Samar Yazbek: „Die gestohlene Revolution. Reise in mein zerstörtes Syrien“
Garance Le Caisne: „Codename Caesar. Im Herzen der syrischen Todesmaschinerie“
Was in Syrien passiert, ist Staatsterrorismus. Der Westen muss handeln, um Assad, Russland und Iran in Syrien endlich zu stoppen.
Es gab eine Zeit, da dachten wir: Alles wird besser. Mit dem Ende der Sowjetunion 1991 war der Kalte Krieg Geschichte. Die früheren Sowjetstaaten, auch Russland, befanden sich in Übergang zur Demokratie. In der Europäischen Union fielen die Grenzkontrollen. Die digitale Globalisierung forcierte den Wandel durch Handel und die Demokratisierung durch neue partizipative Möglichkeiten für lokale Bevölkerungen. Zum ersten Mal seit der postkolonialen Neuordnung des Nahen Ostens gerieten auch die arabischen Diktaturen ins Wanken.
Der Arabische Frühling erfasste von Tunesien aus Ägypten, Libyen und sogar Syrien. In Iran erhob sich eine „Grüne Revolution“, wenn sie auch scheiterte. Digitale Informationskanäle und neues zivilgesellschaftliche Bewusstsein schienen sich auch in ausgewiesenen Polizeistaaten wie Assads Syrien nicht mehr so leicht kontrollieren zu lassen. Im ganzen Land gingen 2011 aufgeklärte Syrer auf die Straße. Sie verlangten die Beendigung von Polizeigewalt, Folter, Willkür, Kleptokratie – und endlich demokratische Reformen. Der syrische Diktator ließ auf die Reformkräfte schießen. Doch die Revolution ließ sich nicht mehr aufhalten.
In den Schulen – zumindest Westdeutschlands – lernten wir nach 1945, dass man als Individuum den Gehorsam verweigern muss, wenn Befehlshaber zur aktiven Teilhabe an Menschenrechtsverbrechen zwingen wollen. Nach dem Nationalsozialismus mit all seinen willigen Vollstreckern sollte es keine duckmäuserischen Ausreden mehr geben. Es besteht die Pflicht zu Desertion und Tyrannenmord, so die Herrschaft staatsterroristisch agiert.
Das ist in Syrien der Fall. Assad versucht die oppositionelle Zivilbevölkerung seit 2011 physisch auszulöschen. Polizei und Armee schießen auf Unbewaffnete, lassen kleine Aktivisten, Professoren, Lehrer, Journalisten, Rechtsanwälte oder Feministinnen in geheimen Folterzentren verschwinden. Die Berichte aus diesen Mordkerkern erinnern an die Grausamkeiten der südamerikanischen Diktaturen in den 1970er Jahren. „Nunca más!“, „Niemals mehr!“, so der lautstarke internationale Protest damals.
Und heute? Nicht wenige versuchen, die Verbrechen Assads kleinzureden und die Aktionen des syrischen Widerstands mit den Gräueltaten des IS gleichzusetzen. Sie ignorieren dabei die Genese der syrischen Revolution. Assad liefen im Jahr 2011 zuallererst die Soldaten davon. Viele Militärs weigerten sich, auf unbewaffnete Demonstranten zu schießen. Aus der Befehlsverweigerung entstand die Freie Syrische Armee. Die Deserteure hatten keine andere Chance, als gegen das Regime zu kämpfen. Wer in Syrien desertiert, wird nicht einfach nur standrechtlich erschossen. Sadismus und Folter sind die Insignien von Assads Herrschaft.
Assads Strategie war es von Anfang an, den demokratischen Aufstand im Bürgerkrieg zu konfessionalisieren und somit zu delegitimieren. Er attackierte mit brutaler Rohheit die säkulare Massenerhebung, ließ die radikalen Islamisten hingegen zunächst gewähren. Diese konnten in die Gesellschaft einsickern und sich ausbreiten. Die Repression aus der Luft und zu Boden traf vor allen die säkulare Opposition. Die Konfessionalisierung war Assads Chance, sich international als Retter vor dem IS darzustellen. Und davon abzulenken, dass er und seine mörderische Herrschaft den Grund allen Übels in Syrien bilden.
