rtl.de  

Total daneben oder total daneben?

„Dabei ist sie erst 17 Jahre alt“, schreibt RTL.de über Davina Geiss, die gemeinsam mit ihren Eltern Robert und Carmen sowie ihrer Schwester Shania als TV-Familie „Die Geissens“ seit 2011 bei RTL II zu sehen ist. Und sie mag zwar „erst 17 Jahre alt“ sein und damit noch minderjährig, aber das hindert die RTL.de-Redaktion nicht daran, Davina Geiss in dasselbe ätzende Bewertungsschema zu pressen, in das solche Portale jede weibliche Person pressen, die irgendwo im Bikini zu sehen ist:

Screenshot RTL.de - Hot oder total daneben? Davina Geiss (17): Die-Geissens-Spross räkelt sich sexy am Pool

Heute hat sich die 17-jährige Davina allerdings mal fürs Räkeln entschieden – ganz sexy im Bikini. (…)

Mit diesem aktuellen Instagram-Post setzt sich Davina ziemlich freizügig in Szene. Dabei ist sie erst 17 Jahre alt.

Total daneben ist auch die Dachzeile „Hot oder total daneben?“, die die RTL.de-Leserschaft offenbar dazu animieren soll, ein Urteil über eine Minderjährige zu fällen.

Aber warum das alles nur mit einer 17-Jährigen machen, wenn es auch eine 16-Jährige gibt, die man als „sexy“ bezeichnen kann? Im selben Artikel schreibt RTL.de über Davinas ein Jahr jüngere Schwester Shania:

Auch Davinas jüngere Schwester, Shania, posiert bekanntlich gerne sexy vor der Kamera.

Mit Dank an @julian23_12 für den Hinweis!

Nachtrag, 20:51 Uhr: Inzwischen hat sich bei dem RTL.de-Artikel etwas getan. Ruft man die URL auf, wird man automatisch zum Portal VIP.de weitergeleitet, das sich als „PARTNER VON RTL.DE“ präsentiert. Dort lautet die Überschrift (ohne die Dachzeile „Hot oder total daneben?“) nun:

Davina Geiss: 17-Jährige Geissens-Tochter sonnt sich im knappen Bikini am Pool

Im Text ist der Halbsatz „ganz sexy im Bikini“ verschwunden. Und auch über Schwester Shania heißt es jetzt nur noch: „Auch Davinas jüngere Schwester, Shania, posiert bekanntlich gerne vor der Kamera“ – also ohne das schmierige „sexy“.

Dazu auch:

Bildblog unterstuetzen

Studie kritisiert Sondersendungen, Twitternde Abgeordnete, Radiopreis

1. Studie kritisiert Sondersendungen von ARD und ZDF
(deutschlandfunk.de, Annika Schneider, Audio: 5:42 Minuten)
Wissenschaftler der Universität Passau haben über 90 Corona-Nachrichtensondersendungen von ARD und ZDF ausgewertet und in ihrem Fazit die Sender deutlich kritisiert. Hauptkritikpunkte: In der Berichterstattung sei ein permanentes Krisen- und Bedrohungsszenario vermittelt worden, außerdem seien die Regierungsmaßnahmen zu wenig hinterfragt worden. ARD und ZDF weisen die Kritik zurück.
Weiterer Lesehinweis: Haben ARD und ZDF die Corona-Angst geschürt? Sender wehren sich gegen Medienstudie (rnd.de, Imre Grimm).

2. „Für junge Kollegen ist Corona eine Katastrophe“
(fachjournalist.de, Ulrike Bremm)
Der 68-jährige Helge Timmerberg gilt als einer der schillerndsten Reiseschriftsteller Deutschlands. Der Journalist und Autor zahlreicher Bücher ist für seine subjektiven Reisereportagen in Ich-Form bekannt („Gonzo-Journalismus“). Welche Eigenschaften sollte man als Reisejournalist mitbringen? Was sollte man vermeiden? Wie wirkt sich Corona auf den Reisejournalismus aus? Im Magazin „Fachjournalist“ gibt Timmerberg Antworten auf all diese Fragen und beklagt die zunehmende Konkurrenz: „Im Prinzip fühlt sich jeder zum Reisejournalisten berufen, alle möglichen Leute schreiben von unterwegs, jeder kann reisen, Fotos und Texte fabrizieren. Das ist eine Riesen-Konkurrenz für uns ausgebildete Journalisten. Social Media ist ein Grab für den Journalismus.“
Weitere Guckempfehlung: Noch mehr Helge Timmerberg gibt es zum Beispiel in diesem Videointerview von „Weltwach TV“ aus dem Jahr 2018 (Erik Lorenz, 1:39 Stunden).

3. Wer wir sind und was wir wollen
(medieninsider.com, Marvin Schade & Matthias Bannert)
Mit „Medieninsider“ startet heute ein neues, unabhängiges Informationsangebot für Medienschaffende. Hauptaufmacher (aber hinter der Paywall): ein Bericht über die Dreharbeiten einer Amazon-Doku über „Bild“. Hinter dem „Medieninsider“ stehen mit Marvin Schade (früher unter anderem bei „Meedia“) und Matthias Bannert (früher unter anderem bei „Bild“) zwei Kenner der Branche.

Bildblog unterstuetzen

4. Boom für die Gaming-Branche in der Pandemie
(spiegel.de)
Es gibt nicht nur Corona-Verlierer: Die Pandemie hat der Gaming-Branche einen wahren Boom beschert. Immer mehr Deutsche verbrächten seit Beginn der Corona-Krise mehr Zeit mit Videospielen und gäben dafür auch mehr Geld aus. Das habe jedenfalls eine Umfrage des Digital-Branchenverbandes Bitkom ergeben. Demnach hätten mehr als 55 Prozent der Befragten erklärt, mehr zu spielen als zu Vor-Corona-Zeiten. Die deutsche Spielewirtschaft profitiere davon jedoch nur wenig. Lediglich fünf Prozent des Umsatzes stamme von deutschen Spieleherstellern.

5. Erste Nominierungen für den Deutschen Radiopreis stehen fest
(meedia.de)
Am 10. September wird in Hamburg der Deutsche Radiopreis 2020 verliehen. Die Veranstaltung werde von mehr als 50 deutschen Radiosendern übertragen, komme jedoch coronabedingt ohne Gala und ohne Gäste aus. Die unabhängige Jury des Grimme-Instituts hat bereits die ersten Nominierungen bekanntgegeben in den Kategorien „Beste*r Newcomer*in“, „Beste Innovation am Morgen“, „Beste Programmaktion“, „Beste Reportage“ sowie „Bestes Nachrichten- und Informationsformat“.

6. Die kleine Welt des Populismus
(de.ejo-online.eu, Gerret von Nordheim)
Gerret von Nordheim und Jonas Rieger haben untersucht, zu welchen Themen Bundestagsabgeordnete auf Twitter Links teilen, und das ist recht spannend, insbesondere, was das Social-Media-Verhalten von AfD-Zugehörigen betrifft. Bei ihnen gehe es vor allem um die vier Kernthemen Migration, Kriminalität, Rechtsextremismus und Minderheiten. Viele andere Themenbereiche wie Daten-, Klima- und Umweltschutz oder Fragen des Mietmarktes spielen in AfD-Tweets, die auf Medieninhalte verweisen, keine Rolle.

Hochgekochtes Satirevideo, Namensnennung, Kotzender Kühnert

1. Polizisten als Mörder: Wie „Bild“ aus einer Satire einen ARD/ZDF-Skandal macht
(rnd.de, Imre Grimm)
Ein rund zweieinhalbminütiges Satire-Video beim öffentlich-rechtlichen Jugendportal Funk zum Thema Rassismus bei der Polizei lässt die Emotionen hochkochen. Imre Grimm hält das Filmchen nicht für besonders gelungen, aber daraus ein Generalversagen von ARD und ZDF abzuleiten, sei falsch: „Der Clip ist blöd und beleidigend. Ihn aber – wie mancher Zeuge der Anklage – als weiteren Baustein einer linksgrünmedialen Diffamierungskampagne gegen die Polizei zu brandmarken, schießt weit über das Ziel hinaus.“

2. RBB schafft Sommerinterview-Reihe ab
(sueddeutsche.de)
Der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) kassierte wegen seines weitgehend unkritischen Sommerinterviews mit Brandenburgs früherem AfD-Chef Andreas Kalbitz viel Kritik. Nun stellt der Sender seine Sommerinterview-Reihe mit brandenburgischen Spitzenpolitikern ein.
Weiterer Lesehinweis: „Das Sommerinterview des RBB mit Andreas Kalbitz sorgte für einen Skandal. Nun hat der MDR den nächsten AfD-Rechtsaußen eingeladen: Björn Höcke. Und will alles besser machen.“ Anne Hähnig und Martin Machowecz fragen in der „Zeit“: „Gehört er ins Fernsehen?“

