Jimmy immer nicht aufgegeben, hat Sitzungen per Videocall verfolgt
und sich weiter in die Debatten eingebracht. Zuletzt habe ich Jimmy
beim 48forward Festival in München getroffen, bei der er eine seiner letzten Reden hielt:
Habt Mut! Wege aus der selbstverschuldeten digitalen Unmündigkeit.

D64 verliert einen guten Freund und unermüdlichen Kämpfer für die gute
Sache. Unser Mitgefühl gilt seiner Frau und seinen Kindern. Jimmys
Stimme wird fehlen, aber wir werden ihn nicht vergessen.

Nico Lumma
(D64-Gründungsmitglied und ehem. Co-Vorsitzender)

und der D64-Vorstand

Im vergangenen Sommer hat Jimmy Schulz ein sehr lesenswertes Interview mit dem Spiegel geführt, das man nur jeder und jedem ans Herz legen kann.

Foto: CC-BY-SA 4.0 Sanjar Khaksari

Grundrechte zuerst. E-Evidence second.

D64 fordert eine grundlegende Überarbeitung der aktuellen Vorschläge rund um die “E-Evidence-Verordnung”. Der diskutierte Entwurf sieht einen erheblichen Eingriff in die Grundrechte von Millionen Bürgerinnen und Bürgern vor und schafft rechtsstaatliche Kontrolle über Strafverfahren faktisch ab.

Derzeit berät das Europäische Parlament den Vorschlag für eine Verordnung über Europäische Herausgabeanordnungen und Sicherungsanordnungen für elektronische Beweismittel in Strafsachen (kurz EPOC- oder E-Evidence-Verordnung). Der Entwurf will die Sicherung und Herausgabe elektronischer Beweismittel bei grenzüberschreitenden Strafverfahren beschleunigen, sieht dabei aber eine Abkehr von bestehenden Grundprinzipien der Rechtshilfe, erhebliche Grundrechtseingriffe und einen weitgehenden Verzicht auf rechtsstaatliche Kontrolle vor.

D64 begrüßt zunächst das zugrundeliege Ziel der Verordnung, dass Strafverfolgungsbehörden eines Mitgliedstaates (Anordnungsstaat) die Möglichkeit erhalten sollen, Bestands-, Verkehrs- und Inhaltsdaten direkt von einem in einem anderen Mitgliedstaat (Vollstreckungsstaat) ansässigen Provider heraus zu verlangen.

Dem folgt allerdings ein großes Aber: Eine Einbeziehung der zuständigen Behörde im Vollstreckungsstaat ist nur in bestimmten Fällen vorgesehen. Die anordnende Behörde soll zwar zeitgleich mit der Herausgabeanordnung eine Mitteilung an die zuständige Behörde im Vollstreckungsstaat übersenden. Diese kann allerdings nicht die Verletzung von Grundrechten rügen. Sie kann der anordnenden Behörde lediglich Hinweise bezüglich bestimmter Vorrechte, Immunitäten oder drohender Beeinträchtigung der nationalen Interessen geben. Im Ergebnis gehen also rechtstaatliche Kontrollmechanismen in den nationalen Prozessordnungen ins Leere – eine äußerst problematische Vorstellung.

In der Konsequenz kann die Verordnung schwerwiegende Folgen haben.

Bereits jetzt gehen Interpretationen über strafwürdige Sachverhalte in der Europäischen Union teils weit auseinander – man möge nur an rechtspopulistisch regierte Mitgliedsstaaten wie Ungarn denken. In der Konsequenz kann das dazu führen, dass Provider in und die Vollstreckungsstaaten selbst bei einer strafrechtlichen Verfolgung mitwirken, obwohl die jeweilige Tat im eigenen Land legal ist. Im Extremfall werden Provider oder Vollstreckungsstaaten hier zu Helfern politischer Verfolgung.