Samar Yazbek: „Die gestohlene Revolution. Reise in mein zerstörtes Syrien“
Garance Le Caisne: „Codename Caesar. Im Herzen der syrischen Todesmaschinerie“
Im Westen hat dies verfangen und erklärt teilweise die zögerliche Haltung. Spätestens mit den IS-Anschlägen in Europa tendiert die Solidarität mit den um ihre Freiheit ringenden Syrern gegen null. Zwar gibt es zig Bücher, Dokumente, Filme und wissende Menschen im Exil, die vom Gegenteil sprechen, doch für viele der teilnahmslosen und ängstlichen westlichen Zuschauer sind die syrischen Widerstandskämpfer zuallererst Muslime und potenzielle Extremisten. Dabei werden die demokratischen Kräfte in Syrien in einen Zweifrontenkrieg zwischen harten Islamisten und Assad zerrieben.
Putins Luftwaffe verfolgt in Syrien eine eliminatorische Strategie, die sie schon in Grosny und Tschetschenien praktizierte. Dennoch umfassen die Protestkundgebungen vor den russischen Botschaften in Europa kaum mehr als jeweils 1.000 Demonstranten. Die von den Aufständischen gehaltenen Städte werden in einer Politik der verbrannten Erde nach und nach ethnisch gesäubert. Die Bodentruppen dafür stellen vom Iran gesteuerte extremistische Schiitenmilizen, darunter die libanesische Hisbollah. Während westliche Außenpolitiker das Atomabkommen mit Iran als „Entspannung“ preisen, strebt die Mullah-Diktatur den Durchstich an die libanesische Mittelmeerküste an.
Wir erleben in dieser Situation das politische Komplettversagen sämtlicher internationaler Gremien, von UNO, Weltsicherheitsrat, USA, Nato und Europäischer Union. Aber auch das Ende jeglicher Form eines humanistischen Internationalismus. Außer kleinen (heroischen) Organisationen wie Médecins Sans Frontières oder Adopt a Revolution dominiert massenhaft Ignoranz, was die massenmediale Betroffenheit angesichts der letzten Bildbotschaften des Widerstands aus Aleppo nicht wieder gutmachen kann.
Russland, Iran und Assads Truppen haben gezielt Schulen und Krankenhäuser angegriffen, die zivile Infrastruktur in den aufständischen Gebieten zerstört. Giftgas eingesetzt, die Zivilbevölkerung ausgehungert, Hilfskonvois ausgebombt, Gefangene und sogar Kinder massakriert. Inzwischen dauert das Morden länger und fordert mehr Opfer als der Spanische Bürgerkrieg in den 1930er Jahren, der die Herzen vieler Menschen bis heute berührt – und der schließlich den Auftakt zum Zweiten Weltkrieg bildete.
Die drängende Frage, die sich heute stellt, ist: Wie rational handeln Russland und Iran? Ist deren aggressive Machtpolitik Irrationalismus oder konsequentem Kalkül geschuldet? Ein Kalkül, das darauf setzt, dass der militärisch überlegene Westen an diesem Frontabschnitt schon nicht eingreifen und man von daher einen imperialen Erfolg davontragen werde. Würde man Letzteres annehmen, dann könnte eine ernsthafte militärische Drohung vonseiten des Westens die Aggressoren in Syrien mäßigen und weiteres Elend verhindern. Auch nach dem Fall Aleppos zählt jedes zu rettende Menschenleben. In Idlib und in den Kurdenprovinzen. Im Kampf gegen die Terrorbanden des IS darf die legitime syrische Opposition nicht länger geopfert werden.
Mit 88 wollte Mama nicht mehr leben – sie hörte auf zu essen und zu trinken. Nach 13 Tagen erlag sie einem Nierenversagen. Ist Sterbefasten Suizid? Das Gespräch mit der Buchautorin Christiane zur Nieden lesen Sie in der taz.am wochenende vom 17./18. Dezember. Außerdem: Wieso es unmöglich ist, die Erde perfekt auf einem Blatt Papier abzubilden. Und: Warum 2016 besser war als sein Ruf. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Heute, zum Jahreswechel 2016/2017, ist vom hoffnungsvollen Aufbruch nach Ende des Kalten Kriegs nicht mehr viel zu spüren. Die alte Blockkonfrontation ist einer neuen gewichen. Die Diktaturstaaten bekämpfen vehement jede Form der inneren Demokratisierung. Und im Westen reagieren die Bevölkerungen zunehmend mit Nationalismus und Abschottung. Die demokratische Umarmungsstrategie gegenüber Russland ist gescheitert. Die Europäische Union muss sich neu positionieren, wenn nicht neu erfinden. Um verbrecherische Regime wie das Assads in die Schranken zu weisen, bedarf es neben der politischen auch einer militärischen Komponente. Wer weiter zögert, Putins Russland oder Iran machtpolitisch Grenzen zu setzen, wird morgen noch entgrenztere Konflikte erleben.