3. Mit Verlaub: Ich kotze im Strahl.
(twitter.com, Kevin Kühnert)
Der SPD-Politiker Kevin Kühnert hat der Newsseite „Watson“ ein Interview gegeben, aus dem sich die „Welt“-Redaktion einen Teilaspekt herausgepickt und zugespitzt hat (genauer: eine dpa-Überschrift weitergedreht hat). Entsprechend frustriert reagiert Kühnert auf Twitter: „Wenn der Versuch, differenzierte Antworten zu geben, in solch bewusstem Missverstehen mündet, dann braucht sich niemand wundern, dass Politiker*innen in Interviews nur Blabla von sich geben.“ Kühnert weiter: „Diese ‚Zuspitzung‘ ist leider auch ein erneutes Beispiel für das verbreitete Desinteresse an politischen Inhalten. Wer mit wem? Wer gegen wen? Welche Koalition hätten’s denn gern? Welches Ministerium wollen Sie führen? Das alles klickt sich leider besser als Steuern/Rente/Klima.“

Bildblog unterstuetzen

4. So geht die tagesschau mit der Nennung von Namen in Gerichtsprozessen um
(blog.tagesschau.de, Marcus Bornheim & Helge Fuhst & Juliane Leopold)
„Tagesschau“ und „Tagesthemen“ gelten als „Dokumente der Zeitgeschichte“, wodurch den Sendungen eine besondere Verantwortung in der Berichterstattung zukommt: Sie dürfen unbegrenzt online gestellt werden und bleiben unter Umständen Jahrzehnte sichtbar. Ein besonders sensibler Bereich ist die Nennung von Namen in Berichten über Gerichtsprozesse. Für den Verzicht auf Namensnennung kann der Schutz des Persönlichkeitsrechts sprechen, aber auch das Bestreben, sich von einem Angeklagten nicht instrumentalisieren zu lassen, wie ein aktueller Fall zeige. Die Chefredaktion von ARD-aktuell schreibt über das Spannungsfeld dieses Teilbereichs ihrer Arbeit.

5. Aktivisten wollen Facebooks Falschmeldungs-Spreader „bändigen“
(spiegel.de, Max Hoppenstedt)
Die Online-Bewegung Avaaz hat zahlreiche Facebook- und Webseiten untersucht, die falsche oder irreführende Informationen zu medizinischen Themen verbreiten. Avaaz fordert Facebook auf, nicht nur Warnhinweise, sondern auch Richtigstellungen zu veröffentlichen. Studienautor Christoph Schott dazu: „Facebook hat bis heute jenen Nutzerinnen und Nutzern keine spezifischen Korrekturen angezeigt, die die Falschinformation gesehen hatten, dass es als Covid-19-Test ausreiche, zehn Sekunden die Luft anzuhalten. Das ist schon grob fahrlässig aus unserer Sicht.“

6. Vom Newsroom zum Newszoom
(deutschlandfunk.de, Samira El Ouassil, Audio: 3:44 Minuten)
Coronabedingt sind derzeit viele Newsrooms verwaist. Wie kann unter diesen Bedingungen Journalismus gelingen? Können virtuelle Treffen das persönliche Gespräch ersetzen? Samira El Ouassil hat eine einfache Antwort: „Journalismus wird nicht an Orten gemacht, sondern von Menschen“. Außerdem erzählt sie die hübsche Anekdote, wie sie einmal in einem vollbesetzten Newsroom einen O-Ton vom Konsul von Georgien einholen wollte, aber jemanden aus den USA an der Strippe hatte …

„Spannende Frage“, falsche Antwort

Es ist gut, dass Bürgerinnen und Bürger über das Portal „Abgeordnetenwatch“ zum Beispiel einer Bundestagsabgeordneten oder einem Landespolitiker Fragen stellen können.

Es ist schlecht, wenn diese Fragen allein auf, nun ja, Informationen aus der „Bild“-Zeitung beruhen.

Ein Mann nutzte Anfang dieses Monats die Möglichkeit, die „Abgeordnetenwatch“ bietet, und schrieb an die rheinland-pfälzische Landtagsabgeordnete Bettina Brück:

Sehr geehrte Frau Brück,

einem Beitrag in „Bild Deutschland“ vom 4.8.2020 S. 3 „Dürfen sich dicke Lehrer vom Unterricht befreien?“, konnte ich entnehmen, daß im Saarland lediglich 1,4% der Lehrerschaft zur Corona-Risikogruppe gehören, in Rheinland-Pfalz dagegen 15%, mit der damit höchsten Quote der einzelnen Bundesländer. Wie als erklären Sie sich als Bildungspolitikerin diesen eklatanten Unterschied?

Die „Bild“-Redaktion hatte am 4. August „spannende Fragen zum Schulbeginn nach den Ferien“ gesammelt und versucht, diese zu beantworten:

Ausriss Bild-Zeitung - Aus Angst vor Corona - Dürfen sich dicke Lehrer vom Unterricht befreien? ... und weitere spannende Fragen zum Schulbeginn nach den Ferien

Die erste Frage lautete: „Wie viele Lehrer werden fehlen?“ Antwort der „Bild“-Redaktion:

BILD fragte bei den Bildungsministerien aller 16 Bundesländer nach. Das Ergebnis: Zwischen 1,4 % (Saarland) und 15 % (Rheinland-Pfalz) der Lehrer gehören zu einer Corona-Risikogruppe und sind daher nicht zum Erscheinen in der Schule verpflichtet.

Das ist tatsächlich ein „eklatanter Unterschied“, wie der Fragesteller bei „Abgeordnetenwatch“ schreibt. Bloß: Der „Bild“-Vergleich ist falsch. Bettina Brück antwortete dem Mann:

Die Antwort ist schnell gegeben: dieser eklatante Unterschied erklärt sich aus einem journalistischen Fehler der BILD-Zeitung.

Das Problem bei den „Bild“-Zahlen laut der Politikerin: Während die 1,4 Prozent aus dem Saarland eine „Prognose zum Start des neuen Schuljahrs“ seien, handele es sich bei den 15 Prozent aus Rheinland-Pfalz um einen Wert aus dem vergangenen Schuljahr. Oder anders: „Bild“ vergleicht Zahlen von vor den Sommerferien mit Zahlen von nach den Sommerferien. Allerdings hat sich während der Sommerferien einiges getan bei den Regelungen, welche Lehrkräfte von zu Hause aus unterrichten dürfen und welche nicht. Vor den Sommerferien durften in Rheinland-Pfalz beispielsweise Lehrerinnen und Lehrer, die 60 Jahre oder älter sind, selbst entscheiden, ob sie zum Präsenzunterricht erscheinen. Das ist nun nicht mehr so. Brück schreibt:

Richtig ist: Vor Beginn der Sommerferien waren ca. 15 % der rund 41.000 Lehrkräfte in Rheinland-Pfalz aufgrund des Alters oder von Vorerkrankungen ausschließlich von zuhause tätig. Das Bildungsministerium geht aber begründet davon aus, dass diese Zahl nach den Sommerferien sinken wird. Die Vorgaben für den Schulstart nach den Sommerferien wurden nämlich derart geändert, dass nur noch Lehrkräfte mit attestierten Vorerkrankung von zu Hause arbeiten können.

Laut SWR schätzt das rheinland-pfälzische Bildungsministerium, „dass zu Beginn des neuen Schuljahrs rund zwei Prozent aller Lehrer (…) mit Attest freigestellt werden“.

Es ist schlecht, wenn Politikerinnen und Politiker ihre Zeit damit verbringen müssen, den Unfug, den die „Bild“-Medien verbreiten, richtigzustellen.

Es ist gut, wenn sie es tun.

Mit Dank an Martin für den Hinweis!

Bildblog unterstuetzen

Gerichtliche Zweiklassengesellschaft, Festnahme rechtswidrig, Halbiert

1. Zweiklassengesellschaft bei der Berichterstattung?
(deutschlandfunk.de, Brigitte Baetz, Audio: 9:12 Mintuen)
Das Bundesverfassungsgericht informiert bestimmte Journalistinnen und Journalisten früher über Entscheidungen und Urteile als andere. Das Gericht sehe dies als ein Mittel, positiv auf die Qualität der Berichterstattung einzuwirken. Doch ist diese Form der Privilegierung beziehungsweise Benachteiligung gerecht und zeitgemäß? Im Gespräch mit dem erfahrenen Deutschlandfunk-Hauptstadtjournalisten Stefan Detjen bespricht Brigitte Baetz die Probleme rund um die exklusiven Informationsverhältnisse.