Der Provider muss die Anordnung binnen 10 Tagen, in Notfällen binnen 6 Stunden, befolgen. Ähnlich wie beim US Cloud-Act können die Anordnungen sich auch gegen Provider mit Sitz in einem Drittstaat richten. Entscheidend soll sein, ob die Nutzung der angebotenen Dienste Personen in der EU möglich ist. Damit Gesetze oder die zuständigen Behörden des Drittstaates die Herausgabe nicht untersagen, braucht es zwar Abkommen mit diesen Staaten, die EU und die USA verhandeln ein solches Abkommen bereits.

D64 fordert die Zurückstellung des Entwurfs

Zweifel bestehen zudem, ob die Verordnung überhaupt erforderlich ist. Die erst 2017 in den Mitgliedstaaten umgesetzte Richtlinie über die Europäische Ermittlungsanordnung sollte durch verbindliche Regelungen die grenzüberschreitende justizielle Zusammenarbeit verbessern. Die Wirkungen des Gesetzes wurden bisher jedoch noch nicht evaluiert.

Vor diesem Hintergrund fordert D64 die Zurückstellung des Entwurfs bis eine umfassende Evaluierung der Richtlinie über die europäische Ermittlungsanordnung stattgefunden hat. Darüber hinaus muss der aktuelle Vorschlag unabhängig vom Zeitpunkt des Erlasses grundlegend überarbeitet werden und am Ende folgende drei Punkte berücksichtigen:

  1. Vollstreckungsstaat und Provider benötigen effektive Möglichkeiten, die Verletzung von Grundrechten zu rügen.
  2. Die gegenseitige Anerkennung von justiziellen Akten wird auf die Fälle gegenseitiger Strafbarkeit begrenzt.
  3. Berufsgeheimnisträger werden umfassend geschützt.

Stoppt das Digitale-Versorgung-Gesetz

Die Bundesregierung muss ihre Datenschutz-Hausaufgaben machen: Das Digitale-Versorgung-Gesetz darf den Bundestag nicht passieren

Am Donnerstag entscheidet der Bundestag über das von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn vorgelegte Gesetz für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation (kurz Digitale-Versorgung-Gesetz oder DVG). D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt ruft die Abgeordneten des Bundestags auf, den Gesetzesentwurf in die Ausschussberatung zurückzusenden. Sollte der Entwurf in der aktuellen Form weiterhin zur Abstimmung stehen, empfiehlt D64 den Abgeordneten des Deutschen Bundestags wegen erheblicher datenschutzrechtlicher Mängel die Ablehnung.

„Die Grundidee, der medizinischen Forschung mehr Daten zur Verfügung zu stellen, ist gut. Wir unterstützen dies im Allgemeinen. Die konkrete, gesetzgeberische Ausgestaltung ist aus Sicht des Datenschutzes jedoch inakzeptabel. Durch das Digitale-Versorgung-Gesetz entsteht eine riesige zentrale Datensammlung für deren Schutz der Gesetzesentwurf keine Regelungen findet. Hinzu kommt, dass auch pseudonymisierte Daten Rückschlüsse auf die Versicherten liefern können – das ist im Bereich von Gesundheitsdaten unverantwortlich. Hier muss der Bundesgesundheitsminister dringend nachbessern und vor allem auch den öffentlichen Dialog suchen“, fordert der D64-Co-Vorsitzende Henning Tillmann.

Die Sprecherin der D64 AG E-Health, Elif Kücüktas, ergänzt: „Dass es nicht einmal die Möglichkeit des Widerspruchs für die Datenweitergabe gibt, ist gesellschaftlich kaum zu vermitteln. Wenn einerseits beim Surfen im Internet Cookie-Banner im Überfluss weggeklickt werden sollen, andererseits sensible Daten von Versicherten ohne Kenntnis, grundlegendem Schutz und Widerspruchsmöglichkeiten weitergegeben werden, führt dies zu einem groben Missverhältnis.

