Angreifende “Querdenker”, Blamage um Uploadfilter, Stiftungsförderung

1. “Ihr geht sowieso bald alle hops”
(deutschlandfunk.de, Nina Magoley, Audio: 5:16 Minuten)
In letzter Zeit wird immer wieder von Angriffen auf Medienschaffende berichtet, vor allem in Zusammenhang mit den “Querdenken”-Demonstrationen. Journalistenverbände und NGOs beklagen das gewalttätige Auftreten der beteiligten Demonstranten gegenüber Medienvertretern. Laut der Gewerkschaft DJU sollen allein bei der Demo in Leipzig am Samstag mindestens 43 Journalistinnen und Journalisten an ihrer Arbeit gehindert worden sein. Eine unrühmliche Rolle komme dabei der Polizei zu, die oft nur zögerlich eingreife oder gar selbst Medienarbeit behindere.

2. Edit Policy: EuGH könnte Uploadfilter kippen und Berlin blamieren
(heise.de, Julia Reda)
“Sollte die CDU gegen ihr Versprechen den Einsatz von Uploadfiltern verlangen, könnte der Europäische Gerichtshof die Richtlinie nächstes Jahr wieder kippen”, so die düstere Prognose der Urheberrechts-Expertin Julia Reda. In ihrem Beitrag zeichnet sie das wenig konsistente Vorgehen der Regierungskoalition nach. Selbst CDU-geführte Ministerien würden in der Sache nicht zusammenarbeiten, sondern unterschiedliche Strategien verfolgen.

3. Live-Medien verschwenden bloss unsere Zeit
(infosperber.ch, Rainer Stadler)
Rainer Stadler kritisiert die Berichterstattung rund um die US-Präsidentschaftswahlen. Er stört sich sowohl an Frequenz als auch an Tonalität vieler Berichte: “Einschätzungen und Kommentare gehören zum Geschäft der politischen Journalisten. Das sollten diese allerdings mit Fakten und Argumenten tun. Gefühlsausbrüche beschädigen ihr Image, beleidigende Worte umso mehr.”

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4. Recherchieren für das Gemeinwohl – wie Stiftungen Journalismus finanzieren
(fachjournalist.de, Gunter Becker)
Anna Driftschröer hat sich in ihrer Masterarbeit mit der Förderung des Journalismus durch Stiftungen auseinandergesetzt und dazu mit beiden Seiten gesprochen: den Geldgebern (den Stiftungen) und den Geldempfangenden (den Redaktionen). Wie funktioniert Stiftungsförderung? Wer profitiert davon? Welche Themen werden bevorzugt gefördert? Außerdem liefert der Beitrag Anlaufstellen für weitergehende Informationen.

5. Alexa, richte dich nach diesen Regeln!
(sueddeutsche.de, Benedikt Frank)
Der neue Medienstaatsvertrag löst den bisherigen Rundfunkstaatsvertrag ab, der sich weitgehend auf Radio und Fernsehen bezog. Der neue Vertrag soll nun die gesamte digitale Medienwelt erfassen. Benedikt Frank erklärt, was sich für Anbieter und Nutzende geändert hat. Und was sich seiner Einschätzung nach noch ändern wird.

6. Wie unser PUR-Angebot für werbefreies Lesen ankommt
(devspiegel.medium.com)
Seit Februar können sich Leserinnen und Leser des “Spiegel”-Onlineangebots für den Besuch einer werbe- und trackingfreien Seite entscheiden: Die “Pur”-Variante kostet rund fünf Euro im Monat. Im Entwicklerblog des “Spiegel” ziehen die Verantwortlichen eine Zwischenbilanz: Von den monatlich mehr als 20 Millionen Unique Usern würden etwa 17.000 das anzeigenfreie Bezahlmodell wählen. Die Zahl hört sich zunächst ernüchternd klein an, liefert jedoch weitere Erkenntnisse.

Seltsames “Spiegel”-Interview, Terror-Berichterstattung, Peanuts

1. Dieses Interview ist bemerkenswert.
(twitter.com, Hendrik Wieduwilt)
Der Journalist Hajo Schumacher hat für den “Spiegel” mit der ehemaligen FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin über deren Kampf mit dem Krebs gesprochen. Die Interviewführung wurde im Netz vielfach als übergriffig und sexistisch kritisiert. An einer Stelle fragt Schumacher beispielsweise: “Sie haben, ob Sie wollten oder nicht, früher das Stereotyp der klassischen Blondine bedient. Was haben Glatze und Perücke mit Ihnen gemacht?” und legt nach einem Protest von Koch-Mehrin nochmal nach: “Nun ist aber gut. Sie haben das Blondinen-Spiel schon sehr gut beherrscht. Sie wussten genau, dass sich in einer Männerpartei viel Aufmerksamkeit auf Sie richtet, dass sie als Mann nicht so fix an die Spitze der FDP marschiert wären.” Der ehemalige “FAZ”-Journalist Hendrik Wieduwilt hat einige interessante Hintergrundinformationen über die Verbindung zwischen Interviewer und Interviewgast, die für einen faden Beigeschmack sorgen. Sein Fazit: “Unterm Strich bleibt ein Interview, das bis zur Überschrift ziemlich auffällig der Profilierung Koch-Mehrins nützt. Es ist schlichte PR, auch wenn sie eingewickelt ist in eine fraglos schreckliche, allerdings auch sehr verbreitete Krankengeschichte.” Die Autorin Fabienne Hurst ergänzt: “Und selbst wenn es gestaged wäre: es ist halt niemandem beim Spiegel aufgefallen, wie sexistisch sich das alles liest bzw: es war denen egal.”

2. Wieso lernt (fast) niemand aus den Fehlern der Terror-Berichterstattung?
(uebermedien.de, Holger Klein & Samira El Ouassil, Audio: 56:53 Minuten)
Der Anschlag in Wien hat erneut die Schwächen der Terror-Berichterstattung aufgezeigt. Im “Übermedien”-Podcast sprechen Holger Klein und Samira El Ouassil über das sensible Themenfeld: “Warum hängen wir so atemlos an den Newstickern und unseren Social-Media-Feeds anstatt uns in Geduld zu üben? Wie können Medien besser mit den Taten von Terroristen umgehen, die auf die mediale Wirkung ihrer Taten spekulieren? Wie gelingt medienethische Herzensbildung? Und wie reduzieren wir die Täterbesessenheit von Medien und uns allen?”

3. Ingo Zamperoni: Ein Anchor in unruhiger See
(dwdl.de, Peer Schader)
Seit vier Jahren moderiert Ingo Zamperoni die “Tagesthemen” im Ersten. Jüngst erschien von ihm die vielbeachtete Reportage “Trump, meine amerikanische Familie und ich” (Das Erste, 44:04 Minuten). Medienkritiker Peer Schader ist sehr angetan von der Arbeit Zamperonis: “Mit unerschütterliche Ruhe erklärt er seinem Publikum im Ersten die aktuelle Lage – so sachte wie möglich und so direkt wie nötig, ohne überflüssiges Zusatzpathos. Das ist vor allem in Zeiten zunehmender medialer Aufgeregtheit eine Eigenschaft, die man gar nicht hoch genug schätzen kann.”

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4. Trump und Fox News – zerbricht die besondere Beziehung?
(t-online.de, Johannes Bebermeier & Fabian Reinbold)
Fox News galt lange Zeit als der Haussender Donald Trumps. Doch mit der Meldung des Senders über die Trump-Niederlage in Arizona soll es zu einem dramatischen Bruch der langjährigen und innigen Partnerschaft gekommen sein. Nun werde sogar spekuliert, Trump wolle einen eigenen TV-Sender gründen: “Trump hätte dann einen eigenen Sender ohne einen Hauch von Kritik. Und die einstigen kongenialen Partner Trump und Fox wären direkte Konkurrenten.” Anmerkung des Kurators: Als ob Trump alle Spekulationen widerlegen wollte, hat er in der zurückliegenden Nacht allein zehn TV-Ausschnitte aus Fox-Sendungen getwittert.

5. “Der ist absolut echt, stoßfest und wasserdicht”
(sueddeutsche.de, Fabian Dombrowski)
Jörg Schönenborn präsentiert in der ARD regelmäßig Wahlergebnisse und verwendet dafür einen überdimensionalen Touchscreen. Die “Süddeutsche” hat sich mit dem Wahl-Experten unterhalten, dessen Zusammenarbeit mit dem Screen nicht immer reibungslos verläuft. Bei der US-Wahl habe der intelligente Bildschirm bei einer bestimmten Bewegung des Moderators stets die Übersichtsseite zum Bundesstaats Texas geöffnet. Dies habe jedoch nicht an Schönenborns “Texas-Ärmel”, sondern vermutlich an einem Licht-Reflex gelegen.

6. It’s Neoliberalism, Charlie Brown
(taz.de, Clara von Hirschhausen)
Apple hat die Rechte an der Zeichentrickserie “The Peanuts” gekauft und will die seit Jahrzehnten beliebten Filme nur dem (zahlenden) Apple-TV-Publikum zugänglich machen. Clara von Hirschhausen kommentiert: “Dass Apple sich mit seiner Entscheidung die Peanuts-Fans zu Feinden gemacht hat, ist vielleicht nicht ganz zufällig. Tatsächlich verkörpert Charlie Brown genau das, was Apple nicht ist: Er ist nachdenklich, oftmals zu langsam, meistens erfolglos – und doch charismatisch. Nicht für seine übernatürlichen Leistungen liebt man ihn, sondern für seine menschlichen Mängel.”

