Auf unseren letzten Artikel zu eVoting in der Schweiz «Universelle Verifizierbarkeit und Open Source Software bleiben Wünsche» hat es einige Reaktionen und seither auch einige Entwicklungen gegeben.
So soll das Genfer System «CHvote» bis Ende 2019 komplett unter der Affero GPL Lizenz veröffentlicht werden. Die ersten, bis Ende 2016 versprochenen Veröffentlichungen, stehen jedoch weiterhin noch nicht zur Verfügung.
Auf das System aus Genf setzen nebst dem Entwickler-Kanton auch Basel-Stadt, Bern, Luzern, St. Gallen und neu auch der Kanton Aargau. Mit der Post (und dem System des spanischen Anbieters Scytl) arbeiten die Kantone Freiburg und Neuenburg. Zum aktuellen System der Post wurden mittlerweile einige Dokumente veröffentlicht. Diese zeigen insbesondere die Komplexität der heutigen Systeme auf.
Wie wichtig nachvollziehbare Wahlen sind, zeigt aktuell die teilweise Neuauszählung der Präsidentschaftswahlen in den USA: Weil die Wahlcomputer in drei Bundesstaaten manipuliert gewesen sein könnten, müssen die Stimmen neu gezählt werden. Dies ist jedoch nur möglich, wenn es vom elektronischen Stimmzettel eine Kopie auf Papier gibt.
Eine Möglichkeit zur Nachzählung kennen die in der Schweiz eingesetzten eVoting-Systeme nicht. Die zukünftigen universell (durchgängig) verifizierbaren Systeme sollen dies ermöglichen. Nach Einschätzung der Digitalen Gesellschaft ist dies jedoch nicht praktikabel. Im folgenden ist unsere Position zu eVoting dokumentiert.
Position der Digitalen Gesellschaft zu eVoting in der Schweiz
Den zusätzlichen Stimmkanal «eVoting» erachtet die Digitale Gesellschaft prinzipiell als begrüssenswert. Allerdings nur unter einer wichtigen Bedingung: Das Resultat einer Wahl/Abstimmung muss unter Wahrung des Stimmgeheimnisses durchgängig nachvollzogen werden können. Es muss möglich sein, die Richtigkeit des Resultats nach dem Urnengang zu verifizieren (nachzuzählen), ohne dass bekannt wird, welche Person wie abgestimmt hat. Diese zentrale Anforderung an demokratische Entscheidungsprozesse kann zum heutigen Zeitpunkt von eVoting nicht erfüllt werden.
(Direkt-)Demokratische Entscheidungen haben eine sehr hohe Akzeptanz, weil alle sich an der Entscheidung beteiligen können und das Entscheidungsverfahren nachvollziehbar ist. Diese beiden Elemente zusammen garantieren, dass selbst kontroverse Entscheidungen von den Gewinnern und Verlierern akzeptiert werden.
Wie bei der Urnen- oder Briefwahl ist dies beim eVoting nur dann gegeben, wenn alle den Ablauf verstehen. Dies bedeutet konkret, dass eine per eVoting abstimmende/wählende Person – und nur sie – einfach und selber nachvollziehen können muss, dass ihr Stimm-/Wahlentscheid korrekt im Schlussresultat berücksichtigt worden ist. Dadurch bleibt das Stimmgeheimnis gewahrt und das korrekte Funktionieren der Wahlplattform kann von den BürgerInnen selbst festgestellt werden. Dies ist wichtig, da im Gegensatz zur Wahl an der Urne oder per Post die Stimmcouverts und Wahlzettel von der Öffnung und Auszählung bis zur Versiegelung (für eine allfällige Nachzählung) nicht von Stimmenzählern und Wahlbeobachtern verfolgt werden können. Die Auszählung findet nicht mehr in den Gemeinden, sondern in zentralen Systemen statt. Ein Fehler oder eine Manipulation hätte deutlich weitreichendere Folgen.
Technisch und mathematisch scheint eine solche universelle (vollständige) Verifizierbarkeit für E-Voting möglich zu sein, wie es die Studie der Berner Fachhochschule (PDF) nahelegt und der Bundesrat fordert. Ohne umfangreiche technische sowie organisatorische Massnahmen und insbesondere ohne weitreichendes Fachwissen – insbesondere auch der abstimmenden Personen – ist dies jedoch nicht zu bewerkstelligen.
Wie weit die eingesetzte eVoting-Software tatsächlich Open Source ist, wie die Verfügbarkeit der Systeme gewährleistet werden muss etc., sind gegenüber den demokratiepolitischen Bedenken eher zweitrangige Fragen. Sie führen insgesamt aber auch zur faktisch grundsätzlichen Ablehnung von eVoting durch die Digitale Gesellschaft.
(Update vom 25.8.2017: Formulierung zum Konzept der Berner Fachhochschule vom Standpunkt aus der WOZ übernommen.)
(Update vom 18.7.2018: Links zum Konzept der Berner Fachhochschule ergänzt.)