Angesichts von Ideologen wie Jürgen Todenhöfer, die derzeit wieder auf Promotour für Assad sind, sei hier die syrische Autorin Samar Yazbek zitiert: „IS und Assad sind die beiden verschiedenen Seiten ein und derselben Medaille.“
Seit Anfang 2011 währt der Konflikt zwischen Assad und Oppositionellen in Syrien. Mit dem Auftauchen der IS-Milizen begann ein Krieg in der ganzen Region.
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Leserkommentare
Christoph D
Dieser Artikel fasst die syrische Katastrophe so gut zusammen, wie das auf einer Zeitungsseite nur irgend möglich ist. Ich verfolge das Geschehen seit 2011 sehr intensiv und komme analytisch und emotional zu den exakt gleichen Ergebnissen.
Was ich hingegen überhaupt nicht verstehe und mich verzweifeln lässt, ist dieser Pfuhl aus Inhumanität und Verblendung, der sich in den Kommentarspalten unter jedem Artikel ausbreitet, der wie dieser das Geschehen und die Verantwortlichen klar benennt.
Daher möchte ich Ihnen, Herr Fanizadeh, und der taz insgesamt (insbesondere Herrn Johnson und bis vor kurzem Frau Kappert) einfach mal einen riesengroßen Dank aussprechen für Ihre engagierte Berichterstattung zu Syrien und dem Arabischen Frühling insgesamt in den letzten Jahren.
Auch wenn es westlichen Antiimperialisten genauso wenig passt wie Diktatoren und Islamisten: Demokratie, Emanzipation und Menschenrechte gelten auch für die Menschen in der arabischen Welt und wenn sie, wie im arabischen Frühling, dafür kämpft, sollten wir sie darin unterstützen. Das syrische Desaster konnte so nur geschehen, weil es diese Unterstützung von Anfang an nicht gegeben hat.
Jakob_01
@Christoph D oder könnten Teile der pseudo-apologetischen Pro-Assad-Kommentare unter diesem und anderen vergleichbaren Artikeln, welche die Gemengelage und Verantwortlichkeiten im Syrienkrieg klar benennen, doch aus der Feder von russischen Trollfabriken stammen???
Jakob_01
@Christoph D Danke, Christoph.
Es ist wirklich schlimm, diese menschenverachtenden und vermeintlich antiimperialistischen Kommentare unter diesem Artikel zu lesen. Man fängt fast wirklich an zu glauben, dass eine Mehrzahl der vermeintlich aufgeklärten Menschen hierzulande so denkt. Denn es sind wohl tatsächlich keine russischen Trolle, sondern wirklich gewöhnliche Taz-Leser , die diese Pro-Assad-Kommentare verfasst haben und auch an ihren Inhalt glauben. Absolut erschreckend. Traurig. Weltfremd und zutiefst Menschenverachtend.
Thea
Über die Einseitigkeit der Berichte über den syrischen Bürgerkrieg ein Essay im britischen Independent: http://www.independe...s-a7479901.html
Zulu
Für die EU gibt es keine Zukunft in Syrien - die wird von Russland, China und den Syrern selbst geprägt.
Im Krieg verliert immer eine Partei und dass sind aktuell Terroristen und Ihre Unterstützer. Keine Hilfe für die - nicht einen Cent. [...]
Mit Verantwortung hat das NULL zu tun nur mit Dummheit.
Kommentar gekürzt. Bitte verzichten Sie auf Pauschalisierungen und Unterstellungen. Danke, die Redaktion
Jens Egle
Der Westen greift eh schon die ganze Zeit ein indem militante Gruppen gefördert werden, was den Krieg weiter eskaliert, verlängert und Blutzoll fordert.
Die Deutschen Wirtschaftsnachrichten erstellten aktuell eine "schwarze Liste der Schande des Westens" wie sie es nennen:
"In der folgenden Aufstellung beziehen wir uns fast ausschließlich auf westliche Quellen – womit klar wird, dass der Einsatz der Söldner in den internationalen Medien bekannt ist." https://deutsche-wir...de-des-westens/
Sozusagen die "humanistische Internationale"...
