Recap: So war #D64diskutiert zur deutschen EU-Ratspräsidentschaft!

Digitalpolitik sollte eine essentielle Rolle unter der deutschen EU-Ratspräsidentschaft spielen. Dann kam die Coronakrise. Wie haben sich die Prioritäten verschoben, was ist geblieben, von den ambitionierten Plänen und was lässt sich in so kurzer Zeit überhaupt umsetzen? In der dritten Runde #D64diskutiert widmeten wir uns am 10. September 2020 dem Thema “Verpasste Chancen? Digitalpolitik und die deutsche EU-Ratspräsidentschaft”. Dazu diskutierten Julia Reda (ehemaliges Mitglied des Europäischen Parlaments, Projektleitung control © bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte und Mitglied des D64-Beirats), Tiemo Wölken (Mitglied des Europäischen Parlaments (SPD)) und Thomas Jarzombek (Mitglied des Bundestags (CDU) und Beauftragter des Bundeswirtschaftsministeriums für Digitale Wirtschaft und Start-Ups) mit unserer Moderation aus dem D64-Vorstand, Lena Stork und Erik Tuchtfeld.

Die gesamte Diskussion gibt es hier zum Nachschauen:

Zu Beginn der Diskussion wurden die Erwartungen an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft aus digitalpolitischer Sicht beleuchtet. Dabei wurde schnell klar, dass die Corona-Pandemie durchaus eine inhaltliche Verschiebung der Prioritäten für die Ratspräsidentschaft mich sich bringt. Trotzdem finden auch einige relevante digitalpolitische Themen ihren Platz. Von Seiten der deutschen Regierung liegt ein Schwerpunkt auf dem Ausbau europäischer Souveränität im Digitalen Zeitalter, unter anderem mit dem europäischen Cloud-Projekt GAIA-X. Darüber hinaus geht es der Bunderegierung um die Stärkung der europäischen Plattformökonomie, etwa durch die Vorbereitung des Digital Services Acts. Aber auch die Schaffung rechtlicher Rahmenbedingungen für die digitale Gesellschaft, etwa durch die ePrivacy-Verordnung findet sich auf der Liste. Insbesondere bei letzterer zeigte sich, dass die Runde dies als eine absolute Priorität für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft ansah. Einig war sich die Runde auch, dass es einer besseren europäischen Förderung von Open Source-Projekten bedarf.

Bezüglich des Cloud Projektes GAIA X zeigte sich Tiemo Wölken etwas skeptisch, da es sich vor allen Dingen um eine deutsch-französische Initiative handele und es kein gesamteuropäisches Projekt sei – das sei nicht unbedingt die beste Voraussetzung für durchschlagenden Erfolg auf europäischer Ebene. Anders ist dies beim Digital Services Act, welcher Klarheit über die Plattformregulierung innerhalb der EU schaffen soll. Allerdings wird der erste Entwurf der Kommission erst Ende 2020 erwartet und somit kaum mehr Thema innerhalb der deutschen Ratspräsidentschaft sein. Bezüglich der Einflussmöglichkeiten der Mitgliedsstaaten auf die Umsetzung von europäischen Verordnungen und Richtlinien stellte Julia Reda klar, dass Verordnungen – wie die Datenschutzgrundverordnung – als unmittelbar geltendes Recht den Mitgliedsstaaten keinen Umsetzungsspielraum mehr ließen. Anders bei Richtlinien: Diese werden erst durch nationale Umsetzungsgesetze verbindliches Recht, so dass die Mitgliedsstaaten einen Spielraum besitzen, was sich auch im Moment im Zusammenhang mit der Urheberrechtsrichtlinie zeige. Hier könne Deutschland mit seiner Herangehensweise ein positives Beispiel setzen, da man versucht Uploadfilter zumindest teilweise zu verhindern.

Die Diskussion zeigte, dass es in der europäischen Digitalpolitik noch einiges zu erarbeiten und zu entscheiden gibt, was im Rahmen einer sechsmonatigen europäischen Ratspräsidentschaft nicht im Gesamten zu bewältigen ist. Nichtsdestotrotz sah die Runde keinen Anlass dafür, die deutsche Ratspräsidentschaft schon jetzt als verpasste Chance für wichtige digitalpolitische Projekte zu betrachten. Damit es dabei bleibt, wünschten sich die Diskutanten insbesondere eine Einigung bezüglich der ePrivacy-Verordnung. Julia Reda und Tiemo Wölken unterstrichen in ihren Schlussstatements zudem die Notwendigkeit für ein klares Bekenntnis zur Open-Source-Förderung sowie ein größerer finanzieller Rahmen für Digitalprojekte im Allgemeinen. Es bleibt also spannend, wenn es um die digitale Zukunft Europas geht. Als D64 freuen wir uns diesem Diskurs einen Raum bieten zu können und daran mitzuwirken, Digitalisierung auch auf europäischer Ebene sozial, gerecht und inklusiv zu gestalten.

 

Aus Corona lernen: Digitale Nachhaltigkeit muss zentrales Anliegen der Politik werden

Digitalisierung und Nachhaltigkeit – passt das überhaupt zusammen? Ein Blick in die Politik zeigt, dass zu diesem Thema parteiübergreifend erschreckend wenig passiert. Und das, obwohl der Klimawandel die Medien beherrscht, tausende Menschen weltweit zum Handeln aufrufen, die Folgen der Erderwärmung bereits spürbar sind. Es scheint, als kämpfe die Politik noch mit der Digitalisierung selbst, für Nachhaltigkeit sind keine Kapazitäten verfügbar. Doch beides zusammen zu denken ist unvermeidbar, wenn wir eine lebenswerte Zukunft schaffen wollen. Wir bei D64 haben uns deshalb zum Ziel gesetzt, Nachhaltigkeit in der digitalen Gesellschaft als zentrales Thema in die Etagen der Macht zu tragen. Als gemeinsame Basis gilt hierbei diese Bestandsaufnahme.

