UN gibt zu:

In Syrien herrscht ein konfessioneller Bürgerkrieg

Von Chris Marsden
22. Dezember 2012

Eine unabhängige internationale Untersuchungskommission der Vereinten Nationen hat endlich bestätigt, dass in Syrien ein konfessioneller Bürgerkrieg tobt. Zu diesem Ergebnis kommt sie nach gründlichen Untersuchungen und Interviews in der Zeit vom 28. September bis zum 16. Dezember 2012.

Das Material beschreibt Massaker und offene Menschenrechtsverletzungen, die die syrische Bevölkerung gespalten haben in Unterstützer eines sunnitischen Aufstandes und die Sunniten und anderen Minderheiten, die sich auf die Seite des alawitischen Baath-Regimes gestellt haben. Sie fürchten, dass nach dessen Sturz eine noch brutalere sunnitische Regierung an die Macht käme, die Angehörige anderer Religionen unterdrücken würde.

Die Ermittlungen wurden von der ehemaligen Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofes, Carla del Ponte, geleitet. Mehr als 1200 Opfer und Flüchtlinge wurden befragt.

Dabei ist ein Bericht entstanden, der über die USA und andere westliche Staaten ein verheerendes Urteil fällt. Sie haben zusammen mit der Türkei, Saudi-Arabien und Katar einen sunnitischen Aufstand angezettelt und unterstützt, um Bashar al-Assad zu stürzen. Die Mehrheit dieser Aufständischen sind Anhänger der Moslembruderschaft, Salafisten und Gruppen, die Al Qaida ähneln. Viele davon sind Ausländer, die nach Syrien gebracht wurden, um dort einen Dschihad gegen eine vermeintlich ketzerische Regierung zu führen.

Der UN-Ausschuss unter Führung von Paulo Pinheiro aus Brasilien erklärt, der Konflikt habe sich von einem Kampf für politischen Wandel in einen „offen religiös motivierten Kampf verwandelt.“

„Zunehmende Spannungen haben zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen bewaffneten Gruppen von unterschiedlicher Religionszugehörigkeit geführt [...] Mehrere Minderheiten, vor allem die Alawiten und Christen, bilden bewaffnete Selbstverteidigungsorganisationen, um ihre Wohngebiete gegen Gegner der Regierung zu verteidigen.“

Viele Widerstandskämpfer „operieren in Eigenregie... oder gehören zu islamistischen Gruppen wie Jabhat al-Nusra“, aber koordinieren ihre Angriffe dennoch mit der Freien Syrischen Armee (FSA).

Sektiererische Spannungen bestehen zwischen Sunniten, Alawiten, Armeniern, Drusen, Palästinensern, Kurden und Turkmenen. „Ganze Gruppen riskieren, aus dem Land verjagt oder ermordet zu werden.“ Als Beispiel nennt der Bericht die fast 80.000 Christen, die in Homs gelebt haben. Seit Jabhar al-Nusra dort stark präsent ist, sind sie nach Damaskus oder Beirut geflohen.

Die Erkenntnisse des Berichts sind der Beweis, dass die Entscheidung des US-Außenministeriums vom 11. November, die Jabhat al-Nusra, oder al-Nusra-Front, als ausländische Terrororganisation einzustufen, nur ein Versuch der Schadensbegrenzung war. Der Aufstand ist tatsächlich von dieser und ähnlichen Gruppen dominiert,.

Pinheiro erklärte auf einer Pressekonferenz: „Wir glauben, in diesem Krieg ist kein militärischer Sieg möglich. Es ist eine große Illusion, zu glauben, dass man ihn beenden kann, wenn man der einen oder der anderen Seite Waffen liefert.“

Trotzdem werden Washington und seine Verbündeten die „Widerstandskämpfer“ weiter mit Waffen versorgen. Sie hoffen, dass Assads Sturz den Iran schwächen und die amerikanische Hegemonie über den Ölreichtum der Region stärken wird. Die Kriegsbefürworter haben bereits mehrfach erklärt, man könne nur mit einer entschlossenen Intervention nach Assads Sturz eine Demokratie schaffen und verhindern, dass Chemiewaffen Dschihad-Gruppen in die Hände fallen.

Am 17. Dezember meldete die israelische Zeitung Haaretz, dass mehrere Tage lang amerikanische Frachtflugzeuge mit militärischer Ausrüstung auf jordanischen Flughäfen gelandet seien, und dass die amerikanischen Militäreinheiten in der Region deutlich gestärkt wurden.