Das Digitale-Versorgungs-Gesetz enthält neben der Datenweitergabe von Patientendaten der Krankenversicherung an Forschungseinrichtungen weitere digitalpolitische Maßnahmen im Gesundheitsbereich, wie z. B. Gesundheits-Apps auf Rezept. D64 bemängelt außerdem, dass entscheidende Details nicht in dem Gesetz selbst, sondern in einer kommenden Verordnung des Gesundheitsministers geregelt werden sollen. D64 ruft die Bundesregierung auf, den Gesetzesentwurf zurückzuziehen, alle Details dort einzuarbeiten und somit grundlegend zu überarbeiten.

Lang lebe die Superklausur – D64 auf Klassenfahrt in Erfurt

Am letzten Oktober-Wochenende 2019 fand nicht nur die Landtagswahl in Thüringen, sondern auch die jährliche Superklausur von D64 statt – passenderweise in Erfurt. Rund 60 Mitglieder aus allen Himmelsrichtungen kamen für zwei Tage nach Mitteldeutschland und genossen nicht nur Rostbratwurst und Donauwelle, sondern tauschten sich auch intensiv über Digitalpolitik, das zurückliegende Jahr und die zukünftige Arbeit unseres Vereins aus.

Zwei ganz besondere Höhepunkte wurden uns von unseren Mitgliedern Valentina Kerst und Leonhard Dobusch geliefert. Während Valentina Kerst uns einen Einblick in ihre Tätigkeit als Staatssekretärin in Thüringen gab und über die digitalpolitische Arbeit auf Landesebene berichtete, führte uns Leonhard Dobusch, der das Interesse „des Internets“ im Fernsehrat vertritt, in die Arbeit des Fernsehrats und die damit verbundenen Chancen und Herausforderungen im Öffentlichen Rundfunk ein.

Natürlich haben wir auch das Jahr 2019 Revue passieren lassen. Neben der Veröffentlichung von drei Papieren und zahlreichen regionalen Veranstaltungen wie Stammtischen, stand hier ganz besonders unser Wirken gegen Artikel 13 der EU-Urheberrechtsreform im Fokus. Obwohl die EU-Abgeordneten letztendlich in der Abstimmung nicht entsprechend unserer Forderungen abstimmten, konnten wir die öffentliche Debatte aktiv mitgestalten und trugen dazu bei, die öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema und die Problematik zu erhöhen. Auch konnten wir zumindest die SPD-Vertreterïnnen überzeugen. Somit ist unser Einsatz hier zumindest als Teil-Erfolg zu bewerten.

Die Planung und Ausgestaltung der kommenden Themenschwerpunkte wurde hauptsächlich von acht unserer Arbeitsgemeinschaften vorangetrieben. Dabei ging es um digitale Demokratie, künstliche Intelligenz, Digitalisierung & sozial-ökologische Nachhaltigkeit, digitale Bildung, Blockchain, digitale Kreativwirtschaft, E-Health und die Förderung von Startups. Zum ersten Mal stand auch ganz konkret der Wissensaustausch unter den Mitgliedern im Vordergund: In sog. Knowledge Pills haben Expertinnen und Experten ihr Praxiswissen in unterschiedlichen Bereichen der Vereinsarbeit weitergegeben und praktische Verfahren erläutert, die jedes Mitglied auch selbst anwenden kann – sei es die Organisation einer Veranstaltung oder einer Kampagne, der Schreibprozess für Positionspapiere oder die Mitwirkung an unserem Ticker (den man hier abonnieren kann).

Die Superklausur dient somit erneut als idealer Ausgangspunkt für unsere inhaltliche Aufstellung und unsere Vorhaben für die nächsten zwölf Monate. Wer mitmachen möchte, kann dem Verein hier beitreten.

KI in China: ein Schritt voraus, aber noch nicht alle Fragen geklärt

 

Mit mehr als 1,3 Milliarden Einwohnern, ist China nicht nur das bevölkerungsstärkste Land der Welt. Seit 2009 ist China bereits Exportweltmeister, bis 2030 will China die globale Führung im Bereich Künstliche Intelligenz übernehmen.