 

Bild: E-waste workers in Agbogbloshie completing a burn for copper recovery, 2010, von Jcaravanos ; Lizenz: CC BY-SA 4.0

 

In den Medien wird seit einigen Monaten viel über den Digitalisierungsschub geschrieben, den die COVID 19-Pandemie ausgelöst hat. Im Zuge der anhaltenden Forderungen der Klimaaktivisten wird von verschiedenen Experten gefordert, die Chance nicht zu verpassen und neue Projekte und Förderungen zur Digitalisierung “in den Dienst der Nachhaltigkeit zu stellen”. Aber was soll das eigentlich bedeuten?

Der Begriff Nachhaltigkeit wird im politischen Diskurs meist im Sinne des Brundtland-Berichts von 1987 und der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (SDG-Ziele) verstanden – und damit dreidimensional: sozial, ökologisch, ökonomisch. Wenn in diesem Verständnisrahmen von nachhaltiger Digitalisierung oder Digitalisierung für mehr Nachhaltigkeit gesprochen wird, stellen sich zwei grundsätzliche Fragen:

    • Wie kann die Digitalisierung eine nachhaltige Entwicklung unterstützen?
    • Wie kann die Digitalisierung selbst nachhaltig gestaltet werden?

Aktuell ist die Digitalisierung leider alles andere als ein Treiber von Nachhaltigkeit. Wegen ihres erheblichen Ressourcenbedarfs – allen voran Energie – hat sie umwelt- und klimaschädliche Auswirkungen. Die schnellen, nicht geschlossenen Produktzyklen immer neuer Gadgets und besserer Geräte treiben bei der Herstellung und der abschließenden Vermüllung ökologischen und sozialen Raubbau. Effizienzgewinne im Energieverbauch wurden bisher in kürzester Zeit vom Rebound-Effekt wieder aufgefressen (oder gar durch Backfire weiter gesteigert). Zudem trägt die Digitalisierung unter bestimmten wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen zu einer Verschärfung und Zementierung der globalen und lokalen Ungleichheit (digital divide) sowie zur effizienteren Ausgrenzung und Diskriminierung von Minderheiten und zivilgesellschaftlichen Bewegungen bei (shrinking space). Auch ökonomisch wirkt sie bislang fragwürdig, denn benötigte Ressourcen wie seltene Erden und Gold wachsen im Gegensatz zu Bäumen nicht nach. 

Dennoch sind wir bei D64 sicher: die Digitalisierung ist eine enorme Chance und kann entscheidend dazu beitragen, die SDG-Ziele umzusetzen und zu einer sozial-ökologischen Transformation beizutragen. Es gibt viele gute Projekte, Ideen und Konzepte, die zeigen was schon heute möglich ist – oder möglich sein könnte. Initiativen wie Bits & Bäume bringen Techies und Ökos zusammen, um gemeinsam Forderungen zu formulieren und Aktionen zu planen. Selbst wenn in diesem Bereich viel „Greenwashing“ betrieben wird, gibt es durchaus eine ganze Reihe an GreenTech-Startups, die sinnvolle Dienstleistungen und Technologien für Umwelt- und Klimaschutz entwickeln.

Eine sozial-ökologisch nachhaltige Digitalisierung kann zum Beispiel…

    • Digitale Endprodukte (z.B. Smartphones) sowohl sozial als auch ökologisch neutral produzieren, z.B. nach dem Cradle-to-Cradle Ansatz und unter Berücksichtigung von Fair Trade Prinzipien (z.B. Fairphone, Shiftphone)
    • CO2-neutrale Rechenzentren aufstellen (z.B. Nutzung der Abwärme als Fernwärme etc.)

Digitalisierung als Treiber sozial-ökologisch nachhaltiger Entwicklung kann zum Beispiel...

    • Data Science-Projekte aufsetzen, die Klimadaten vernetzen und barrierefrei sowie nutzerfreundlich verfügbar machen (z.B. klimawatch.de)
    • Steuerung/Nutzung von Synergien in kommunalen Energiekreislaufsystemen ermöglichen (z.B. Verband kommunaler Unternehmen)

Im Verhältnis zur Geschwindigkeit der Digitalisierung an sich bewegte und bewegt sich allerdings deutlich zu wenig in Richtung Nachhaltigkeit. Und dann kam Corona.

 

Was hat Digitalisierung und Nachhaltigkeit mit Corona/COVID-19 zu tun?

Die Corona-Pandemie hat uns sowohl als Individuen als auch als Gesellschaft in einen ungewollten Experimentierraum gesteckt, in dem viele bestehende Normen und Selbstverständlichkeiten nicht mehr galten. Plötzlich war politisches und unternehmerisches Handeln möglich, das zuvor unmöglich erschien. Gleichzeitig wurden wir auf persönlicher Ebene auf uns selbst zurückgeworfen, was oft zu einem ganz neuen Verständnis des Werts unseres gemeinschaftlichen Lebens und gesellschaftlich nützlicher Arbeit führte. Der sowieso rasch voranschreitenden Digitalisierung hat Corona einen enormen Schub verliehen und insbesondere Menschen und Organisationen, die bestimmte digitale Entwicklungen bisher eher gemieden hatten, zu einer steilen Erfahrungs- und Lernkurve gezwungen. Manche Debatten rückten aus der digital-ökologischen Peripherie ins Zentrum öffentlicher Diskurse: Wie bewerten wir den “Berufstourismus”? Wie kann sichergestellt werden, dass der Staat verlässlich, schnell und proaktiv Zugriff auf (maschinenlesbare) Daten herstellt? All dies geschah, um mit einer akut auftretenden Krise adäquat umzugehen.

