Karl Marx und die Clickworker, Spitzers Daueralarm, Rechenspiele

1. Was hätte er zum Internet gesagt?
(zeit.de, Tilman Baumgärtel)
Vieles, was uns das Netz gebracht hat, hätte gut in die Theorie von Karl Marx gepasst, findet Medienwissenschaftler Tilman Baumgärtel in der „Zeit“. Seine Empfehlung: Clickworker und Uber-Fahrer sollten Marx lesen!

2. Über einen, der aus Ängsten Geld macht
(sueddeutsche.de, Jan Stremmel)
Manfred Spitzer ist ein Chefarzt und Hirnforscher, der vor allem für seine alarmistischen Sachbücher bekannt ist. In hunderttausendfach verkauften Werken wie „Vorsicht Bildschirm!“, „Digitale Demenz“ und „Cyberkrank!“ warnt Spitzer vor Folgen und Nebenwirkungen der Digitalisierung. Doch Spitzers Thesen sind umstritten, und gelegentlich scheint der Professor Kausalität mit Korrelation zu verwechseln. Dies werfen ihm jedenfalls seine Kritiker vor.

3. Achtung, Behörden-PR!
(taz.de, Marcus Engert)
Marcus Engert empfiehlt Journalisten eine gesunde Skepsis, wenn es um Meldungen der Polizei geht: „Bei G20 wurden halb so viele Polizisten im Einsatz verletzt, wie behauptet. In Ellwangen konnten weder Waffen noch Gewalttäter gefunden werden. Das kam raus, weil Journalisten nicht einfach abgetippt, sondern angerufen und nachgefragt haben.“ Engert schließt seinen Beitrag mit den Worten: „Die Polizei schützt das Funktionieren dieser Demokratie. Ohne sie ginge es nicht. Ihre Pressestellen aber sind nicht der Wahrheit verpflichtet, so mancher Polizeigewerkschafter erst recht nicht. Journalisten schon.“

4. Meine Republica-Rede, ein transfeindlicher Begriff und Internet-Hoffnung am Horizont
(saschalobo.com)
Sascha Lobo hat in seiner Republica-Rede unabsichtlich einen transfeindlichen Begriff verwendet; ein Fehler, für den er sich in einem Blogbeitrag entschuldigt und weitere Schritte ankündigt. Zum Schluss beschreibt er die Kommunikation mit den ihn kritisierenden Personen: „Als ich nach meiner Rede auf Twitter viel Kritik wegen meiner Verwendung des Begriffs sah, war ich erst irritiert. Als ich dann aber nachfragte, geschah etwas Wundersames. Obwohl ich ein enorm verletzendes Wort massiv in die Welt getrötet hatte (das Zitat wurde sogar von der Tagesschau weiterverbreitet) – war ausnahmslos jede soeben von mir herabgewürdigte Kritikerin im direkten Kontakt außerordentlich freundlich und offen, und alle nahmen sich die Zeit, mir alles ausführlich zu erklären. Man muss sich das vergegenwärtigen: Erklärende Freundlichkeit als Reaktion darauf, schwer beleidigt zu werden. Wenn das keine Hoffnung macht auf eine bessere Zukunft im Netz, ganz ohne Brandstifter – was dann.“

5. Handreichungen für kleine Unternehmen und Vereine
(lda.bayern.de)
Das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht hat die Anforderungen der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) an kleine Unternehmen, Vereine und sonstige Betriebe inklusive Musterformularen und Checklisten zusammengestellt. Speziell aufgeführt sind u.a.: KFZ-Werkstatt, Handwerksbetrieb, Steuerberater, Arztpraxis, Produktionsbetrieb, Online-Shop, Bäckerei und Einzelhändler.
Weiterer Lesetipp: Datenschutzregeln ab 25. Mai 2018 für freie Journalisten vom Deutschen Journalistenverband (DJV)

6. Was hinter der Polizeikampagne der Kronen Zeitung steckt
(kobuk.at, Hans Kirchmeyr)
„Fast 38.000 Beamte im Dienst verletzt“ titelte die österreichische Kronen Zeitung, was insofern eine interessante Zahl ist, weil es 8.000 Polizisten mehr sind, als es überhaupt in Österreich gibt. Hans Kirchmeyr dröselt die kreative „Kronen“-Rechnung auf und siehe da: Von den 38.000 auf der Titelseite genannten Übergriffen bleiben ca. 1.100 im letzten Jahr übrig.

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G20-Hilfssheriffs, Einzelfälle?, DSGVO und Panikmache

1. Der Journalist, dein Freund und Helfer
(taz.de, Marco Carini)
Unterstützen einige Hamburger Medien die Polizei bei der Verfolgung mutmaßlicher G20-Straftäter und fungieren dabei gar als willfährige Hilfssheriffs? Der Eindruck könnte zumindest entstehen, wenn man liest, was Marco Carini für die „taz“ aufgeschrieben hat.

2. „Wir wissen, dass es keine Einzelfälle sind“
(journalist-magazin.de, René Martens)
Journalisten vom „Recherchezentrum Correctiv“ und dem „Stern“ haben über mehrere Fälle sexueller Belästigung beim „WDR“ berichtet. Im Interview erzählen die beiden Autoren, wie es zu der Geschichte gekommen ist, ob noch mit weiteren Fällen zu rechnen ist und wie sie damit umgehen, dass von Seiten des rechten Milieus versucht wird, die Recherchen für den Propagandakampf gegen das öffentlich-rechtliche System zu instrumentalisieren. 

Weiterer Lesetipp: Frauen machen sich für freigestellten WDR-Mann stark (sueddeutsche.de)

3. Liebesgrüsse aus Moskau
(medienwoche.ch, Adrian Lobe)
Vom 14. Juni bis zum 15. Juli 2018 findet in Russland die Fußball-Weltmeisterschaft 2018 statt. Pünktlich dazu hätten Russlands Auslandmedien eine mediale Charmeoffensive gestartet voller Positiv-Geschichten und Promis, so Adrian Lobe. Der TV-Sender „RT“ würde sich das Unternehmen einiges kosten lassen und hätte eine Menge Geld für Prominenz aus dem Westen aufgewendet.

4. #journalistenschule
(2018.djs-online.de)
Zum Tag der Pressefreiheit (3. Mai 2018) besuchten Absolventen der Deutschen Journalistenschule ihre ehemaligen Schulen, um über Journalismus zu sprechen, von ihrer Arbeit in Redaktionen und Pressestellen zu berichten und über ethische Grundsätze, Fehlerquellen und “Fake News” zu diskutieren. Im Blog berichten sie nun von ihren Erlebnissen und Eindrücken in den von ihnen besuchten Schulen.