“Bild live”: Vier Stunden Falsches zum Terroranschlag in Wien

In der Nacht von Montag auf Dienstag sendete “Bild” eine mehr als vierstündige “Bild live”-Sondersendung zum Terroranschlag in der Wiener Innenstadt. Wie schon in den “Bild TV”-Sendungen zu den Anschlägen in Halle und in Hanau zeigte sich auch dieses Mal das grundlegende Problem: Wenn eine Redaktion, die seit Jahren und Jahrzehnten vor allem dadurch auffällt, dass sie schlecht Recherchiertes und Falsches in Umlauf bringt, sich in eine Live-Situation begibt, in der sie unbedingt etwas zeigen und erzählen muss, kann dabei nur eine mittlere Katastrophe rauskommen. Dann werden falsche Gerüchte weiterverbreitet, es wird der Polizeieinsatz gefährdet und Angst gemacht.

Ein paar Beobachtungen von uns.

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Es dauert nicht mal eine halbe Stunde, da verbreitet “Bild” schon das erste falsche Gerücht. Moderatorin Nele Würzbach sagt:

Jetzt in diesem Moment erreichen uns auch Nachrichten, dass es an einem dritten Ort in Wien zu einer Geiselnahme gekommen sein soll. Wie passt das jetzt in diesen Amoklauf oder diesen Terrorangriff herein? Erst die Schüsse, jetzt also auch eine Geiselnahme.

Der zugeschaltete Terror-Experte Nicolas Stockhammer antwortet:

Es ist mit sehr, sehr großer Wahrscheinlichkeit in einen Zusammenhang zu setzen. Diese Geiselnahme soll sich (…) in einem Schnellrestaurant soll es zu dieser Geiselnahme gekommen sein. Also aus meiner Sicht gibt es einen unmittelbaren Konnex.

Eine Geiselnahme in einem Schnellrestaurant hat es nicht gegeben.

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Der immer noch zugeschaltete Terror-Experte Stockhammer erzählt:

Aktuell habe ich gerade gehört, dass in der U-Bahnlinie U3 es zu einer Schießerei gekommen sein soll. Und sich das Geschehen da ins U-Bahnnetz verlagert haben soll.

Eine solche Schießerei im U-Bahnnetz hat es nicht gegeben.

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Die Redaktion spielt in Dauerschleife verschiedene Videos aus Wien ein. Sie alle scheinen mit Smartphones aufgenommen worden zu sein und aus den Sozialen Netzwerken zu stammen. Eines zeigt eine Szene vor einem Restaurant: Eine Person liegt in einer Blutlache. Anfangs ist diese Stelle noch verpixelt, später nimmt die “Bild”-Redaktion diese Verpixelung raus.

Screenshot der Bild-live-Sendung
(Unkenntlichmachung durch uns.)

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“Bild”-Vizechefredakteur Paul Ronzheimer, der fast die gesamte Sendung über im “Bild”-Studio steht, sagt:

Also wir müssen noch mal zusammenfassen: Es gab also einen Terroranschlag in der Nähe der Synagoge. Wir wissen immer noch nicht, wie viele Menschen getötet oder verletz worden sind. Gleichzeitig gibt es eine Geiselnahme in einem Hotel.

Die Geiselnahme nun also ganz ohne “soll” und inzwischen “in einem Hotel” statt in einem Schnellrestaurant. Ob Ronzheimer dieselbe Geiselnahme meint wie vorhin seine Kollegin Nele Würzbach, ist nicht klar. So oder so: Die Geiselnahme hat es nicht gegeben.

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Wieder ist Terrorexperte Stockhammer dran. Er sagt:

Es gab zwischenzeitlich Schüsse im Stadtpark. (…) Und man spricht auch davon, dass sich einer der Täter selbst in die Luft gesprengt haben soll.

Weder das eine noch das andere stimmt.

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Nun ist “Bild”-Reporterin Dora Varro zugeschaltet, die vor dem Anschlag zufällig in der Wiener Innenstadt unterwegs war. Sie stellt noch mal alles Falsche als gesicherte Fakten dar:

Es ist klar, dass es eine Geiselnahme gab. Es ist klar, dass es Schüsse beziehungsweise eine Gewalttat in einer U-Bahn gekommen ist. Und mehr wissen wir ehrlicher Weise noch nicht. Also noch nicht, was ich dir als Fakten nennen kann. Das sind die Sachen, die wir ganz genau wissen.

Nichts davon stimmt.

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Obwohl die Wiener Polizei bei Twitter eindringlich darum bittet, keine Videoaufnahmen zu verbreiten, weil dies “sowohl Einsatzkräfte als auch [die] Zivilbevölkerung” gefährde, verbreitet die “Bild”-Redaktion Videoaufnahmen – von Menschen, die in Panik wegrennen, vom Täter, der in einer Gasse um sich schießt, von einem Polizisten, der angeschossen wird, und auch von weiteren Polizisten im Einsatz: wie sie über einen Kreisverkehr rennen, wie sie ein Lokal durchsuchen, wie sie die Innenstadt absichern.

Screenshot eines Tweets der Wiener Polizei - Nochmal: Keine Videos und Fotos in sozialen Medien posten, dies gefährdet sowohl Einsatzkräfte als auch Zivilbevölkerung

Auf der Bild.de-Startseite heißt es kurze Zeit später:

Screenshot Bild.de - Schüsse, Blut, Menschen rennen um ihr Leben - Erste Videos aus der Terror-Nacht von Wien!
(Unkenntlichmachung durch uns.)

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Moderatorin Würzbach zitiert aus österreichischen Medien:

Und, ganz wichtig: Sie sagen, dass ein Polizist angeschossen worden ist, und er soll seinen Verletzungen erlegen worden sein. Außerdem berichtet die Krone-Zeitung davon, dass sich einer der Täter selbst in die Luft gesprengt hat. Dies alles aber Medienberichte, noch nichts davon ist bestätigt.

Es ist kein Polizist beim Einsatz in Wien gestorben. Und es hat sich auch niemand selbst in die Luft gesprengt.

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“Bild”-Vize Ronzheimer verbreitet die nicht-existente Geiselnahme noch mal als gesichertes Wissen:

Neben dem Tatort im ersten Bezirk in Wien, in der Nähe der Synagoge, gibt es eine Geiselnahme, die sich in der Nähe im Hilton-Hotel abspielen soll. Das ist das, was wir wissen.

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Moderatorin Nele Würzbach sagt:

Österreichischen Medienberichten zufolge soll sich ein Täter in die Luft gesprengt haben, ein Täter soll bereits festgenommen worden sein.

Es wurde kein Täter festgenommen.

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Inzwischen ist Terror-Experte Peter Neumann zugeschaltet. Moderatorin Würzbach fragt ihn:

Manche Medienberichte aus Österreich sprechen von bis zu zehn Tätern. Ist das, kann man das als normal überhaupt bezeichnen in so einer Situation, aber zehn Täter, für was spricht das?

Es gab nicht zehn Täter, sondern einen.

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Terror-Experte Neumann spekuliert ein bisschen über Tote:

Ich gehe eher davon aus, dass wahrscheinlich eher so zehn Tote, ein Dutzend Tote mindestens zu beklagen sein werden.

Es wurden vier Menschen vom Attentäter getötet, und dazu der Attentäter durch die Polizei.

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Die “Bild”-Redaktion spielt ein Video ein, auf dem mehrere Menschen vor Polizisten auf Motorrädern weglaufen und die Polizisten auch teilweise angreifen:

Screenshot Bild live

Dieses Video stammt nicht aus Wien, sondern aus Barcelona.

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Noch einmal Neumann:

Ich glaube, dass dieser Anschlag von längerer Hand vorbereitet war. Das geht nicht so einfach, dass man innerhalb von wenigen Tagen so eine koordinierte Kampagne auf die Beine stellt.

Es handelte sich nur um einen Täter, es gab also keine “koordinierte Kampagne”.

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Für Moderatorin Würzbach sieht es offenbar so aus, als würde sich der Terror eine Schneise durch Europa schlagen, vom Süden Richtung Norden, mit dem Ziel Deutschland:

Herr Neumann, wenn Sie jetzt sagen: Jetzt kommt die Welle, wie groß muss die Sorge jetzt auch hier in Deutschland sein, dass hier eines der nächsten Ziele dann ist? Wir haben es jetzt in Nizza, in Wien, diese Anschläge kommen immer näher.

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Für Zwischentöne ist bei Bild.de kein Platz. Terror-Experte Peter Neumann sagt bei “Bild live”:

Sollte es sich allerdings als richtig herausstellen, muss man sagen: Das wäre eine absolut unglaubliche Situation, dass es sechs Tatorte gleichzeitig gibt in der Wiener Innenstadt, dass Täter mit Langwaffen herumlaufen. Das wäre wahrscheinlich die größte und koordinierteste terroristische Attacke seit Brüssel und Paris 2015/16. Aber, wie gesagt: großes Aber.

“Sollte”, Konjunktiv, Kojunktiv, “großes Aber”. Im Bild.de-Liveticker wird daraus:

Screenshot Bild.de - Terrorexperte Neumann: Größte Attacke seit Brüssel und Paris 2015/2016 - Terrorexperte Peter Neumann sprach bei Bild live von der größten Attacke seit Brüssel und Paris 2015/2016.