Von Corona lernen heißt deshalb auch (wieder zu er-)lernen, dass wir als Individuen und Gesellschaft die Stärke haben, unsere selbst geschaffenen Überzeugungen und Normen zu ändern, wenn eine Krise es erfordert. An Krisen mangelt es dafür aktuell sicher nicht. Daher sollten wir diese Erkenntnis auf die Digitalisierung übertragen, um sie zu einem starken Instrument im Kampf gegen den Klimawandel und Treiber für eine nachhaltige Entwicklung unserer Gesellschaften zu machen.

 

Was wir tun

In unserer Arbeitsgruppe Nachhaltigkeit befassen wir uns insbesondere damit, was politische Akteure und Institutionen tun können, um Digitalisierung und Nachhaltigkeit zusammen zu denken und voranzubringen. Dabei geht es insbesondere darum, die Digitalisierungsimpulse aus der Corona-Pandemie zu verstehen und einzuordnen. Welche positiven Nachhaltigkeitseffekte können sich zum Beispiel durch eine Digitalisierung der Arbeitswelt ergeben: Ist die in ersten Studien festgestellte niedrigere Stressbelastung und höhere Produktivität der Arbeitnehmer ein echter Trend? Kann remote work zu einer Wiederbelebung des ländlichen Raums durch Dezentralisierung der Arbeits- und Lebensorte führen?

Über diesen recht konkreten Beobachtungsfeldern stehen systematische Fragestellungen zu verschiedenen Themenbereichen, die für den Komplex Digitalisierung und Nachhaltigkeit zentral sind. Diese reichen oft in einen europäischen oder globalen politischen Kontext hinein, in dem es auch um die Anschlussfähigkeit zu größeren Programmen oder Vorschlägen geht – wie etwa dem von Maja Göpel geforderten Social Green Deal für Europa, der auf einer „mehrdimensionalen Solidarität“ entsprechend des Nachhaltigkeitskonzepts basiert.

 

Einige weitere Fragestellungen, mit denen wir uns befassen wollen:

Superhuman vs. Subhuman: Wie können wir human downgrading im Rahmen der Digitalisierung entgegenwirken? Wie kann eine alternative Vision des digital ermöglichten gesellschaftlichen Fortschritts konkretisiert werden, die statt eines technologieoptimierten Menschen die Hinwendung zu „Fähigkeiten wie Empathie, Fürsorge und Solidarität“ in den Fokus stellt?

Demokratisch: Wie kann die OpenSource-Philosophie in Wissenschaft, Verwaltung und Politik verankert werden, um lizenzfrei und unbürokratisch Wissen zu teilen, evidenzbasierte Entwicklungs- und Entscheidungsprozesse zu stärken und damit zu Demokratisierung und Vertrauensstärkung der Bürger*innen beizutragen? (Stichwort: Public Money, Public Code)

Wertvolle Arbeit: Wie kann eine nachhaltige Digitalisierung dabei helfen, abseits rein gewinnorientierter Automatisierungsprojekte jene bezahlte und unbezahlte Arbeit zu stärken und zu fördern, die für die Gesellschaft und für jeden Einzelnen den größten (Mehr)wert hat?

Suffizienz und Effizienz: Wie können wir verhindern, dass Effizienzgewinne beim Energieverbrauch vom Rebound und folgendem Backfire-Effekt wieder aufgefressen werden, und wie kann eine begleitende Suffizienzstrategie aussehen, um den Verbrauch nicht-erneuerbarer Ressourcen zu reduzieren? 

Echte Kosten: Welche sozialen und ökologischen Schäden entstehen als Nebenprodukt der Digitalisierung und wie kann man diese berechnen, ausgleichen oder langfristig auflösen? Wie kann eine Anwendung der „echten Kosten“ auf das Wirtschaftssystem eine Kreislaufwirtschaft fördern, in der es für die Industrie ökonomisch wieder sinnvoller ist qualitativ hochwertige Produkte zu erstellen, welche reparierbar und recycelbar wären?

Dezentral: Wie kann Künstliche Intelligenz – über intelligente Netze, Speicher, Systeme – uns dabei helfen, unsere Energieversorgung sowohl resilient als auch nachhaltig zu gestalten – und was muss dafür auf politischer Ebene geschehen?

 

Und nicht zuletzt stellt sich übergeordnet die Frage, welche strukturellen Veränderungen nötig sind, um die Digitalisierung „in den Dienst der Nachhaltigkeit“ zu stellen. Dabei geht es explizit nicht nur darum, wirtschaftspolitische Weichen zu stellen – sondern auch, den Regierungs- und Verwaltungsapparat dazu zu befähigen mit der Digitalisierung, die sie in nachhaltige Bahnen lenken sollen, überhaupt Schritt zu halten.

Denn wie der wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung zu globalen Umweltthemen (WBGU) in seinem Gutachten „Unsere gemeinsame digitale Zukunft“ festgehalten hat, steht es um die Digitalkompetenzen dort meist schlecht. Ein massiver Modernisierungsschub begleitet von wissenschaftlicher Forschung wäre nötig, um den Anforderungen einer nachhaltigen Transformation gerecht zu werden.

