29. Juli 2020 · Quelle: Presseservice Rathenow

Neonazis blieben unter sich

Nach Schlägereien von Männergruppen unterschiedlicher Nationalität wollten Neonazis gestern in Rheinsberg ein flüchtlingsfeindliches Signal setzen. Doch ihre angemeldete Kundgebung verpuffte am Gegenprotest.

In war­men Som­mertö­nen umwob das Abendlicht der langsam unterge­hen­den Sonne gestern das Rokokoschloss, die klas­sizis­tis­che Musikakademie und die gotisch anmu­tende Kirche rund um den Tri­an­gelplatz in Rheins­berg im Land­kreis Ost­prig­nitz-Rup­pin. Wo nor­maler­weise Touris­ten das his­torische Ensem­ble bestaunen oder die Idylle mit­ten im Rup­pin­er Wald- und Seenge­bi­et suchen, ver­sam­melten sich gestern Neon­azis. Unter dem Mot­to: „Abschiebe­haft statt Straßen­schlacht“ hielt der aus der Kreis­stadt Neu­rup­pin angereiste Ortsver­band der NPD gemein­sam mit weit­eren, vor allem aus Wittstock/Dosse, dem östlichen Havel­land sowie aus Meck­len­burg-Vor­pom­mern angereis­ten Sym­pa­thisieren­den eine Kundge­bung ab.

Schlägereien waren Anlass

Anlass des Neon­azi-Tre­f­fens waren Schlägereien in der ver­gan­genen Woche. Mehrere Män­ner­grup­pen hat­ten sich Don­ner­stag hand­feste Schlagabtäusche geliefert, Videos davon kur­sieren mit­tler­weile im Inter­net. Eine Gruppe deutsch­er Män­ner sei zu einem Wohnort von „Syr­ern“ gezo­gen, um dort „einzure­it­en“, wie es ein mut­maßlich­er Tat­beteiligter in ein­er Press­eser­vice Rathenow vor­liegen­den Sprach­nachricht erk­lärt. Grund seien im Vor­feld getätigte krim­inelle Hand­lun­gen der „Syr­er“ gewe­sen. Doch der Sturm auf das Quarti­er der „Syr­er“ endete für einige deutsche Angreifer offen­bar unrühm­lich – näm­lich im Polizeige­wahrsam. Anscheinend han­delte es sich bei den Ange­grif­f­e­nen auch gar nicht um Staats­bürg­er aus Syrien, son­dern um Bürg­er der Rus­sis­chen Föder­a­tion, genauer gesagt aus der Tschetschenis­chen Repub­lik. Diese mobil­isierten dann am Fol­ge­tag knapp 100 Land­sleute nach Rheins­berg. Eine weit­ere Eskala­tion des Kon­flik­tes wurde aber durch ein Großaufge­bot der Polizei und offen­bar auch durch tschetschenis­che Stre­itschlichter verhindert.

Ide­ol­o­gis­che Forderungen

Die NPD fürchtet den „Volk­stod“

Für die NPD Neu­rup­pin war der Stre­it den­noch ein willkommen­er Anlass. Sie nutzte den Kon­flikt gestern nun, um ihr Pro­gramm zu präsen­tieren. „Aus­län­der und Asy­lanten raus“ lautete ihre in dick­en Großbuch­staben ver­fasste Mes­sage, welche vor­sichtiger­weise noch mit den kleingeschriebe­nen Worten bzw Wort­teilen „krim­inelle“ und „Schein-“ ergänzt wurde. Die Parole sollte offen­bar anlass­be­zo­gen erscheinen, ist jedoch tat­säch­lich sig­nifikant für das völkische Pro­gramm der NPD, dass sich am Abstam­mung­sprinzip: „Deutsch­er ist nur der­jenige, welch­er deutschen Blutes ist“ ori­en­tiert. Die Partei fürchtet den „Volk­stod“ durch den Zuzug von Men­schen aus anderen Län­dern und hat ein Inter­esse Kon­flik­te zwis­chen ver­schiede­nen Nation­al­itäten zu schüren. Ste­fan Köster, NPD Lan­deschef von Meck­len­burg-Vor­pom­mern, nutzte seine Rede zum Beispiel um vor „Ras­sis­mus“ gegenüber „Weißen“ zu war­nen. Im Bran­den­burg­er All­t­ag ist jedoch genau das Gegen­teil zu betra­cht­en, vor allem rechte Über­griffe auf nicht­deutsche Staat­sange­hörige bewe­gen sich nach wie vor auf hohem Niveau.

Erfol­gre­ich­er Protest

Erfol­gre­ich­er Protest

Erfahrun­gen mit rechter Gewalt hat­ten auch einige Men­schen, welche sich gegenüber der NPD Kundge­bung posi­tion­ierten. Eine junge Frau erkan­nte beispiel­sweise unter den Neon­azis einen Mann, der sie vor einiger Zeit ver­prügelte. Davon ein­schüchtern ließ sie sich jedoch nicht und protestierte mit knapp 150 weit­eren Men­schen gegen die Kundge­bung der NPD. Für die kleine Stadt im äußer­sten Nor­den Bran­den­burgs war der Protest ein Erfolg. Denn in der Bran­den­burg­er Prov­inz wäre es nicht außergewöhn­lich, wenn weltof­fene Men­schen manch­mal die Min­der­heit bilden. Doch nicht so in Rheins­berg. Hier blieb der Wirkungs­grad der NPD auf ihr Kundge­bungs­gelände beschränkt. Nur ein paar wenige „alte weiße Män­ner“ bekun­de­ten am Rande ihre Übere­in­stim­mung mit den Forderun­gen der Partei. Jün­gere, weltof­fene Men­schen sam­melten sich hinge­gen beim Gegen­protest und zeigten durch bunte Schilder, Stoff­trans­par­ente und let­z­tendlich auch laute Musik, dass sie die Platzho­heit im Ort haben.

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