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Nun ist Reporterin Antonia Rados per Telefon zugeschaltet. Auch sie befindet sich in Wien. Und sagt:

Was wir gesehen haben, das ist ja ein ähnliches Szenario, was wir hier in Wien zumindest bisher sehen können, wie der Anschlag auf “Charlie Hebdo”. Wenn Sie sich daran erinnern: Da war auch ein Kommando, das eben losgestürmt ist und dann geschossen hat und versucht hat, dann zu entkommen. Und dass es damals auch eine Geiselnahme ja auch gegeben hat. Gleichzeitig auch immer wieder mehrere parallele Terroranschläge. Sowas ähnliches als Muster scheint es hier heute Abend in der österreichischen Hauptstadt abzulaufen.

In Wien gab es kein “Kommando”. Es gab keine Terroristen, die geflüchtet sind. Es gab keine Geiselnahme. Und es gab auch keine “parallelen Terroranschläge”.

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Gerade mal acht Minuten, nachdem sie all diese unverifizierten Gerüchte verbreitet hat, sagt Antonia Rados:

Wir müssen da im Moment extrem aufpassen, weil natürlich in diesen angespannten Situationen sich alle möglichen Gerüchte verbreiten. Also alles muss auch vorsichtig berichtet werden und dann auch verifiziert werden.

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Immer wieder ist an diesem Abend ein Video zu sehen, auf dem der Attentäter auf einen Passanten schießt. Zuerst in einer Version, in der das Opfer komplett verpixelt ist. Später ist die Unkenntlichmachung verschwunden. Erst in dem Moment, in dem geschossen wird, erscheint eine digitale dunkle Fläche über dem Mann, wodurch man ihn nicht mehr sehen kann. Wiederum etwas später sendet die “Bild”-Redaktion weitere Aufnahmen, in denen sich Polizisten um den am Boden liegenden Mann kümmern. Dort ist er nicht mehr verpixelt, es gibt auch keine dunkle Fläche, die ihn vor den Blicken der “Bild live”-Zuschauer schützt.

Screenshot Bild live
(Unkenntlichmachung durch uns.)

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“Bild”-Chefreporter Frank Schneider beschreibt diese Videoaufnahmen. Aus dem Vorgehen des Täters schließt er:

Was wiederum doch ein Stück weit zeigt, dass es dort offenbar eine Ausbildung gegeben hat, denn das ist das typische vorgehen, was Dschihadisten in ihrer Ausbildung in arabischen Ländern bekommen.

Der Täter soll zwar den Plan gehabt haben, sich dem sogenannten “Islamischen Staat” in Syrien anzuschließen. Er ist allerdings in der Türkei daran gehindert und wieder nach Österreich geschickt worden. Eine “Ausbildung in arabischen Ländern” hat er nicht bekommen.

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Jetzt ist Hans Mahr im “Bild”-Studio angekommen. Mahr war früher unter anderem RTL-Chefredakteur und soll nun als Berater für “Bild TV” tätig sein. Er erzählt:

Eine Frau, die ich persönlich kenne, hat mir berichtet: Sie war in einem Lokal (…), da wurden die Leute alle in den ersten Stock raufbefördert und dort evakuiert. Von dort haben sie zuschauen können, wie vier der Terroristen, wir haben vorher den Film gesehen, vier der Terroristen entwaffnet wurden und festgenommen wurde.

Die Personen, die auf einem Video zu sehen sind, das auch “Bild live” zeigt, sind nicht “vier der Terroristen” – es gab nur einen, und der wurde zuvor von der Polizei erschossen. Sie dürften auch mit den Anschlag nichts zu tun haben und dementsprechend nicht “entwaffnet” worden sein. Jedenfalls werden sie später bei Pressekonferenzen der österreichischen Regierung nicht weiter erwähnt.

***

Antonia Rados ist wieder zugeschaltet. Sie verbreitet das nächste falsche Gerücht:

[Die Polizisten] sagten, ich müsste sofort hier weg. Das war in der Nähe vom Stadtpark übrigens, wo sich angeblich, das ist jedenfalls eine der Informationen, die wir haben, wo sich angeblich eine Gruppe von Terroristen verstecken soll.

Diese “Gruppe von Terroristen” gab es nicht.

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Moderatorin Nele Würzbach nimmt sich noch einmal die vermeintliche Festnahme von vier vermeintlichen Tätern vor:

Aber auch eine Festnahme. Herr Mahr, Sie hatten davon auch berichtet, dass Augenzeugen das dann gesehen haben. Vier Männer sieht man da, die dann oberkörperfrei festgenommen worden sind. Das alles spricht also dafür, dass es tatsächlich mehr als eine Handvoll von Tätern insgesamt dann gab. Wir sehen hier also dieses Video einer Verhaftung, konnten auch mit einer Augenzeugin sprechen, die das Ganze gesehen hat. Hier, vier Männer, einer der Angreifer soll tot sein, mindestens einer noch immer auf freiem Fuß. Vielleicht sogar zwei. Das heißt, wir sprechen von sechs, sieben Tätern mindestens, die jetzt hier in Wien also diesen Terrorangriff vollzogen haben.

Es gab nur einen Täter.

***

Ex-RTL-Mann Hans Mahr hat “nicht nur Gerüchte” im Angebot, “sondern fast schon Mitteilungen”:

Es gibt in der Zwischenzeit, wir haben hier gerade neue Meldungen bekommen. Nicht nur Gerüchte, sondern fast schon Mitteilungen, dass es bis zu sieben Tote sein könnten, die dieses Attentat gefordert haben kann.

Es waren nicht sieben Tote.

***

Und noch einmal Hans Mahr:

Man darf auch nicht vergessen: Das Erstaunliche bei diesem Attentat war, dass es so viele Täter, so viele, die miteinander verbunden waren, hier in Aktion getreten sind. Bei all den anderen Anschlägen waren es ein, zwei, drei Täter. Diesmal sprechen wir von minimum sechs Tätern, manche Berichte sogar von zehn.

Auch das: komplett falsch.

***

Natürlich könnte man jetzt sagen: Ja, gut, hinterher ist man immer schlauer. Und exakt das ist der Punkt: Weil man vorher meist ziemlich ahnungslos und damit ziemlich anfällig für falsche Gerüchte ist, sind “Bild live”-Sondersendungen zu “Breaking News” so gefährlich.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

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Trumpismen, “Spiegel”-Aufklärung “Rufmord”?, “Berner Modell”

1. Facebook sperrt rasant wachsende Gruppe von Trump-Anhängern
(spiegel.de)
Nur innerhalb eines Tages wuchs eine Facebook-Gruppe von radikalen Trump-Anhängern auf eine Größe von etwa 360.000 Personen an. Etwa alle zehn Sekunden seien 1000 neue Mitglieder dazugekommen. Die Botschaft der Gruppe: “Stop the Steal” und der Aufruf zum Widerstand gegen ein womöglich positives Wahlergebnis für Präsidentschaftsbewerber Joe Biden. Facebook habe dem Spuk jedoch schnell ein Ende bereitet und die demokratiefeindliche Gruppe entfernt.
Weitere Lesehinweise: Verschiedene US-Fernsehsender haben ihre Übertragungen einer Trump-Pressekonferenz wegen dessen Äußerungen zur US-Wahl abgebrochen. Und nachdem Donald Trumps ehemaliges Mastermind Steve Bannon zur Enthauptung des Top-Virologen Anthony Fauci sowie des FBI-Direktors Christopher Wray aufgerufen hatte, löschte Twitter Bannons Account (rnd.de).

2. “Wir können Leute von Twitter entfernen”
(sueddeutsche.de, Alexander Menden)
Der neue Generaldirektor der BBC Tim Davie hat sich auf verstörende Weise zur “Unabhängigkeitstrategie” des Senders geäußert. Journalistinnen und Journalisten sollen von persönlichen Meinungsäußerungen in der Öffentlichkeit absehen. Dazu zählen auch Likes, Retweets, Hashtags und “unterminierende Emojis”. Mit Blick auf BBC-Stars wie den ehemaligen Fußballer und Sportmoderator Gary Lineker drohte Davie: “Wir können Leute von Twitter entfernen”. Die Antwort Linekers sei umgehend erfolgt – auf Twitter: “Soweit ich weiß, kann nur Twitter Leute von Twitter entfernen.”

3. “Das grenzt an Rufmord”
(tagesspiegel.de)
Bei einem Anti-Terror-Einsatz in Bad Kleinen kamen 1993 ein Polizist und der RAF-Terrorist Wolfgang Grams ums Leben. Der “Spiegel” berichtete damals, Grams sei durch die Polizei quasi hingerichtet worden, und stützte seine Titelgeschichte “Der Todesschuß” auf einen angeblichen Zeugen. Der Bericht entpuppte sich als falsch, es entstanden Zweifel an der Existenz des Zeugen. Der “Spiegel” ist diesen Zweifeln unlängst in einem Bericht seiner “Aufklärungskommission” (PDF) nachgegangen. Der damalige “Spiegel”-Investigativjournalist Hans Leyendecker sieht sich durch den Bericht verunglimpft und erwägt eine Klage gegen seinen früheren Arbeitgeber.

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4. Nachwuchsprogramme für mehr Vielfalt in den Medien
(deutschlandfunk.de, Burkhard Schäfers, Audio: 6:01 Minuten)
Der Bayerische Rundfunk will mit seinem neuen Trainee-Programm “Puls Talente” Menschen mit interkulturellem Hintergrund fördern. Burkhard Schäfers hat sich das Programm näher angeschaut und mit Teilnehmenden gesprochen.

5. Das Ende des “Berner Modells”
(faz.net, Niklas Zimmermann)
In der Schweiz kündigt sich eine weitere journalistische Verdichtung an. Wie verschiedene Medien berichten, plane die TX Group die Zusammenlegung der Redaktionen von “Bund” und “Berner Zeitung”. Die “FAZ” hat mit dem Medienjournalisten Nick Lüthi über die zu erwartenden Auswirkungen der Maßnahme gesprochen.

