Seit wenigen Tagen liegt ein Referentenentwurf des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) vor. Datenschützer und Patienten sind alarmiert: "Bundesgesundheitsminister Spahn will eine auf zentralen Servern liegende ‚elektronische Patientenakte‘ mit Zugriff sowohl über die Gesundheitskarte und ihre Telematikinfrastruktur, als auch über das Internet." erklärt Dr. Silke Lüder vom Bündnis "Stoppt die E-Card". "Das bedeutet eine gigantische Sammlung sensibler Daten auf einem zentralen Server - für Datendiebe ein extrem attraktives Ziel mit hohem finanziellen Wert. Patienten, deren Daten dort gespeichert werden, werden quasi enteignet", ergänzt Dr. Elke Steven, Geschäftsführerin von "Digitale Gesellschaft".
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Ende 2016 haben wir Verfassungsbeschwerde gegen das neue Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung eingereicht. Vor wenigen Wochen ist unser Anwalt Meinhard Starostik verstorben. Das hat uns sehr getroffen. Denn mit Meinhard haben wir nicht nur unseren Anwalt, sondern auch einen guten Freund verloren. Wir haben eine neue rechtliche Vertretung organisiert. Mit Prof. Dr. Jan Dirk Roggenkamp und Prof. Dr. Frank Josef Braun haben wir zwei Juristen gefunden, die als Hochschullehrer für Öffentliches Recht und Staatsrecht fachlich und standesrechtlich qualifiziert sind, unsere Vertretung vor dem Bundesverfassungsgericht zu übernehmen. Beide sind Teil des rechtsphilosophischen Diskurses, bereits in der Materie bewandert und haben auch schon zu dem Thema veröffentlicht. Wir sind überzeugt, dass die beiden Meinhards Verfassungsbeschwerde ganz in seinem Sinne gut durchkämpfen werden.
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Am 12. Juni 2018 verstarb Meinhard Starostik, Rechtsanwalt und
Verfassungsrichter des Landes Berlin, nach schwerer Krankheit im Alter
von 68 Jahren. Unser Freund und Mitstreiter Meinhard Starostik hat sich bis zum letztem
Atemzug für Grundrechte eingesetzt. Er war Verfassungsrichter des
Landes Berlin und hat als Rechtsanwalt mehrere Verfassungsbeschwerden
vor dem Bundesverfassungsgericht (z.B. 2010 und 2016 gegen die
Vorratsdatenspeicherung, gegen die Bestandsdatenauskunft, gegen
Videoüberwachung, gegen ELENA) vertreten. So hat er das erste Gesetz zur
verdachtslosen Vorratsdatenspeicherung zu Fall gebracht. Er ist gegen
die Protokollierung des Surfverhaltens anhand von IP-Adressen und gegen
die Geheimhaltung gerichtlicher Schriftsätze bis vor den Europäischen
Gerichtshof gezogen. Auch hat er sich für die Rechte von
Sexarbeiterinnen eingesetzt und mit der Verwertungsgesellschaft C3S eine
Alternative zur Gema aufgebaut. Jüngst gründete er die
pEp-Genossenschaft, die Werkzeuge für einfache Verschlüsselung
unterstützen soll.
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Deutschlands Datenschutzbehörden sollen ein "Verbot der
Zwangsidentifizierung und der massenhaften Protokollierung des
Surfverhaltens im Internet" aussprechen, fordert der Arbeitskreis
Vorratsdatenspeicherung in einem Offenen Brief an die
Datenschutzkonferenz. Auch nach der neuen europäischen
Datenschutz-Grundverordnung müssten Internetnutzer vor einer
Vorratsspeicherung und Verfolgung der von ihnen abgerufenen
Internetseiten durch Seitenbetreiber geschützt bleiben. Denn sensible
Daten über die Internetnutzung könnten selbst höchste Amtsträger
erpressbar machen, warnt der Zusammenschluss von Bürgerrechtlern,
Datenschützern und Internetnutzern.
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Das Bundesverfassungsgericht stellt in Frage, ob die verdachtslose
Vorratsspeicherung sämtlicher Verbindungs- und Bewegungsdaten in
Deutschland "mit den Anforderungen des europäischen Gerichtshofs ...
vereinbar" ist. In einem erst jetzt bekannt gewordenen Hinweis vom 6.
November[1]
verweist das Gericht auf ein Urteil, mit dem der Europäische
Gerichtshof (EuGH) 2016 schwedische und britische Gesetze zur
verdachtslosen Vorratsdatenspeicherung verworfen hat. Der EuGH
beanstandete schon damals die Sammlung der Verbindungs- und
Standortdaten auch von Personen, "bei denen keinerlei Anhaltspunkt dafür
besteht, dass ihr Verhalten in einem auch nur mittelbaren oder
entfernten Zusammenhang mit schweren Straftaten stehen könnte."[2]
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Die Bundesregierung soll bis März zu den Verfassungsbeschwerden gegen das Gesetz zur verdachtslosen Sammlung aller Verbindungs- und Standortdaten (Vorratsdatenspeicherung) Stellung nehmen. Dies hat das Bundesverfassungsgericht entschieden.
