Die neue Rote Hilfe Zeitung ist erschienen. Schwerpunkt der Ausgabe: Klimakämpfe.
Ihr könnt die Zeitung im Bahnhofsbuchhandel kaufen oder im Literaturvertrieb bestellen. Mitglieder bekommen die Zeitung zugeschickt.
Ausserdem ist sie wie alle Ausgaben seit 3/2011 auch als PDF-Download verfügbar.
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Ein Grußwort des Bundesvorstands der Roten Hilfe e.V. zum TKP/ML Prozess
Liebe Freund*innen,
liebe Genoss*innen,
wir sind heute hier, um unsere Solidarität mit den zehn Angeklagten im TKP/ML Prozess zu zeigen und gegen dieses Urteil lautstark zu protestieren.
Wir werden heute Zeug*innen, wie einmal mehr in diesem kapitalistischen Staat negative Rechtsgeschichte geschrieben wird, wenn es darum geht, linke Aktivist*innen zu verurteilen.
Heute geht mit den Urteilen der seit Jahrzehnten größte Kommunist*innen-Prozess nach über vier Jahren zu Ende. Zehn unserer Genoss*innen sind angeklagt, aktive Mitglieder der Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten zu sein.
Konkret vorgeworfen werden den Angeklagten keine strafbaren Handlungen, sondern ausschließlich legale politische Arbeit wie die Organisierung von Veranstaltungen, Demonstrationen, Konzerten und Seminaren. Es handelt sich um politische Arbeit, wie wir sie alle täglich erledigen, um für eine solidarische Gesellschaft jenseits kapitalistischer Ausbeutung zu kämpfen. Wir alle könnten von der Verfolgung der Repressionsbehörden betroffen sein.
Deswegen müssen wir uns ins Gedächtnis rufen:
Getroffen hat es die zehn Genoss*innen, aber gemeint ist die gesamte Linke, gemeint sind wir alle!!!
Simón Trinidad ist ein kolumbianischer Freiheitskämpfer und Intellektueller. Er war Mitglied der ehemaligen Guerillaorganisation Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens – Armee des Volkes (FARC-EP). Ende des Jahres 2003 ist er in Quito, Ecuador, gefangen genommen und später nach Kolumbien gebracht worden. Simón befand sich damals in Ecuador, weil er dort auf mögliche Friedensgespräche zwischen der Guerillaorganisation, dem kolumbianischen Staat und den Vereinten Nationen (UNO) hinarbeitete.
Sofort nahm der damalige Präsident von Kolumbien, der rechtsextreme und mit paramilitärischen Gruppen in Verbindung stehende Álvaro Uribe Vélez Kontakt zum US-amerikanischen Botschafter in Kolumbien auf, und forderte die Auslieferung von Simón.
So ist Simón Anfang 2004 unter falschen Anschuldigungen in die Vereinigten Staaten ausgeliefert worden. Dort waren vier Gerichtsverfahren nötig, um Simón wegen nur einer der zahlreichen und falschen Anklagepunkte zu verurteilen. Zuerst wurde ihm die Beteiligung an einem Drogengeschäft vorgeworfen; diese Anschuldigung musste jedoch anhand nicht vorhandener Beweise zurückgenommen werden. Danach wurde er beschuldigt sich bei der angeblichen Entführung drei US-amerikanischer Spione Anfang 2003 beteiligt zu haben. Simón hat jedoch keinerlei Verbindung zu diesen Ereignissen. Er hat niemals den geringsten Kontakt zu den drei US-amerikanischen Staatsbürgern gehabt.
Simón Trinidad ist also ein politischer Gefangener. Er ist im Hochsicherheitsgefängnis ADX Florence in Colorado, USA, eingesperrt. Dort verbüßt er eine 60-jährige Haftstrafe in Einzelhaft, abgeschottet von der Außenwelt, trotz seines fortgeschrittenen Alters und gesundheitlichen Beschwerden.
Heute endete nach über vier Jahren der TKP/ML-Prozess vor dem Münchner Oberlandesgericht mit drakonischen Strafen. Zehn Kommunist*innen waren angeklagt, aktive Mitglieder der Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten zu sein.
Die höchste Strafe erhielt der als „Rädelsführer in einer ausländischen terroristischen Vereinigung“ angeklagte Müslüm Elma mit sechs Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe.
Die anderen neun Aktivist*innen wurden zu Haftstrafen zwischen viereinhalb Jahren und zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.
Die Auslieferungshaft, die Deniz Pektaş, Sami Solmaz und Seyit Ali Uğur erlitten haben, werden zu hundert Prozent auf die Haftstrafe angerechnet. Die Angeklagten müssen außerdem die Kosten des Verfahrens und Auslagen tragen.