Stefan Mustermann
Wie könnte EU aktiver werden?
Z.B. in Syrien gibt es viele Helfer wie Ärzte aus dem Westen. So könnte man vor allem Krankenhäuser, Kindergärten und Schulen, wo sich diese Helfer befinden, militärisch (EU Soldaten) beschützen. Und das wäre keine Intervention/Invasion oder Annexion.
Sandor Krasna
"Die von den Aufständischen gehaltenen Städte werden in einer Politik der verbrannten Erde nach und nach ethnisch gesäubert."
Die Aufständischen bilden keine Ethnie, sondern setzten sich multinational zusammen.
Viele Aspekte fallen hier unter den Tisch: Eine lang anhaltene Dürre, über eine Million Flüchtlinge aus dem Irak zu beginn des Konflikts, Teuerung, Arbeitslosigkeit, Pogrome der Aufständischen gegen Alawiten, Orthodoxe Christen und Kurden etc., der Libanon, die Golan-Höhen, die Muslimbrüder, Pipeline-Pläne, Saudi-Arabien, die USA und Frankreich als alte Kolonialmacht, schließlich der ganze postkoloniale Diskurs. Einfach mal bei Wikipedia lesen.
https://de.wikipedia...krieg_in_Syrien
Außerdem ist die positiv hervorgehobene Organisation »Adopt a Revolution« Teil des Konflikts und keine neutrale Hilfsorganisation. Das sind Ärzte ohne Grenzen schon eher, das ist also so, als würde man die Soros-Stiftung mit dem roten Kreuz vergleichen oder meinetwegen Blauhelme mit der NATO. Das hinkt wie der unsägliche Vergleich mit dem Spanischen Bürgerkrieg. Und vor dem nächsten Russlandfeldzug einfach mal »Stalingrad« googeln.
Stefan Mustermann
Nicht nur russische Luftwaffe soll in Syrien aktiv sein. Es gab Nachrichten darüber, dass in Syrien an Seite von Assad die Bodentruppen von Kadyrow kämpfen. Und zwar noch vor offizieller militärischen Einmischung Russlands.
A. Müllermilch
"Der Arabische Frühling erfasste von Tunesien aus Ägypten, Libyen und sogar Syrien."
Die Begeisterung dafür hält sich in Grenzen. Perspektive für junge Leute in den arabischen Staaten ist die Migration nach Europa, egal wie.
An dieser Hoffnungslosigkeit würde auch ein Eingreifen des Westens nichts ändern. Wozu also?
Jörn Sund
Und wieder der tägliche Aufruf zum "Eingreifen" (natürlich mit "militärischer Komponente") auf den Seiten der TAZ.
Ich empfinde das als Kriegstreiberei.
Der unglaublich tragischen und komplizierten Situation in Syrien wird das nicht gerecht. Hört auf damit !
Virilio
@Jörn Sund ...'liebe' taz, zeigt doch mal Bilder aus dem Jemen ; )
Dort verhungern Kinder, aber auch Erwachsene. Deutschland liefert (auch hier) die Waffen. Wo bleibt der 'Aufschrei'?!
Virilio
@Jörn Sund ...so is' es. Langsam, aber sicher nervt diese Berichterstattung.
jhwh
Übrigens: Auch in unserem Nachbarland Frankreich mögen die Bürger solcher Kriegsrhetorik nicht folgen.
Bei einer Leserumfrage des (liberal-konservativen) "Figaro" sprachen sich 58% von fast 89.000 Teilnehmern dafür aus, daß Assad der Staatschef von Syrien bleibt. http://www.lefigaro....de-la-syrie.php
628 (Profil gelöscht)
Gast
@jhwh Die Meinung der Franzosen zu dieser Frage ist aber höchst irrelevant, ebenso wie die Meinung der Deutschen.
Wer Syrien regiert, das muss Sache der Syrer sein. Allerdings, wenn man die Situation in Syrien realistisch betrachtet: Den meisten dürfte es inzwischen in der Tat völlig egal sein, wer das Land regiert, solange man zeitnah in ein halbwegs normales Leben zurückkehren kann. Mir zumindest würde es nach Jahren des Grauens, des Tods und der Zerstörung so gehen.