5. Fotografieren in Zeiten der DSGVO – Große Panikmache unangebracht
(rechtambild.de, Florian Wagenknecht)
Die ab dem 25. Mail geltende Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sorgt bei vielen Menschen für regelrechte Panik. Besonders Fotografen sehen sich durch die neuen Regelungen bedroht, manche sogar existenziell. Der Jurist Florian Wagenknecht hält derlei Panik für übertrieben und ordnet die Regelungen ein.

6. Spam: 40 Jahre Werbe-Mails
(heise.de, Detlef Borchers)
Hurra, die Spam-Mail wird 40! Am 3. Mai vor 40 Jahren wurde die erste Werbe-Mail an 320 Postfächer von Nutzern des damaligen Arpanets verschickt. Detlef Borchers erinnert an das denkwürdige Datum und erzählt noch einmal die Geschichte nach, wie es zu dem Begriff um das „Frühstücksfleisch in Dosen“ kam.

Sondertrack re:publica 2018: Empfehlungen für Besucher und Daheimgebliebene

1. Erfrischend, erstaunlich, bedrückend – ein Zwischenfazit
(tagesspiegel.de, Sebastian Leber & Hendrik Lehmann & Carsten Werner & Kurt Sagatz & Jana Demnitz & Marius Mestermann & Markus Lücker)
Das „Tagesspiegel“-Team hat den kompletten zweiten Konferenztag im Newsblog begleitet und seine Eindrücke in gut lesbaren Häppchen zusammengeführt.

2. „Keinen Rekrutierungsstand für ihre Cyberarmee“
(deutschlandfunk.de, Markus Beckedahl, Antje Allroggen)
Republica-Gründer Markus Beckedahl bleibt im Gespräch mit dem Deutschlandfunk dabei, dass es die richtige Entscheidung war, die uniformierte Bundeswehr nicht auf der Konferenz zuzulassen: „Wir haben gesagt, dass wir keinen Rekrutierungsstand für ihre Cyberarmee haben möchten.“

3. re:publica: Sascha Lobo plädiert für offensiven Sozial-Liberalismus
(heise.de, Torsten Kleinz)
Torsten Kleinz fasst bei „heise“ den Republica-Vortrag von Sascha Lobo zusammen, in dem dieser vor einem Abdriften Europas in autoritäre Gesellschaftsstrukturen warnte. Den für Populismus anfälligen Bevölkerungsschichten müssten bessere Alternativen aufgezeigt werden, so Lobo.
 Außerdem plädierte er für mehr Toleranz: „Lasst die Leute einfach tun – solange es im Rahmen der Werte der liberalen Demokratie bleibt.“
Der Vortrag ist auch auf YouTube verfügbar: Pop und Anti-Pop – Wie das Internet uns lehrte zu kämpfen. Und wofür. (65 Minuten)

„Krones“ Informant, Bronzen aus Benin, Bundeswehr vs. re:publica

1. Wie die „Krone“ den „Falter“ verschwinden ließ
(kobuk.at, Hans Kirchmeyr)
Der österreichische „Falter“ hat jüngst eine Geschichte veröffentlicht, die für weltweites Aufsehen sorgte: In einem dem „Falter“ zugespielten und auf YouTube veröffentlichten Video konnte man sehen, wie österreichische UNO-Soldaten auf den Golan-Höhen ein Massaker zuließen. Die „Krone“ berichtete ebenfalls über den Fall und verwies dabei zunächst auch auf ihre Quelle, den „Falter“. Am nächsten Morgen waren jedoch alle Spuren verwischt: Nun war es ein geheimnisvoller „Informant“, der das Material angeblich der „Krone“ zugespielt hatte.

2. Freiheit für Kultur- und Medienschaffende
(reporter-ohne-grenzen.de)
Zum Internationalen Tag der Pressefreiheit am 3. Mai haben der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, das PEN-Zentrum Deutschland und Reporter ohne Grenzen einen gemeinsamen Appell veröffentlicht, in dem sie Freiheit für eingesperrte Kultur- und Medienschaffende fordern.

3. Das Benin-Bronzen-Projekt
(message-online.com, John Eromosele & Lutz Mükke)
Die beiden Macher des „Benin-Bronzen-Projekts“ berichten darüber, wie sie bei ihrer Recherche über afrikanische Beute-Kunst vorgegangen sind. Die Recherche erwies sich als ein in vielerlei Hinsicht schwieriges Unterfangen: „Recherchejournalismus ist oft aufwändig. Je heikler eine Story ist, desto länger braucht es, wichtige Quellen davon zu überzeugen, ein Interview zu geben. Die Annahme, dass das bei der Benin-Bronzen-Recherche anders sein würde, weil sie zum Großteil im liberal aufgeklärten Kultur- und Museumsmilieu spielt, erwies sich rasch als grobe Fehleinschätzung.“

4. Jetzt mit krassen Details!!!
(taz.de, Dinah Riese)
Die „taz“ kritisiert den Umgang verschiedener Medien mit dem angeblichen Suizid des DJs Avicii. Die Berichterstattung sei nicht nur pietätlos, sondern auch gefährlich gewesen. Darunter dann einen Hinweis auf Hilfsangebote zu setzen, könne man nur zynisch nennen.
Weiterer Lesetipp: Auch wir vom BILDblog haben über den Fall berichtet: Gefährliche Berichte zum Tod von Avicii

5. Cambridge Analytica macht dicht
(tagesschau.de)
Die berühmt-berüchtigte britische Analysefirma Cambridge Analytica stellt den Betrieb ein. Das Geschäftsmodell sei nicht länger „rentabel“. Das Unternehmen habe daher einen Antrag auf Insolvenz gestellt.

6. Jetzt will Mark uns verkuppeln
(zeit.de, Christoph Drösser)
Auf der Entwicklerkonferenz F8 kündigte Mark Zuckerberg eine neue Facebook-Dating-Funktion an, mit der das Netzwerk nun auch zur Partnerbörse wird. Die Börse reagierte prompt: Der Kurs von „Match Group“, Betreiber von Match.com, Tinder und OkCupid, verlor 22 Prozent.

Sondertrack re:publica 2018: Empfehlungen für Besucher und Daheimgebliebene

1. Live von der Republica in Berlin | Von Hass und Hetze sowie Datenschutz und Medienwandel
(deutschlandfunk.de, Christoph Sterz)
Der „Deutschlandfunk“ hat seine Live-Sendung vom ersten re:publica-Tag online gestellt. Mit dabei ein Interview mit Dunja Hayali, ein Gespräch mit Stefan Brink, dem Datenschutz-Beauftragten von Baden-Württemberg, und ein Interview mit der Intendantin des RBB, Patricia Schlesinger.