Gelingt dies nicht, werden sich technologie- und kurzfristorientierte Eigendynamiken durchsetzen; die Verknüpfung der digitalen mit der Nachhaltigkeitstransformation wird dann nicht gelingen.“

Mit unserer Arbeit wollen wir nicht nur theoretisieren, sondern praktische Impulse geben wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit zusammen gehen können. Dazu analysieren wir Konzepte und Ideen, sprechen mit Expertinnen und Experten und formulieren Forderungen und konkrete Vorschläge, wie politische Institutionen und Öffentlichkeit die Digitalisierung im Sinne der Nachhaltigkeit umsetzen können. „Transfer with an attitude“ nennen wir das, denn wir wollen nicht nur Wissen teilen, sondern Handlungsdruck aufbauen. Menschen, die uns dabei unterstützen wollen, sind in unserer Arbeitsgruppe immer willkommen.

 

Was ist D64?

D64 ist die Denkfabrik des digitalen Wandels. Unsere Mitglieder sind von der gesamtgesellschaftlichen Auswirkung der digitalen Transformation auf sämtliche Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens überzeugt und wollen diese progressiv und inklusiv gestalten. Dabei liefern wir Impulse um die digitale Transformation zum positiven Gelingen zu bringen. Wir sind uns einig, dass man eine Politik der Zukunft nicht mit Konzepten von gestern machen kann. D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt e.V. wurde 2011 gegründet und ist gemeinnützig, überparteilich und unabhängig. Wir haben über 500 Mitglieder bundesweit, die sich allesamt ehrenamtlich engagieren und über das vereinseigene „digitale Vereinsheim“ organisieren. D64 bringt Expertinnen und Expertise aus Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur, Zivilgesellschaft, Bildung und Politik zusammen und bringt diese Expertise in die politische Debatte ein.

#D64diskutiert: Verpasste Chance? – Digitalpolitik und die deutsche EU-Ratspräsidentschaft

Im Juli hat Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Im Zentrum sollte, so ursprünglich von der Bundesregiung betont, dabei die Digitalpolitik stehen. Auch die Digitalstrategie der Europäischen Kommission, die im Februar diesen Jahres veröffentlich wurde, steckt ambitionierte Ziele. In Zeiten verschiedener Krisen steht die Bundesregierung nun allerdings vor der Herausforderung, gemeinsam mit den anderen Mitgliedstaaten die europäische Einheit zu stärken und die Folgen der weltweiten Corona-Pandemie abzufedern.
Jetzt, nachdem sich die Umstände so gravierend geändert haben, stellt sich demnach die Frage: Was bleibt von den Plänen, die europäische Digitalpolitik voranzutreiben? Digitalpolitische Fragen drängen nach wie vor und bedürfen einer europäischen Antwort, aber wird die deutsche Ratspräsidentschaft sich derer noch annehmen? Und wenn ja, welche Ideen liegen auf dem Tisch? Was können und müssen die verschiedenen Akteure jetzt – gerade auch in Zeiten der Krise – liefern, um die digitalpolitische Zukunft Europas positiv zu gestalten? 
Darüber sprechen wir bei #D64diskutiert am 10. September um 19 Uhr mit 
  • Julia Reda, Digitalaktivistin und Projektleitung bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte
  • Tiemo Wölken, Digitalpolitiker (SPD) und Mitglied des Europäischen Parlaments 
  • Thomas Jarzombek, Mitglied des Bundestags (CDU) und Beauftragter des Bundeswirtschaftsministeriums für Digitale Wirtschaft und Start-Ups 
Die Diskussion wird als Livestream über d-64.org sowie über den den D64 Twitter- und YouTube-Kanal abrufbar sein. 

Stellungnahme zum BMJV-Diskussionsentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Urheberrechts

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat einen Diskussionsentwurf für ein Zweites Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarkts veröffentlicht. Dieser regelt die Verantwortlichkeit von Plattformen und setzt damit Artikel 17 (ehemals Artikel 13) der Richtlinie (EU) 2019/790 über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt (DSM-RL) um. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahren hat das BMJV um Stellungnahme gebeten.

D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt hat hierzu folgende Stellungnahme an das BMJV versandt:

Im Juni legte das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz einen Diskussionsentwurf zur Umsetzung der DSM-RL, insbesondere des Artikels 17, vor. Wir möchten die Gelegenheit nutzen, wesentliche Punkte zu nennen, die uns mit Bezug auf die Meinungsfreiheit im Internet, sowie der Anwenderfreundlichkeit als Nutzerinnen und Nutzer und von Kreativschaffenden besonders relevant erscheinen. Wir begrüßen zunächst, dass der Diskussionsentwurf gerade bei den Regelungen zur Plattformhaftung nötige Konkretisierungen vorsieht, bei der die Richtlinie Lücken lässt. Nichtsdestotrotz möchten wir unsere Bedenken bzgl. der automatisierten Überprüfung und Selbstprüfung von Inhalten äußern. Die Bundesregierung hat sich in einem Zusatzprotokoll zur DSM-RL verpflichtet, automatisierte Uploadfilter soweit wie möglich zu verhindern. Auch wenn wir begrüßen, dass eine Ausnahmeregelung für Karikaturen, Parodien und Pastiche erarbeitet wurde, sowie eine erfreuliche Veränderung im Urheberrecht durch die Erlaubnis von Bagatellnutzungen gemacht werden könnte, sind wir kritisch was die aktuell definierten Größen angeht.