Dementsprechend müsste das vorrangigste Ziel eine schnellstmögliche Beendigung des Krieges sein, ein stärkeres Eingreifen des Westens läuft diesem Ziel aber entgegen. Man kann sich im Westen noch so sehr eine starke demokratische Opposition mit breitem Rückhalt in der Bevölkerung herbeiwünschen, realistisch ist das nicht.
628 (Profil gelöscht)
Gast
@628 (Profil gelöscht) P.S.: Und für diejenigen demokratischen oder gemäßigten Kräfte, die bei einem Sieg Assads Verfolgung zu befürchten hätten, müsste man im Idealfall eine Lösung in der Form finden, dass sie im Zweifelsfall Asyl in Europa/den USA erhalten.
jhwh
@628 (Profil gelöscht) ... kein Dissens.
Waage69
@jhwh ebenso
markstein
"Debatte Eingreifen"
Der Westen soll also wieder eingreifen, dieses mal um Russland und dem Iran Grenzen zu setzen.
Nach dem Eingreifen im Irak und Libyen ist der Westen also wieder herausgefordert. Mit den dortigen Ergebnissen ist man aber auch nicht wirklich zufrieden. In Libyen nicht. Im Irak nicht. Im Westen?
Deutschland hat nach 1945 viel gelernt. Von den alten Nazis, die alle in Amt und Würden blieben. Deshalb hat man auch zu den grausamen lateinamerikanischen Diktaturen gute Kontakte gepflegt. Mit Allendes Chile jedoch nicht. Damalige lautstarke Proteste verhindern heute nicht die Allianzen wie die mit Saudi Arabien und die mit Syrien vor 2011. Das ach so geläuterte Deutschland hat die Dienste der syrischen Folterer doch gerne in Anspruch genommen.
Mit der Überheblichkeit und Doppelmoral, die aus dem Artikel trieft, werden die von westlichen Bomben zerfetzten Zivilisten auch Kollateralschaden genannt. Die der anderen logischerweise regelmäßig Kriegsverbrechen.
Zum Schluss noch eine Frage:
"Die demokratische Umarmungsstrategie gegenüber Russland ist gescheitert."
Wann hat die denn stattgefunden?
Chaosarah
Persönlich bin ich der Meinung dass ein schnelles Ende des Bürgerkriegs wichtiger ist als ein Sieg der Rebellen die Sie aus irgendwelchen Gründen als Vorreiter der Demokratie und Freiheit sehen. Vielleicht, und dieses vielleicht ist wichtig, waren die Aufstände zu Anfang Teil einer demokratischen Welle.
Heute sind es Freischärler, Mörder und Terroristen! Wenn ich in den Nachrichten den Abzug der Rebellen sehe und diese Menschen noch aus den Autos brüllen dass sie wiederkommen und die Regierungstruppen in Blut baden werden ist mir schon ganz klar warum da hart gehandelt wird.
Diese Leute kann man in kein friedliches Syrien mehr eingliedern, beide Seiten sind vollkommen radikalisiert.
Das ist schlicht vollkommen aus dem Ruder gelaufener Krieg. Dieser muss enden, die Frage nach der Demokratie ist vollkommen absurd in Zeiten in denen jedem Syrer das Essen wichtiger ist als ein Wahlergebnis.
Dass Russland eigene Interessen hat ist nicht neu, dass es diese auf dieselbe Art und Weise vorantreibt wie "große" Demokratien ebenso wenig.
Ihre Aufforderung Russland in die Schranken zu weisen ist doch die Aufforderung den Stellvertreterkrieg in Syrien weiter zu führen. Ihre Angst vorm neuen kalten Krieg scheint mir berechtigt nur hat man diesen eben gerade nicht gelöst indem man in Vietnam oder Afghanistan dagegen gehalten hat.
Stefan Wagner
@Chaosarah Das Kriege manchmal so aus dem Ruder laufen!
Ansonsten aber d'accord.
vergessene Liebe
Ooh Mann! .. mit dieser "Analyse" (wenn ich den Text von Andreas Fanizadeh so bezeichne..) .. ist einer Lösung des Syrienkonfliktes nicht beizukommen! A.F. beschwört die Geister des Krieges: Krieg des Westens gegen Russland und Iran. Das könnte in der Destruktion eines Dritten Weltkriegs enden, oder zumindest im religiös bedingten Zerfall säkulärer, humanistischer Aufklärungskultur ..