2. Vom Ungehorsam des freien Menschen
(faz.net, Elena Witzeck)
Elena Witzeck berichtet in der „FAZ“ über den vielbeachteten Auftritt der Whistleblowerin Chelsea Manning.

3. Leute in Uniform wollen sie nicht hier haben
(welt.de, Christian Meier)
Christian Meier berichtet vom ersten Konferenztag und erwähnt dabei auch den Zwist zwischen den Veranstaltern und der Bundeswehr: Die Bundeswehr wollte mit einem Stand auf der re:publica vertreten sein. Die Veranstalter hatten dies mit der Bedingung verknüpft, dass die Soldaten un-uniformiert auftreten. Dies war für die Bundeswehr nicht hinnehmbar. Als Zeichen des Protests und in einer Form von Guerillamarketing stellte man einen Werbe-Truck vor den Eingangsbereich des Festivals. Was wiederum die re:publica-Veranstalter und einige Besucher verärgerte.
„Meedia“-Chefredakteur Stefan Winterbauer bezeichnet das Vorgehen der re:publica-Macher als PR-Eigentor: „Dass die Veranstalter eine solche Angst vor Uniformen und Unterwanderung durch die Bundeswehr haben und gleichzeitig betonen, wie weltoffen und Out-of-the-Box-denkend sie doch sind, das passt natürlich so ganz und gar nicht zusammen.“

Der Experte für Verteidigungs- und Sicherheitspolitik Thomas Wiegold hat auf „Augen geradeaus!“ einen anderen Blick auf den Vorgang: „Wenn ein privater Veranstalter diesen demonstrativen Auftritt der staatlichen Gewalt nicht will, kann man das beklagen, aber ihn nicht in den Senkel stellen.“
Und „Indiskretion Ehrensache“-Blogger Thomas Knüwer schreibt, „wie die Bundeswehr auf der re:publica meinen Respekt verlor“: „Ihr Auftreten vor dem Tor des Konferenzgeländes war unsensibel und übergriffig. Und deshalb traue ich der Bundeswehr nicht mehr zu, in einem fremden Kulturraum sensibel [zu] agieren, wenn ihr das nicht mal in der Heimat gelingt.“

Freigestellte Gegenwehr, Rechte Schläger, TripAdvisor-Selbstversuch

1. Freigestellter WDR-Mitarbeiter wehrt sich gegen Vorwürfe
(sueddeutsche.de, Hans Hoff)
Im Fall um die angeblichen sexuellen Belästigungen beim WDR geht nun der freigestellte Mitarbeiter Gebhard Henke mit seinem Namen an die Öffentlichkeit. Henke, der beim WDR den Programmbereich Fernsehfilm, Kino und Serie verantwortet, gibt an, sich nie in dieser Weise verhalten zu haben, und fordert den Sender auf, die Vorwürfe zu konkretisieren oder seine Freistellung zurückzuziehen.
Weiterer Lesetipp: WDR stellt weiteren Mitarbeiter frei (sueddeutsche.de)

2. Ein Anwalt für den Leser
(deutschlandfunk.de, Vera Linß)
Bisher agieren die wenigen Ombudsmänner verschiedener Medien weitgehend allein und isoliert, doch nun soll ein Verein die Einzelkämpfer miteinander vernetzen.

3. Fotografen im Eichsfeld von rechten Schlägern angegriffen
(mdr.de)
Als Fotografen das Haus des Thüringer NPD-Chefs Thorsten Heise ablichteten, wurden sie von zwei maskierten Männern der rechtsextremen Szene vertrieben und verfolgt. Dabei sollen die Verfolger den Wagen der Fotografierenden demoliert, die Männer verletzt und die Kamera entwendet haben. Bei den Angreifern soll es sich nach Angaben der Thüringer Bundestagsabgeordneten Martina Renner (Linke) um einen NPD-Funktionär im niedersächsischen Landesvorstand und den Vertreter eines mittlerweile aufgelösten Holocaustleugner-Netzwerks handeln. Nun ermittelt der Staatsschutz.

4. Sind Computerspiele wirklich Sport?
(digitalpresent.tagesspiegel.de, Oliver Voss)
E-Sport hat in den vergangenen Jahren einen wahren Boom erlebt und Berlin scheint immer mehr die Hauptstadt der Gamer zu werden. Anlässlich der „Games Week Berlin“ wurde darüber diskutiert, ob E-Sport wirklich Sport ist. Die Groko-Parteien zeigen sich aufgeschlossen und haben in den Koalitionsvertrag geschrieben: „Wir werden E-Sport künftig vollständig als eigene Sportart mit Vereins- und Verbandsrecht anerkennen.“ Die großen Sportverbände wie der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) sind momentan jedoch wenig überzeugt.

5. „Newstrends: Roboterjournalismus in Nachrichtenredaktionen. Wie News-Bots die Nachrichtenproduktion verändern.“ (Stand: Mai 2018)
(stefre.de, Stefan Frerichs)
Wie wirkt sich Roboterjournalismus auf die Arbeit in Nachrichtenredaktionen aus? Entlasten News-Bots die Redaktionen von Routineaufgaben oder verschärfen sie Arbeitsverdichtung und Personalabbau? Diesen Fragen geht Stefan Frerichs in seinem Aufsatz nach. Sein Resümee: „Journalisten sollten nicht versuchen, Nachrichten-Bots zu besiegen, sondern lernen, mit ihnen zu arbeiten.“

6. Paris von oben bis unten
(sz-magazin.sueddeutsche.de, Dirk Gieselmann)
Auf der Reiseplattform TripAdvisor kann man erfahren, wohin man in einer Stadt unbedingt gehen und wovon man die Finger lassen sollte. Das „SZ-Magazin“ hat den Autor Dirk Gieselmann nebst Fotograf Muir Vidler nach Paris geschickt, die dort in einer vielgelobten Luxusherberge und einer gruseligen Billig-Absteige eingecheckt haben, vor der die TripAdvisor-Gemeinde ausdrücklich gewarnt hatte.