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Viele Unterzeichner haben mitgeholfen, dass die Vorratsdatenspeicherung jetzt einen weiteren Schritt näher an ihrer politischen Abschaffung ist. Herzlichen Dank, dass Sie unseren Appell gegen die Vorratsdatenspeicherung an die Jamaika-Verhandlerinnen und -verhandler mit unterschrieben haben! Erst kurz vor Ende der Jamaika-Sondierungen haben CDU und CSU schließlich dem Druck und den Argumenten nachgegeben. Das kaum Vorstellbare ist passiert: Die Union hat ihren sinnlosen Grabenkampf für die Durchsetzung der Vorratsdatenspeicherung in den Jamaika-Sondierungen aufgegeben – das ist die neue, erkämpfte Sachlage! [1]
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Das können Sie gegen die drohende Vorratsdatenspeicherung unternehmen:
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Nach dem "Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht" von CDU, CSU und SPD soll spätestens ab 1. Juli 2017 zehn Wochen lang nachvollziehbar sein, wer mit wem per Telefon oder Handy in Verbindung gestanden oder das Internet genutzt hat. Bei Handy-Telefonaten und SMS wird auch der jeweilige Standort des Benutzers festgehalten und vier Wochen lang gespeichert. In Verbindung mit anderen Daten wird auch die Internetnutzung nachvollziehbar.
Mithilfe der über die gesamte Bevölkerung gespeicherten Daten könnten Bewegungsprofile erstellt, geschäftliche Kontakte rekonstruiert und Freundschaftsbeziehungen identifiziert werden. Auch Rückschlüsse auf den Inhalt der Kommunikation, auf persönliche Interessen und die Lebenssituation der Kommunizierenden würden möglich. Zugriff auf die Daten hätten Polizei, Staatsanwaltschaft und ausländische Staaten, die sich davon eine verbesserte Strafverfolgung versprechen.
Bislang durften Telekommunikationsanbieter im Grundsatz nur die zur Abrechnung erforderlichen Verbindungsdaten speichern. Dazu gehörten Standortdaten und Internetkennungen nicht. Durch die Benutzung von Pauschaltarifen konnte eine Speicherung zudem weitgehend vermieden werden, was etwa für Journalisten und Beratungsstellen wichtig sein kann. All diese Mechanismen zum Schutz sensibler Kontakte und Aktivitäten vor Erfassung beseitigt die Vorratsdatenspeicherung.
Wo liegt das Problem?
Die Aufzeichnung von Informationen über die Kommunikation, Bewegung und Mediennutzung jedes Bürgers stellt die bislang größte Gefahr für unser Recht auf ein selbstbestimmtes und privates Leben dar. Sie wird von 54% der Bürger abgelehnt.
Unter der neu eingeführten Vorratsdatenspeicherung werden wir alle leiden:
- Vorratsdatenspeicherung verstößt gegen das Menschenrecht auf
Privatsphäre und informationelle Selbstbestimmung und widerspricht der
europäischen Grundrechte-Charta.
- Die Vorratsdatenspeicherung beeinträchtigt berufliche Aktivitäten (z.B. in den Bereichen Medizin, Recht, Kirche) ebenso wie politische und unternehmerische Aktivitäten, die Vertraulichkeit voraussetzen. Dadurch schadet sie letztlich unserer freiheitlichen Gesellschaft insgesamt.
- Insbesondere der Quellenschutz von Journalisten ist gefährdet, da ihre
Quellen keinen Schutz vor dem Datenabruf genießen. Desweiteren
kriminalisiert der ebenfalls neue Straftatbestand der "Datenhehlerei" die Arbeit von investigativen Journalisten und Bloggern.
- Vorratsdatenspeicherung setzt Menschen dem Risiko des kriminellen Missbrauchs ihrer Daten
aus – zum Beispiel durch Identitätsdiebstahl oder Erpressung. Der Grund:
Die Sicherheit solch riesiger Datenmengen kann nicht garantiert werden.
Erst recht nicht nach dem NSA-Skandal.
- Vorratsdatenspeicherung erhöht für die Wirtschaft das Risiko von Industriespionage.
- Nach den Enthüllungen Edward Snowdens rechnen viele Bürger damit, dass Geheimdienste oder andere Behörden die gespeicherten Daten
mitlesen. Das schüchtert ein und kann dazu führen, dass Menschen
nicht mehr politisch aktiv werden. Menschen können sich dazu
genötigt sehen, ihre Meinung für sich zu behalten, weil sie vermuten,
dass ihnen sonst die Einreise in andere Länder, eine Arbeitsstelle oder
anderes verweigert wird.
- Die Vorratsdatenspeicherung verhindert Terrorismus oder Kriminalität nicht. Sie ist unnötig und kann von Kriminellen leicht umgangen werden.
- Die Vorratsdatenspeicherung ist teuer und belastet Wirtschaft und Verbraucher.
- Die Vorratsdatenspeicherung diskriminiert Nutzer von Telefon, Mobiltelefon und Internet gegenüber anderen Kommunikationsformen, die weiterhin spurenlos genutzt werden können.
Siehe auch die kritischen Berichte der Fernsehmagazine Frontal 21, ZAPP (1, 2, 3) und nano (Videos).
Aktueller StandDas Gesetz zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung ist in Kraft. Nachdem das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen es 2017 als Verstoß gegen die EU-Grundrechtecharta bezeichnet hat, hat die Bundesnetzagentur erklärt, die Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung bis zum rechtskräftigen Abschluss nicht durchzusetzen. Seither haben viele Telekommunikationsanbieter erklärt, auf die Umsetzung zu verzichten.
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