Angenommen: Falls Russland, Iran, Hizbollah sich zurückziehen, so würde das Syrien mit dem demokratisch (!) gewählten Präsidenten Assad verschwinden.. und es würde ein "Islamischer Staat Syrien" im Stile des IS entstehen, in der Gunst Saudiarabiens und Quatar´s etc... eben ein fürchterlicher, religiöser, antiquierter Terrorstaat! ..und der Mittlere Osten wäre arg zivilsatorisch destabilisiert! Das A.F. den Begriff des "Staatsterrorismus" bemüht, trägt m.E. nicht dazu bei, friedliche Konfliktlösungen zu entwickeln!
A.F. sollte besser an die `Metamächte´, die hinter dem IS und sonstigen radikalisierten Gruppierungen stehen, appellieren..
sich zurückzuziehen!
Jakob_01
@vergessene Liebe
Wann verstehen Sie überdies endlich, dass Assad und der Iran nicht an einer friedlichen Konfliktlösung interessiert sind? Insbesondere nicht, solange sie glauben, dass sie mit Hilfe des russischen Luftterrors und des iranisch geleiteten Bodenterrors in der Lage sind, militärisch zu siegen?! Dass die iranischen, irakischen und libanesischen Milizen davon abgesehen allesamt islamistische Extremisten sind, die größtenteils von der EU und den USA als Terrororganisationen gelistet sind und gegenüber der syrischen Zivilbevölkerung auch genau wie solche handeln. Dass sie willkürlich plündern, morden, brandschatzen und vergewaltigen, kann man vor dem Hintergrund ihrer segensreichen Aufopferung für die "Assad-Demokratie" ja einfach mal hinnehmen, stimmts?! Aber nur zu: Unterstützen sie doch weiter das zahnlose Appeasement von Steinmeier, der Linken, Obama und Co. Davon haben sich - wie uns die Geschichte lehrt - Diktatoren in aller Welt ja schon immer beeindrucken lassen und ihren Verbrechen schließlich abgeschworen. Und attestieren sie Herrn Assad und seinen Verbündeten doch nur ruhig weiter die Aura der „säkular humanistischen Aufklärungskultur“ und sehen sie weiterhin über die barbarischen Verbrechen von Assad, Putin und Iran an der syrischen Bevölkerung hinweg. [...]
Kommentar gekürzt. Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen. Danke, die Redaktion
Jakob_01
@vergessene Liebe Wie fast sämtliche Reaktionen hier auf Herrn F's vollkommen zutreffende Analyse ist auch die Ihre geradezu erschreckend und offenbart blanke Ignoranz und pure Menschenverachtung.
Sie fabulieren vom angeblich "demokratisch" gewählten Präsidenten Assad und dessen verdienstvollen Schutzmächten Putin-Russland, Mullah-Iran und Terror-Hizbullah. Allesamt haben diese von Ihnen als Schutzpatronen der syrischen "Assad-Demokratie" postulierten Granden zigtausende unschuldige Leben auf dem Gewissen. Getötet durch grausame Kriegsverbrechen. Durch Giftgas, Fass- Streu- und Phosphorbomben auf Wohnviertel, Schulen, Marktplätze und Krankenhäuser. In der absoluten Mehrzahl der Fälle noch dazu in Gegenden, wo islamistisch motivierte Rebellen entweder gar nicht zugegen oder in der Minderzahl sind. Aber nennen sie doch gleich wie im Kommentar von "Chaossarah" alle Rebellen "Freischärler, Mörder und Terroristen". Machen Sie sich nur ruhig den Sprachgebrauch von Assad und Putin zu Eigen. Das ist selbstentlarvend.
Sie verstehen ferner die Natur von Diktatoren, die um der Bewahrung ihrer Macht willen bereit sind, jegliche Grenzen von Menschlichkeit zu überschreiten, einfach nicht. Sobald diese Diktatoren nämlich merken, dass ihre Lug und Trug-Kampagnen auf einen Nährboden fallen und/oder sie militärische Erfolge haben, werden diese Diktatoren nur umso brutaler und menschenverachtender agieren.
Was den "demokratisch" gewählten "Präsidenten" Assad angeht: Sicher haben ihn auch die über 1000 Opfer seines Giftgasangriffs 2013 in Ghouta gewählt. Und die Millionen vor ihm und seinen Schergen ins Aus- und Inland geflüchteten Syrer. Und all die Menschen in den von Rebellen kontrollierten Gebieten, die tagtäglich durch Assad/Putin/Iran malträtiert. Ganz sicher sind und waren die 98%-99,9%igen Wahlergebnisse der Assads über die vergangenen Jahrzehnte stets die Ergebnisse "demokratischer Wahlen". Ohne Fälschung, Manipulation, Einschüchterung und Verfolgung...