2. „Seebrücken“-Demo in Frankfurt: Festnahme von Journalistin war rechtswidrig
(fr.de, Hanning Voigts)
Wie Hanning Voigts berichtet, protestierten Anfang April rund 400 Menschen unter Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln am Frankfurter Mainufer gegen die Flüchtlingspolitik in der Europäischen Union. Die Polizei habe damals die „Seebrücken“-Demo aufgelöst und die anwesende Journalistin Lotta Laloire festgenommen. Nun hat das Amtsgericht Frankfurt in einem Beschluss verkündet, dass keine Voraussetzungen für eine Festnahme vorgelegen hätten. „Laloire habe den Beamten, die sie kontrollieren wollten, ihren Presseausweis gegeben und sich damit eindeutig ausgewiesen. Eine Festnahme sei deshalb juristisch nicht in Betracht gekommen“.

3. Innenministerium verklagt Bundesdatenschutzbeauftragten
(netzpolitik.org, Arne Semsrott)
Das Bundesinnenministerium scheint sich mit Händen und Füßen gegen das in seinen Zuständigkeitsbereich fallende Informationsfreiheitsgesetz (IFG) zu wehren. Diese Einstellung gipfelt in einer Groteske: Weil es die Vorgaben zur Datensparsamkeit bei IFG-Anfragen nicht einhalten wolle, habe das Ministerium den Bundesdatenschutzbeauftragten verklagt.

Bildblog unterstuetzen

4. Der letzte Sprachpfleger
(sueddeutsche.de, Aurelie von Blazekovic)
Werner Müller war Jahrzehnte Lehrer an einem Gymnasium und über einen Zeitraum von 25 Jahren Sprachpfleger und Sprachbeobachter des Bayerischen Rundfunks. Der heute 75-Jährige hörte sich das BR-Programm an, machte sich Notizen und gab seine Erkenntnisse weiter. Aurelie von Blazekovic hat sich mit Müller über dessen Werdegang sowie die Besonderheiten der Sprache unterhalten. Und über die Frage, wie es ist, wenn man als Sprachpfleger mit einem Beauftragten für Deutschtümelei verwechselt wird.

5. Google appelliert an Australien
(taz.de)
Australien will, dass Google und Facebook einen Teil ihrer Werbeumsätze an Verlage ausschütten. Dagegen wehrt sich Google nun mit einem „offenen Brief an die Australier“. Durch die neue Regelung würde sich das Angebot verschlechtern. Auch seien unkontrollierten Datenweitergaben zu befürchten. Die zuständige Verbraucherschutz- und Wettbewerbsbehörde Australiens hat ihrerseits reagiert und die Vorwürfe in einem offenen Brief zurückgewiesen.

6. NDR-Chor: Protest gegen Sparvorhaben
(mmm.verdi.de, Lars Hansen)
Um Geld bei seinem Chor zu sparen, hat sich der NDR eine trickreiche Konstruktion ausgedacht: Man will die studierten Sänger und Sängerinnen in eine GmbH überführen, bei „halben Verträgen“. Der Geschäftsführer der Deutschen Orchestervereinigung kommentiert: „In dieser GmbH werden nicht die gleichen Arbeits- und Tarifbedingungen herrschen wie beim NDR. Vor allem aber sollen die neuen Sänger nur noch zu 50 Prozent für den Chor arbeiten. Und sie sollen schneller zu kündigen sein. Damit haben wir ein Problem der sozialen Absicherung, denn bei Sängern kann es vorkommen, dass die Stimmleistung vor Erreichen des Rentenalters nachlässt. Wir fürchten, dass der NDR sich hier aus der sozialen Verantwortung für seine Arbeitnehmer ziehen will.“

„Bild“ schadet Deutschland

„DAS MEINT BILD“:

Screenshot Bild.de - Das meint Bild - Die Alarmstimmung schadet Deutschland

Das macht „Bild“:
Screenshot Bild.de - Zwei FC-Profis positiv gestetst - Corona-Alarm in Köln! Nachwuchs-Spielbetrieb vorerst eingestellt
(8. August)
Screenshot Bild.de - Corona-Alarm vor Europa League - Nationalspieler Amiri in Quarantäne
(4. August)
Screenshot Bild.de - Beamtin positiv auf das Virus getestet - Corona-Alarm bei Bochumer Polizei
(31. Juli)

Corona-Alarm im Norden! Der Kreis Dithmarschen in Schleswig-Holstein droht zum Risikogebiet zu werden.

(30. Juli)
Screenshot Bild.de - Telekom-Shop geschlossen - Corona-Alarm in Kölner Einkaufsmeile
(30. Juli)
Screenshot Bild.de - 37 Kontaktpersonen in Quarantäne, 13 positiv getestet - Nach Urlaub! Berliner Ehepaar löst Corona-Alarm aus
(27. Juli)
Screenshot Bild.de - Corona-Alarm im Sommer - Darf mein Chef den Urlaub verbieten?
(24. Juli)
Screenshot Bild.de - Corona-Alarm in Niedersachsen - 66 Infektionen in Wiesenhof-Schlachtbetrieb
(18. Juli)
Screenshot Bild.de - Wildeshausen: Corona-Alarm! Fünf Kinder von Schlachthof-Mitarbeitern positiv
(2. Juli)
Screenshot Bild.de - Landkreis Starnberg - Corona-Alarm in Asylbewerberheim
(28. Juni)

Corona-Alarm in einer Grundschule in Leipzig-Holzhausen. Ein Kind der vierten Klasse ist dort positiv auf das Virus getestet worden.

(26. Juni)
Screenshot Bild.de - Corona-Alarm

Wieder Corona-Alarm im Hamburger Hafen!

Im Hansahafen liegt bei Unikai der italienische Autotransporter „Grande Cotonou“ (236 Meter) in der Kette – er wurde unter Quarantäne gestellt, darf den Hafen zwei Wochen lang nicht verlassen.

(25. Juni)
Screenshot Bild.de - Wittlich - Corona-Alarm im Schlachthof
(5. Juni)

Corona-Alarm im Psychiatriezentrum der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Königslutter (Kreis Helmstedt): Bei der Aufnahme war ein Patient vorige Woche positiv auf das Virus getestet worden.

(4. Juni)
Screenshot Bild.de - 72 Infektionen in Verteilzentrum - Corona-Alarm bei UPS
(28. Mai)
Screenshot Bild.de - Das sagen Eltern, Stadtrat und Senatorin - Corona-Alarm an Berliner Schulen – eine dicht, eine offen
(19. Mai)
Screenshot Bild.de - 130 Infizierte in Sankt Augustin - Corona-Alarm im Flüchtlingsheim
(18. Mai)

Mit Dank an Clemens und @Bela_Lugosi13 für die Hinweise! Gesehen bei @RealRomanWagner.

Bildblog unterstuetzen

Die „Welt“ und der Kriegsverbrecher, Fehler(un)kultur, Esslingers Katze

1. Die „Welt“ lobt, dass Kriegsverbrecher nicht „gecancelt“ wurden
(uebermedien.de, Annika Brockschmidt)
Der Chefkommentator der „Welt“ hat einen verstörenden Text über einen Alt-Nazi geschrieben, der nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Leitung eines Kinderheims betraut wurde. Darin verteidigt er die Personalie, alles andere wäre „Cancel Culture“ und inhärent undemokratisch gewesen. Annika Brockschmidt hat sich den unappetitlichen Vorgang angeschaut und widerlegt die krude Argumentation.
Weiterer Lesehinweis: Einen empfehlenswerten Text zur „Cancel Culture“ gibt es beim Schweizer Digitalmagazin „Republik“: Wer oder was wird «gecancelt»? (Franziska Schutzbach).

2. Wie ich einmal versuchte, Fake-News über Tom Buhrow zu korrigieren (ohne Erfolg)
(planet-interview.de, Jakob Buhre)
In unserer Reihe „Kleine Wissenschaft des Fehlers“ schrieb BILDblog-Autor Ralf Heimann: „Im Umgang mit eigenen Fehlern offenbaren Journalistinnen und Journalisten ihr Selbstverständnis – und damit eben unter Umständen, dass dies nicht mehr ganz aktuell ist.“ Diese Erfahrung musste gerade Jakob Buhre machen, als er verzweifelt versuchte, verschiedene Medien auf einen Fehler aufmerksam zu machen – und dabei grandios scheiterte.