Angesichts der Höhe der Strafe ist nach wie vor bemerkenswert, dass die TKP/ML weder in der BRD noch in irgendeinem anderen Land außer der Türkei verboten ist oder auf einer der sogenannten „Terrorlisten“ steht. Zudem werden den Angeklagten keine konkreten strafbaren Handlungen angelastet.
Am Dienstag, 28. Juli 2020 geht nach über vier Jahren der TKP/ML-Prozess vor dem Münchner Oberlandesgericht zu Ende, in dem zehn Kommunist*innen angeklagt sind, aktive Mitglieder der Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten zu sein – einer Partei, die in der BRD nicht verboten ist und auch auf keiner Terrorliste steht, aber dem türkischen AKP-Regime schon seit Jahrzehnten ein Dorn im Auge ist.
Konkret vorgeworfen werden den Angeklagten keine strafbaren Handlungen, sondern ausschließlich legale politische Arbeit wie die Organisierung von Veranstaltungen und sonstige Vereinstätigkeit. Um die Verfolgung der Aktivist*innen überhaupt zu ermöglichen, musste das Justizministerium eine eigene Verfolgungsermächtigung ausstellen, die eine Kriminalisierung nach Paragraf 129b zulässt.
Wie soll unsere Solidarität eine Waffe sein, wenn sie nur unseren eigenen Ideen und nicht der Bewegung gilt?
Ein Plädoyer für Zusammenhalt, mehr Größe und gegen Kleinlichkeit.
„Das sind keine Linken!“ Das hören wir immer wieder. Auf der Straße, in Beratungen, in Plena und Zwiegesprächen. Die Gründe: die jeweiligen Personen sind zu angepasst, zu revolutionär, zu jung, zu alt, zu kopflastig, zu handfest – diese Liste ließe sich endlos fortsetzen. Kurzum: die jeweils genannten Menschen entsprechen nicht dem Bild eines „Linken“, wie sie der andere gerne hätte.
Na und?
Vielleicht gibt es ja Gründe, warum ihr ihr seid und die*der andere eben die*der andere.
Der Moment, in dem ihr euren Nebenmenschen aus persönlichen Befindlichkeit heraus den guten Willen, das Ziel, das „Linkssein“ absprecht, ist der Moment, in dem ihr dem Staat, den Behörden, der Repression die Tür öffnet. Es ist der Moment, in dem ihr die Augenhöhe verliert und das Gegenüber, die*den andere*n erniedrigt.
Das trifft immer nicht nur die anderen, sondern uns alle – und damit auch euch selbst.
Gerade heute, in einer Zeit, in der rechtskonservative Parteien erneut Mehrheiten in Bundes- und Landtagen, Kreis- und Stadträten erringen, in der Faschismus wieder salonfähig wird, sollten wir Einigkeit zeigen. Während Nazis, Rassist*innen, Antifeminist*innen, Antisemit*innen gekonnt kooperieren, zerlegen wir uns, nur um untereinander Recht zu behalten.
Wir dokumentieren ein Statement der ehemaligen politischen Gefangenen und HDP Abgeordneten Leyla Güven:
Der 15. Feburar: die Entführung Abdullah Öcalans hat sich in das kollektive Bewusstsein der Kurden eingebrannt. In der Person Abdullah Öcalan und seiner Festnahme durch einen internationalen Komplott sollte die kurdische Gesellschaft aus der Geschichte gelöscht werden.
Es gab die Erwartungshaltung, das mit der Festnahme Öcalans die gesamte kurdische Bewegung zerbricht. Dieser Ansatz des türkischen Staates hat die seit Jahrzehnten von der kurdischen Gesellschaft geschaffenen Werte, Mühen und Bestrebungen außer Acht gelassen. Abdullah Öcalan hat sich viele Jahrzehnte für die friedliche und demokratische Lösung der kurdischen Frage eingesetzt. Bereits seit den 90ern hat sich Öcalan direkt an türkischeStaatsvertreter gewandt, um eine Plattform der Diskussionen zu schaffen, unter anderem auch mit
dem türkischen Ministerpräsidenten Özal. Er appellierte, das eine millitärische Auseinandersetzung
für beide Seiten keine Lösung sei und man sich deswegen auf eine friedliche Einigung einlassen
müsse. Dies fand in der türkischen Politik keine Resonanz. Diejenigen, die auf die Appelle einzugehen bereit waren, wurden aus dem Weg geräumt.
Am heutigen Freitag wurde im Hamburger Elbchaussee-Prozess nach über eineinhalb Jahren das Urteil gefällt und die fünf angeklagten Gipfelgegner verurteilt.