In welcher Welt leben Sie eigentlich???
Nico S.
Mit keinem Wort wird der Einfluss der Al-Nusra Front unter den Rebellen erwähnt. Dieser Ableger von Al-Qaida stellt derzeit den kampfkräftigsten Teil des Widerstands gegen Assad dar und von dem ursprünglichen Gedanken der Revolution ist nicht mehr viel übrig. Und wieso entzieht man den Rebellen jegliche Verantwortung für zivile Opfer in Aleppo, diese hätten viel früher ihre militärische Unterlegenheit anerkennen und sich ergeben können. Es gibt durchaus gute Argumente Assad als das kleinere Übel anzusehen auch wenn man die Verbrechen gegen die Bevölkerung verurteilt.
Krampe
Der Vergleich mit dem Spanischen Bürgerkrieg ist nicht schlecht. Auch dort haben viele Aktivisten mit idealistischen Zielen viel zu lange der Unterwanderung und Machtübernahme der Republik durch eine sowjetisch gelenkte kommunistische Partei zugesehen, bis fünf vor zwölf Anarchisten und Republikaner zwar die moralische Weste säubern, aber den Krieg nicht mehr gewinnen konnten.
Den Konfessionalismus hat Assad nicht erfunden, das ist eine reine Propagandalüge. Er ist vielmehr in Syrien eine Mischung aus einer postkolonialen kulturellen Abkehr vom Westen, einer Jahrzehnte andauernden Arbeitsmigration ins wahhabitische Saudi-Arabien (unser Partner im Jemen-Krieg!) und der Radikalisierung vieler Sunniten nach dem US-Einmarsch in den Irak.
Was zur Zeit der Genese des Aufstands in Syrien eine Revolution gegen ein diktatorisches Regime gewesen ist, hat sich seit sechs(!) Jahren längst zu einem Bürgerkrieg entwickelt, auch wenn das von den Oppositionellen in unserer Presse hartnäckig geleugnet wird. Dass nicht nur der IS, sondern auch andere oppositionelle Kräfte "Täter" und nicht nur "Opfer" sind muss gerade in der deutschen Presse noch durchsickern, damit brauchbare Lösungen auftauchen. Das steinmeiersche "es gibt keine militärische Lösung", das in vielen Zeitungen derzeit bekräftigt wird, ist dagegen bloßes Wunschdenken.
conny loggo
Man kann das alles aus sehr guten Gründen auch anders sehen als die TAZ
Zitat aus Schweiz ch:
"In einer Pressmitteilung der Vereinten Nationen heisst es, dass Russland und die syrische Armee über 100.000 Zivilisten, darunter 40.484 Kinder, geholfen haben das östliche Aleppo zu verlassen
Mehr 100.000 befreite Zivilisten konnten aus Ost-Aleppo fliehen und Russland habe 78 Tonnen humanitäre Hilfe für Binnenvertriebene zur Verfügung gestellt, heisst es in der Meldung der Vereinten Nationen. Es wurde auch berichtet, dass 2.215 Militante ihre Waffen niedergelegt haben. Mittlerweile hat die russische Armee die Minenräumung in über 31 Hektar städtischen Strukturen, sowie 18 Strassenkilometern abgeschlossen."
Jens Egle
"das Ende jeglicher Form eines humanistischen Internationalismus."
Wie war es einst mit Jugoslawien? Der "humanistische Internationalismus" wollte Demoktatie, Wohlstand und Freiheit bringen. Starke Worte. Heute bewerben sich Menschen aus Kosovo -einem EU-Beitrittskandidaten- in Deutschland um Asyl, aus Verzweiflung, vielfach der Lebensgrundlage entzogen. Vielfach macht "unter Tito war alles gut" die Runde. In den frühen 90ern war Tito nicht gehasst, aber geächtet...
Der "humanistische Internationalismus" wollte auch anderswo wirken: "Freiheit am Hindukusch verteidigen" (Struck, SPD). Heute bewerben sich Afghanen in Deutschland um Asyl, auch aus Verzweiflung, teils der Lebensgrundlage entzogen. Heute geht es nicht darum "Frauen aus Burkas zu befreien", sondern " was haben Sie für ein Problem mit Burkas?"