Als Mitglied des Vorstands von D64 hatte ich die Gelegenheit, gemeinsam mit Lars Klingbeil, Gründungsmitglied von D64 und Elvan Korkmaz, MdB, nach China zu reisen und mir die Entwicklungen vor Ort anzusehen.

 

 

Mit dem Fokus auf Digitalisierung und Künstliche Intelligenz haben wir in Peking und Shenzhen verschiedene Unternehmen und Organisationen u.a. aus den Bereichen Autonomes Fahren, Smart City, Fintech, E-Health und Robotik besucht und ihre Produkte und Services kennengelernt und diskutiert.

Ganz offensichtlich reichen fünf Tage nicht aus, um eine vollumfängliche Bestandsaufnahme wiederzugeben. Eine kleine Zusammenfassung möchte ich dennoch teilen:

  1. In China wird KI bereits in unterschiedlichsten Bereichen angewandt. Darunter viele alltägliche Anwendungen und Beispiele, die nicht mit unseren deutschen und europäischen Vorstellungen von Datenschutz und Privatsphäre vereinbar sind – bspw. Bild- und Spracherkennung. Wenn wir die Zukunft von KI mitgestalten möchten, müssen wir uns beeilen, denn die chinesische Technologie ist einsatzbereit.
  2. Wenn gewollt, klappt ein Rollout in China unglaublich schnell, bspw. E-Mobilität. Einem sehr liberalen Ansatz folgend, wird zuerst ausprobiert und dann, wenn nötig, nachträglich reguliert und Infrastruktur angepasst. Das mag zunächst positiv klingen, birgt aber auch Risiken für die Gesellschaft und Investitionsrisiken für Unternehmen.
  3. Rechtliche und gesellschaftliche Fragen sind zum großen Teil noch ungeklärt. Zwar gibt es bereits Modellregionen für selbstfahrende Autos, wer für mögliche Schäden haftet, konnte uns allerdings bisher niemand beantworten. Auch auf viele andere Fragen, die uns in Deutschland und der EU umtreiben (bspw. Dateneigentum), haben wir hier keine neuen Antworten gefunden.

 

In den Bereichen Hardwareproduktion, Datengenerierung und Datenverarbeitung ist China uns mit Sicherheit einen Schritt voraus. Regulatorisch allerdings gibt es noch Gestaltungsspielraum und genau hier liegt die Chance für Deutschland und Europa – für „Privacy made in Europe“. Diese Lücke sollten wir möglichst schnell besetzen um die Entwicklung und den Einsatz von Künstlicher Intelligenz entsprechend unserer Regulierungen und Werte mitzugestalten.

Wie genau das aussehen kann, dazu haben wir uns bereits in unserem Grundwertepapier zu Künstlicher Intelligenz Gedanken gemacht.

 

 

 

 

D64 fordert umfassende Förderung von Freier Software: Fünf Gründe für Open-Source-Software

Offenheit und Transparenz sind demokratische Grundwerte, die durch die digitale Transformation einen neuen Stellenwert gewonnen haben. Die lebendige Demokratie lebt von dem Wissen und der Mündigkeit ihrer Bürgerinnen und Bürger. Essenziell ist dabei auch die Verwendung von Software, die inzwischen in allen Bereichen der Gesellschaft, auch im Verhältnis von Staat zu Bürgerinnen und Bürgern von großer Bedeutung ist.

Unter anderem um staatliche Unabhängigkeit und Kontrolle über Datenflüsse in diesem wichtigen Bereich sicherzustellen, setzt die öffentliche Hand weltweit verstärkt auf Freie Software, deren Quellcode offen einsehbar ist. So wechselt bspw. die Regierung Südkoreas von Windows zu Linux, Schleswig-Holstein will mittelfristig ausschließlich auf Open-Source-Software umsteigen und auch das Forschungszentrum CERN hat in der letzten Woche angekündigt, vollständig auf offene Software-Lösungen umsteigen zu wollen.