Im Einzelnen möchten wir zu bedenken geben:

1. UrhDaG: An den positiven Ansätzen sollte festgehalten werden

Kein Gesetz zum Schutz von Urheberrechten darf dazu führen, dass öffentliche Räume in Gefahr geraten. Zu diesen öffentlichen Räumen zählen heute unstreitig auch kommerzielle Upload-Plattformen. Hier findet Auseinandersetzung mit Politik, Kultur und Gesellschaft statt. Dabei werden regelmäßig urheberrechtlich geschützte Inhalte geteilt – oftmals legal, weil über die Zitierfreiheit oder andere urheberrechtliche Erlaubnisse abgedeckt, oftmals jedenfalls mit geringer Auswirkung für Rechteinhaber. Wir haben den Einsatz von Uploadfiltern stets abgelehnt; diese Debatte wurde bereits geführt. Der Entwurf – und schon Art. 17 der DSM-RL – wird dieser Forderung und auch der eigenen Absichtserklärung in der Protokollerklärung 2019 nicht gerecht. Wir erinnern die Bundesregierung daran, das gesetzte Ziel, Upload-Filter in Deutschland nicht einzusetzen, nicht aus dem Blick zu verlieren. Der vorgelegte Entwurf beinhaltet jedoch unzweifelhaft Upload-Filter. Es ist uns deshalb besonders wichtig, dass erlaubte Nutzungen nicht durch einseitige Regeln zu Gunsten der Rechteverwerter unterbunden werden. Wir unterstützen daher den Vorschlag des Diskussionsentwurfs, dass Nutzerinnen und Nutzer Inhalte flaggen können, damit diese Inhalte im Regelfall zunächst einmal „durchgelassen werden“. Wir unterstreichen, dass automatisierte Techniken solche Nutzungen nicht zuverlässig erkennen können und deshalb an dieser Stelle ein Sicherungsmechanismus für „nicht maschinell erkennbare“ erlaubte Nutzungen unbedingt erforderlich ist, um Overblocking zu verhindern. Sprich: Eine Sperrung des Inhalts, insbesondere ein Inhalt mit Pre-Flagging, muss durch einen Menschen vorgenommen werden. Nutzerinnen und Nutzer dürfen nicht in die Beweislast für ihre Nutzungsfreiheiten gedrängt werden. Darüber hinaus muss außerdem sichergestellt werden, dass alle Formate davon umfasst sind (bspw. auch Live-Streams).

Wir begrüßen hingegen den Vorschlag, „Bagatellnutzungen” zu erlauben. Es ist nicht immer klar, wann die Zitierfreiheit greift oder was juristisch gesehen eine Parodie ist. Ein modernes Urheberrecht muss auf einen breiten Interessenausgleich für die gesamte Informationsgesellschaft angelegt sein. Dazu gehört auch, dass vor allem dort Freiheiten geschaffen werden, die für die Allgemeinheit von großem Wert sind und bei denen mögliche Einbußen für Rechteverwerter tendenziell gering bis nicht messbar sind. Daher unterstützen wir, dass bis zu einer gewissen Schwelle solche Nutzungen pauschal zulässig gemacht werden sollen. Wir geben aber zu bedenken, dass diese Möglichkeit auch für kommerzielle, semiprofessionelle Zwecke geöffnet werden sollte. Jedenfalls halten wir die Bagatellnutzung fachjuristisch für umsetzbar, zumal erst zuletzt der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof mit seinen Schlussanträgen zur Haftung von YouTube in diese Richtung weist. Wir fordern die Bundesregierung daher dazu auf, europarechtliche Initiativen zu ergreifen, um eine weitergehende allgemeingültige Bagatellnutzung zu ermöglichen. Meme-Kultur und das Verwenden von weiteren Inhalten, die zwar urheberrechtlich geschützt sind, aber keinen Schaden entstehen lassen, gehören zur Internetkultur und müssen daher aus der rechtlichen Grauzone geholt werden.

Ebenfalls begrüßen wir, dass missbräuchliche Inanspruchnahme von Urheberrechten die Upload-Plattformen berechtigt, die vermeintlichen Rechteinhaber vom Sperrungs- und Entfernungsverfahren auszuschließen. Wir finden es richtig, dass bei den Vergütungen, die die Upload-Plattformen zahlen müssen, die Urheberinnen und Urheber selbst unmittelbar berücksichtigt werden. Schließlich war dies ja auch das zentrale politische Argument der Befürworterinnen und Befürworter von Art. 17. Unbedingt beibehalten werden sollte die Ausnahmevorschrift, die besagt, dass Dienste wie Online-Enzyklopädien oder Wissenschaftsrepositorien nicht in den Anwendungsbereich fallen, entwicklungsoffen sind („insbesondere“).

2. Karikatur, Parodie und Pastiche: Alltagspraxis muss endlich frei sein

Der Gesetzentwurf enthält mit der neuen Schranke für Parodie, Karikatur und Pastiche eine wichtige Vorschrift. Das Ziel muss sein, insbesondere die Remix-Alltagskultur im Netz endlich zu legalisieren und die urheberrechtlichen Freiheiten so an die gesellschaftliche Realität anzupassen. Im weiteren Gesetzgebungsprozess sollte schließlich genau geprüft werden, ob tatsächlich alle Formen der „transformativen Alltagsnutzung“ im Netz abgedeckt sind – Memes, Remixe etc., wie es der Entwurf besagt. Wir unterstützen dieses Ziel ebenso wie die Regelung für Upload-Plattformen, die diese Nutzungsfreiheiten unter besonderen Schutz vor Overblocking stellt. Viele Auseinandersetzungen im Urheberrecht der letzten Jahrzehnte haben außerdem gezeigt, dass auch professionelle Urheberinnen und Urheber selbst auf Nutzungsfreiheiten angewiesen sind – auch sie können durch zu strikte Urheberrechte beschränkt sein. Auch in ihrem Interesse liegen also breite Schrankenregelungen.

