Neonazis blieben unter sich
In warmen Sommertönen umwob das Abendlicht der langsam untergehenden Sonne gestern das Rokokoschloss, die klassizistische Musikakademie und die gotisch anmutende Kirche rund um den Triangelplatz in Rheinsberg im Landkreis Ostprignitz-Ruppin. Wo normalerweise Touristen das historische Ensemble bestaunen oder die Idylle mitten im Ruppiner Wald- und Seengebiet suchen, versammelten sich gestern Neonazis. Unter dem Motto: „Abschiebehaft statt Straßenschlacht“ hielt der aus der Kreisstadt Neuruppin angereiste Ortsverband der NPD gemeinsam mit weiteren, vor allem aus Wittstock/Dosse, dem östlichen Havelland sowie aus Mecklenburg-Vorpommern angereisten Sympathisierenden eine Kundgebung ab.
Schlägereien waren Anlass
Anlass des Neonazi-Treffens waren Schlägereien in der vergangenen Woche. Mehrere Männergruppen hatten sich Donnerstag handfeste Schlagabtäusche geliefert, Videos davon kursieren mittlerweile im Internet. Eine Gruppe deutscher Männer sei zu einem Wohnort von „Syrern“ gezogen, um dort „einzureiten“, wie es ein mutmaßlicher Tatbeteiligter in einer Presseservice Rathenow vorliegenden Sprachnachricht erklärt. Grund seien im Vorfeld getätigte kriminelle Handlungen der „Syrer“ gewesen. Doch der Sturm auf das Quartier der „Syrer“ endete für einige deutsche Angreifer offenbar unrühmlich – nämlich im Polizeigewahrsam. Anscheinend handelte es sich bei den Angegriffenen auch gar nicht um Staatsbürger aus Syrien, sondern um Bürger der Russischen Föderation, genauer gesagt aus der Tschetschenischen Republik. Diese mobilisierten dann am Folgetag knapp 100 Landsleute nach Rheinsberg. Eine weitere Eskalation des Konfliktes wurde aber durch ein Großaufgebot der Polizei und offenbar auch durch tschetschenische Streitschlichter verhindert.
Ideologische Forderungen
Für die NPD Neuruppin war der Streit dennoch ein willkommener Anlass. Sie nutzte den Konflikt gestern nun, um ihr Programm zu präsentieren. „Ausländer und Asylanten raus“ lautete ihre in dicken Großbuchstaben verfasste Message, welche vorsichtigerweise noch mit den kleingeschriebenen Worten bzw Wortteilen „kriminelle“ und „Schein-“ ergänzt wurde. Die Parole sollte offenbar anlassbezogen erscheinen, ist jedoch tatsächlich signifikant für das völkische Programm der NPD, dass sich am Abstammungsprinzip: „Deutscher ist nur derjenige, welcher deutschen Blutes ist“ orientiert. Die Partei fürchtet den „Volkstod“ durch den Zuzug von Menschen aus anderen Ländern und hat ein Interesse Konflikte zwischen verschiedenen Nationalitäten zu schüren. Stefan Köster, NPD Landeschef von Mecklenburg-Vorpommern, nutzte seine Rede zum Beispiel um vor „Rassismus“ gegenüber „Weißen“ zu warnen. Im Brandenburger Alltag ist jedoch genau das Gegenteil zu betrachten, vor allem rechte Übergriffe auf nichtdeutsche Staatsangehörige bewegen sich nach wie vor auf hohem Niveau.
Erfolgreicher Protest
Erfahrungen mit rechter Gewalt hatten auch einige Menschen, welche sich gegenüber der NPD Kundgebung positionierten. Eine junge Frau erkannte beispielsweise unter den Neonazis einen Mann, der sie vor einiger Zeit verprügelte. Davon einschüchtern ließ sie sich jedoch nicht und protestierte mit knapp 150 weiteren Menschen gegen die Kundgebung der NPD. Für die kleine Stadt im äußersten Norden Brandenburgs war der Protest ein Erfolg. Denn in der Brandenburger Provinz wäre es nicht außergewöhnlich, wenn weltoffene Menschen manchmal die Minderheit bilden. Doch nicht so in Rheinsberg. Hier blieb der Wirkungsgrad der NPD auf ihr Kundgebungsgelände beschränkt. Nur ein paar wenige „alte weiße Männer“ bekundeten am Rande ihre Übereinstimmung mit den Forderungen der Partei. Jüngere, weltoffene Menschen sammelten sich hingegen beim Gegenprotest und zeigten durch bunte Schilder, Stofftransparente und letztendlich auch laute Musik, dass sie die Platzhoheit im Ort haben.