Ein 24-Jähriger Aktivist aus Frankreich erhielt eine Freiheitsstrafe von drei Jahren, er wurde angeblichen wegen schweren Landfriedensbruchs und Beihilfe zur Brandstiftung, gefährlicher Körperverletzung und tätlichen Angriffs auf Polizist*innen schuldig gesprochen.
Ein 26-Jähriger aus Hessen erhielt eine Bewährungsstrafe auf ein Jahr und fünf Monate Haft, ein weiterer Aktivist wurde zu einer eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt.
Zwei der fünf Verurteilten sollen Sozialstunden ableisten, da sie wegen Landfriedensbruchs verurteilt wurden.
Dieses Urteil kam zustande, obwohl vier der fünf Aktivisten keine eigenhändige Straftat zugeordnet, sondern die bloße Teilnahme an dem Protestzug, der sich während des G20-Gipfels im Juli 2020 durch die Hamburger Elbchaussee bewegte und aus dem heraus es zu Angriffen gegen Schaufenster und Autos kam. Auch die Vorwürfe gegen den fünften beschränken sich auf zwei Flaschenwürfe, die weder Personen noch Gegenstände trafen. Mit der staatsanwaltlichen Konstruktion, dass allein das Mitlaufen in einer militanten Gruppe eine „psychische Beihilfe“ darstelle und somit alle Anwesenden für jede einzelne Aktion anderer haftbar gemacht und bestraft werden können, wurde trotzdem eine Verurteilung zu so hohen Strafen möglich.
Schon im Verlauf des Verfahrens war unübersehbar geworden, dass es dem Gericht ausschließlich um eine Verurteilung ging: offensichtliche Pfuschereien bei den Ermittlungen, systematische Beweisfälschungen seitens der SoKo „Schwarzer Block“ und manipulierte Zeug*innenaussagen riefen beim Gericht zwar Verärgerung hervor, führten aber keineswegs zur sofortigen Einstellung des Verfahrens. Die angeklagten Aktivisten selbst waren im Sommer 2018 bei brutalen Razzien von martialischen Polizeikommandos verhaftet und nach Hamburg in Untersuchungshaft verschleppt worden, in der drei über viele Monate festgehalten wurden; der fünfte Betroffene kam erst nach sechzehn Monaten frei.
Am 10. Juli 2020 wird im Elbchaussee-Prozess das Urteil verkündet – ein Prozess, in dem fünf junge Aktivisten drei Jahre nach den Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg mit hohen Haftstrafen überzogen werden sollen. Möglich wird die Verurteilung nur durch massive Rechtsbrüche, manipulierte Beweise und durch eine Anklage, die ein eindeutiges Urteil des Bundesgerichtshofs ignoriert.
Diese Anklage stellt ein Exempel der politischen Justiz dar und demonstriert in erster Linie den unbedingten Verfolgungswillen des deutschen Staates gegen diejenigen, die im Juli 2017 ihrem Protest gegen den G20 Ausdruck verliehen. Den fünf Aktivisten wird vorgeworfen, sich an einem militanten Demonstrationszug durch die Hamburger Elbchaussee beteiligt zu haben, in dessen Verlauf zahlreiche Autos und umliegende Geschäfte beschädigt wurden. Vier der Angeklagten werden allerdings keine konkreten strafbaren Handlungen zur Last gelegt, und auch die im fünften Fall vorgeworfenen Flaschenwürfe bilden keinen Anlass für einen eineinhalbjährigen Mammutprozess mit langer Untersuchungshaft.
Im Mittelpunkt der staatsanwaltlichen Argumentation steht die Konstruktion, dass alle Anwesenden gleichermaßen für alle Aktionen, die im Umfeld des Protestzugs stattfanden, verantwortlich sind, indem sie sich beim Loslaufen zur Begehung von Straftaten verabredet hätten. Damit berufen sich die Verfolgungsbehörden auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs von Mai 2017, das im Fall von Hooligans das „ostentative Mitmarschieren“ als „psychische Beihilfe“ für die gewalttätigen Mitglieder der Gruppe einstufte. Dabei schloss der BGH jedoch explizit die Übertragung auf politische Demonstrationen aus, wohl wissend, dass mit der Anwendung auf politische Proteste das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit einen herben Schlag bekommen würde.
Bereits am vergangenen Donnerstag, den 02. Juli 2020, gab es mehrere Hausdurchsuchungen in Baden- Württemberg. Es kam zu Beschlagnahmungen und DNA-Entnahmen. Eine Person wurde in U-Haft genommen.
