Krise in der Ukraine
Zehntausende gegen die Separatisten
Der reichste Ukrainer ruft zum Widerstand gegen Separatisten auf – und viele folgen ihm. Gleichzeitig warnt die UNO vor einem Massenexodus im Osten des Landes.
GENF/KIEW/MOSKAU afp/dpa | Schwindet der Rückhalt der prorussischen Kräfte im Osten der Ukraine? Der einflussreiche Milliardär Rinat Achmetow rief kurz vor der Präsidentenwahl zum friedlichen Widerstand gegen die Separatisten auf. Zehntausende seiner Mitarbeiter sowie Bürger folgten dem Appell, legten am Dienstag ihre Arbeit nieder und forderten ein Ende der seit Wochen andauernden Kämpfe.
In einer Videobotschaft hatte Achmetow zum Widerstan aufgerufen. „In den Städten herrschen Banditen und Marodeure. Die Menschen sind es leid, in Angst zu leben“, sagte der Oligarch. Separatistenführer in der Ostukraine hatten am Montag angekündigt, die Ergebnisse der Wahl am 25. Mai nicht anzuerkennen. Zugleich beschworen sie die Bevölkerung, endlich zu den Waffen zu greifen. „Ich hätte nie gedacht, dass sich in der ganzen Region nicht einmal 1000 Männer finden, die bereit sind, ihr Leben zu riskieren“, sagte der „Verteidigungsminister“ der selbst ernannten „Volksrepublik Donezk“, Igor Strelkow, in einem Video.
Darauf reagierte Achmetow, eine der einflussreichsten Persönlichkeiten im russisch geprägten Osten des Landes, mit seiner eigenen Videobotschaft. „Mit Maschinenpistolen durch die Städte des Donbass zu laufen – sollen so die Rechte der Donezker vor der Zentralregierung gewahrt werden? In den Städten marodieren und friedliche Bürger verschleppen – ist das ein Kampf für das Wohlergehen unserer Region?“, sagte Achmetow. „Nein! Das ist ein Kampf gegen die Einwohner unserer Region. Das ist ein Kampf gegen den Donbass. Das ist ein Völkermord am Donbass.“
Der aus Donezk stammende Unternehmer ist der reichste Mann des Landes und hat politisch großen Einfluss. Der Oligarch bemüht sich in dem Konflikt zwischen Separatisten im Osten und Südosten und der Regierung in Kiew um eine weitgehend ausgeglichene Haltung. Zum einen unterstützt er die Übergangsregierung und eine vereinte Ukraine, zugleich führte er auch Verhandlungen mit Anführern der Aufständischen in Donezk.
10.000 Menschen auf der Flucht
Die Unruhen in der Ukraine haben rund 10.000 Menschen in die Flucht getrieben. Vertreibungen hätten bereits vor dem Referendum Mitte März auf der Krim begonnen und „seither allmählich zugenommen“, erklärte das UN-Flüchtlingswerk UNHCR am Dienstag in Genf.
Bei den Flüchtlingen handele es sich mehrheitlich um Tataren, allerdings hätten die örtlichen Behörden zuletzt auch einen Anstieg unter ethnischen Ukrainern, Russen und ukrainisch-russischen Familien gemeldet, sagte UNHCR-Sprecher Adrian Edwards.
Es handele sich vor allem um Binnenflüchtlinge, die in den Westen oder ins Zentrum des Landes auswichen; Asylgesuche von Ukrainern im Ausland gebe es nach wie vor wenige. Hauptfluchtgründe seien „persönliche Bedrohung“ oder „Angst vor Unsicherheit und Verfolgung“, sagte Edwards.
Der führende UN-Menschenrechtsvertreter Ivan Simonovic warnte angesichts eines drohenden Zusammenbruchs der Grundversorgung vor einem Massenexodus aus den von prorussischen Separatisten kontrollierten Gebieten im Osten. Vor allem in der Region Donezk gehe inzwischen der Vorrat an lebenswichtigen Gütern wie etwa Insulin und anderen Arzneimitteln aus, sagte Simonovic.