Sondertrack re:publica 2018: Empfehlungen für Besucher und Daheimgebliebene

1. rp18, #1: Der Unterschied zwischen CSU und Netzgemeinde (ist manchmal ziemlich klein)
(blog-cj.de, Christian Jakubetz)
Christian Jakubetz freut sich wie jedes Jahr auf die re:publica, ist sich jedoch bewusst, dass dieses von den Beteiligten als Highlight des Jahres wahrgenommene Event gleichzeitig eine Nischen-Veranstaltung ist: „Weil ich selbst außerhalb der üblichen Filterblasen-Städte lebe und inzwischen zunehmend Wert darauf lege, der Blase und den üblichen Verdächtigen zu entkommen, mache ich gerne immer wieder mal das Spiel und erzähle dort beiläufig, beispielsweise auf der rp18 zu sein. Oder dort dem Lobo und all den anderen zuzuhören, die dort inzwischen jährlichen Auftritte zelebrieren, manchmal übrigens schon ein bisschen arg routiniert. Jedenfalls fällt mir dann immer auf, dass mich die meisten ganz groß anschauen: re:publica, Lobo? Nie gehört. So ist das, wenn man die eigene Blase mal verlässt.“

2. Vielfältiger Journalismus auf der re:publica 2018 #reddi
(watch-salon.blogspot.de, Mareice Kaiser)
Mareice Kaiser vom Journalistinnenbund hat eine Auswahl von Sessions, Workshops und Talks zu vielfältigem Journalismus und Frauen in den Medien zusammengestellt.

3. Deutschlandradio sendet live von der re:publica
(radioszene.de, Christopher Deppe)
Wer es dieses Jahr nicht auf die re:publica schafft, braucht sich nicht zu grämen: Viele Vorträge werden gestreamt oder landen bei YouTube. Und auch „Deutschlandfunk“, „Deutschlandfunk Kultur“ und „Deutschlandfunk Nova“ sind live mit dabei.

Gefährliche Berichte zum Tod von Avicii

Sie wissen es. Sie wissen ganz genau, was ihre Artikel anrichten können. Sie wissen, wie katastrophal die Folgen sein können, wenn sie detailliert über Suizide berichten. Und trotzdem machen sie es.

Anmerkung der Redaktion: Wir haben uns in diesem Fall entschieden, über das Thema Suizid zu berichten. Leider kann es passieren, dass depressiv veranlagte Menschen sich nach Berichten dieser Art in der Ansicht bestärkt sehen, dass das Leben wenig Sinn habe.

… schreibt Bunte.de.

Anmerkung der Redaktion: Wir haben uns entschieden, in der Regel nicht über Selbsttötungen zu berichten, außer sie erfahren durch die Umstände besondere Aufmerksamkeit. Der Grund ist die hohe Nachahmerquote.

… schreibt die Onlineredaktion der „Berliner Zeitung“.

BILD berichtet in der Regel nicht über Selbsttötungen, um keinen Anreiz für Nachahmung zu geben – außer, Suizide erfahren durch die Umstände besondere Aufmerksamkeit.

… schreibt Bild.de.

Also eigentlich wollen sie ja gar nicht berichten, die Leute bei Bunte.de, bei der „Berliner Zeitung“, bei Bild.de und bei all den anderen Portalen, die aktuell über den angeblichen Suizid des schwedischen DJs Avicii berichten: Express.de, inFranken.de, Kurier.at, Rollingstone.de, Heute.at, Musikexpress.de, oe24.at. Aber, hey: die „besondere Aufmerksamkeit“! Es ist Avicii! Da kann man ja gar nicht anders. Und dann machen sie es eben doch: berichten, obwohl sie den „Werther-Effekt“ kennen, der beschreibt, dass eine ausführliche Berichterstattung über einen Suizid zu Nachahmungen führen kann; obwohl sie wissen, dass die Nennung der Suizidmethode Leserinnen und Leser in Gefahr bringen kann; obwohl sie die wichtigen Ratschläge der „Stiftung Deutsche Depressionshilfe“ (PDF) und der „Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention“ (PDF) kennen oder zumindest kennen könnten.

Die Redaktionen fügen seit ein paar Jahren einen Absatz in ihre Artikel ein, in denen die oben zitierten Sätze stehen und dazu noch die Telefonnummern der TelefonSeelsorge (0800 – 111 0 111 und 0800 – 111 0 222), an die sich Menschen mit Suizid-Gedanken wenden können. Das ist eigentlich sinnvoll, aber inzwischen auch nur noch eine Alibihandlung. Als wäre ein kurzer Hinweis auf die TelefonSeelsorge für die Redaktionen ein Freifahrtschein, der sie dazu berechtigt, alles zu schreiben: „Wir nennen hier in diesem Artikel mal all die Details, die Dich in Deinen Suizid-Gedanken bestärken könnten, und hier ist übrigens die Nummer, an die Du Dich wenden kannst, wenn wir Dich damit in Gefahr gebracht haben sollten.“

Im aktuellen Fall schreiben sie wirklich alles, und das im größtmöglichen Format. Bild.de nennt die Suizidmethode in der Überschrift auf der Startseite (!):

Screenshot Bild.de - US-Klatschportal TMZ berichtet über Suizid - Avicii beendete seine Leben mit ...
(Unkenntlichmachung durch uns.)

„Focus Online“ nennt die Methode zwar nicht, schickt dafür aber gleich vier Tweets (dreimal von @focusonline selbst, einmal von @focuskultur und von @focusonline retweetet) an die knapp 520.000 Follower, damit’s auch ja niemand verpasst.

Und wiederum die „Bild“-Redaktion sendet eine Push-Meldung an alle App-Nutzer:

Screenshot einer Bild-Push-Meldung - TMZ berichtet über Suizid: So starb Star-DJ Avicii

Das ist dann nicht nur bedenklich in Hinsicht auf den „Werther-Effekt“, sondern auch ekeligster Clickbait mit dem Tod eines Menschen.

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Großbrand Cumhuriyet, Zentrum für Politisches Spektakel?, Abmahn-Fotos

1. „Die ‚Cumhuriyet‘ bekommen sie nicht“
(zeit.de, Can Dündar)
Der ehemalige Chefredakteur der türkischen Tageszeitung “Cumhuriyet“, Can Dündar, erzählt, wie er und der “Cumhuriyet“-Herausgeber Akın Atalay vor anderthalb Jahren vor der Entscheidung standen, in die Türkei zurückzukehren oder ins Exil zu gehen. „Wir diskutierten wie bei einem Großbrand, ob wir uns hineinstürzen und die Freunde und Kollegen retten oder besser von außen Wasser herbeischaffen sollten. Wir rangen um die Entscheidung zwischen Haft und Exil.“

2. Gesellschaft des Spektakels
(deutschlandfunk.de, Manuel Gogos, 49:40 Minuten)
Im Deutschland-Feature geht es um die teilweise als sehr aggressiv empfundenen und nicht immer unumstrittenen Politaktionen des „Zentrums für Politische Schönheit“ (ZPS). Der Autor beobachtet die Kampagnen-Arbeit – vom ersten Brainstorming über die Stoffentwicklung bis zur Logistik ihrer Großproduktionen. Und er stellt sich Fragen: Sind die Mitarbeiter und Komplizen des ZPS die Helden unsrer Tage, weil sie mit ihrer Kunst erzwingen, was die Politik nicht schafft? Heiligt der Zweck jedes Mittel? Oder ist alles nur Theater, bei dem Flüchtlinge und Parlamentarier unbewusst zum Teil einer Inszenierung werden?