Getreu dem Motto Public Money – Public Code fordert D64 mit seinem Positionspapier “5 Gründe für Open Source” eine deutlich stärkere Förderung von Open-Source-Software und offenen Standards im öffentlichen Sektor. Insbesondere setzt sich D64 für einen gemeinsamen Fond der Kommunen und Länder ein, der die Finanzierung von Fachanwendungen unter der Bedingung freier Lizenzierung sicherstellt. Außerdem sollte gerade auch in den Schulen die gemeinnützige Grundidee, der Umgang mit und die Besonderheiten Freier Software stärker thematisiert werden.

Das gesamte Positionspapier kann hier heruntergeladen werden (PDF): 5 Gründe für Open-Source-Software

 

Die fünf Kernpunkte des Papiers im Überblick:

Software ist politisch

Öffentliche Ausgaben müssen der Gesellschaft nutzen. Deshalb muss der Quellcode von Software, die mit öffentlichen Mitteln entwickelt wurde, auch der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. So entsteht ein für alle staatlichen Gliederungen gemeinsam nutzbarer Pool – ein digitales Allgemeingut.

Mehr Sicherheit mit freier Software

Öffentlicher Code ist transparent und nachprüfbar. Schwachstellen können deshalb von den Entwicklern unmittelbar behoben werden. Neben einem umfassenden Sicherheitskonzept kann so sichergestellt werden, dass Angreifer bei voller Kenntnis des gesamten Quellcodes dennoch keine Schwachstellen finden können.

Geringere Kosten mit freier Software

Softwaremonopole diktieren den Verwaltungen die Nutzungsbedingungen. Die Behörden müssen anschaffen, was ihnen angeboten wird, sie verlieren ihre Handlungsmacht. Freie Software wirkt dem entgegen und bricht die Monopole.

Besondere Synergie-Effekte ergeben sich bei den in der Verwaltung nötigen Fachanwendungen. Ein gemeinsam entwickelter Software-Pool bietet große Einsparpotentiale und fördert darüber hinaus regionale Entwicklerinnen und Entwickler, die mit der Programmierung oder Anpassung der Software beauftragt werden können und deren Neuentwicklungen dann bundesweit Projekten zugutekommen kann.

Nachhaltigkeit und Innovationsoffenheit dank freier Software

Freie Software kann einfach und schnell angepasst und verbessert werden. Deshalb ist quelloffene Software in besonderem Maße innovationsoffen.

Regionalförderung durch freie Software

Öffentliche Körperschaften können freie Software als Instrument der regionalen Wirtschaftsförderung verwenden. Die Vergabe von Open-Source-Dienstleistungsaufträgen “hält das Geld in der Region” und verhindert den Mittelabfluss an die großen Softwarehäuser. Gleichzeitig ermöglicht der Einsatz regionaler Entwicklerinnen und Entwickler auch eine Anpassung der Programme an die jeweiligen regionalen Bedürfnisse undBesonderheiten.

Die vollständige Version mit Hintergrundinformationen zu allen fünf Punkten sowie einem Forderungskatalog findet sich hier: 5 Gründe für Open Source

Die Zukunft des Internets: Mehr als Facebook, Google und Co

Dieser Text unseres Co-Vorsitzenden Henning Tillmann erschien als Gastartikel in der Zeitschrift „Politik und Kultur“ (06/2019) des Deutschen Kulturrats. Die Ausgabe kann hier als PDF-Fassung heruntergeladen werden. Die Zeitschrift verzichtet leider vollständig auf eine gegenderte Sprache.