6. Die virale Verbreitung verunsichert die Leute.
(planet-interview.de, Jakob Buhre)
Jakob Buhre hat sich mit dem Astrophysiker und Wissenschaftsjournalisten Harald Lesch unterhalten. In dem Interview geht es unter anderem um den Stellenwert des Fernsehens als Bildungsfernsehen, die Auswirkungen des Neoliberalismus und die Verbreitung von Verschwörungserzählungen. Lesch beantwortet auch die Frage, ob das öffentlich-rechtliche Fernsehen zum Thema Corona auch umstrittene Leute wie Wolfgang Wodarg oder Sucharit Bhakdi einladen sollte. Er verwendet dafür ein Beispiel: “Wir haben inzwischen wirklich unzählige Diskussionen gesehen, wo ein Klimawandelskeptiker und ein Klimaforscher sich gegenüber sitzen. Dabei müsste die Situation eigentlich sein, dass drei Klimaskeptiker 97 Klimaforschern gegenüber sitzen – dann wären nämlich die wahren Verhältnisse dargestellt.”

Wahlnacht, Giga-Framing, Rekord-Traffic wegen Corona & US-Wahl

1. Im Feuer der Desinformation
(zeit.de, Meike Laaff)
Schon Monate vor dem US-Wahltag hatten Facebook, Twitter, Youtube und andere Internetunternehmen Pläne zur Bekämpfung von Falschinformationen zur Wahl vorgelegt. “Zeit Online”-Redakteurin Meike Laaff hat sich in einer ersten Analyse angeschaut, wie gut das gelungen ist. Im Vergleich zu den vergangenen Präsidentschaftswahlen sei entschiedener eingegriffen worden, so ihr Fazit. In der gegenwärtigen Situation reiche dies jedoch nicht: “Informationsmanagement, Labels und Sperrungen in sozialen Netzwerken können nicht ad hoc die grundlegenden gesellschaftlichen Probleme lösen, die diese Wahl einmal mehr offenbart. Die USA sind tief gespalten. Das Feuer aus Falschinformationen, die den Wahltag im Netz begleitet haben, zeugt davon einmal mehr.”

2. Die lange Nacht der langen Gesichter: Ein Protokoll der Wahlnacht im Livefernsehen
(rnd.de, Imre Grimm)
Der Journalist Imre Grimm hat sich in einen Selbstversuch gestürzt und neun Stunden TV-Wahlberichterstattung konsumiert. In seinem Protokoll kann man verfolgen, wie er sich tapfer durch die Programme zappt.
Weitere Guckempfehlung: Das Medienmagazin “Zapp” war “Hinter den Kulissen der ARD-Wahlnacht zur US-Wahl” (youtube.com, Video: 6:51 Minuten).
Weitere Leseempfehlung: “Deutsche Medien übernahmen in der Wahlnacht nicht belegte Behauptungen von Trump. Was medial sonst noch falsch gelaufen ist.” Carolina Schwarz mit einer Medienschau zur US-Wahl (taz.de).

3. Hilfreiche Datenvisualisierungen im Überblick
(netzpolitik.org, Anna Biselli)
Wahlen sind traditionell die Stunde der Datenvisualisierungen. Zu den typischen Balken- und Säulendiagrammen kommen heutzutage eindrucksvolle und teilweise interaktive Zahlen-Präsentationen. Bei netzpolitik.org gibt es eine Zusammenstellung einiger besonders schöner, hilfreicher oder außergewöhnlicher Beispiele.

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4. “Gigafactory” – Wenn Medien Firmen-PR übernehmen
(deutschlandfunk.de, Annika Schneider, Audio: 2:22 Minuten)
Der Fahrzeughersteller Tesla errichtet derzeit in Brandenburg eine Fabrik, die er “Gigafactory” nennt. Medien sollten diesen Begriff nicht übernehmen, findet Deutschlandfunk-Journalistin Annika Schneider: “Dahinter steckt geschickte Firmen-PR: Eine ‘Gigafactory’, das ist kein einfaches Werk zur Herstellung von E-Fahrzeugen – der Anglizismus klingt nach einer Anlage riesigen Ausmaßes, in der hochmoderne Technologien zum Einsatz kommen. Genau deswegen ist der Begriff nicht neutral, sondern ein Euphemismus.”

5. Wie divers ist der ARD-Nachwuchs?
(journalist.de, Lynn Kraemer & Daniel Tautz & Nils Hagemann)
Wie divers ist der ARD-Nachwuchs? Das wollten zwei Volontäre und eine Volontärin erfahren und haben nach eigenen Angaben ihre 150 Kolleginnen und Kollegen bei der ARD, der Deutschen Welle und dem Deutschlandradio kontaktiert. 86 von ihnen konnten sie für eine Umfrage gewinnen. Die Journalismus-Auszubildenden der ARD seien den Angaben nach überwiegend weiblich, hätten studiert und würden mehrheitlich die Grünen wählen. Im “journalist” stellen die Studienverantwortlichen die Ergebnisse im Detail vor und ordnen sie ein.

6. Corona und US-Wahl sorgen für Rekord-Internetnutzung in Deutschland
(spiegel.de)
Der Frankfurter Internetknoten hat einen Rekord in Sachen Datenverkehr vermeldet. Der neue Höchstwert liege mehr als 40 Prozent über dem Vorjahr, normal sei ein Wachstum von zehn Prozent. Gründe seien die verstärkte Medien- und Datennutzung durch Streaming, Homeoffice und Homeschooling sowie das starke Interesse an der US-Wahl.

“Bild” übernimmt die PR-Arbeit des Wiener Attentäters

Nach dem rechtsterroristischen Anschlag auf zwei Moscheen in Christchurch sagte Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern über den Attentäter:

Speak the names of those who were lost rather than the man who took them. He may seek notoriety, but we in New Zealand will give him nothing, not even his name.

Arderns Idee, dem Täter nicht zu der von ihm gewünschten Bekanntheit zu verhelfen und ihm nicht mal den Gefallen zu tun, seinen Namen zu nennen, passt gut zu den Erkenntnissen vieler Wissenschaftlerinnen und Experten. Diese warnen seit Jahren vor einer ausführlichen, mitunter sogar heroisierenden Berichterstattung, die den Attentäter in den Mittelpunkt stellt. Im schlimmsten Fall könnte daraus eine Inspiration und ein Ansporn für Nachahmer entstehen. Jennifer Johnston und Andrew Joy von der Western New Mexiko University schreiben beispielsweise in einer Studie:

Die Identifikation mit früheren Tätern, die durch die extensive Berichterstattung berühmt geworden sind, einschließlich der Veröffentlichung ihrer Namen, Gesichter, Lebensgeschichten und Hintergründe, löst einen mächtigeren Schub in Richtung Gewalt aus als psychische Erkrankungen oder der Zugang zu Waffen.

Die daraus abzuleitende Empfehlung für alle Medien: Diese “Identifikation mit früheren Tätern” gar nicht erst möglich machen.

Die “Bild”-Redaktion verfolgt einen anderen Ansatz: Sie baut Attentätern regelmäßig Denkmäler. So auch jetzt, nach dem islamistischen Terroranschlag in Wien am Montagabend, bei dem vier Menschen getötet und 23 weitere verletzt wurden. Etwas kleiner auf der Titelseite und groß im Blatt zeigt die “Bild”-Zeitung heute ein unverpixeltes Foto des Täters:

Ausriss Bild-Titelseite - Das Böse und die Helden von Wien ... und ein Licht für die Opfer - dazu zu sehen ein Foto des Attentäters ohne Unkenntlichmachung
Ausriss Bild-Zeitung - Er trickste die Sicherheitsbehörden aus - Das ist der ISIS-Killer von Wien
(Alle Unkenntlichmachungen in diesem Beitrag durch uns.)

Auf dem Foto posiert der Mann mit den Waffen, mit denen er später in Wien seine Opfer tötete. Es soll aus einem Video stammen, das der sogenannte “Islamische Staat” nach der Tat veröffentlicht hat. “Bild” nutzt dieses Propagandamaterial ungefiltert für die eigene Berichterstattung und zeigt den Mann so, wie er sich selbst und wie die Terrororganisation ihn zeigen wollte. Auch auf der Bild.de-Startseite war das Foto an prominenter Stelle zu sehen:

Screenshot Bild.de - Er trickste die Sicherheitsbehörden aus - Das ist der ISIS-Killer von Wien

“Bild” macht sich zum Handlager der Terroristen. Die Redaktion nennt zusätzlich auch den kompletten Vor- und Nachnamen des Täters. Und sendet mit diesem PR-Gesamtpaket allen potentiellen Nachahmern die Botschaft: Solltet ihr einen Anschlag verüben, sorgen wir auf unseren Titel- und Startseiten dafür, dass ihr berühmt werdet.

Dazu auch:

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Terror-Berichterstattung, Ohne Zeitplan, Tweet-Warnungen

1. Terror-Berichterstattung: Am dunkelsten Tag zeigt oe24, warum man es nicht braucht
(kleinezeitung.at, Daniel Hadler)
Die Berichterstattung über den Terroranschlag in Wien habe gezeigt, inwieweit sich die österreichischen Medien unterscheiden: Während ORF oder Puls24 seriös berichtet hätten, habe es beim Boulevardmedium oe24.at reinen Voyeurismus gegeben – was für massive Kritik gesorgt habe. Das gehe sogar so weit, dass große Werbekunden unmittelbar ihre Werbeschaltungen kündigten.