3. Thank you for your music
(taz.de, Steffen Greiner)
Das kostenlose und in einer sechsstelligen Auflage erscheinende Popkultur- und Musikmagazin „Intro“ wird nach mehr als einem Vierteljahrhundert eingestellt. Die Digitalerlöse hätten nicht die dramatisch schrumpfenden Werbeerlöse in der Printausgabe ausgleichen können, wie Chefredakteur Daniel Koch in seinem Abschied erklärt.
Auf Facebook blickt der ehemalige „Intro“-Redakteur und „Deputy Editor in Chief“ Linus Volkmann noch einmal auf seine „Intro“-Zeit zurück: „Produktionsnächte bis morgens, nach Mitternacht nur noch die In-Crowd um sich, ein Gefühl von Gang, das sich ausbreitete, man war die Ramones mit Stiften.“

4. Heute mächtig, morgen schmächtig
(nzz.ch, Rainer Stadler)
Die diversen Datenschutz-Skandale scheinen Facebook nichts anhaben zu können: Das soziale Netzwerk ist mächtiger denn eh und konnte im ersten Quartal einen Umsatzanstieg von fast 50 Prozent verbuchen. Doch kein Digitalplayer ist unsterblich, wie Rainer Stadler in seiner Kolumne anhand von Beispielen ausführt: „Wer die Übermacht eines Akteurs fürchtet, braucht manchmal bloss Geduld. Das Problem erledigt sich von selber.“

5. AfD-Politiker und Rechtsanwalt Dubravko Mandic verurteilt
(badische-zeitung.de, Frank Zimmermann)
Der AfD-Politiker und Rechtsanwalt Dubravko Mandic veröffentlichte auf Facebook eine geschmacklose Fotomontage: Eine historische Aufnahme der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse, auf der die Köpfe angeklagter Nazigrößen durch die Konterfeis aktueller Politiker ersetzt wurden. Fünf von ihnen wehrten sich per Strafantrag und bekamen nun Recht: Mandic wurde wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen à 100 Euro verurteilt.

6. Wikipedia-Abmahnungen für Panoramabild ohne Urheberrechtsschutz
(steigerlegal.ch, Martin Steiger)
Bilder sind im schweizerischen Urheberrecht nur geschützt, wenn sie individuellen Charakter haben und eine gewisse Schöpfungshöhe aufweisen. Trifft dies nicht zu, kann der Fotograf keinen Schadensersatz verlangen, wenn ein Bild von ihm ohne Zustimmung verwendet wird. Dies musste ein Fotograf aus Deutschland lernen, der für die Verwendung seiner Wikipedia-Bilder kostenpflichtige Abmahnungen durch eine Schweizer Anwältin versenden ließ und vor Gericht unterlag. Wobei sich der Lerneffekt wohl in Grenzen hält, denn der Fotograf scheint nach dem Urteil weiterhin auf das Erlösmodell Abmahnung zu setzen.

„Bild“ macht mit „ABSCHIEBE-IRRSINN“ Stimmung

Um der eigenen Leserschaft den nächsten „Irrsinn“ … Pardon, „IRRSINN“ präsentieren zu können, stellen „Bild“ und Bild.de nun auch recht logische Vorgänge als komplett unverständlich dar. Heute wundert sich die Redaktion über einen „ABSCHIEBE-IRRSINN“:

Screenshot Bild.de - Abschiebe-Irrsinn - Afghanen schicken uns diesen Terroristen zurück
(Alle Unkenntlichmachung in diesem Beitrag durch uns.)

Vor rund acht Wochen haben afghanische und us-amerikanische Einsatzkräfte ein Taliban-Versteck im Süden Afghanistans gestürmt und dabei Thomas K. festgenommen. Was bei der „Bild“-Überschrift sicherlich nur aus Versehen nicht direkt klar wird: Der Mann ist Deutscher. Er soll Taliban-Kämpfer sein und wurde vor wenigen Tagen per Flugzeug nach Deutschland gebracht. Ein Deutscher, offenbar Terrorist, der von den afghanischen Behörden nach Deutschland zurückgeschickt wird — klingt erstmal ganz sinnig. Wohin sollte Afghanistan ihn sonst abschieben? Nach Uruguay? Nach Papua-Neuguinea?

Ständig fordert „Bild“ von den zuständigen Behörden, von der Bundesregierung, von allen, dass kriminelle Ausländer schneller und konsequenter aus Deutschland in ihre Heimatländer abgeschoben werden sollen. Nun schiebt Afghanistan einen kriminellen — aus afghanischer Sicht — Ausländer in sein Heimatland ab, und die „Bild“-Leute krähen „ABSCHIEBE-IRRSINN“:

Wenn Deutschland islamistische Gefährder oder Kriminelle abschieben will, dauert das oft Jahre oder geht gar nicht.

In die andere Richtung geht’s ganz schnell! Acht Wochen, nachdem der deutsche Taliban-Kämpfer Thomas K. (36) in Afghanistan gefasst wurde, landete er jetzt schon in Düsseldorf.

Dass Abschiebungen in die eine Richtung, aus Afghanistan nach Deutschland, eher funktionieren als in die andere, aus Deutschland nach Afghanistan, hat mitunter gute Gründe. Einer davon: In Deutschland gibt es einen funktionierenden Rechtsstaat, der garantiert, dass abgeschobene Personen nicht gefoltert werden, und die Sicherheit, dass sie nicht von Milizen umgebracht werden.