3. Wir bilden die Realität auch mit
(projekte.sueddeutsche.de, Theresa Hein & Stephan Anpalagan)
In der „SZ“-Serie „Was sich ändern muss“ erklären Medienschaffende, wie Journalismus diverser werden kann. In der aktuellen Folge spricht der Journalist Stephan Anpalagan darüber, welche Verantwortung Medien beim Thema Rassismus tragen – und wo sie versagen. „Wir brauchen Vielfalt in den Redaktionen. Erst wenn die vorhanden ist, wird es möglich sein, so zu berichten, dass die Nachrichten die Gesellschaft repräsentieren: Wer Bevölkerungsteile ausschließt, darf sich nicht relevant nennen.“

Bildblog unterstuetzen

4. Beckedahl: Technisch vorstellbar, politisch unwahrscheinlich
(deutschlandfunk.de, Michael Borgers, Audio: 5:31 Minuten)
Überraschend hat US-Präsident Donald Trump eine Begnadigung des Whistleblowers Edward Snowden in Aussicht gestellt, doch wie realistisch ist das? Markus Beckedahl von netzpolitik.org ist nicht sehr zuversichtlich, dass es tatsächlich zu einer Begnadigung kommt. Diese sei zwar technisch möglich und moralisch geboten, aus politischen Gründen jedoch unwahrscheinlich.
Weiterer Lesetipp: Trump streicht dem Open Technology Fund (OTF) die zuvor bewilligten Mittel, was sich katastrophal auf Netzprojekte wie das Netzwerk zur Anonymisierung von Verbindungsdaten Tor und den datensparenden und verschlüsselnden Messenger Signal auswirkt: Trump-Regierung dreht Geldhahn für OTF zu (mmm.verdi.de, Christiane Schulzki-Haddouti).

5. ORN #3 Rezo, wie können Journalist:innen Nindo nutzen?
(mailchi.mp, Sebastian Meineck)
Der Youtuber Rezo hat kürzlich ein Analyse-Werkzeug für Soziale Medien veröffentlicht, das sich nicht nur für die Follower-Anzahl interessiert. Wie können Medienschaffende Nindo nutzen, wenn sie über Influencerinnen und Influencer recherchieren? In der aktuellen Ausgabe seines Online-Recherche-Newsletters hat Sebastian Meineck mit Rezo über dessen neues Tool zur Reichweitenmessung gesprochen.

6. Wollte mich vor ein paar Jahren auf ein Volo bei der @SZ bewerben …
(twitter.com, Isabell Beer)
Detlef Esslinger kümmert sich bei der „Süddeutschen Zeitung“ unter anderem um die Volontärsausbildung. In der „SZ“-Rubrik „Werkstatt“ beklagt er sich über die Bewerbersituation: „Leider bewerben sich fast nur Menschen mit Studium. Doch eigentlich stünden einer Redaktion auch Menschen mit abgeschlossener Lehre gut an.“ Die Journalistin Isabell Beer findet Esslingers Aussagen scheinheilig und erinnert ihn an seine früheren Aussagen: „Abgeschlossenes Studium muss sein, am liebsten Master-Abschluss.“ Esslinger hat auf Beers Kritik geantwortet.

Situation in Belarus, Post vom Rechteverfolger, Tonstudio-Fußball

1. Die gefährliche Arbeit von Journalisten in Belarus
(deutschlandfunkkultur.de, Katja Bigalke, Audio: 8:43 Minuten)
Bei den Wahlen in Belarus soll Präsident Alexander Lukaschenko nach Angaben von „Reporter ohne Grenzen“ nur rund zehn Prozent der Stimmen bekommen haben, während seine Herausforderin Svetlana Tikhanovskaya 70 Prozent auf sich versammeln konnte. Seitdem ist das Land in Aufruhr, denn Lukaschenko denkt nicht daran, seinen Posten zu räumen. Deutschlandfunk Kultur hat sich mit dem Journalisten und Belarus-Kenner Jan-Henrik Wiebe über die Situation im Land und die schwierigen Arbeitsbedingungen dort unterhalten.

2. Post vom Rechteverfolger
(koenig-haunstetten.de, Rainer König)
Rainer König hatte auf seinem Blog die Berichterstattung der „Bild“-Redaktion zum Christchurch-Anschlag kritisiert – mit Verwendung entsprechender Bild- und Textzitate. Letzteres droht ihm nun zum Verhängnis zu werden: „Man bezichtigt mich, dass ich (…) Inhalte aus Publikationen der Axel Springer Verlagsgruppe ins Internet stellen würde, ohne die für eine Online-Nutzung notwendigen Rechte erworben zu haben.“ König wolle sich jedoch nicht einschüchtern lassen.

3. Was ist das Geheimnis des „Tatorts“?
(zeit.de, Lisa Frieda Cossham & Miriam Dahlinger & Francesco Giammarco)
Seit mittlerweile einem halben Jahrhundert wird am Sonntagabend der „Tatort“ ausgestrahlt. Die „Zeit“ hat sich bei 30 Schauspielerinnen, Regisseuren, Redakteurinnen und Komponisten umgehört, was diese Krimiserie so einzigartig mache. Eine bunte und vielfältige Interview-Collage, die auf mehr als 20 Einzelgesprächen beruht.

Bildblog unterstuetzen

4. Angst um die Eigenständigkeit
(sueddeutsche.de, Ulrike Nimz)
Die Dumont-Mediengruppe hat sich von der „Mitteldeutschen Zeitung“ getrennt. Neuer Besitzer ist der Bauer-Verlag. Nun befürchten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Zusammenlegung mit der „Volksstimme“ und einen damit einhergehenden eventuellen Arbeitsplatzabbau. Ulrike Nimz berichtet über den auch in Sachen Pressekonzentration besorgniserregenden Fall und lässt dabei den Vorsitzenden des Deutschen Journalisten-Verbandes in Sachsen-Anhalt zu Wort kommen: „Der Bauer-Deal hat nur Verlierer. Ich kann nicht erkennen, was Leser und Mitarbeiter davon haben sollen, wenn es in Sachsen-Anhalt ein Meinungsmonopol gibt.“

5. Donald TV
(taz.de, Dorothea Hahn)
Der US-amerikanische Präsident Donald Trump war in früheren Zeiten vor allem ein Fan des amerikanischen Nachrichtensenders Fox News von Medien-Milliardär Robert Murdoch. Seit einiger Zeit hat Trump einen neuen Lieblingssender, das vergleichsweise kleine One America News (OAN). US-Korrespondentin Dorothea Hahn kommentiert: „Wer OAN einschaltet, hat die Garantie, Propaganda zu bekommen. Der Sender wirbt zwar mit Slogans wie ‚Keine Spekulation, keine Meinung, nur Fakten und Quellen für glaubwürdige Nachrichten‘. Aber in seiner Berichterstattung ist nicht einmal der Versuch von Neutralität zu erkennen.“

6. Da geht noch was, RTL!
(faz.net, Christoph Becker)
RTL hat bei einer Fußballübertragung aufgezeichnete Fan-Geräusche eingespielt, die die eigentlich leere Tribüne voll wirken ließen. Sportredakteur Christoph Becker schreibt dazu: „Bizarre Höhepunkte: die Pfeifkonzerte aus der Konserve, als der Schiedsrichter den Videobeweis bemühte. Die Stille des Stadions ist dem Zuschauer offenbar nicht zuzumuten. Oder dem Programmdirektor? Interessehalber mal nachgefragt: Ist das schon deep fake oder nur deep feige? Und was kommt als Nächstes? Eine andere Bildspur? Ein Halbfinale live aus der Konsole?“

Polizei privat, Unsichtbare Ärztinnen, Leyendecker-Kommission

1. Das dürfen Berliner Polizisten privat im Netz
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Die Berliner Polizei hat sich in einem „Merkblatt zur Nutzung sozialer Medien“ (PDF) Richtlinien für die private Nutzung von Twitter, Facebook, Instagram und Co. auferlegt. Markus Reuter hat für netzpolitik.org aufgeschrieben, welche Themen die Polizei in ihrem Merkblatt behandelt hat. Die Polizisten und Polizistinnen sollen beispielsweise auch bei ihren privaten Accounts nicht tricksen und ihre Reichweite nicht durch den Kauf von Followern künstlich erhöhen.

2. Spiegel: Kommission findet wenig Belastendes gegen Star-Reporter Hans Leyendecker
(berliner-zeitung.de, Kai-Hinrich Renner)
Hat der ehemalige „Spiegel“-Redakteur Hans Leyendecker 1993 im Zusammenhang mit seiner Berichterstattung über den Tod des RAF-Terroristen Wolfgang Grams im Bahnhof von Bad Kleinen einen Informanten erfunden? Diese und andere Fragen soll eine Kommission des „Spiegel“ klären, deren Bericht anscheinend schon vorliegt – wenn auch als Rohfassung. Kai-Hinrich Renner berichtet über einen Vorgang, der für den „Spiegel“ und seinen damaligen Star-Reporter kein Ruhmesblatt ist.