2. Regierung hat keinen Zeitplan für Gesetz gegen Hass und Hetze
(spiegel.de, Max Hoppenstedt)
Der Bundestag hat im Juni das Gesetz zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität beschlossen. Die neuen Regelungen sollten eigentlich ab dem 1. Januar 2021 wirksam werden. Wegen verfassungsrechtlicher Bedenken verweigerte der Bundespräsident jedoch seine Unterschrift. Für Abhilfe soll ein sogenanntes Reparaturgesetz sorgen, doch die Angelegenheit zieht sich hin. Fraglich sei zudem, wie das Bundeskriminalamt die auf die Behörde zukommende Mehrarbeit ohne personelle Aufstockung bewältigen könne: Man rechne damit, dass Facebook, Youtube und Twitter bis zu 250.000 Beiträge pro Jahr an das BKA melden könnten.

3. Die größte Filmdatenbank der Welt
(golem.de, Peter Osteried)
In der Filmdatenbank Internet Movie Database (kurz: IMDb) finden sich Einträge zu mehr als 550.000 Filmen, fast 200.000 Serien und mehr als 100.000 Fernsehfilmen. Peter Osteried zeichnet die Entwicklung des Cineasten-Lexikons nach – von der Entstehung im Usenet und der Übernahme durch Amazon bis in die Jetzt-Zeit.

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4. Urheberrechtsreform: Altmaier macht gegen Nutzung von Inhalte-Schnipseln mobil
(heise.de, Stefan Krempl)
Bei der geplanten Urheberrechtsreform gibt es anscheinend widerstreitende Interessen der Bundesministerien. So wolle das Wirtschaftsministerium die vom Justizressort vorgesehene Bagatellausnahme für nichtkommerzielle Nutzungen in Sozialen Medien zu Fall bringen. Stefan Krempl ordnet den Zwist ein, bei dem mehr Interessen aufeinandertreffen, als man zunächst vermutet.

5. Twitter versieht Tweets zu Trump-Wahlergebnissen mit Warnung
(rnd.de)
Twitter hat in der US-Wahlnacht mehrere Tweets zu Trump-Wahlergebnissen mit Warnhinweisen versehen. Auch während ich diese Zeilen schreibe, ist dies der Fall und betrifft einen Tweet des Präsidenten höchstpersönlich.

6. Fünf Gründe, warum du Telegram sofort löschen solltest
(vice.com, Sebastian Meineck)
Telegram hat sich vom Chatprogramm und Messenger zu einer, wenn auch mitunter fragwürdigen, Plattform für Informationsaustausch entwickelt. Hier können sich Gruppen von bis zu 200.000 Personen zusammenschließen – weitgehend unkontrolliert. Eine Tatsache, die sich besonders bei Rechtsextremen und Verschwörungsideologen herumgesprochen hat. Doch es gebe noch mehr Gründe, warum man die App vom Handy verbannen sollte, wie Sebastian Meineck erklärt.

220 Mio. vertane Chancen, US-Wahl, Pantoffelheldige Knuffeligkeit

1. “Eine vertane Chance”
(taz.de, Anne Fromm)
Insgesamt 220 Millionen Euro Pressesubventionen sollen demnächst über die Verlagslandschaft herabregnen. Die Höhe der Zuwendung solle sich nach der Auflage der jeweiligen Zeitung beziehungsweise Zeitschrift richten. Eine Vergabepraxis, die von Medienwissenschaftler Christopher Buschow kritisiert wird: “Wir belohnen die, die sowieso schon hohe Auflagen und Reichweiten haben. Was man mit einem solchen Modell aber nicht schafft, ist, Qualität und Innovation zu fördern. Dabei wären das aus meiner Sicht die dringenderen Kriterien.”

2. US-Wahl 2020: Die Wahlnacht live im TV und Live-Stream – Alle Sender, alle Termine
(fr.de, Nico Scheck)
Heute Nacht wählen die Menschen in den USA ihren nächsten Präsidenten. Die “Frankfurter Rundschau” hat zusammengestellt, auf welchen Sendern sich das Spektakel live anschauen oder streamen lässt, und welche Sondersendungen geplant sind.
Weiterer Lesehinweis: Stefan Niggemeier erinnert bei “Übermedien” an die US-Wahl von vor vier Jahren und fragt: “Die großen Medien waren sicher, dass Hillary Clinton gewinnt. – Oder?”

3. “Die Gegenwart bekommt mehr Tiefe”
(sueddeutsche.de, Cornelius Pollmer)
Auf Twitter erfreut sich die “Tagesschau vor 20 Jahren” großer Beliebtheit. Dort erscheinen alte Nachrichten, die oft einen überraschenden oder kuriosen Bezug zur Gegenwart haben. Was viele nicht wissen: Der Account wird nicht von der ARD, sondern vom Literaturwissenschaftler Hannes Fischer bespielt, der gerade in Berlin an seiner Dissertation arbeitet. Die “Süddeutsche Zeitung” hat sich mit Fischer zum Gespräch getroffen.

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4 Ist das Altpapier noch modern genug?
(mdr.de, René Martens & Jenni Zylka)
Lucia Eskes und Vera Lisakowski sind verantwortlich für Grimme-Preis und Grimme Online Award in den Bereichen Fernsehen und Internet. Im Interview mit dem “Altpapier” geht es unter anderem um die vernachlässigten Beobachtungsfelder Web-Kritik und Online-Kritik, den Unterschied zwischen Shitstorm und Online-Terror und die Wirkung von Medienpreisen.

5. Reporter Slam: Theresa Locker & Sebastian Meineck
(youtube.com, Reporter Slam, Video: 13:14 Minuten)
Beim “Reporter Slam” treten Journalisten und Journalistinnen vor Live-Publikum mit unterhaltsamen Kurzvorträgen zu ihren Recherchen gegeneinander an. Jeder bekommt etwa zehn Minuten Zeit, und am Ende entscheidet das Publikum über den Sieger oder die Siegerin. Die Veranstaltung vom 11. Oktober in Berlin wird gerade stückchenweise auf Youtube geladen. Im oben verlinkten Auftritt erklären Theresa Locker und Sebastian Meineck von “Vice”, wie sie ihren Bürohund zum Influencer gemacht haben. Ebenfalls schon vorhanden: Der Vortrag von Ann-Kathrin Hipp und Nadine Voß vom “Tagesspiegel” über den Flughafen BER.

6. Die Gerd und Soyeon-Show
(philomag.de, Nils Markwardt)
Nils Markwardt hat sich die Instagram-Inszenierung von Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder angeschaut, der auf dem Kanal seiner Frau Schröder-Kim So-yeon eine “naturnahe Gemütlichkeitsoffensive” offenbare. Markwardts Beobachtungen sind alleine schon deshalb lesenswert, weil er seinen Diss kunstvoll verpackt und verschachtelt. Etwa: “Bei manchen mag sich ob dieser pantoffelheldigen Knuffeligkeit unwillkürlich eine gewisse Reflex-Sympathie einstellen, die en passant goutiert, dass sich die Ästhetik der Demokratie eben nicht im pseudo-höfischen Pomp eines Trump oder Erdogan findet, sondern vielmehr im mittelmäßigen Inventar des Reihenhauses zu sich kommt.”

So weit benimmt sich “Bild” daneben

Als Ende September täglich zwischen 1.500 und 2.500 Corona-Neuinfektionen in Deutschland gemeldet wurden, und Angela Merkel vorrechnete, dass, wenn es so weitergeht wie in den vorangegangenen Monaten, daraus bis Weihnachten 19.200 tägliche Neuinfektionen werden könnten, präsentierte die “Bild”-Redaktion die dazugehörige “WAHRHEIT”:

Screenshot Bild.de - Kanzlerin rechnet mit fast 20000 Infizierten am Tag! Die Wahrheit hinter Merkels dramatischer Corona-Warnung - Wie Experten auf die Schock-Zahlen reagieren

Die Kanzlerin sei mit “ihrer Explosions-Rechnung” “im Alarmmodus”, so das Urteil der drei “Bild”-Autoren. Das sollte ein Experte bestätigen: Klaus-Dieter Zastrow, von “Bild” meist als “Hygiene-Papst” präsentiert und bekannt von so nüchternen und ausgewogenen Analysen wie “Totales Versagen der Behörden” oder “Hektischer Aktionismus und Hysterie”. Zu Merkels Weihnachtsrechnung zitiert “Bild” Zastrow so:

Hygiene-Experte Prof. Dr. Klaus-Dieter Zastrow sagte BILD, die Zahl von “19 200 Neuinfektionen pro Tag für Weihnachten zu berechnen, ist im besten Fall Kaffeesatzleserei”. Das habe “nichts mit der Realität zu tun. Wir haben im Schnitt weniger als 2000 Neuinfektionen pro Tag. So eine Horrorzahl zu nennen, ist purer Alarmismus.”

Der Vorwurf des “Bild”-Artikels: Völlig unnötig entwirft Angela Merkel ein Horrorszenario. Einer der “Bild”-Autoren, der stellvertretende Chefredakteur Paul Ronzheimer, betonte bei Twitter auch noch einmal extra, dass “Experten” ja sagen, dass das alles “purer Alarmismus” von der Kanzlerin sei:

Screenshot eines Tweets von Paul Ronzheimer - Die Kanzlerin macht ihre Modellrechnung jetzt auch öffentlich, nachdem BILD die 19200 am Montag als erstes Medium zitiert hatte, und die Begeisterung vieler Journalisten ist riesig, obwohl Experten wie unter anderem Zastrow sagen: So eine Horrorzahl zu nennen, ist purer Alarmismus.