In der gedruckten „Bild“ gehört zum „ABSCHIEBE-IRRSINN“ noch ein zweiter Artikel:

Ausriss Bild-Zeitung - Abschiebe-Irrsinn - Afghanen schicken uns diesen Terroristen zurück - aber bin Ladens Leibwächter werden wir angeblich nicht los

„Bin Ladens Leibwächter“ ist ein 41-jähriger Tunesier, der als „Gefährder“ gilt und sich jeden Tag bei der Polizei melden muss. Er lebt seit 1997 in Deutschland, soll zwischenzeitlich im Ausland in einem Terror-Camp ausgebildet worden und in die Leibgarde von Al-Qaida-Chef Osama bin Laden aufgestiegen sein. Er wohnt mit seiner Familie in Bochum. Eine Abschiebung nach Tunesien verhindert ein Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen, das ein „sehr hohes Risiko“ sieht, dass dem Mann dort „Folter und unmenschliche Behandlung“ drohen. Das mag für „Bild“-Populisten gänzlich unverständlich sein, aber: Der Schutz des Rechtsstaats gilt auch für Menschen, die ihn in ihrer Ideologie ablehnen. Damit die Abschiebung nun doch noch klappt, präsentieren verschiedene Politiker in „Bild“ eine Idee: Tunesien solle Deutschland zusichern, dass der Tunesier nach seiner Rückkehr nicht gefoltert wird. Genial.

Über den Fall des Mannes berichten „Bild“ und Bild.de schon seit einigen Tagen durchgehend, auch weil er „1100 Euro Stütze“ im Monat kassiere, was nun auch etwas ungenau ist: Die Summe bekommt nicht nur er, sie bezieht sich auf staatliche Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz für ihn, seine Frau und vier Kinder. In den Kommentaren unter dem zugehörigen Facebook-Post der Redaktion äußert die „Bild“-Leserschaft ihre Tötungsfantasien („Erschießen und gut ist …..“, „Ein Magizin und Thema hat sich erledigt“).

Doch zurück zum „ABSCHIEBE-IRRSINN“ von heute. Schon klar, bei wem dieser Alarmismus gut ankommt:

Screenshot eines Tweets der AfD Bayern mit Link zum Bild.de-Artikel
Screenshot eines Tweets Seite AfD Support mit Link zum Bild.de-Artikel
Screenshot eines Posts der Facebook-Seite Widerstand Dresden mit Link zum Bild.de-Artikel
Screenshot eines Posts der Facebook-Seite Deutschland braucht die Wende mit Link zum Bild.de-Artikel

In den Kommentaren zum Facebook-Post der „Bild“-Redaktion kann man schön sehen, dass auch die Leserinnen und Leser es völlig abwegig finden, dass ein Deutscher nach Deutschland abgeschoben wird (oder dass sie nur die irreführende Überschrift und nicht den Artikel gelesen haben und daher gar nicht wissen, dass es sich um einen Deutschen handelt):

Warum lassen die USA,,die Tote zu Beklagen haben,,den Mann frei,,oder die Afghanische Armee,,da stimmt doch was nicht?? Er gab Informationen über die Taliban,, darum nach Deutschland,, Schutzhaft?? Fragen,,die nicht von Behörden beantwortet werden, und die Mütter haben Angst um Ihre Kinder,,

Das ist so was von lächerlich was hier abgeht.
Da fehlen mir echt die Worte.
Können wir nach einfach sagen … Nö den nehmen wir nicht zurück, der könnte ja kriminell sein. Die Länder von den Scheinsylanten machen es doch genau so.

Ach nee … wir sind ja hier in der Bananenrepublik Deutschland. Da kommt jeder rein selbst ohne Pass , aber keiner mehr ohne Pass raus.

LÄCHERLICH !!!!!!!!!!!!!!!

In zwei wochen hat er ein Deutsche pass.good old Germany.

Mit Dank an Christian S. und @MCalavera für die Hinweise!

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Wikipedias Sachsen-Sperre, „Bild“ vs. Gack, Bär „nicht ausgebootet“

1. Wikipedia sperrt 62.000 sächsische Rechner aus
(t-online.de, Lars Wienand)
An der freien Enzyklopädie Wikipedia kann prinzipiell jeder mitschreiben. Dies machen sich auch im politischen Umfeld arbeitende Menschen zunutze, indem sie für sie unvorteilhafte Passagen umschreiben oder einfach löschen. Ein Wikipedia-Administrator wusste sich in einem aktuellen Fall (Rassismus in Sachsen/Bewertung von Pegida) nicht anders zu helfen, als anonyme sächsische Landesbedienstete und Mitarbeiter des sächsischen Landtags vom Editieren der Wikipedia auszuschließen.

2. Wehe dem, der gegen den Strom schwimmt!
(nachdenkseiten.de, Jens Berger)
Die ZDF-Sendung „heute“ ging der Frage nach, ob in der syrischen Stadt Duma geächtete Chemiewaffen eingesetzt wurden und befragte dazu in einer Zwei-Minuten-Schalte ihren Korrespondent Uli Gack. Dieser berichtete über Augenzeugenaussagen aus einem Flüchtlingslager, nach denen es sich um eine Inszenierung der Islamisten gehandelt haben könne, wies aber ausdrücklich daraufhin, dass es sich um keine gesicherten Erkenntnisse handeln würde. Daraufhin ergoss sich der geballte Twitterhass der „Bild“-Autoren Björn Stritzel, Julian Röpcke sowie ihres Chefs Julian Reichelt über ihm.
Jens Berger hat den Vorgang unter Zuhilfenahme der jeweiligen Tweets aufgearbeitet und erklärt, was er an der Vorgehensweise der „Premium-Trolle“ besonders verwerflich findet.

3. „Cumhuriyet“-Journalisten verurteilt
(taz.de, Wolf Wittenfeld)
Im Prozess gegen Mitarbeiter der linksliberalen türkischen Tageszeitung „Cumhuriyet“ sind hohe Haftstrafen ergangen. Von den 17 Angeklagten wurden 14 wegen angeblicher Unterstützung von wahlweise gleich drei „Terrororganisationen“ zu Haftstrafen bis zu acht Jahren verurteilt, darunter der Herausgeber, der Chefredakteur und der bekannteste Reporter des Blatts.
Weiterer Lesetipp: Meşale Tolu darf die Türkei weiterhin nicht verlassen (sz.de)

4. Verhandlungen unterbrochen
(djv.de, Hendrik Zörner)
Der Deutsche Journalisten-Verband und der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger konnten sich bislang nicht über einen neuen Gehaltstarifvertrag für die rund 13.000 Zeitungsjournalisten einigen. Die Verleger hätten ein Angebot vorgelegt, das unter der Teuerungsrate liegen würde, was von Journalistenseite als nicht hinnehmbar abgelehnt wurde. Nun haben die Journalistenvertreter die Verhandlungen unterbrochen und wollen das weitere Vorgehen in ihren Gremien besprechen. Damit droht eine Fortsetzung bzw. Ausweitung der Streiks.
Weiterer Lesetipp: DJV-Chef Frank Überall: „In so einem Laden würde ich nicht arbeiten wollen“ (kress.de, Bülend Ürük) über die Reaktion der Condé-Nast-Deutschland-Geschäftsführung auf ein anonymes Schreiben an alle Mitarbeiter, einen Betriebsrat zu gründen.