China und Russland fordern Dialog
Unterdessen forderten China und Russland alle politischen Gruppen in der Ukraine zu Gesprächen auf. Kremlchef Wladimir Putin traf am Dienstag in Shanghai mit Staats- und Parteichef Xi Jinping zusammen. Sein China-Besuch gilt auch als Zeichen an den Westen, dass Moskau die Suche nach neuen Partnern verstärkt. In einer gemeinsamen Erklärung plädierten beide Staaten für eine Deeskalation in der Ukraine.
Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte Putin am Montagabend in einem Telefonat auf, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um die Präsidentenwahl in der Ukraine zu unterstützen und das Ergebnis anzuerkennen. Der Kreml hatte zuvor mitgeteilt, Putin habe den Abzug russischer Truppen aus dem Grenzgebiet zur Ukraine angeordnet. Die Einheiten hätten ihre geplanten Manöver abgeschlossen, teilte das Ministerium in Moskau am Dienstag der Agentur Interfax zufolge mit. Der Abzug erfolge in Etappen und per Zug, hieß es. Die Nato betonte, ihr lägen bisher keine Anzeichen für einen Rückzug vor. Der Westen wirft Russland vor, mit der Stationierung nahe der Grenze die Lage in der Ukraine zu destabilisieren.
Leserkommentare
Dana Kronika
Vermag womöglich, dem einen oder der anderen zu ein wenig mehr Licht in der ganzen Angelegenheit verhelfen: //bewegung.taz....e-ukraine-krise
Dana Kronika
@Dana Kronika …eh – hier der Link in hoffentlich richtig: http://bewegung.taz....e-ukraine-krise
Vladilsav Sankin
Dieser Warnstreik war eine aberwitzige Zwangsveranstalung! S. https://www.youtube....h?v=O__m_ESBzZg
Zehntausende?
Außerdem waren sie "für den Frieden". Will etwa die Kiewer-Regierung Frieden? Die Leute in der Ost-Ukraine sind doch nicht blind. Im Unterschied zu deutschen Journalisten
AhaEffekt
2005, als es noch Meinungsvielfalt gab, beleuchtete die Berliner Zeitung den Olgarchen Achmetov näher:
http://www.berliner-...0,10259070.html
Und hier noch ein kurzer Videobericht von der Massenveranstaltung Achmetovs in seinem Fussballstadion:
http://www.youtube.c...h?v=b3Z9tKQTiZA
Man sieht:
Das Volk liebt seinen Oligarchen
conny loggo
Gestern, 20.05.14, kam auf WDR ein Bericht direkt aus der Krim. Nichts von Panik bei den Krimtartaren, Keine Fluchtbewegungen bei den Ukrainischstämmigen alle scheinen relativ zufrieden. Ärzte und Krankenhäuser freuen sich auf Russland. Die Urlaubsindustrie freut sich auf Russland. Die Russischstämmigen freuen sich auf Russland. Überwiegend freut man sich über stabilere Zeiten. Einzig Angst ums Geld gibt es. Aber diese ist von den Kiewern geschürt. Die Banken, Ukrainische Banken, haben die Bargeldauszahlungen gestoppt. Die Russen springen ein für die Sparguthaben. Haben aber einen Wust an Bürokratie davorgesetzt. Aber man denke nur in Deutschland müßte so ein Vorgang verwaltet werden.
Und das Unbehagen der Krimtartaren resultiert aus den stalinistischen Zeiten der Deportation. Jedenfalls ist das bei jedem Interview zu hören. Stalin ist unter denen eine manische Vorstellung.
Aber Putin ist nicht Stalin!
ingrid werner
@conny loggo ne Putin ist nicht Stalin, aber Putin. Schlimm genug.
Der_Peter
Hm... auf Telepolis liest sich das alles ein wenig anders:
http://www.heise.de/...41/41821/1.html
h4364r
Ich gebe zu: ich habe den Begriff "Demokratie" bisher missverstanden.
Demokratie ist, wenn Steinmeiers bester Freund in Ukraine seine Arbeiter zum Demonstrieren schickt.