Und dann ging es los: 4.000 tägliche Neuinfektionen, 5.500, 7.000, 8.000, 10.000. Den rasanten Anstieg konnte man auch auf der Bild.de-Startseite beobachten:

Screenshot Bild.de - Corona-News - RKI: Höchstwert von 11287 Neuinfektionen
Screenshot Bild.de - RKI meldet 18681 Neuinfektionen
Screenshot Bild.de - RKI meldet 19059 Neuinfektionen

Am vergangenen Samstag dann also 19.059 Neuinfektionen. Gut zwei Monate vor Weihnachten. Und was macht die “Bild”-Redaktion? Sieht sie ein, dass Angela Merkels “Explosions-Rechnung” doch nicht aus einem “Alarmmodus” heraus entstanden ist? Schreibt sie kleinlaut, dass ihr Experten-Papst ziemlichen Murks erzählt hat? Natürlich nicht. Stattdessen hat die Bundeskanzlerin mal wieder alles falsch gemacht:

Screenshot Bild.de - Merkel prognostizierte 19200 Fälle bis Weihnachten - So weit lag das Kanzlerinnen-Orakel daneben

19 200 Neuinfektionen am Tag prognostizierte Kanzlerin Angela Merkel (66, CDU) Ende September für die Weihnachtsfeiertage – nur einen Monat später ist klar: Das Kanzlerinnen-Orakel lag meilenweit daneben.

Die Überschrift hat die Redaktion inzwischen still und heimlich in “Darum ist die Merkel-Prognose 2 Monate früher eingetreten” geändert. Der Teaser vor der “Bild plus”-Paywall mit dem “Kanzlerinnen-Orakel”, das “meilenweit danebenlag”, ist unverändert online.

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BILDblog-Klassiker

MDR trennt sich von Steimle, Löscht den Mist, Post-Relotius-Reporterpreis

1. Mitteldeutscher Rundfunk trennt sich von Uwe Steimle
(tagesspiegel.de, Joachim Huber)
Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) trennt sich von seinem Kabarettisten, “Heimatforscher” und “Störenfried” Uwe Steimle. Dieser war die vergangenen Jahre immer wieder durch fragwürdige Äußerungen aufgefallen und hatte zudem die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Frage gestellt. In seinem Kommentar kritisiert Joachim Huber auch den MDR und fragt, warum der Sender Steimles Treiben so lange tatenlos zugesehen habe: “Offensichtlich verstand sich die ARD-Anstalt bei Uwe Steimle als Besserungsanstalt und den Programmauftrag als Erziehungsauftrag. Das ist schiefgegangen, genährt wurde Steimles Opferhaltung, aktuell befördert wird die gängige Haltung, man dürfe seine Meinung in diesem Land nicht mehr sagen.”
Weiterer Lesehinweis: Auf “Übermedien” wurde die Causa Steimle schon Mitte vergangenen Jahres thematisiert: Uwe Steimle und das verspätete Ende der Akzeptanz beim MDR (uebermedien.de, Philipp Greigenstein). 
Und auch bei “Zapp” waren Steimle und dessen fremdenfeindliche Geschichten bereits Thema: Grenzen der Satire? Der MDR und Uwe Steimle (ndr.de, Nadja Mitzkat, Video: 6:09 Minuten).

2. Auf in die nächste Dekade!
(detektor.fm, Christian Bollert)
Lange bevor der Podcast-Hype einsetzte, war bereits der Sender detektor.fm mit seinem starken Fokus auf Podcasts am Start. Nun feiert das detektor-Team sein zehnjähriges Bestehen mit einer Renovierung der Website und neuen Produktionen. Außerdem wurde das Redaktionsteam um zwei erfahrene Köpfe erweitert.

3. Der Post-Relotius-Reporterpreis
(deutschlandfunk.de, Samira El Ouassil, Audio: 4:17 Minuten)
Samira El Ouassil hat einen Blick auf die mit dem Deutschen Reporterpreis ausgezeichneten Texte geworfen und ist im Großen und Ganzen zufrieden: “Diese und die anderen Gewinnertexte klingen in ihrer Schnörkellosigkeit geradezu wie Gegenentwürfe zu den prämierten Texten der Vorjahre. Sie machen genau die Fehler nicht, die zu Beginn des Jahres moniert wurden — aber das Wichtigste: kein Text klingt so als sei er nur geschrieben worden, um einen Reporterpreis zu gewinnen.”

4. Springer-Chef als Zeuge geladen
(taz.de, Kersten Augustin & Yossi Bartal)
Israels Generalstaatsanwalt hat Anklage gegen Premierminister Benjamin Netanjahu erhoben. Einer der Vorwürfe: Korruption. In der 63-seitigen Anklageschrift taucht auch der Axel-Springer-Verlag auf. Der Springer-Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner soll sogar als Zeuge nach Israel geladen werden. Kersten Augustin und Yossi Bartal erklären den verwickelten, aber spannenden Wirtschaftskrimi.

5. Rücken “Berliner Morgenpost” und “Tagesspiegel” zusammen?
(dwdl.de, Timo Niemeier)
Der Berliner Zeitungsmarkt kommt nicht zur Ruhe. Nach DuMonts Verkauf des Berliner Verlags samt “Berliner Zeitung” an das Ehepaar Friedrich, stehen jetzt eventuell neue Veränderungen an. Es wird spekuliert, ob die “Berliner Morgenpost” (Funke-Gruppe) und der “Tagesspiegel” (Holtzbrinck) enger zusammenrücken.

6. Tiktok, tiktok, die Uhr ist abgelaufen. Löscht den Mist.
(t3n.de, Enno Park)
Nachdem bekannt wurde, dass die Social-Video-App TikTok Content von Menschen mit Behinderung in der Sichtbarkeit reduziert beziehungsweise versteckt, ist für Enno Park endgültig Schluss mit der App: “In dunklen Zeiten wurden behinderte Menschen schamvoll von ihren Familien versteckt. Noch heute verbannt die Gesellschaft sie in versteckte Pflegeeinrichtungen und Werkstätten am Stadtrand. Und nun werden sie auch in der schönen neuen Tiktok-Welt aussortiert und unsichtbar gemacht. Da bleibt als Fazit nur: Tiktok ist menschenfeindlicher Dreck. Löscht eure Accounts, werft die App von euren Telefonen und erklärt euren Kindern, was Tiktok macht.”
Weiterer Lesehinweis: Warum TikTok im Azubimarketing und Recruiting tabu sein sollte (personalmarketing2null.de, Henner Knabenreich).

Gabor Steingarts Importgeschäft: falsches Futter für Islamhasser

Mit einem Schiff und regelmäßigen Bootstouren durch das Berliner Regierungsviertel will Herausgeber Gabor Steingart den deutschen Journalismus retten. Für den Anfang wäre es aber schon hilfreich, wenn er sich Statistiken, über die er schreibt, vorher auch mal anschauen würde.

“Focus Online” hat einen Gastbeitrag von Steingart zur “Partnerschaftsgewalt” veröffentlicht:

Screenshot Focus Online - Gastbeitrag von Gabor Steingart - Frauenrechtlerin kritisiert: Haben Gewaltbereitschaft gegen Frauen importiert

Und schon Steingarts erster Satz ist falsch:

Das Bundesfamilienministerium hat erst kürzlich die jährliche Studie zur Partnerschaftsgewalt vorgelegt.

Die “jährliche Studie zur Partnerschaftsgewalt” wird nicht vom Bundesfamilienministerium vorgelegt. Zwar hat Familienministerin Franziska Giffey die Statistik vor wenigen Tagen anlässlich des Internationalen Tags zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen herangezogen, um auf das Problem aufmerksam zu machen — erstellt und herausgegeben (PDF) wird sie aber vom Bundeskriminalamt (BKA).

Steingart schreibt zu den Zahlen:

Ein Drittel der männlichen Täter besitzt keine deutsche Staatsangehörigkeit, was bei einem Ausländeranteil von zwölf Prozent in Deutschland ein überproportionaler Anteil ausländischer Täter wäre.

Das ist erstens unpräzise, denn in den BKA-Zahlen geht es immer um Tatverdächtige und nicht um Täter. Und zweitens ist es ein krummer Vergleich: Steingart setzt den Anteil männlicher Tatverdächtiger in Relation zum gesamten Ausländeranteil in Deutschland, zu dem dann auch Frauen und Kleinkinder zählen. Hinzu kommt, dass das BKA stets darauf hinweist, dass ein solcher Vergleich zwischen Tatverdächtigen und Wohnbevölkerung auf Grundlage seiner Zahlen gar nicht möglich sei. In der aktuellen Ausgabe der Polizeilichen Kriminalstatistik (PDF) etwa schreibt die Behörde zu den “Bewertungsproblemen” bei “nichtdeutschen Tatverdächtigen”:

Ein Vergleich der tatsächlichen Kriminalitätsbelastung der nichtdeutschen Wohnbevölkerung mit der deutschen ist schon wegen des Dunkelfeldes der nicht ermittelten Tatverdächtigen in der Polizeilichen Kriminalstatistik nicht möglich. Ferner enthält die Bevölkerungsstatistik keine Angaben zu bestimmten Ausländergruppen wie vor allem Personen ohne Aufenthaltserlaubnis, Touristinnen und Touristen, Durchreisende, Besucherinnen und Besucher, Grenzpendlerinnen und Grenzpendler und Stationierungsstreitkräfte, die jedoch in der Kriminalstatistik als Tatverdächtige mitgezählt werden. Die Volkszählungen von 1979 und von 2011 haben gezeigt, dass auch die Daten der gemeldeten ausländischen Wohnbevölkerung (fortgeschriebene Bevölkerungsstatistik) sehr unzuverlässig sind.