3. Pre-Flagging muss menschliche Entscheidung bedeuten

Trotz Pre-Flagging können Inhalte gesperrt werden, wenn sie 90 Prozent oder mehr geschützten Inhalt enthalten. Die quantitative Festlegung auf einen automatisierten Schwellwert wird zweifelsohne zu einem Overblocking von Inhalten führen. Dies muss korrigiert werden. Beispiel: Ein Video, das zum größten Teil aus einem geschützten Teil besteht (z. B. 18 Sekunden), kann durch einen eigenen Schluss (z. B. 2 Sekunden) zu einer Parodie werden. Der Inhalt würde fälschlicherweise gesperrt werden – automatisiert. Das gleiche Problem ergibt sich bei einer unklaren Lage zu den Urheberrechten.

4. 250 Kilobyte Größenbeschränkung untauglich

Die Größenbeschränkung von 250 Kilobyte für eine private Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken wird sich in der Praxis kaum als nützlich erweisen. Insbesondere dann nicht, wenn das Werk in einem Remix (Collage, etc.) verwendet wird. Enthält eine Datei ein Foto, die geschützt ist, lässt sich aus der Dateigröße kaum ermitteln, ob die 250kb-Marke für den Teil des geschützten Werkes nicht überschritten wird. Beispiel: Wird ein Foto mit einem Text versehen, so wie es bei Memes üblich ist, und die Datei dadurch 251kb groß ist, ist dies algorithmisch kaum zu bewerten. Wären in diesem Fall 1kb für den Text reserviert? Dies lässt sich technisch nicht aufschlüsseln.

Hinzu kommt, dass versierte Nutzerinnen und Nutzer in der Lage sind, Grafiken durch den Einsatz professioneller Software in der Dateigröße so zu verkleinern, dass sie zwar hochauflösend sind, aber eine geringe Dateigröße aufweisen. Hier werden die Nutzerinnen und Nutzer benachteiligt, die nicht im Besitz dieser Software sind oder entsprechendes Fachwissen fehlt. Die Barrierefreiheit der digitalen Kommunikation wird dadurch erheblich eingeschränkt.

5. Zugang zu Kultur im Netz: Bestehendes erschließen, Gemeinfreiheit stärken

Viele Bereiche aus unserer Gesellschaft, die in Büchern, Flyern, Plakaten etc. kulturell festgehalten sind, liegen verschlossen in Archiven. Viele dieser Werke sind nur deshalb nicht frei zugänglich, weil die Urheberrechte nicht geklärt werden können oder die Klärung zu aufwendig ist. Für die Wissensgesellschaft ist das ein unhaltbarer Zustand. Gerade der Online-Zugang zum kulturellen Erbe vergangener Zeiten ist zentral für gesellschaftliche Teilhabe und unser Geschichtsbild.

Daher ist es wichtig, den Spielraum der Richtlinie auszuschöpfen und hier moderne Lizenzierungsregelungen einzuführen. Sie ermöglichen es z.B. Museen und Archiven, Werke, die nie im Umlauf waren, der Öffentlichkeit im Netz zur Verfügung zu stellen. Wichtig ist es jetzt, die Hürden gerade für Digitalisierungsprojekte kleiner Archive (etwa aus politischen Bewegungen etc.) so niedrig wie möglich zu halten. Daher sehen wir es kritisch, wenn derartige Nutzungen dort vergütet werden müssen, wo keine „repräsentative Verwertungsgesellschaft“ existiert und eine urheberrechtliche Schranke greift. Europarechtlich ist dies ebenfalls nicht vorgesehen. In der Vergangenheit ist außerdem die Verbreitung von Abbildungen gemeinfreier Werke immer wieder geschwächt worden. Die Richtlinie stellt hierfür die Weichen neu und setzt sich zum Ziel, den Zugang der Allgemeinheit – also auch der Wissenschaft – zur Kultur und zum kulturellen Erbe zu fördern. Dies tut sie, indem sie Reproduktionen gemeinfreier „visueller Werke“ für zwingend gemeinfrei erklärt, also bspw. Fotos von einem Gemälde aus einem Museum. Solche Inhalte können künftig frei im Netz, etwa über Wikipedia, geteilt werden. Ziel muss es dabei sein, Reproduktionen so weit wie möglich gleich zu behandeln:

Daher sind nach unserer Auffassung nicht nur Reproduktionen von Werken umfasst, die einmal geschützt waren, sondern auch solche Artefakte, die nie unter Urheberrechtsschutz gefallen sind. Die Gesetzesbegründung sollte diesen Punkt klarstellen.

 

Digitale Kinderarbeit verhindern – Kidfluencer schützen

D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt sieht die Werbetätigkeiten durch Kinder in sozialen Netzwerken als zunehmendes Problem und fordert die Behörden auf, ihre Aufsichtspflicht stärker wahrzunehmen und für das Thema zu sensibilisieren.

Das Phänomen des “Kidfluencing” beschreibt Influencer-Tätigkeiten von Kindern, die sogar schon als Kleinkinder Produkte vor teilweise Hunderttausende von Followerinnen und Followern bewerben. Die Zusammenarbeit mit Kidfluencern ist für Unternehmen höchst attraktiv, erreichen sie hier ihre Zielgruppen hierbei doch besonders genau. Die Belastung, der Druck und die Verantwortung, die für Kinder hierbei entsteht, darf jedoch nicht unterschätzt werden. Influencing ist Arbeit. Kidfluencing ist Kinderarbeit.

Was Kidfluencing von „klassischer“ Kinderarbeit unterscheidet und deshalb besonders gefährlich macht: Die Erziehungsberechtigten, die grundsätzlich für das Wohl des Kindes zu sorgen haben, haben nicht selten ein Eigeninteresse an der Tätigkeit ihrer Kinder oder instruieren diese sogar, weil die öffentliche Aufmerksam geschätzt wird und die Einnahmen der ganzen Familie zugutekommen.