3. Kahlschlag im Superman-Verlag
(tagesspiegel.de, Stefan Pannor)
Eine spannende Analyse des Comic-Markts liefert der Comic-Experte Stefan Pannor im „Tagespiegel“. Beim Superman-Verlag DC Comics muss demnach ein Drittel der Belegschaft den Schreibtisch räumen, darunter auch Spitzenkräfte in Leitungsfunktion. Pannor erklärt die dahinterstehende Strategie, die auch mit dem radikalen Umbau der US-Entertainment-Branche zu tun habe.

Bildblog unterstuetzen

4. Gehalts-Ranking: Von Tom Buhrow bis Patricia Schlesinger – das haben die ARD-Intendanten 2019 verdient
(kress.de, Marc Bartl)
Die ARD hat ihre Gehaltsstrukturen veröffentlicht (Stand 2019). In der Übersicht sind die durchschnittlichen Monatsgehälter der Führungspositionen, aber auch die Gehalts-Bandbreiten etwa der Kameramänner und Cutterinnen aufgeführt. Spitzenverdiener sind wie immer die Intendantinnen und Intendanten, deren Jahresgehälter von 245.000 Euro (Thomas Kleist, SR) bis zu 395.000 Euro (Tom Buhrow, WDR) reichen.

5. Von unsichtbaren Ärztinnen und Journalistinnen
(genderleicht.de, Elke Brüser)
In einigen medizinischen Fachgebieten gibt es bereits mehr Frauen als Männer: In der Gynäkologie sei zwei Drittel der Ärzteschaft weiblich, in der Dermatologie seien über die Hälfte Frauen. Trotzdem heißen die entsprechenden Fachzeitschriften „Der Gynäkologe“ oder „Frauenarzt“. Auch andere Fachmagazine seien ausschließlich männlich gegendert („Der Orthopäde“, „Der Internist“, „Der Pneumologe“). Andere Beispiele würden jedoch zeigen, dass auch Titel möglich seien, die keine überholten und fehlleitenden Assoziationen wecken, so die Medizin- und Wissenschaftsjournalistin Elke Brüser.

6. Trump sogar noch lustiger
(taz.de, Daniel Kretschmar)
Sarah Cooper hat es mit ihren Donald-Trump-Lipsync-Videos zum gefeierten Internet-Star geschafft. Für ihre Parodien verwendet sie Originaltonspuren von Interviews und öffentlichen Auftritten Trumps und schauspielert dazu lippensynchron den Präsidenten. Neulich hat sie bereits den „Guest Host Monologue“ bei der US-amerikanischen Late-Night-Show „Jimmy Kimmel Live!“ übernommen. Nun gebe ihr Netflix eine ganze Sendung.

Nebengeschäfte, TV-Ausfallfonds, Oder soll man es lassen?

1. Mitgeliefert
(sueddeutsche.de, Anika Blatz)
Die Corona-Krise und die daraus resultierende wirtschaftliche Notlage befeuert in vielen deutschen Medienhäusern die Kreativität. Mit welchen „Nebengeschäften“ lassen sich Auflagenschwund und Anzeigenverluste ausgleichen? Anika Blatz hat sich in der Branche umgehört und einige einfallsreiche Modelle entdeckt: von der Brötchen-Zustellung bis hin zur Einrichtung von mietbaren Online-Shops, der Kooperation mit Apotheken oder Hofläden und der „Same Day Delivery“ für eine Vielzahl unterschiedlichster Partnerprodukte.

2. Vergrößern ist nicht spiegeln
(taz.de, Eliyah Havemann)
In einem Gastkommentar äußert sich Eliyah Havemann zum Streit über die Kabarettistin Lisa Eckhart: „[I]hr Publikum goutiert diese billigen Pointen, die sie auf Kosten der Juden, PoC, Homosexuellen und trans* Menschen sowie anderer Marginalisierter macht. Manche ihrer Fans behaupten, sie würde das tun, um der Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten, etwa wie Sasha Baron Cohen mit seiner Figur Borat. Aber das ist Schönrederei. Denn ihrer Show fehlt die Distanz zur Figur. Der Spiegel wird zum Vergrößerungsglas.“

3. Oder soll man es lassen? Ja.
(uebermedien.de, Jürn Kruse)
Müssen öffentlich-rechtliche Medien „jeden zu Wort kommen lassen“? Oder sollte man gewissen Menschen und Positionen „keine Bühne bieten“? Das sind Fragen, die sich immer wieder stellen, zuletzt bei einem Interview des Deutschlandfunks mit Anselm Lenz, einem der Organisatoren der Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen. Jürn Kruse hat das Gespräch auf „Übermedien“ analysiert. Er halte es für richtig, sich mit Verschwörungsideologen und ihren Erzählungen auseinandersetzen: „Das Interview ist als Darstellungsform dafür aber gänzlich ungeeignet, es ist das falsche Werkzeug. Es ist das Sieb, das man mit an den Strand nimmt, um Wasser zu schöpfen.“
Weiterer Lesehinweis: Auf „Planet Interview“ reagiert Jakob Buhre mit einer Replik. Er halte Kruses Schlussfolgerung in ihrer Pauschalität für falsch. „Und zum Fall von Lenz: Man hätte mit ihm noch viel länger sprechen müssen.“

Bildblog unterstuetzen

4. Twitter kennzeichnet russische und chinesische Staatsmedien
(netzpolitik.org, Marie Bröckling)
Seit vergangener Woche versieht Twitter zahlreiche russische und chinesische Nachrichtenseiten mit einem Hinweis für „staatsnahe Medien“. Doch damit nicht genug: Die Tweets von Redaktionen wie „Russia Today“ und „China Daily“ würden ab sofort auch nicht mehr vom Algorithmus empfohlen, was ihre Reichweite erheblich drosseln dürfte. Eine Twitter-Sprecherin habe keine Angaben dazu machen wollen, wie viele und welche Accounts markiert wurden.

5. Gemeinsamer Appell für Ausfallfonds: „Handeln Sie jetzt!“
(dwdl.de, Uwe Mantel)
Für Kinofilme und „hochwertige Serien“ hat die Bundesregierung bereits einen mit 50 Millionen Euro ausgestatteten Corona-Ausfallfonds beschlossen. Seit geraumer Zeit werde ein ähnlicher, jedoch von den Bundesländern finanzierter, Fonds für Fernsehproduktionen diskutiert. Nun haben 39 Verbände und Organisationen einen eindringlichen Appell veröffentlicht: „Wir brauchen den Ausfallfonds für TV-Produktionen. Jetzt!“

6. Wo laufen sie denn?
(untergeschoss.wordpress.com, Harald Keller)
Eine Serie wie „House of Cards“ wird von vielen Medien gerne als „Netflix-Serie“ bezeichnet, wahrscheinlich, weil man sie dort gucken kann. Doch sie läuft auch auf anderen Plattformen wie Amazon, Chili, Google Play, iTunes, Joyn, Maxdome, Microsoft, Rakuten TV, Sky Ticket, Sky Go, Sony und Videoload. Ist es also gerechtfertigt, Netflix derart herauszustellen? In diesem Fall aus guten Gründen ja, so Harald Keller, aber das Prinzip müsse durchgehalten werden.

Blättern: 1 2 3 4 ... 1004

BILDblog-Klassiker

Wie „Bild“ gegen den Mindestlohn kämpft

Wenn sich die „Bild“-Zeitung gegen die Meinung der überwältigenden Mehrheit ihrer Leser stellt, lohnt es sich fast immer, genauer hinzuschauen. Rund 90 Prozent der Deutschen sind laut einer Umfrage von Infratest dimap für Mindestlöhne entweder in allen oder bestimmten Branchen. In „Bild“ stand diese oder eine ähnliche Zahl nicht. Dafür aber seit drei Wochen Tag für Tag ein beeindruckendes publizistisches Trommelfeuer gegen den Mindestlohn im Allgemeinen und bei den Briefzustellern im Besonderen.

„Bild“, 19. September:

MINDESTLOHN Ist das wirklich gut für die Beschäftigten?

Nein, sagen Experten! Wirtschaftsweiser Prof. Wolfgang Franz zu BILD: „Die Erfahrung zeigt, dass Mindestlöhne Jobs kosten, vor allem bei den Geringqualifizierten. Ein Mitarbeiter darf ein Unternehmen nicht mehr kosten, als er der Firma einbringt. (…)“

Nach Berechnungen des Ifo-Instituts würde ein bundesweiter Mindestlohn von 7,50 Euro/Stunde rund 1,1 Millionen Arbeitsplätze in Deutschland vernichten. (…)

Welche Folgen hätte der Mindestlohn für die privaten Post-Firmen?