Die technische Grundlage des World Wide Webs ist beispielgebend für Heterogenität und Gleichberechtigung: Jeder Inhalt ist über eine einzigartige URL ansprechbar. Diese URL mag zwar in manchen Fällen lang und kryptisch sein, aber ist die Adresse einmal abgespeichert, kann der Inhalt beliebig oft abgerufen werden – bis der Anbieter des Inhalts diesen vom Netz nimmt. Eben jene Dezentralität war der Grundpfeiler des Web der ersten 20 Jahre. Tim Berners-Lee, der 1989 das World Wide Web erfand, sagte zum 30-jährigen Geburtstag dem britischen Guardian: „Der entscheidende Faktor ist die URL. Das Entscheidende ist, dass man zu allem verlinken kann.“
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Politische Kommunikation im digitalen Raum – Wie wir das Internet noch besser machen

Der EU-Wahlkampf ist auf der Zielgeraden und wieder stehen die sozialen Medien im Fokus: Twitter sperrt die Accounts von Politiker*innen und Medien, Politiker*innen schalten Werbungen auf allen Kanälen und Parteien unterstützen mit speziell eingerichteten Online-Redaktionen. Kurzum: Das Internet ist längst zum zentralen Platz für die politische Auseinandersetzung geworden – im positiven wie im negativen Sinn.

Was der Fokus auf die sozialen Medien auch zeigt: Es benötigt Veränderungen. Die Zivilgesellschaft muss gestärkt werden, demokratische Parteien müssen sich auf Regeln verständigen und gesetzliche Regelungen so getroffen werden, dass sie eine starke demokratische Kultur ermöglichen. Wie genau das funktionieren soll, haben wir in unserem Impulspapier Politische Kommunikation im digitalen Raum zusammengefasst.

Das Papier kann hier heruntergeladen werden (PDF).

Die wichtigsten drei Punkte davon hier noch einmal in pointierter Form: 

Soziale Medien sind nicht die Coffee To Go-Becher der politischen Kommunikation

Viele der Social Media-Kanäle, die jetzt rege vor sich hin wahlkämpfen werden ab dem Montag nach der Wahl erstaunlich schnell verstummen. Doch gerade in den sozialen Medien ist es wichtig, erreichbar zu bleiben und in ständigem Dialog mit Bürger*innen zu sein. Um dies in der Breite zu ermöglichen, sollten Parteien ihren Mitgliedern eine Vielzahl medial aufbereiteter Vorlagen und Informationsmöglichkeiten zur Verfügung stellen. Denn nur wer auf ein durchdachtes Kommunikationskonzept zurückgreifen kann, wird dazu befähigt, im digitalen Raum breite Wählergruppen anzusprechen.

Unternehmen sind ungeeignet, politische Diskurse zu leiten

Wie die Beispiele der Twitter-Sperrungen von Sawsan Chebli bis hin zur Jüdischen Allgemeinen zeigen, sind Unternehmen ungeeignet, um einen Rahmen für demokratische Diskussionen vorzugeben. Wir fordern deshalb, drei Monate vor Wahlen auf Landes-, Bundes-, oder Europa- Ebene öffentlich-rechtlich berufene staatsferne Kommissionen Lösch- und Unsichtbarkeitsmachungsmechanismen für politische Kanäle zugänglich zu machen. Sie sollen dafür sorgen, dass politische Diskussionen nach gesetzlichen und nicht nach Firmenregeln ablaufen.

Niemand hat die Absicht, Parteimedien zu etablieren

Parteieigene “Newsrooms” sind in aller Munde. Dass Parteien von einer klaren Trennung zwischen klassischen und “neuen” Medien abgekommen, ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung. Doch der Aufbau von parteieigenen und geschlossenen Mediensystemen ist gefährlich: Die politische Berichterstattung ist bei unabhängigen Medien besser aufgehoben, eine parteienfinanzierte Konkurrenz, die Schönwetterjournalismus betreibt, lehnen wir deshalb ab.

Die vollständige Version inklusive eines ausgearbeiteten Code of Conducts für Parteien, gesetzlichen Regelungen zur politischen Werbung online und Forderungen an die Öffentlichkeitsarbeit von Parteien findet sich hier: Politische Kommunikation im digitalen Raum