Unter anderem drangen schwer bewaffnete Einsatzkräfte in das linke Hausprojekt Lu15 in Tübingen ein. Grund war der Vorwurf des Landfriedensbruchs und der gefährlichen Körperverletzung gegen einen der Bewohner, wofür ein Angriff auf Neonazis in Stuttgart Anlass geboten hatte. Wie bei einer solchen Maßnahme üblich wurden jedoch auch die restlichen Bewohner*innen seitens der Polizei schikaniert.
Die Durchsuchung entbehrte darüber hinaus jeglicher Grundlage. Denn der beschuldigte Aktivist konnte bereits im Vorfeld durch Bilder belegen, dass er zum fraglichen Zeitpunkt nicht in Stuttgart zugegen war. Die Hausdurchsuchung ist somit als reine Schikane zu bezeichnen. Ein sogenannter Erkenntnisgewinn zum Tatvorwurf war von vornherein ausgeschlossen.
Besonders pikant ist, dass es sich bei dem Betroffenen um einen Mitarbeiter des Bundestagsabgeordneten Tobias Pflüger (MdB DIE LINKE) handelt. Trotz der belegbaren Unschuld des Genossen beschlagnahmte die Polizei mehrere seiner für diese Tätigkeit notwendigen Arbeitsmittel. Pflüger sprach daraufhin von einem Angriff auf die freie Ausübung seines Abgeordnetenmandats. Er forderte die sofortige Rückgabe des durch die Staatsanwaltschaft beschlagnahmten Materials.
Anja Sommerfeld, Mitglied im Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V., verurteilt das Vorgehen der Polizei. „Ganz offensichtlich fand die Durchsuchung der Lu15 in Tübingen wie auch der anderen Objekte statt, ohne die eigenen aktuellsten Ermittlungsergebnisse zu berücksichtigen, oder sie wurden schlichtweg ignoriert. Es entsteht auch hier der Eindruck, dass der eklatante Eingriff in den privaten Lebensbereich der Aktivist*innen zur Einschüchterung dienen soll. Die Rote Hilfe verurteilt diese repressive Maßnahme und fordert die sofortige Einstellung der Verfahren, die Rückgabe der beschlagnahmten Gegenstände sowie die Freilassung des inhaftierten Aktivisten.“
Sie haben uns beschuldigt und beschuldigen uns auch weiterhin, „Terroristen“ zu sein. Sicher ist, dass diese Beschuldigungen für uns keine weitere Bedeutung haben. Aber aufgrund unserer Verantwortung gegenüber den unterdrückten Völkern der Welt sehen wir uns in der Pflicht, eine kurze Antwort darauf zu geben, wer wir sind. Denn die Antwort darauf, wer wir sind, ist gleichzeitig eine Antwort darauf, warum wir hier sind. (...)
Wir sind klassenbewusste Revolutionäre, die daran glauben, dass der Kampf gegen Gewaltherrschaft, gegen gesellschaftliche Ungleichheit und Ungerechtigkeit kein Verbrechen ist, sondern ein Dienst an der progressiven Menschheit. So wahr es ist, dass wir hier stehen, so wahr ist unsere Berechtigung und Legitimität. Der Vorwurf des „Terrorismus“ ist eine der größten Lügen des 20. und 21. Jahrhunderts, den sich die imperialistischen Räuber und ihre Kollaborateure zusammengedichtet haben, um die Verbrechen, die sie an den unterdrückten Völkern der Welt begangen haben, zu verschleiern und um deren legitimen Kampf zu diffamieren. Aber all diese Lügen können den Untergang der Imperialisten nicht verhindern.
Wir sind internationalistische Revolutionäre. Wir sind jeweils ein Glied in der Widerstandskette, die die unterdrückten Völker der Welt im Kampf gegen den Imperialismus und den Weltreaktionismus gebildet haben. Wir marschieren nicht allein. Wir marschieren unter der Fahne, die die Befreiung und die Brüderlichkeit des internationalen Proletariats und aller unterdrückten Völker symbolisiert.
Diejenigen, die den Himmel auf Erden in die Hölle verwandeln, sind die Imperialisten und ihre Mittäter. Diese Verbrecherbande erachtet es als legitim, dass Menschen durch Menschen ausgebeutet werden, dass die Chancengleichheit im Bildungs- und Arbeitsbereich verhindert wird, dass zur Durchsetzung ihrer reaktionären Interessen Feindschaften unter den Völkern gestiftet und Ursachen für die Entstehung ungerechter Kriege geschaffen werden. Diese Verbrecherbande und die zum Schutz ihrer Interessen verpflichteten Justizinstitutionen können nicht über uns richten.