Laut Branchenverband DVPT würden die Kosten der Betriebe dadurch deutlich steigen. Verbandschef Elmar Müller: „Von den rund 750 privaten Post-Unternehmen müßten 200 um ihre Existenz bangen.“ Tausende Jobs wären bedroht.

„Bild“, 20. September:

MINDESTLOHN? Dann gehen wir pleite!

„Bild“, 26. September:

„Steuerbefreiung statt Mindestlohn!“

Prof. Ulrich Blum (54), Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle: „Forderungen nach Mindestlöhnen sind völlig falsch! Sie steigern erst Kosten, dann die Arbeitslosigkeit.“

„Bild“-Kommentar, 29. September:

Mindestlöhne vernichten Arbeitsplätze!

(…) gesetzliche Mindestlöhne gefährden Arbeitsplätze. Das angesehene Ifo-Institut rechnet damit, dass die Einführung eines bundesweiten Mindesteinkommens mehr als eine Million Stellen vernichten könnte. (…)

Dass durch gesetzliche Mindestlöhne neue Jobs entstehen, ist ein Märchen. Das Gegenteil ist richtig!

„Bild“, 1. Oktober:

Ein Mindestlohn für die Post-Branche würde bis zu 50 000 Arbeitsplätze vernichten, befürchtet das Bundeswirtschaftsministerium („Spiegel“).

„Bild“, 4. Oktober:

Herr Gerster, warum sind Sie gegen Mindestlöhne?

BILD-Interview mit Florian Gerster (58), dem ehemaligen Arbeitsminister und Chef der Bundesagentur für Arbeit, heute Präsident des Arbeitgeberverbandes Neue Brief- und Zustelldienste

(…) Ein Mindestlohn von 9,80 Euro schützt nicht die Arbeitnehmer, sondern vernichtet Arbeitsplätze.

„Bild“-Kommentar, 4. Oktober:

… der arbeitsplatzfeindliche Mindestlohn …

„Bild“, 5. Oktober:

US-Nobelpreisträger warnt vor Mindestlohn

„Bild“, 8. Oktober:

Mindestlohn? Der kostet uns den Job!

(…) Die privaten Postkonkurrenten warnten am Wochenende erneut davor, dass eine Mindestlohn-Höhe von bis zu 9,80 Euro pro Stunde bis zu 50000 Jobs gefährdet.

„Bild“-Kommentar, 8. Oktober:

Auch einen Mindestlohn gibt es nicht zum Nulltarif. Wenn der Staat festsetzt, was ein Arbeitnehmer zu bekommen hat, wird mancher Chef seinen Laden zumachen müssen und Angestellte vor die Tür setzen. (…)

Mindestlohn ohne „Mindestgewinn“ kostet Arbeitsplätze, belastet die Sozialkassen und würgt den Aufschwung ab.

In den ganzen drei Wochen lässt „Bild“ keinen einzigen unabhängigen Experten zu Wort kommen, der sich für den Mindestlohn ausspricht. (Dabei gibt es sie durchaus, und sie verweisen zum Beispiel auf die positiven Wirkungen, die der Mindestlohn auf den Arbeitsmarkt in Großbritannien und den USA gehabt habe.) Nur DGB-Chef Michael Sommer wird mit einem kurzen Plädoyer für den Mindestlohn zitiert.

Der „Bild“-Leser findet in dieser Zeit auch keinen Hinweis darauf, was „Bild“ motivieren könnte, so massiv gegen den Mindestlohn zu kämpfen. Dabei gibt es eine einfache Antwort: Die Axel Springer AG, die „Bild“ herausgibt, hat vor einem Vierteljahr für eine halbe Milliarde Euro die Mehrheit an der PIN-AG erworben, einem privaten Briefzusteller. Die PIN-AG ist mittlerweile der zweitgrößte deutsche Anbieter und hat mehr als 7000 Mitarbeiter.

Wie „Bild“ erklärt, die eigenen Interessen nicht offenlegen zu müssen
 
„Wenn über das Thema Mindestlöhne berichtet wird, ist das nicht ein Thema der PIN, sondern betrifft in erster Linie alle privaten Postdienstleister…“
 
„Bild“-Sprecher Tobias Fröhlich gegenüber „Report Mainz“

Das ARD-Magazin „Report Mainz“, berichtete gestern ausführlich über die Anti-Mindestlohn-Kampagne der „Bild“-Zeitung und anderer Springer-Blätter. Dort sagte der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel, Springer spekuliere bei der PIN-AG auf Niedriglöhne, sonst gehe die Kalkulation des Unternehmens nicht mehr auf (PIN-Mitarbeiter berichteten gegenüber „Report Mainz“ und „Plusminus“ von Stundenlöhnen von unter 5 Euro.). Ein Sprecher der Gewerkschaft Ver.di sagte „Report Mainz“, „der Druck auf die Journalisten“ bei Springer, im Interesse des Post-Engagements des Verlages zu berichten, sei „sehr groß“. Er sprach von „Aktionärsjournalismus“.

Der von „Bild“ in den vergangenen drei Wochen viermal in Sachen Mindestlohn zitierte Präsident des neuen Arbeitgeberverbandes „Neue Brief- und Zustelldienste“, Florian Gerster, ist übrigens laut „FAZ“ auf Druck von Springer an diese Position gekommen.

Vielen Dank an alle Hinweisgeber!

Fortsetzung hier…

Spaß-Rassismus, Kiosk-Forschung, Keylogger vor Gericht

1. Wer beendet den Murmeltiertag?
(faz.net, Michael Hanfeld)
Michael Hanfeld fühlt sich bei der Debatte um den Rundfunkbeitrag an den Murmeltiertag erinnert. „Es wiederholt sich immer alles, jeden Satz haben wir schon viele Male gehört, jede Entscheidung genau so und nicht anders gewärtigt: Die öffentlich-rechtlichen Sender beklagen, sie hätten zu wenig Geld und brauchten dringend eine Erhöhung der Abgabe. Die Experten der Gebührenkommission Kef rechnen nach, stellen fest, dass dem nicht so ist und schlagen vor, wie hoch der Monatsbeitrag sein soll. Die Ministerpräsidenten schauen sich das Ganze an und folgen der Empfehlung in der Regel beziehungsweise folgen ihr jetzt – wie zu erwarten – nicht, weil das unangenehme Folgen haben könnte.“

2. Spähaktion landet vor Gericht
(taz.de, Sebastian Erb & Martin Kaul)
Der Fall um den in der „taz“-Redaktion eingesetzten Keylogger soll nun juristisch aufgearbeitet werden: Die Berliner Staatsanwaltschaft hat gegen den früheren „taz“-Redakteur Sebastian Heiser Anklage erhoben. Der Vorwurf: Heiser soll zwischen dem 1. Januar 2014 und dem 17. Februar 2015 an verschiedenen Rechnern innerhalb der „taz“-Redaktion mit einem sogenannten Keylogger Daten abgefangen haben. Ob der Angeklagte vor Gericht erscheinen wird, ist jedoch fraglich. Er hatte sich nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen ihn in ein asiatisches Land abgesetzt, mit dem Deutschland kein Auslieferungsabkommen hat.

3. Nach Trump: Dieser Absturz wird heftig werden
(dwdl.de, Hans Hoff)
Hans Hoff sieht in seiner neuesten Kolumne eine große Medienkrise auf uns zukommen, sollte Trump die US-Wahlen verlieren: „Gedanken muss man sich auch machen um die Entsorgung der ganzen schlechten Wortspiele. Wenn das Trumpeltier auf dem Trumpelpfad mit Pauken und Trumpeten untergegangen ist, müssen die Konstruktionen ja irgendwo hin. Gibt es schon ein Endlager für Trump-Witze? Mit einer Sonderabteilung für Frisurenwitze? Lagern möglicherweise in der Asse die Trump-Haupthaargags dann gleich neben denen über Angela Merkels verstorbenen Friseur?“

4. Warum ich über den Schwarzen Mann als böse Überraschung nicht lachen kann
(uebermedien.de, Ali Schwarzer)
Samstagabend lief im Ersten die Unterhaltungssendung „Verstehen Sie Spaß?“, ein Showklassiker, der seit den Achtziger Jahren vor allem durch Bemühtheit und Muffigkeit auffällt. Vor der Ausstrahlung war bekannt geworden, dass Moderator Guido Cantz den Schweizer Talkshowmoderator Röbi Koller mit einem „Streich“ der etwas seltsamen Art überrascht hat: Er war als klischeehaft verkleideter Schwarz-Afrikaner mit dunklem Make-up, Schlauchlippen und starkem Akzent aufgetreten. Dies hatte im Vorfeld für Unruhe gesorgt, doch die kritischen Stimmen haben den Sender nicht davon abgehalten, die umstrittene Sequenz auszustrahlen. Ali Schwarzer schreibt auf „Übermedien“, warum er über den Schwarzen Mann als böse Überraschung nicht lachen kann.