5. Ein wirklich mysteriöser Todesfall
(faz.de, Nikolai Klimeniouk)
Der russische Investigativjournalist Maxim Borodin recherchierte, bevor er unter ungeklärten Umständen vom Balkon seiner Wohnung stürzte, über russische Söldner in Syrien. Die Behörden würden von Selbstmord oder Unfall reden, dabei jedoch so oft lügen, dass man selbst den plausibelsten Auskünften nicht trauen könne.

6. »Die Bundeskanzlerin hat mich nicht ausgebootet«
(zeit.de, Marc Brost, Video, 1:33 Minuten)
Seit kurzem ist Dorothee Bär (CSU) Staatsministerin für Digitalisierung. Doch nun wird bekannt, dass Bundeskanzlerin Merkel parallel ihre wichtigste Vertraute Eva Christiansen zur Digitalbeauftragten ernannt hat. Marc Brost von der „Zeit“ hat der Ministerin die alles entscheidende Frage gestellt, wie es zusammenpasst, dass man Digitalisierung erst in eine Hand geben wollte und es jetzt immer mehr Hände werden.

7. Exclusive Interview: President Trump on Fox & Friends
(youtube.com, Fox News)
Als Bonus fürs Wochenende noch eine letzte Empfehlung: Donald Trump hat bei seinem Lieblingssender „Fox News“ angerufen und „plaudert“ dort mit drei Moderatoren über Politik. Es ist eine Art dreißigminütiger Monolog, in dem er schreit und tobt und wütet, und für den ein Youtube-Kommentierer folgende Zusammenfassung gefunden hat: „When you talk policies with your crazy Uncle.“

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Reichelts Schmutz-Dossier über ein mögliches Vergewaltigungsopfer

Im ihrem sehr lesenswerten Text über „Bild“-Chef Julian Reichelt (hier für den Preis eines Kinder-Schokoriegels abrufbar) erzählen „Spiegel“-Redakteurin Isabell Hülsen und ihr Kollege Alexander Kühn von einem bemerkenswerten „Bild“-internen Vorgang:

Diekmann wohnt in Potsdam in einer Villa am Jungfernsee. Nach einer Klausurtagung in einem nahe gelegenen Hotel grillten die „Bild“-Leute bei ihm. Man trank und badete im See, Diekmann auch nackt. Am Ende dieser Nacht stand ein ungeheurer Vorwurf im Raum: Diekmann wurde von einer Mitarbeiterin beschuldigt, sie im See vergewaltigt zu haben.

Einige Wochen später zog Diekmann Reichelt ins Vertrauen, fast verzweifelt. Der war zwar beim Baden im See nicht dabei gewesen, aber auf der Party. Und Reichelt wusste offenbar, was zu tun war.

Reichelt fertigte ein Gedächtnisprotokoll über seine Erfahrungen mit der Kollegin an, das einer charakterlichen Vernichtung gleichkommt: Sie habe etwa während der Recherche über den Absturz einer Germanwings-Maschine damit geprahlt, einen Pilotenschein zu besitzen, um später davon wieder abzurücken. Er sei schon vorher zu dem Schluss gekommen, sie sei eine „unfassbare, gefährliche Hochstaplerin“.

Ein Mitarbeiter Reichelts schrieb auf dessen Bitte hin zusammen, welche Erfahrungen er bei der Zusammenarbeit mit der Kollegin im Haus gemacht habe. Ein weiterer „Bild“-Mitarbeiter erkundigte sich an ihrer Universität nach ihrer Dissertation. Die Recherche lief wie eine „Bild“-Kampagne im eigenen Haus.

Reichelt schickte Diekmann zudem ein Foto. Er hatte es in jener Nacht um kurz vor vier Uhr gemacht, im Hotel, wo die Belegschaft einquartiert war. Zu sehen ist darauf besagte Mitarbeiterin, die nach der Party mit Kollegen auf der Terrasse noch etwas trinkt, vermeintlich gut gelaunt.

Springer schaltete einen externen Anwalt ein, der Zeugen und Kollegen befragte. Das Prozedere gipfelte in einer absurden Szene, die wohl in keinem anderen Konzern vorstellbar wäre: Die Mitarbeiterin und Diekmann wurden, nacheinander, vor dem Vorstand und Verlegerin Friede Springer befragt. Döpfner persönlich stellte Fragen. Er kannte dabei augenscheinlich auch die Informationen aus Reichelts Niederschrift.

Erst danach gab der Konzern den Fall an die Staatsanwaltschaft ab.

Die Staatsanwaltschaft Potsdam hat das Verfahren gegen Diekmann bereits vor Monaten eingestellt, man habe keinen hinreichenden Tatverdacht ermitteln können.

Das Vorgehen von Julian Reichelt und seiner zwei Helfer — das Zusammenstellen einer Art Dossier, um die Reputation eines vermeintlichen oder tatsächlichen Opfers einer Vergewaltigung zu zerstören, noch bevor die zuständigen Strafverfolgungsbehörden ihre Arbeit aufnehmen — ist aber erschreckend: Was hat eine etwaige Lüge zu einem Pilotenschein mit einer möglichen Vergewaltigung zu tun? Was hat eine Dissertation mit einer möglichen Vergewaltigung zu tun? Können Frauen, die schon mal gelogen haben, nicht vergewaltigt werden? Reichelt und seine zwei Minions mögen von Beginn an davon überzeugt gewesen sein, dass die heftigen Vorwürfe gegen Kai Diekmann nicht haltbar sind. Falsche Vergewaltigungsvorwürfe können schreckliche Folgen haben und ganze Leben zerstören. Und natürlich gilt auch für Diekmann die Unschuldsvermutung. Aber gilt nicht genauso, dass man einen Vorwurf eines möglichen Vergewaltigungsopfers ernst nehmen sollte? Ist das Vorgehen von Julian Reichelt nicht das exakte Gegenteil? Und was ist das für ein merkwürdiges Verständnis einer ordentlichen Ermittlungsarbeit, wenn man noch vor Start dieser Ermittlung ein mögliches Opfer mit Schmutz überschüttet?