Es gab den Präsidenten, der persönlich mit "Gott" und von "Tempeln der Demokratie" sprach, die im Nahen Osten errichtet würden. Der "humanistische Internationalismus" - wenn auch teils vor den Kopf gestoßen- zog mit, wenn es um Demokratie geht...
Es folgte Libyen, Gaddafi weg, "we came, we saw, he died" (Clinton), Banden/Terroristenkriege da. "Arab Spring". Der " humanistische..."...
Heute bewerben sich aus all diesen Ländern Menschen teils aus Verzweiflung um Asyl, die Lebensgrundlage entzogen.
Jens Egle
@Jens Egle Der "humanistische Internationalismus" fordert heute eine "eine ernsthafte militärische Drohung"...
was real in einem großen Konflikt, Weltkrieg enden könnte. Alle Seiten waren in beiden Weltkriegen von sich überzeugt, das Richtige zu tun. Wie es ausging wissen wir.
10236 (Profil gelöscht)
Gast
Während der US-Primaries verbrachte ziemlich viel Zeit bei TYT-Network (3 Mio subscriber) und fand den Jimmy Dore toll, der einer der wenigen echten Progressiven beim Network ist. Wähler von Stein, glühender Anhänger von Sanders, links mit kritischem Blick auf "pseudolinks".
Hier sein kritischer Beitrag zu Syrien mit der kanadischen Journalistin Eva Bartlett: https://www.youtube....h?v=ddNl-ehRc58
Man kann's sehen wie man will. Als linkes Medium steht der taz jedenfalls nicht gut nur propagandaartiges Material zu veröffentlichen, ohne kritisch zu hinterfragen.
10236 (Profil gelöscht)
Gast
@10236 (Profil gelöscht) In der Reaktion auf die Presskonferenz von Eva Bartlett wird von Christoph Sydow (SPON) u.a. der Begriff "Assad-Versteherin" kreiert: http://www.spiegel.d...eo-1729007.html
Sydow? War da was? Aber klar, das ist der Typ uns (=Westen) eindeutig im militärischen NAchteil sieht und für verstärkte Ausgaben in diesem Bereich plädiert: http://www.spiegel.d...-a-1076547.html
HELMUT FALLSCHESSEL
Ich kenne mehrere Syrer, die - ebenso wie viele Nahost-Experten - das ganz anders sehen und Assad für das "kleinere Übel" halten. Tatsache ist, dass die "bewaffnete Opposition" heute weitgehend von Saudi-Arabien und Qatar finanziert wird und ganz überwiegend aus anti-demokatischen Dschihadisten besteht. Faktisch gibt es wieder ein Bündnis der USA mit den Saudis zur Unterstützung Al-Qaidas und anderer radikaler Islamisten! Wie dem auch sei: Nach einem neuen Weltkrieg - denn einen solchen würde ein militärischer Angriff auf russische Soldaten bedeuten - zu rufen ist jedenfalls absoluter Wahnsinn. Wie kann eine Zeitung wie die taz solchem kompletten Versagen von politischer Urteilskraft eine Bühne bieten? Wie kann es sein, dass Teile der deutschen Linken offenbar gar nichts aus der Geschichte gelernt haben und solchen Kriegstreibern auf den Leim gehen? Keinen Raum für Kriegspropaganda!
HELMUT FALLSCHESSEL
Ich kenne mehrere Syrer, die das ganz anders sehen und Assad für das "kleinere Übel" halten. Wie dem auch sei: Nach einem neuen Weltkrieg - denn einen solchen würde ein militärischer Angriff auf russische Soldaten bedeuten - zu rufen ist jedenfalls absoluter Wahnsinn. Wie kann eine Zeitung wie die taz solchem kompletten Versagen von politischer Urteilskraft eine Bühne bieten? Wie kann es sein, dass die deutsche Linke gar nichts aus der Geschichte gelernt hat und Kriegstreibern auf den Leim geht? Schändlich!
10236 (Profil gelöscht)
Gast
Da Sie hier Médecins Sans Frontières nennen, ansonsten aber in dem bei Syrien üblichen taz-Schwarz-Weiß-Schema bleiben, wollte ich Ihnen die Erklärung von MSF nahelegen
http://www.doctorswi...-trapped-aleppo
wo es u.a. heißt:
"It has also proven impossible to evacuate patients, resupply hospitals, and provide much needed aid to those who remain trapped. All parties concerned were and are responsible for this failure."