Demokratie ist, wenn das Volk anderer Meinung als Steinmeier ist http://www.heise.de/...41/41812/1.html dann muss es Steinmeier zuhören https://www.youtube....h?v=fjJrUzyDnto
Es wird Zeit, dass sich Steinmeier und die taz ein anderes Volk wählen :D
Guido F. Gebauer
Wie irrwitzig, ein milliardenschwerer Oligarch, der hemmungslos sein Land ausgebeutet hat und mit korrupten Strukturen zu seinem Reichtum kam, wird hier zum Demokratieengel. Dass dieser seine Arbeiter als eine Art Privatbesitz betrachtet und gleich zum Demonstrieren abkommandiert, wird in einem TAZ Artikel durchaus neutral bis positiv kommentiert. Wie weit sind wir eigentlich gekommen?
Michael Horbach
@Guido F. Gebauer ja, das frage ich mich auch. ringt meine geliebte taz um bürgerliche anerkennung?
antares56
Waren es vorhin nicht erst hunderte? Und wo ist der andere Artikel mit seinen Kommentaren geblieben? Wird hier jetzt auch schon zensiert?
Statler
Moderation
@antares56 Ich habe noch mal nachgefragt aber verstehe nicht, was ihr meinen könntet. Es werden manchmal Texte aktualisiert, besonders bei Tickermeldungen passiert das, z.B. wenn neue Informationen kommen oder ein Thema in einem neuen Ticker ausführlicher aufgeschrieben ist. Auch Titelzeilen können sich ändern. Zu diesem Artikel konnte ich das nicht erfahren, weil wir heute andere Kollegen arbeiten als gestern.
Wir achten aber immer darauf, dass keine Kommentare durch Updates verloren gehen. Wir würden also nicht einen Artikel löschen, der Kommentare enthält sondern ihn höchstens mit Informationen erweitern oder korrigieren.
Falls ihr weitere Fragen dazu habt schreibt uns gern an kommune@taz.de oder antwortet hier.
Der_Peter
@antares56 Das gab es schon öfters hier. Manchmal tauchen die Artikel nach ein, zwei Tagen wieder auf (wenn sie und ihre Kommentare nicht mehr aktuell sind), manchmal bleiben sie verschwunden. Aber danke für den Hinweis, ich dachte schon, ich würde mir das nur einbilden, oder wäre zu blöd, die Artikel zu finden.... :-/
conny loggo
Wenn da einer die Arbeit niederlegt fliegt er. Außer er erledigt damit das Geschäft des Paten.
Auch auf den Straßen sieht es so öde aus wie hier vor der Betriebseinfahrt. Das ist eher das Warten auf die Pause. Und im Stadion verlieren sich die Demonstranten in ein paar Reihen unter der Uhr.
Ich gehe schon davon aus dass die Ostukrainer nicht unbedingt nach Russland wollen aber die Nazis aus Kiew und deren Freunde wollen die auch nicht.
Die wollen ein anständiges Leben mit Zukunft und keiner wird es ihnen geben. Weder IWF noch Nato noch die USA noch Kiew.
Wenn erst die Sparprogramme der global Player laufen ist alles bisherige ein Osterspaziergang
In Spanien sind zigtausende aus dem ganzen Land gegen die Regierung nach Madrid gelaufen ohne Waffen.
In der Ukraine scheint es nicht wenige davon zu geben. Waffen meine ich
Der_Peter
Es ist schon seltsam, aber vielleicht kann mir das jemand erklären. Eines der (angeblichen?) Ziele des Maidan war es doch, die Macht der Oligarchen zu brechen. Hm, außer daß Janukowitsch aufgrund der Gefahr für Leib und Leben flüchten mußte, ist davon nichts geblieben, und die anderen Oligarchen machen munter weiter einen auf Zampano.
linksnormal
Warum eigentlich fliehen Tausende, nachdem doch jetzt dank Abspaltung der Krim und Besetzung der Ostukraine dort der russische Humanismus praktiziert wird?
Rainer Tölz
@linksnormal Vielleicht, weil die Übergangsregierung mit schwerem Militär gegen die Bevölkerung vorgeht?? Außerdem macht der Artikel doch deutlich, dass die flüchtenden Menschen verschiedene Ethnien haben..
linksnormal
@Rainer Tölz Offenbar hatte aber niemand einen Grund zu fliehen, bevor die Russen das Ruder übernommen haben.