5. Hamburger Landgericht will „Schmähkritik“-Affäre klären
(horizont.net)
In der Auseinandersetzung um das Böhmermannsche „Schmähgedicht“ hat der türkische Präsident Erdogan Anfang Oktober eine juristische Schlappe erlitten: Die Staatsanwaltschaft Mainz hat die Ermittlungen gegen Böhmermann eingestellt, eine Beschwerde Erdogans wies die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz als unbegründet zurück. Nun wird sich ab Mittwoch das Landgericht Hamburg mit der Sache befassen. Dort liegt noch eine Klage des Präsidenten als Privatmann vor, die zum Ziel hat, das Gedicht in Gänze zu verbieten.

6. Entdeckt (62): Nackte, Tote und ein kiffendes Stinktier – 20 Hefte aus den USA
(kioskforscher.wordpress.com, Markus Böhm)
„Kioskforscher“ Markus Böhm hat seinen New-York-Trip genutzt, sich in Zeitschriftenläden nach skurrilen Magazinen umzuschauen. Seine Ausbeute: 20 Hefte, die sich um Zielgruppen wie Kiffer, Wildpinkler und Nudisten bemühen. Gleich zu Beginn seiner Umschau widmet er sich „Going Natural“, einem Magazin, bei dem sogar die Autoren nackt sind und das erwartungsgemäß freikörperzentriert ausfällt. „Auf den Rest des Heftes verteilen sich Nachrichten („Veteranen behandeln posttraumatische Belastungsstörung mit Nudismus“), Ausflugstipps („Neues FKK-Restaurant in London“) und ein Kreuzworträtsel („Offizieller FKK-Strand in Florida“ mit acht Buchstaben?), drumherum berichten Nudisten über ihre Sorgen und Erfahrungen.“

US-Netzparteilichkeit, Schlapphut-Niederlage, WDR-Liebeskummer

1. Schwarzer Tag fürs Internet: USA demolieren Netzneutralität
(netzpolitik.org, Tomas Rudl)
Bislang galt in den USA die Netzneutralität, die sicherstellte, dass Netzbetreiber weder den Zugang zu legalen Inhalten drosseln oder blockieren noch „Überholspuren“ einrichten konnten. Damit ist es nun vorbei: Die „FCC“ („Federal Communications Commission“) hat die Netzneutralitätsregeln abgeschafft. Tomas Rudl kritisiert die Entscheidung: „Das Internet droht, jedenfalls in den USA, zu einem Produkt zu verkümmern, das eher dem Kabel-TV gleicht als dem bisherigen, offenen Netzwerk. In Anbetracht der erheblichen Marktkonzentration im Telekommunikationssektor, die US-Nutzern jetzt schon nur wenige Auswahlmöglichkeiten lässt, sind das keine guten Aussichten.“

2. Wegweisendes Urteil gegen den BND
(reporter-ohne-grenzen.de)
Das Bundesverwaltungsgericht gab einer Klage der „Reporter ohne Grenzen“ statt: Ab sofort darf der Bundesnachrichtendienst (BND) keine Verbindungsdaten aus Telefongesprächen der Organisation in seinem Metadaten-Analysesystem „VerAS“ speichern. Auf Seiten der „Reporter ohne Grenzen“ zeigt man sich hocherfreut: „Das Urteil ist ein historischer Erfolg für Reporter ohne Grenzen, weil es uns gelungen ist, dem BND Grenzen aufzuzeigen. Gleichzeitig stärkt es unsere Arbeit, denn verfolgte Journalisten aus autoritären Staaten wie Usbekistan oder China müssen sich darauf verlassen können, dass ihre Kommunikation mit uns vertraulich bleibt.“

3. WDR-Redakteure enttäuscht: Wo ist Buhrows Liebe hin?
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz)
Nachdem WDR-Intendant Tom Buhrow angekündigt hat, auf Wunsch der Verleger das Textangebot runterzufahren, rumort es im Sender. Die Redakteursvertretung beklage insbesondere den Kommunikationsstil und fühle sich schlecht informiert. Für zusätzliche Empörung sorge eine kursierende Mail, die Zeichenbegrenzungen vorgibt und bei Überschreitung mit „persönlichen Konsequenzen“ droht.

4. Storify macht dicht und löscht alles
(schmalenstroer.net)
„Storify“ ist ein vielgenutztes Tool, mit dem man Beiträge aus Sozialen Medien sammeln und zu einer Geschichte bündeln kann. Doch damit ist bald Schluss: Der Dienst wird in wenigen Monaten abgeschaltet. Für Michael Schmalenstroer der Anlass, den Einsatz derartiger Dienste grundsätzlich in Frage zu stellen: „Statt einem Storify hätte man auch ein normales Blog mit eingebundenen Tweets nutzen können. Dann ist man nicht von einem Dienstleister abhängig, der je nach wirtschaftlicher Lage den Dienst einfach einstellt. Wer seinen Krams selbst hostet und darauf aufpasst, wird keine bösen Überraschungen erleben. Gebt nicht die Kontrolle über eure Inhalte ab, denn kein Anbieter hat sich dieses Vertrauen verdient!“

5. Position beziehen — Nicht nur, aber auch auf der Buchmesse
(verlagegegenrechts.wordpress.com)
Auf der Leipziger Buchmesse werden erneut das „Compact Magazin“ und die „Junge Freiheit“ anzutreffen sein: „Compact“-Chef Jürgen Elsässer habe davon gesprochen, dass er die Leipziger Buchmesse „für die Meinungsfreiheit zurückerobern“ wolle. Die Initiative #verlagegegenrechts will den Auftritt der Rechten nicht unwidersprochen lassen: „Wir werden unsere Ablehnung rechter Ideologien sichtbar machen. Wir werden mit möglichst vielen Menschen in den Dialog treten und eine Veranstaltungsreihe an verschiedenen Orten auf der Messe und in Leipzig präsentieren. Wir werden uns dem medialen Aufmarsch der Rechten entgegenstellen. Ohne ihnen eine Bühne zu bieten.“

6. Jahresrückblick 2017
(trends.google.de)
Wonach haben die Deutschen 2017 gesucht? Google führt im Jahresrückblick die wichtigsten Suchbegriffe auf und verrät, welche Was-, Wo- und Warum-Fragen die Deutschen am häufigsten gestellt haben. In den Top-Platzierungen Fragen wie: „Was ist ein Schuppentier?“, „Warum ist Butter so teuer geworden?“ und „Wo befindet sich der Hubraum?“

Letztendlich Wurscht, Keine Nazibilder, Altersfeststellung

1. So. Jetzt wisst ihr mal, mit wem ihr es hier zu tun habt.
(facebook.com, Judith Liere)
Jens Jessen, der ehemalige Ressortleiter des Feuilletons der Wochenzeitung „Die Zeit“ hat sich in einer Titelstory bei seinem alten Arbeitgeber über die #Metoo-Debatte ausgetobt. Jessen geht es um den „bedrohten Mann“ und den „Triumph des totalitären Feminismus“.
Die von ihm namentlich erwähnte Journalistenkollegin Judith Liere hat sich mit einer Facebook-Gegenrede zu Wort gemeldet, die all die Wirrheit und Absurdität der Jessenschen Vorwürfe in einer Art Zitatensammlung vereint. (Der Hintergrund: Jessen hatte sich anscheinend an Judith Lieres „Stern“-Artikel zur #MeToo-Debatte gestört. Einem Beitrag aus dem Februar, der immer noch lesenswert ist.)