Die Kriminalitätsbelastung der Deutschen und Nichtdeutschen ist zudem aufgrund der unterschiedlichen strukturellen Zusammensetzung (Alters-, Geschlechts- und Sozialstruktur) nicht vergleichbar. Die sich in Deutschland aufhaltenden Personen ohne deutsche Staatsbürgerschaft sind im Vergleich zur deutschen Bevölkerung im Durchschnitt jünger und häufiger männlichen Geschlechts. Sie leben eher in Großstädten, gehören zu einem größeren Anteil unteren Einkommens- und Bildungsschichten an und sind häufiger arbeitslos. Dies alles führt zu einem höheren Risiko, delinquent und damit als Tatverdächtige polizeiauffällig zu werden.

Es ist durchaus wahrscheinlich, dass nicht-deutsche Tatverdächtige in den BKA-Zahlen zur “Partnerschaftsgewalt” überrepräsentiert sind. Man kann es aber nicht so simpel belegen, wie Gabor Steingart es versucht.

Aber der eigentliche Punkt, um den es Steingart geht, ist ja sowieso ein anderer: Flüchtlinge. Dazu zitiert er “die in Istanbul geborene Publizistin und Frauenrechtlerin Necla Kelek”, die zuvor in Steingarts Podcast “Morning Briefing” zu Gast war:

Mit den Flüchtlingsströmen habe man Gewaltbereitschaft “importiert”, so Kelek.

Steingart nennt zwei “Schlussfolgerungen” Keleks. Erstens:

“Unsere Gesellschaft muss begreifen: Der Islam ist nicht einfach eine spirituelle Religion, gleichgesetzt mit der katholischen oder evangelischen Kirche, sondern der Islam kann als ein Gesellschaftssystem gelebt werden. Das müssen wir unbedingt verhindern.”

Und zweitens:

“Warum steigen die Zahlen seit 2015, seitdem wir eine sehr, sehr große Gruppe geflüchteter Menschen, beispielsweise aus dem Orient und aus Nordafrika haben. Diese Zusammenhänge werden überhaupt nicht hergestellt.”

Schaut man sich die BKA-Statistiken etwas genauer an, sieht man, dass es ziemlich tendenziöses Geraune ist, das Kelek da von sich gibt und Steingart weiterträgt.

Von den 117.473 Tatverdächtigen, die das BKA für 2018 nennt, sind 38.714 nicht-deutsche. Die zehn am stärksten vertretenen Nationalitäten unter diesen nicht-deutschen Tatverdächtigen sind:

  • Türkei (6694 Tatverdächtige)
  • Polen (3042)
  • Syrien (2759)
  • Rumänien (1909)
  • Italien (1624)
  • Afghanistan (1563)
  • Serbien (1500)
  • Irak (1228)
  • Kosovo (1165)
  • Bulgarien (1163)

Die Polen, Rumänen, Italiener, Serben und Bulgaren dürften mehrheitlich keine Muslime sein, die den Islam “als ein Gesellschaftssystem” leben. Die Türken dürften mehrheitlich nicht zu der “sehr, sehr großen Gruppe geflüchteter Menschen” zählen, die “seit 2015” nach Deutschland gekommen ist. Dass Kelek auch die Geflüchteten aus Nordafrika erwähnt, zeigt, dass sie keinen blassen Schimmer hat, was in der BKA-Statistik steht. Lediglich Marokko taucht darin mit 643 Tatverdächtigen auf. Die Länder Nordafrikas spielen in der Statistik zur “Partnerschaftsgewalt” also so gut wie keine Rolle.

Bleiben noch die Syrer, Afghanen und Iraker. Von ihnen gibt es tatsächlich mehr Tatverdächtige bei der “Partnerschaftsgewalt” als 2015 — was nach dem Zuzug von vergleichsweise vielen Syrern, Afghanen und Irakern auch keine ganz große Überraschung ist. Und dennoch: Mit 5550 Tatverdächtigen machen sie gerade mal 4,7 Prozent aller 117.473 Tatverdächtigen aus. Das reicht Gabor Steingart, um Panik zu verbreiten: Wir Deutschen hätten mit den “Flüchtlingsströmen” die Gewaltbereitschaft gegen Frauen importiert — als wäre das nicht seit Jahrzehnten auch ein urdeutsches Produkt.

Auch ganz allgemein und unabhängig von Nationalitäten taugt die BKA-Statistik übrigens nicht, um einen Anstieg bei der “Partnerschaftsgewalt” durch “Flüchtlingsströme” “seit 2015” zu belegen. Das BKA hat die Statistik erstmals für das Berichtsjahr 2015 herausgegeben. Für einen Zeitraum davor existiert keine derart detaillierte Auswertung, mit der man aktuelle Zahlen vergleichen könnte.* Seit der ersten Ausgabe hat sich die Zahl der Tatverdächtigen zwar kontinuierlich erhöht (2015: 108.363, 2016: 113.080, 2017: 116.318, 2018: 117.473), allerdings nur um wenige Prozent. Das könnte laut Familienministerin Franziska Giffey auch an der gestiegenen Bereitschaft, Anzeige zu erstatten, liegen. Und es dürfte auch damit zu tun haben, dass das BKA ab 2017 zusätzlich die Deliktsbereiche Nötigung, Freiheitsberaubung, Zuhälterei und Zwangsprostitution in die Statistik aufgenommen hat. Die Behörde schreibt zwar nicht, wie viele Tatverdächtige dadurch 2017 und 2018 hinzugekommen sind. Aber bei den Opfern sind es 6898 von insgesamt 138.893 Personen (2017) beziehungsweise 6817 von insgesamt 140.755 Personen (2018).

Der fehlerhafte, krumme und tendenziöse Gastbeitrag von Gabor Steignart hat in den Sozialen Netzwerken eine beachtliche Runde gedreht. Besonders gut kam er bei AfD-Ortsverbänden, “Pegida”-Anhängern und FPÖ-Politikern an.

  • Ebenfalls zum Thema: Elisabeth Raether und Michael Schlegel haben für die “Zeit” in einer besonderen Rechercheleistung alle 122 Fälle aus dem Jahr 2018, in denen Frauen von ihren Partnern oder Ex-Partnern umgebracht wurden, dokumentiert: Von ihren Männern getötet.

Mit Dank an @wilke_tobias für den Hinweis!

*Nachtrag, 16:54 Uhr: In seiner ersten Statistik zur “Partnerschaftsgewalt” aus dem Jahr 2015 (PDF) hat das BKA immerhin Zahlen aus den Jahren 2012, 2013 und 2014 genannt, allerdings nur zu den Opfern und nicht zu den Tatverdächtigen. Aber auch die besitzen ja eine Aussagekraft: 2012 waren es 120.758 Opfer, 2013 stieg die Zahl auf 121.778 und 2014 noch einmal auf 126.230. 2018 waren es, wie bereits geschrieben, 140.755 Opfer. Das heißt, dass seit 2014 — also dem Zeitpunkt, zu dem laut Necla Kelek noch nicht “eine sehr, sehr große Gruppe geflüchteter Menschen” nach Deutschland gekommen war — die Zahl der Opfer um 11,5 Prozent gestiegen ist. Allerdings hat das BKA, wie ebenfalls weiter oben bereits beschrieben, in der Zwischenzeit auch neue Deliktsbereiche in die Statistik aufgenommen. Rechnet man diese für 2018 heraus, ergibt sich bei den Opfern eine Steigerung von 6,1 Prozent seit 2014.

Bis sich die Balken biegen (9)

Um zu zeigen, dass das alles ganz schrecklich werden dürfte mit dem designierten neuen SPD-Führungsduo, präsentiert Welt.de:

Screenshot Welt.de - Wirtschaft - Norbert Walter-Borjans - Die bisherige Schulden-Bilanz des künftigen SPD-Chefs

Norbert Walter-Borjans war von 2010 bis 2017 Finanzminister in Nordrhein-Westfalen. Diese Zeit hat sich “Chefökonomin” Dorothea Siems noch einmal genauer angeschaut. Und zu einer richtigen “Schulden-Bilanz” gehört natürlich auch eine ordentliche Grafik. Et voilà:

Screenshot Welt.de - Hoffnungslos überschuldet - dazu eine Grafik laut der der Schuldenstand Nordrhein-Westfalens Ende 2015 etwa 35 Billionen Euro betrug
(Draufklicken für größere Version.)

Nun wäre da erstmal die Frage, warum Welt.de eine Grafik mit “Stand: 31. Dezember 2015” wählt. Walter-Borjans war bis Ende Juni 2017 Finanzminister in Nordrhein-Westfalen. Warum nimmt die Redaktion also nicht den Schuldenstand, den er der Folgeregierung hinterlassen hat? Vielleicht weil dieser etwas niedriger war als jener Ende 2015? Oder vielleicht einfach nur weil diese Grafik schon fertig in irgendeinem Archiv lag, und bei Welt.de niemand Lust hatte, eine neue zu bauen?

Dann wäre da noch die Frage, warum Welt.de den “Schuldenstand nach Ländern inkl. Gemeinden” wählt und nicht nur den der Länder, wenn Walter-Borjans Finanzminister auf Landesebene war.

