Trainer-Entlassung beim VfL Wolfsburg

Hecking weg – und nun?

Der VfL Wolfsburg entlässt seinen Trainer Dieter Hecking. Aber wer soll ihm folgen? Die üblichen Verdächtigen kommen nicht infrage.

Mann in grüner Jacke schreit und hebt den Arm

Es hat sich ausgeschrien für Hecking, zumindest vorerst und in grüner Jacke Foto: dpa

WOLFSBURG taz | In der Nacht hatte der Vollmond über der VW-Arena geleuchtet. Und drunten auf Erden hatten die Wölfe geheult. Oder sollte man genauer sagen: Beim 0:1 gegen RB Leipzig zum Heulen gespielt? Das trifft es alles nicht so ganz, aber am Monagnachmittag war dann der Moment da, wo man nicht mehr einem nicht gegebenen Strafstoß hinterher analysierte, sondern die Gesamtentwicklung in Frage stellte.

Das bedeutet auch in Wolfsburg: Der Trainer muss weg. Man wolle „durch einen Wechsel auf der Cheftrainerposition dem Team neue Impulse zu geben“, sagte Clubchef Klaus Allofs. Interimsweise übernimmt bis auf weiteres Valérien Ismaël, der Coach des VfL-Regionalligateams. Am kommenden Wochenende spielt der VfL in Darmstadt.

Es ist das erste Mal in knapp 20 Jahren als Manager, dass Allofs einen Trainer entlässt. Allerdings handelt es sich hier nicht nur um einen verkorksten Saisonstart mit einem Sieg aus sieben Spielen. Der VfL Wolfsburg hat im Kalenderjahr aus 24 Partien 25 Punkte geholt. Hecking hatte das – aus seiner Sicht zu Recht – bestritten: Aber von der Tribüne aus betrachtet sah es nicht so aus, als stehe das Team unmittelbar davor, eine Aufholjagd starten zu können.

Es liegt nicht am Kampf, auch nicht daran, dass die Profis es an Willen fehlen lassen. Es fehlt am Hebel. Die einen wissen nicht, was sie tun sollen. Und die anderen wüssten es, aber kriegen es nicht hin.

Der Killerinstinkt fehlt

Nachdem Allofs Ende 2012 Geschäftsführer geworden war und Hecking aus Nürnberg geholt hatte, schien die ökonomisch privilegierte VW-Tochter VfL auf dem unaufhaltsamen Weg nach oben.

Der Antishowman Hecking führte den abstiegsbedrohten VfL über Platz 11 und Platz 5 zur Vizemeisterschaft und zum DFB-Pokalsieg 2015. Dabei entwickelte er einen dominanten Ballbesitzfußball, gemixt mit überfallartigem Konterspiel. Der Bruch kam mit dem Rekordverkauf des Ausnahmeangreifers Kevin De Bruyne. Es war einerseits ein Beleg, dass der VfL nicht nur viel Geld ausgeben kann, sondern auch erwirtschaften. Doch der als Ersatz von Schalke geholte Julian Draxler kann diesen Verlust nicht kompensieren. Die Nationalstürmer Schürrle und Kruse brachten den VfL nicht voran und Hecking sie nicht.

Dem VfL-Fußball fehlt seit längerem der Speed, das Überraschungsmoment, der Killerinstinkt. Aus Tempo-Ballbesitz wurde mühsame Ballverschleppung. Man hat durchaus Ordnung und auch ordentliche Phasen, aber ein überzeugendes Spiel gab es bisher nicht. Dann kommt halt noch eins zum anderen. Dem neuen Stoßstürmer Mario Gomez muss man schon mal eine Vorrunde Zeit geben. Und Fußballer mit Spezialqualitäten wie Rodriquez und Gustavo haben sich zumindest temporär zurückentwickelt.

Leipzig spielte wie ein Topteam

So kann das Spiel vom Sonntagabend möglicherweise eine historische Begegnung gewesen sein, in dem sich zwei Unternehmensclubs neuen Typs begegneten, die in unterschiedliche Richtungen unterwegs sind. Vor nicht mal anderthalb Jahren schien Wolfsburg den BVB als deutsche Nummer 2 abzuhängen. Und RB war in der 3. Liga. Nun scheint es zumindest für den Moment möglich, als würde die gerade mal sieben Jahre alte Red-Bull-Erfindung sich bereits in der ersten Ligasaison hinter den beiden deutschen Spitzenteams positionieren. RB spielte in Wolfsburg überhaupt nicht wie ein Aufsteiger, sondern wie ein Topteam, den ein Außenseiter zwar eine Stunde lang fordert, der dann aber seine Klasse durchsetzt.

Und der VfL Wolfsburg? Falls Ismaël nicht der neueste Fall eines reüssierenden Coaches aus der eigenen Schule ist, stellt sich die Frage, welchen Trainer man derzeit überhaupt kriegen könnte, der kurzfristig die Kurve kriegt, um mittelfristig mit Allofs die stockende Stil- und Identitätsentwicklung des Clubs im Land und der autokaufenden Welt weiterzubringen. Die üblichen Verdächtigen dürften nicht infrage kommen.

 

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