In der „taz“ findet Patricia Hecht deutliche Worte über Jessen : „Alles was er schreibt, wurde schon tausendmal vom Patriarchat ausgekotzt.“
Bei „Gender Equality Media“ hat sich die „totalitäre Feministin“ Penelope Kemekenidou direkt an den „Zeit“-Autor gewandt („Lieber Jens, ich glaube kaum dass ich das mal sagen muss, aber: Sei mal nicht so hysterisch.“)
Auch die Kollegen des „Zeit“-Ablegers für junge Leser „Ze.tt“ gehen auf Abstand. Jessen deute die Anliegen der Debatte grundlegend falsch und inszeniere einen Geschlechterkampf zwischen Mann und Frau.
„Vice“ hat auf seine eigene Art reagiert und veröffentlicht einen „ultimativen Artikel-Generator für empörte weiße Männer“.
Die beste Realsatire liefert jedoch Autor Jens Jessen selbst. In einem schon jetzt legendären dreiminütigen Radio-Interview stammelt, haspelt, ächzt, kichert und schwafelt er sich durch das Gespräch, dass man an einen misslungenen Loriot-Sketch glaubt. 
Und findet Worte, die seine Gedankenwelt ganz gut zusammenfassen: „Natürlich können Sie auch sagen: Es ist mir Wurscht. Letztendlich ist es vielleicht auch Wurscht.“

2. Facebook: Datenabgriff von 87 Millionen Nutzern ist nur Spitze des Eisberges
(netzpolitik.org, Markus Beckedahl)
Nach Angaben von Facebook sollen bis zu 87 Millionen vom Datenabgriff von „Cambridge Analytica“ und Co. betroffen sein. Das sei aber nur die Spitze des Eisberges, wie Markus Beckedahl auf „Netzpolitik.org“ schreibt. Das Unternehmen hätte erklärt, dass durch ähnliche Datenabgriffe wohl fast alle zwei Milliarden Nutzer betroffen sein können. Beckedahl kommentiert: „Währenddessen ist in der öffentlichen Debatte zumindest der CDU/CSU-Teil der Bundesregierung abgetaucht. Dort arbeitet man im Hintergrund daran, schärfere Regeln gegen Tracking und Datenmissbrauch im Rahmen der ePrivacy-Verordnung auf EU-Ebene zu verhindern. Die Bundesdatenschutzbeauftragte bereitet sich offensichtlich schon auf ihren Ruhestand vor.“
Weiterer Lesetipp: Die FAQ zum Facebook-Skandal (faktenfinder.tagesschau.de, Dennis Horn)

3. Hussein K.-Prozess: Fake News von einer journalistischen Instanz
(augsburger-allgemeine.de, Philipp Kinne)
Die bekannte Gerichtsreporterin und Starjournalistin Gisela Friedrichsen hat für die „Welt“ über den Fall des verurteilten Mörders Hussein K. berichtet. Dort sei es auch um das Verfahren zur Altersfeststellung gegangen sein, dessen Kosten Friedrichsen mit zwei Millionen Euro bezifferte. Die „Augsburger Allgemeine“ konnte sich derart hohe Kosten schwer vorstellen und hat bei der Staatsanwaltschaft Freiburg nachgefragt. Diese nennt als Gesamtkosten für die Altersfeststellung einen Betrag von etwa 6.000 Euro.
 Philipp Kinne kritisiert den Umgang der „Welt“ mit dem Fehler: „In der Richtigstellung zum Friedrichsen-Artikel ist mittlerweile zu lesen, „diese konkrete Summe“ sei „nicht zu belegen“ – als ob es sich um eine kleine Abweichung gehandelt habe statt um eine völlig fantastische Zahl – die im Internet und der öffentlichen Debatte längst ein Eigenleben führt.“

4. Auch Nazigegner dürfen keine Nazibilder posten
(lawblog.de, Udo Vetter)
Aus Protest gegen die Agentur für Arbeit veröffentlichte ein Blogger ein Bild Heinrich Himmlers in SS-Uniform mit Hakenkreuzarmband. Das durfte er nicht, befand jetzt auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), vor den der Blogger gezogen war. Eine innere Distanz zum Nationalsozialismus rechtfertige es in Deutschland nicht, die Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu veröffentlichen.

5. Baum-Maßnahme
(sueddeutsche.de, Cathrin Kahlweit)
Die BBC entschuldigt sich für eine Inszenierung innerhalb einer Papua-Neuginea-Reportage aus dem Jahr 2011. Cathrin Kahlweit sieht darin ein mögliches Ablenkungsmanöver von Ärger an anderer Stelle: „Seit bekannt wurde, dass die BBC einigen männlichen Stars mehr Gage zahlt als weiblichen, ist der Sender in der Defensive. Hier ist die Fehlerkultur wenig ausgeprägt: Man habe nicht gegen Gesetze verstoßen, heißt es lapidar.“

6. „Scheißer von Heuchelheim“ gefasst
(hessenschau.de)
Mit “Scheißer von Heuchelheim gefasst“ überschreibt die „Hessenschau“ einen der wichtigsten Kriminalfälle der letzten Zeit. Der „Spiegel“ titelt mit „Kotleger von Heuchelheim“ aufgeflogen etwas vornehmer. Geradezu begeistert schlagzeilt hingegen der „Rhein-Main Extra Tipp“: „Opa kackt über ein Jahr auf Bürgersteige in Gemeinde – und andere mache es ihm nach“ (hier nicht verlinkt, aus hygienischen Gründen).

Friedenspreis, BAMF-Hintergründe, Uploadfilter

1. „Die Rechte ist keine unterdrückte Minderheit“
(deutschlandfunkkultur.de, René Aguigah, Audio, 53:36 Minuten)
Das Ehepaar Aleida und Jan Assmann erhält den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Die Kulturwissenschaftler beschäftigten sich mit dem Vermächtnis alter Hochkulturen (Jan Assmann ist Ägyptologe) und ziehen daraus Schlüsse auf unser derzeitiges gesellschaftliches Miteinander. „Deutschlandfunk Kultur“ hat sich Ende März mit den beiden Wissenschaftlern unterhalten. In dem etwa einstündigen Gespräch geht es um den Opferbegriff, das kulturelle Gedächtnis, Erinnerungskultur, die neue Rechte und die angeblich beschränkten Freiheiten rechter Meinungsmacher.
Weiterer Hör- und Lesetipp: Den zweiten Teil des Gesprächs können Sie hier nachlesen und nachhören. (deutschlandfunkkultur.de, René Aguigah, Audio 52,58 Minuten)

2. Welche Vorwürfe haben sich erhärtet?
(faktenfinder.tagesschau.de, Patrick Gensing)
Die Vorwürfe im Rahmen der sogenannten BAMF-Affäre wiegen schwer: Tausenden von Asylbewerbern sollen unrechtmäßig Asylbescheide ausgestellt worden sein, von bandenmäßiger Kriminalität und Bestechung ist die Rede. Die Oppositionsparteien AfD und FDP fordern gar einen Untersuchungsausschuss. Patrick Gensing vom „Faktenfinder“ der „ARD“ hat sich den Vorgang näher angeschaut. Die Vorwürfe sind keineswegs so eindeutig wie vielfach dargestellt.
Weiterer Lesetipp: „Zweifel am Revisionsbericht: Falsche Vorwürfe gegen das Bremer BAMF“ (tagesschau.de)

3. Das ist der ARD-Plan für ein Gegenstück zu Facebook und YouTube
(wuv.de)
Der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm träumt weiterhin von einer länderübergreifenden, digitalen Plattform von Sendern und Verlagen als Gegengewicht zu Youtube und Facebook: „Deutschland und Frankreich sollten die Initiatoren sein, die das Projekt voranbringen, wie einst Airbus als europäische Antwort auf Boeing. Das ist ein Vorhaben, das zu unseren europäischen Werten passt. Eine solche Plattform würde die kulturelle Selbstbehauptung Europas besser sichern.“

4. Und dann weint Dennis Rodman
(sueddeutsche.de, Johannes Kuhn & Beate Wild)
In der Gipfel-Berichterstattung amerikanischer Nachrichtensender verschwimmen die Grenzen von Analyse, Propaganda und Reality-TV, so Johannes Kuhn und Beate Wild in der „SZ“. Dies beträfe nicht nur Sender wie das Trump-freundliche „Fox News“, sondern auch seriösere Kanäle wie „MSNBC“ und „CNN“. Das traurige Fazit: „Politik ist im Amerika von 2018 eine neue Spielart des Reality-TV, doch Donald Trump ist nicht allein dafür verantwortlich.“

5. So können Medien über Verbrechen wie den Mord an Susanna berichten, ohne populistische Arschlöcher zu sein
(vice.com, Rebecca Baden)
Rebecca Baden kritisiert bei „Vice“ die populistische und reißerische Berichterstattung zum Mord an der 14-jährigen Susanna: „Journalisten und Journalistinnen schaffen mit ihrer Arbeit ein Stück weit Realität. Manche nutzen diese verantwortungsvoll, um Betroffenen und Angehörigen eine Stimme zu geben. Andere heizen damit die Stimmung auf – und wundern sich dann, dass die AfD im Bundestag sitzt.“

6. Rette Dein Internet!
(youtube.com, Manniac)
Der Animator und Comedian „Manniac“ hat einen Zwei-Minuten-Clip zur EU-Urheberrechtsreform produziert. Sein Hauptkritikpunkt sind die sogenannten Uploadfilter, die eine Veröffentlichung von urheberrechtlich geschütztem Material verhindern sollen. „Die Folge kann sein, dass es nahezu unmöglich wird, kreativ mit Film- oder Games-Bildern zu arbeiten, oder auch einfach Memes zu teilen.“, so Manniac. „Bitte helft mit, das zu verhindern. Schreibt die Europa-Abgeordneten an und bittet sie, gegen Artikel 13 zu stimmen!“