Die rechtliche Lage ist eindeutig

Die rechtliche Lage ist jedoch klar: Jedenfalls wenn Kinder gegen Entgelt oder zu anderen wirtschaftlichen Zwecken tätig werden, handelt es sich um Kinderarbeit im Sinne des Jugendarbeitsschutzgesetzes. Solche Beschäftigungen sind für Kinder (bis zu einem Alter von fünfzehn Jahren) grundsätzlich verboten (§ 5 Abs. 1 JArbSchG). Sie können nur ausnahmsweise auf Antrag mit Zustimmung der Sorgeberechtigten von den zuständigen Aufsichtsbehörden erlaubt werden (§ 6 JArbSchG). Das gilt auch für Influencing!

Erik Tuchtfeld, Mitglied des erweiterten Vorstands von D64, weist jedoch auf ein Problem hin: „Viele Erziehungsberechtigte gehen fälschlicherweise davon aus, dass Kidfluencing ohne Weiteres erlaubt ist, weil es sich um ein Hobby im familiären Bereich handelt. Deshalb ist es ganz besonders notwendig, dass die Aufsichtsbehörden die Rechtslage aktiv durchsetzen!“ Doch dies erfolgt oft nur lückenhaft, wohl auch aufgrund mangelnder Kenntnis von den Tätigkeiten der Kinder und Jugendlichen in sozialen Netzwerken.

Außerdem haben die Bundesländer als Aufsichtsbehörden die Gewerbeaufsichten bestimmt. Da es aber um das Wohl von Kindern und Jugendlichen geht und insbesondere das Phänomen Kidfluencing auch stark in den privaten, familiären Bereich hineinwirkt, sollten die örtlichen Jugendämter stärker in die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen einbezogen werden.

Verantwortungsvolle Nutzung von Sozialen Medien

Wichtig ist, dass Kinder und Jugendliche verantwortungsvoll mit sozialen Medien aufwachsen können. D64-Mitglied Lilly Blaudszun unterstreicht: „Hierzu gehört selbstverständlich auch das aktive Sich-Bewegen in sozialen Netzwerken, hierzu gehört auch das Erstellen von Memes, Videos und vielem mehr. Nicht dazu gehören darf aber eine Ausbeutung von Kindern und jungen Erwachsenen, auf deren Schultern in der Folge die Verantwortlichkeit für den Erwerb der ganzen Familie liegen kann.“

D64 fordert die zuständigen Behörden deshalb auf, die staatliche Aufsicht zu intensivieren und durch öffentliche, großangelegte Kampagnen über das Problem und die Rechtslage zu informieren und sensibilisieren.

 

Weiterführende Informationen:
Julia Carrie Wong, ‘It’s not play if you’re making money’: how Instagram and YouTube disrupted child labor laws, The Guardian, 24. April 2019
Stephan Dreyer, Claudia Lampert u.a., Zwischen Spielzeug, Kamera und YouTube: Wenn Kinder zu Influencern (gemacht) werden, Deutsches Kinderhilfswerk, 2019

#D64diskutiert zeitgemäße Bildung – unser Resümee

Vor knapp zwei Wochen ging #D64diskutiert in die zweite Runde – genug Zeit die spannenden Ideen wirken zu lassen und ein abschließendes Resümee zu ziehen.

Hier gibt es die Diskussion zum Nachschauen:

Uns ist klar, dass bei diesem Thema von Bundesland zu Bundesland Unterschiede beim bisherigen Vorgehen und den Voraussetzungen vorliegen und deshalb diese differenziert zu bewerten sind. Wir glauben aber, dass es genau aus diesem Grund besonders wichtig ist, voneinander zu lernen und sich auszutauschen. Das Rad muss ja nicht zweimal erfunden werden. Vor diesem Hintergrund waren auf unserem Panel auch verschiedenste Ecken Deutschlands vertreten.

Knapp anderthalb Stunden sprachen Lena Kilian und Dejan Mihajlović als Moderationsteam mit Maike Schubert, Marina Weisband, Saskia Esken und Uwe Klemm über Grundvoraussetzungen, personelle und zeitliche Ressourcen und langfristige Ziele für eine zeitgemäße Bildung. Klar war schon vor Beginn: Hier geht es um das WIE und nicht das OB. Die Runde war sich schnell einig, dass alle vier Forderungen unserer AG Bildung richtig und wichtig sind und Maßstäbe und Pläne darüber hinaus gesetzt werden müssen.

Digitale Endgeräte und ein stabiler Internetzugang sind unerlässlich für eine zeitgemäße Bildung. Diese müssen den Schülerinnen und Schülern auch außerhalb der Schule zur Verfügung stehen. Fest steht, sobald eine Geräteauswahl angeboten wird, wird es zwangsläufig komplizierter für die gemeinsame Anwendung, aber besonders für die Lehrerschaft. Fortbildungen müssen deshalb systemisch und dauerhaft stattfinden, um nachhaltig Erfolge zu erzielen. Geräte- und plattformübergreifende Software kann zudem Abhilfe schaffen und den Unterricht progressiv unterstützen. Die benötigten Programmiererinnen und Programmierer dann aber mit E9 oder E10 zu entlohnen – was nicht ansatzweise mit Verdiensten in der freien Wirtschaft vergleichbar ist – resultiert auch bei anständiger Förderung in keiner guten Software. Damit dieses Konstrukt auch vor Ort funktioniert, sind Systemadministratorinnen oder Systemadministratoren,  die Lehrkräfte technisch als auch konzeptionell beraten, unerlässlich. Der Vergleich der Betreuungsschlüssel zwischen Verwaltung und Schule zeigte in Jena eine eindrucksvolle Diskrepanz und überzeugte die Verwaltung letztendlich von der Notwendigkeit hier korrigierend zu handeln.