Vor allem aber wäre da die Frage, wie Welt.de auf diese Zahlen und diese Skalen kommt. Wenn Nordrhein-Westfalen am 31. Dezember 2015 einen Schuldenstand in Höhe von etwa 35.000 Milliarden Euro — also in Höhe von etwa 35 Billionen Euro — gehabt haben soll, dann wäre das Bundesland zu diesem Zeitpunkt weitaus höher verschuldet gewesen als die USA.

Tatsächlich betrug der Schuldenstand des Landes inklusive der Gemeinden und Gemeindeverbände Ende 2015 240,1 Milliarden Euro (PDF, Seite 30). Am 31. März 2019 waren es 230,4 Milliarden Euro — was man übrigens auch bei Welt.de nachlesen konnte.

Die “Schulden je Einwohner”, die laut “Welt”-Grafik im Fall von Nordrhein-Westfalen bei knapp unter 100 Euro liegen sollen, sind in Wirklichkeit hingegen um ein Vielfaches höher: Sie lagen laut Statistischem Bundesamt am 31. Dezember 2015 bei 13.576 Euro, Ende 2018 waren es 12.251 Euro.

Mit Dank an Sven B. für den Hinweis!

Wie aus dem “Pegida”-Handbuch, Bombenticker, Bushido fliegt raus

1. “Eindeutig Berufsverbot, Zensur ersten Grades”
(tagesspiegel.de, Joachim Huber)
Wie erst kürzlich bekannt wurde (siehe dazu auch unsere “6 vor 9” von gestern), stellt der MDR die Zusammenarbeit mit dem Kabarettisten Uwe Steimle ein. “Ich wurde entfernt, das ist eindeutig Berufsverbot, Zensur ersten Grades!”, habe Steimle der Website “Tag24” gesagt. Ein Satz wie aus dem kleinen “Pegida”-Handbuch des Wutbürgers, denn natürlich verbietet keiner Steimle, seiner Tätigkeit nachzugehen. Nur der MDR will nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten.

2. Follower kaufen: Wir haben unseren Bürohund zum Influencer gemacht
(vice.com, Sebastian Meineck & Theresa Locker)
Die “Vice”-Redaktion hat ein Experiment angestellt: Wie kann man Bürohund Henri zum (Fake-)Influencer auf Instagram machen? Wie viel Zeit ist dafür nötig, wie lässt sich am besten schummeln, und wo bekommt man die meisten Follower für sein Geld? Das Ganze ist nicht nur ein lustiger Versuch, sondern sagt viel aus über die in großen Teilen manipulierte und künstliche Instagram-Welt.

3. “Investigative Geschichten sind überlebenswichtig”
(fachjournalist.de, Ulrike Bremm)
Ulrike Bremm hat sich für den “Fachjournalist” mit dem Chefredakteur des Medienmagazins “Wirtschaftsjournalist”, Wolfgang Messner, unterhalten. In dem Interview geht es unter anderem um das journalistische Anforderungsprofil, konkrete Tipps für junge Kolleginnen und Kollegen und die Zukunft des Wirtschaftsjournalismus im Allgemeinen. Messners Prognose für Deutschland: “Ein neues Wirtschaftsmagazin wird es zumindest im Printbereich nicht mehr geben. Aber wir werden im Internet viel neuen starken und kämpferischen Journalismus und auch Wirtschaftsjournalismus erleben.”

4. Bushido fliegt bei Youtube raus
(faz.net)
Auf Veranlassung der Medienanstalt von Hamburg und Schleswig-Holstein hat Youtube einige Bushido-Videos für deutsche Nutzerinnen und Nutzer gesperrt. Hintergrund: Bushidos Album “Sonny Black” stehe in Deutschland wegen Frauen- und Schwulenfeindlichkeit sowie Gewaltverherrlichung auf dem Index. Dies sei erstmals 2015 festgestellt und Ende Oktober 2019 vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt worden.

5. Bombenticker hinter Paywall: LVZ-Chefredakteur reagiert auf Shitstorm
(flurfunk-dresden.de, Peter Stawowy)
Da mit Werbung im Internet immer weniger Geld zu verdienen ist, stellen viele Medien Paywalls auf, so auch die “Leipziger Volkszeitung” (“LVZ”). Dafür wird auch jeder Verständnis haben, doch wie sieht es bei lebenswichtigen Informationen für die Allgemeinheit aus? Sollten diese Informationen frei zugänglich sein? Über diese Fragen wurde und wird heftig gestritten. Der konkrete Anlass: Ein “LVZ”-Liveticker zu einer Bombenentschärfung im Leipziger Norden, der nur mit kostenpflichtigem Abonnement zu lesen war.

6. Nichts war erfolgreicher als “Die Zerstörung der CDU”
(spiegel.de)
Zum Ende des Jahres veröffentlichen viele große Plattformen ihre Jahrescharts. Bei Youtube Deutschland wird die Hitliste erwartungsgemäß von Rezo und seinem Video “Die Zerstörung der CDU” angeführt. Neun der Top-Ten-Videos hierzulande kämen laut Youtube aus Deutschland oder hätten einen lokalen Bezug.

Hass-Meldepflicht, Streit-Ressort, “Bild” als Werkzeug des Attentäters

1. Soziale Medien müssen Hasspostings künftig dem BKA melden
(spiegel.de, Wolf Wiedmann-Schmidt)
Betreiber Sozialer Netzwerke wie Facebook, Twitter oder Youtube müssen Hasspostings künftig dem Bundeskriminalamt melden. So sehen es jedenfalls die Änderungen des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes vor, auf die sich Bundesjustiz- und Bundesinnenministerium verständigt haben. Das Löschen allein reicht nicht mehr aus. Die Betreiber sind verpflichtet, die IP-Adresse und Portnummer herauszugeben, mit denen man zumindest das verwendete Endgerät ermitteln kann. Beleidigungen seien jedoch nicht von der Regelung betroffen. Der Strafverteidiger Udo Vetter kommentiert bei Twitter: “Soziale Netzwerke werden jetzt zu Denunziationsmaschinen umgebaut. Freut euch, wenn ihr eure erste polizeiliche Vorladung bekommt, z.B. weil weder der hochqualifizierte Melder bei Twitter noch die Polizei Ironie verstehen.”

2. Ermitt­lungen gegen Jour­na­listen ein­ge­s­tellt
(lto.de)
Nach der Veröffentlichung des “Ibiza-Videos” hatte der frühere österreichische Vizekanzler Heinz-Christian Strache zwei Journalisten, eine Journalistin und zwei Chefredakteure der “Süddeutschen Zeitung” angezeigt. Die Staatsanwaltschaft München hat die Ermittlungen nun jedoch eingestellt. Es habe ein “überragendes Interesse an der Berichterstattung über die thematisierten Missstände” gegeben.

3. Presserat: bild.de als Werkzeug des Attentäters von Halle
(stefan-fries.com)
Der Deutsche Presserat hat Bild.de für die Veröffentlichung von Videomaterial gerügt, das von dem Attentäter von Halle stammt. Der Presserat erkläre dazu: “In dem Video unter dem Titel ’35 Minuten Vernichtungswahn’ ordnete ein Reporter die gezeigten Sequenzen zwar ausführlich ein. Jedoch übernahm die Redaktion die Dramaturgie des Täters, indem sie seine Vorgehensweise chronologisch vom Laden der Waffen bis hin zu den Sekunden vor und nach den Mordtaten zeigte. Bei beiden Szenen konnten die Zuschauer aus der Perspektive des Täters quasi live dabei sein. Diese Darstellung geht über das öffentliche Interesse hinaus und bedient überwiegend Sensationsinteressen.”

4. Zeitungswende in Italien
(faz.net, Tobias Piller)
“FAZ”-Wirtschaftskorrespondent Tobias Piller kommentiert die Übernahmeschlacht um die italienische “La Republiucca”: “Ausgerechnet diejenige Zeitung, die einst als Stimme gegen das italienische Establishment gegründet worden war, wird nun von denen übernommen, die wie sonst niemand die etablierten Mächte in Italien repräsentieren — von der Familie Agnelli.”

5. NZZ: «Transparenz ist durchaus gegeben»
(infosperber.ch, Urs P. Gasche)
Der “NZZ” lag eine zwölfseitige Verlagsbeilage zur Immuntherapie bei (“Wie unser Körper Krebs bekämpfen kann”). Die Beilage habe sich auf den ersten Blick nicht vom unabhängigen Redaktionsteil der “NZZ” unterschieden, sei jedoch vom Pharmakonzern MSD (Merck Sharp & Dohme) in Auftrag gegeben worden. Urs P. Gasche hat bei der Zeitung nachgefragt, ob es für die Leserinnen und Leser nicht transparenter gewesen wäre, statt “Verlagsbeilage” etwa zu titeln: “Beilage des Pharmakonzerns MSD”? Gasche hat eine Antwort auf seine Frage bekommen, die ihn jedoch nicht zufriedenstellt.

6. Und jetzt? Zoff!
(taz.de, Erica Zingher & Peter Weissenburger)
Seit einem Vierteljahr existiert das neue Streit-Ressort der “Zeit”. Erica Zingher und Peter Weissenburger haben sich das Ressort genauer angeschaut und ziehen eine vorläufige Zwischenbilanz: “‘Streit’ verdeutlicht, dass die Debatte über die Meinungsfreiheit im Kern an einer Grundannahme hängt: Wer glaubt, dass Deutschland drauf und dran ist, in der Mitte auseinanderzureißen, wird viel in Kauf nehmen, um dies zu verhindern, womöglich eine folgenschwere Öffnung nach rechts. Wer das anders sieht, muss davor warnen. Das alles ist, Sie ahnen es, eine Streitfrage.”