Was für einen (berechtigten) Skandal würde „Bild“ wohl daraus machen, wenn bei den aktuellen Belästigungs-Vorwürfen beim WDR rauskommen würde, dass beispielsweise WDR-Fernsehdirektor Jörg Schönenborn noch vor jeder Aufklärung erstmal Schmutz-Dossiers über die Frauen angefertigt hat, die sich beim Sender beschwert haben?

Das haben wir auch Julian Reichelt gefragt. Er hat darauf nicht geantwortet. Er hat auch nicht auf die Frage geantwortet, ob die vom „Spiegel“ geschilderten Vorgänge stimmen. Und auch nicht darauf, ob er es für einen angemessenen Vorgang hält, ein mögliches Opfer eines sexuellen Missbrauchs erstmal zu diskreditieren und erst dann den Fall aufklären zu lassen. Bei Kai Diekmann haben wir nachgefragt, ob Reichelts Dossier in seinem Auftrag erstellt wurde. Es kam keine Antwort. Auch nicht auf unsere Frage an Diekmann, ob das Ganze so abgelaufen ist, wie vom „Spiegel“ behauptet. Springer-Chef Mathias Döpfner haben wir all das auch gefragt und dazu noch, ob die von Julian Reichelt zusammengetragenen Informationen bei der Befragung durch ihn eine Rolle spielten. Verlagssprecherin Edda Fels antwortete, dass man zum „Spiegel“-Bericht keine Stellung nehme und der Fall mittlerweile für alle Beteiligten abgeschlossen sei. Springer habe den Vorwurf und die eigene Aufklärungspflicht sehr ernst genommen, ebenso die Fürsorgepflicht beiden Personen gegenüber. Die Betroffenen hätten absolut freiwillig an der internen Aufklärung mitgewirkt und seien von eigenen Anwälten beraten und begleitet worden. Es sei niemand diskreditiert worden.

Echo auf Echo-Tod, Verleger hinter (Absperr)Gittern, „Spiegel“ goes +

1. Neuanfang: Musikpreis Echo wird komplett abgeschafft
(dwdl.de, Alexander Krei)
Nach den Vorkommnissen der letzten Wochen hat die Musikindustrie die Notbremse gezogen und den umstrittenen Musikpreis „Echo“ komplett abgeschafft.
Bei „Spiegel Online“ hält Arno Frank das für „ausgezeichnet geheuchelt“: „Böse Buben wie Kollegah und Kollegen werden jetzt zwar keinen Preis mehr bekommen — doch die Musikindustrie macht weiterhin fetten Umsatz mit ihnen. Ihre Entscheidung ist billig.“
Im „Stern“ fordert Jens Maier den Vorstand des Bundesverbands der Musikindustrie zum Rücktritt auf: Der Echo ist abgeschafft, das Problem bleibt: diese fünf Herren. Und bei „Zeit Online“ warnt Jens Balzer, der selbst in der Echo-Jury saß: „Bislang spiegelte der Echo weitgehend ungefiltert die Schlechtheit der Welt und der dazugehörigen Musik. Wenn es ihn nicht mehr gibt, dürfen wir auch ohne seine Skandale die skandalöse Realität der aktuellen Popkultur nicht aus den Augen verlieren. Nicht nur Kollegah und Farid Bang werden uns ohne Zweifel erhalten bleiben.“

2. Verleger hinter Gittern
(kontextwochenzeitung.de, Josef-Otto Freudenreich)
Die sonst eher unbekannte “Eßlinger Zeitung“ feiert ihren 150. Geburtstag mit einer illustren Gästeschar: Springerchef Mathias Döpfner und Ministerpräsident Kretschmann sind dabei, aber auch jede Menge demonstrierende JournalistInnen vor der Haustür. Josef-Otto Freudenreich berichtet von einer Geburtstagsfeier, bei der die Gäste mit Sperrgittern geschützt werden und die Mitarbeiter draußen stehen und streiken.

3. Frankfurter Neue Unsicherheit
(journalist-magazin.de, Josephine Pabst)
Seit dem ersten April gehören „Frankfurter Rundschau“ und „Frankfurter Neue Presse“ zum Zeitungsimperium von Verleger Dirk Ippen. Und der setzt auf einen radikalen Sparkurs: Der Chefredakteur der „FNP“ musste gehen und viele Redakteure würden um ihren Job bangen.

4. Was uns das vorhersehbar gewesene Ende von Spiegel Daily über die deutsche Medienwelt sagt
(neunetz.com, Marcel Weiss)
Vor ein paar Tagen konnte man in einem Blogbeitrag des „Spiegel“ lesen, wie man sich dort die digitale Zukunft vorstellt und an welchen digitalen Erlösmodellen zur Zeit gebastelt wird. Dem vorausgegangen war das misslungene Experiment mit „Spiegel Daily“, das bis heute gerade mal 5.000 Abonnenten für sich gewinnen konnte. Marcel Weiss kommentiert: „Grundsätzlich steht der Spiegel mit der neuen Strategie sehr viel besser dar als mit dem, was man vor einem Jahr gemacht hat. Aber das ist nun wahrlich keine Messlatte, an der sich irgendjemand messen sollte.“
Weiterer Lesetipp: „Spiegel Daily“: Chronik eines angekündigten Todes (blog-cj.de, Christian Jakubetz)

5. Wie die „Krone“ für ihre Leser einen Flüchtlingssturm entfacht
(kobuk.at, Hans Kirchmeyr)
Die österreichische „Krone“ berichtet von einem Zwischenfall an der französisch-italienischen Grenze und lässt dabei wichtige Zusammenhänge außer Acht. „Erneut stürmen Migranten eine europäische Grenze“ heißt es dort in der Schlagzeile, und es wird alles getan, um die Stimmung anzuheizen. Wenn man so will, mit Erfolg: In den Kommentaren fordern die „Krone“-Leser: „alle abschießen“.

6. Perfekte Symbiose: Schönheits-Doc im Privat-TV
(ndr.de, Sebastian Asmus)
In vielen Casting- und Reality-Shows taucht das Thema Schönheits-OPs auf. Gelegentlich werden die Teilnehmerinnen sogar mit Filmkameras bis in den Operationsraum begleitet. Auffällig oft taucht dabei der Schönheitschirurg Dr. Mehmet Atila auf, der das Spiel mit den Medien perfektioniert hat und daraus einen Deal auf Gegenseitigkeit gemacht hat. Für die Ärztekammer ein „Grenzfall“.

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