Im letzten Abschnitt unserer Veranstaltung beschäftigte die Runde sich mit langfristigen Zielen und Plänen, damit eine zeitgemäße Bildung dauerhaft gewährleistet werden kann. Über die Devise waren sich alle einig: Mut zur Veränderung! Alte, nicht mehr zeitgemäße Strukturen müssen aufgebrochen, eine moderne Lernkultur geschaffen und innovative Formate entwickelt werden. Dies kann nur mittels einer modernen Bewertungsgrundlage erreicht werden, die auf den Schlüsselkompetenzen einer Kultur der Digitalität basiert. Alle werden wieder zu Lernenden, der Unterricht wird kollaborativ entwickelt und Klassenräume werden über physische Grenzen hinweg geöffnet, sodass beispielsweise Fremdsprachen gemeinsam mit Muttersprachlern in anderen Ländern gelernt oder auch Study Halls eingerichtet werden.

Auch unsere zweite Ausgabe von #D64diskutiert war eine sehr lehrreiche und ermutigende Diskussion. Es war uns eine große Freude, die Plattform für diesen Austausch zu sein. Unser abschließender Dank geht an unsere Referentinnen und Referenten, unseren technischen Partner Content Flow und natürlich alle interessierten Zuschauerinnen und Zuschauer.

Wir freuen uns schon auf die nächste Ausgabe, zu der wir Euch Anfang September mit ebenfalls wertvollen Impulsen begrüßen dürfen!

#D64diskutiert: Digital, gerecht und solidarisch – Wie kann zeitgemäße Bildung verwirklicht werden?

Die Corona-Krise hat gezeigt: Seit den Schließungen von Bildungsinstitutionen gibt es Bemühungen, das Lernen von Zuhause aus digital fortzusetzen. Dabei spielen neben der technischen Infrastruktur, den Kompetenzen und Haltungen hinsichtlich einer Kultur der Digitalität, auch viele weitere Aspekte, wie beispielsweise die häuslichen Gegebenheiten und Lebensumstände von Lernenden, eine wesentliche Rolle. In den letzten Wochen ist immer deutlicher geworden, dass in der aktuellen Situation die Bildungsungerechtigkeit verstärkt und besonders sichtbar wird. Schulen müssen nicht nur für das kommende Jahr digital besser aufgestellt werden, sondern auch langfristige Konzepte entwickelt werden. Deshalb gilt es nun, die Lehren daraus zu ziehen und konkrete Maßnahmen für eine zeitgemäße Bildung zu ergreifen

Welche Grundvoraussetzungen müssen verwirklicht werden, um allen kulturelle Teilhabe zu ermöglichen? Sind zeitliche Ressourcen für die Entwicklung, Umsetzung und Reflexionen schulischer Konzepte und zeitgemäßer Unterrichtsformen notwendig? Welche Hürden und Hindernisse bahnen sich bei der Umsetzung an?

Über diese Fragen diskutieren auf Einladung von D64 am 16. Juli 2020 um 19 Uhr per Webkonferenz auf d-64.org:

  • Saskia Esken (MdB, SPD Parteivorsitzende)
  • Marina Weisband (Diplompsychologin, Autorin und Expertin für digitale Bildung und Beteiligung)
  • Maike Schubert (Schulleiterin Winterhuder Reformschule, Hamburg)
  • Uwe Klemm (Fachberater Medienkunde, Medienzentrum Jena; Studienrat Angergymnasium Jena)

Der Link zum Stream wird auch auf unserem Twitterkanal (@D64eV) zu finden sein.

D64 stellt 10 Forderungen für eine bessere Startup-Förderung vor

Startups sind ein zentraler Bestandteil, wenn es darum geht digitale Innovation und ein zukunftsfähiges ökonomisches Umfeld zu gestalten. In Deutschland gibt es allerdings noch erheblichen Aufholbedarf, wenn es darum geht, Startups nachhaltig und angemessen zu fördern. Dies war Anlass für uns, in einem internen Prozess Forderungen an die Politik zu entwickeln, die helfen sollen, Startup-Förderung in Zukunft effizient und ertragreich zu gestalten.

Grundsätzlich für eine progressive Gründungskultur sind aus unserer Sicht die Prinzipien Inklusivität, Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Verantwortung. Aus diesen ergeben sich die zehn Forderungen und Maßnahmen, die wir in unserem Papier zu Startup-Förderung vorstellen möchten. Diese umfassen:

  1. Bürokratieabbau: Reduzierung des Verwaltungsaufwandes
  2. Innovationsförderung: Niedrigschwellige Startup-Förderung
  3. Bessere Förderung für Gründungen durch Nichtakademikerinnen und Nichtakademiker
  4. Mehr Gründerinnen braucht das Land
  5. Konkrete und ergebnisorientierte Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel
  6. Effizienter Rahmen für moderne Mitarbeitendenbeteiligung
  7. Chancenkonto schaffen, das Gründerinnen und Gründer auf Zeit von Sozialabgaben befreit
  8. Gründungsökosysteme flächendeckend ausbauen
  9. Moderne Arbeitszeitgesetzgebung für Startup-Unternehmerinnen und -Unternehmer
  10. Offensive für mehr Kapital in der Wachstumsphase

Mit Hilfe dieser Maßnahmen kann der Raum für eine zukunftsgewandte und produktive Startup-Kultur geschaffen werden. Wir möchten den Gesetzgeber dazu ermutigen, der Startup-Förderung einen höheren Stellenwert einzuräumen und das Potenzial von Unternehmensgründungen für das Vorantreiben der Digitalisierung nicht zu verkennen.

Das gesamte Positionspapier kann hier heruntergeladen werden: 10 Maßnahmen für eine progressive Gründungskultur