Amerikanische Diplomaten warfen der syrischen Regierung am Donnerstag vor, bei Maara im Norden von Aleppo nahe der türkischen Grenze Scud-Raketen auf Widerstandskämpfer abgefeuert zu haben. Syrien bezeichnete diese Behauptung als „unwahre Gerüchte.“ Die USA, Deutschland und die Niederlande haben Patriot-Raketenabwehrsysteme und hunderte von Soldaten an die türkische Grenze entsandt und suchen offensichtlich einen Vorwand, sie einzusetzen. Bereits am 12. Dezember unterstellten die USA dem syrischen Militär, sechs Scud-Raketen auf den Stützpunkt Scheich Suleiman abgefeuert zu haben, der von der FSA besetzt worden war.

Während in Jordanien und an der türkischen Grenze die amerikanischen Truppen aufmarschieren, wird die Propaganda den Aufstand weiterhin als Demokratiebewegung darstellen, die gegen ein Regime kämpfe, dem bereits mehrfach vorgeworfen wurde, unwahre Behauptungen über den Einfluss islamistischer Milizen zu verbreiten, während seine inoffiziellen Shabiha-Milizen religiös motivierte Verbrechen begehen.

In den Tagen vor der Veröffentlichung des UN-Berichtes waren die Schlagzeilen von Meldungen über ein weiteres Massaker dominiert, das von Regierungsanhängern begangen worden sein soll. Diesmal sollen im Dorf Agrab bei Hama Alawiten ermordet worden sein. Die ersten Berichte basierten ausschließlich auf Aussagen der Opposition und Videos, in denen die FSA Anwohner interviewte. Darin war von brutaler „Gewalt von Alawiten gegen Alawiten“ die Rede.

Von der New York Times bis zur BBC brachten alle Medien Einschätzungen von Aktivisten der Opposition, laut denen es bis zu 300 Tote gab, als regierungstreue Milizen, die von Rebellen angegriffen wurden, ein Gebäude in die Luft sprengten, in dem Zivilisten als Geiseln gefangen gehalten wurden. Danach soll es von Kampfflugzeugen bombardiert worden sein.

Der einzige Nachrichtensender, der Reporter nach Agrab schickte, war der britische Channel 4. Die Reporter fanden drei zentrale Zeugen, die unabhängig von einander allesamt „bis ins letzte Detail“ den gleichen Hergang schilderten: Assad-Gegner haben eine unbekannte Anzahl von Alawiten getötet. Ihre Schilderungen werden außerdem „durch mindestens ein Dutzend Gespräche mit anderen Alawiten gestützt, die aus Agrab geflohen sind“, schreibt Alex Thomsons.

Er beschreibt, wie Widerstandskämpfer Agrab am Sonntag, den 2. Dezember angriffen. Ein Zeuge erklärte: „Sie hatten lange Bärte. Man konnte schwer verstehen, was sie sagten. Sie waren nicht wie normale Syrer gekleidet.“

Sie kamen aus der Widerstandshochburg al-Houla. „Danach trieben [die FSA-Truppen] ungefähr 500 alawitische Zivilisten in ein großes, rotes, zweistöckiges Haus“ und hielten sie „bis in die frühen Morgenstunden des 11. Dezember gefangen. Neun Tage.“

„Die Rebellen wollten die Frauen und Kinder nach al-Houla bringen und als menschliche Schilde gegen Luftangriffe der Regierungstruppen benutzen. Sie dachten, sie würden die verbliebenen Männer töten.“

Am Montag wurde eine Delegation von Dorfbewohnern geschickt, um über die Freilassung der Geiseln zu verhandeln, aber nach vier Stunden brach eine Schießerei aus. Später wurden ungefähr 70 der Gefangenen in ein nahegelegenes Dorf gebracht, andere nach al-Houla.

Das Haus, das angeblich von Kampfflugzeugen zerstört worden sein soll, steht noch.

Thomsons erklärte, er könne nicht sagen, wie hoch die Zahl der Opfer war, oder ob es ein Massaker gegeben hat, merkt aber an: „Wenn die Regierung wirklich 250 Alawiten – Angehörige derselben Glaubensrichtung wie Präsident Assad – massakriert hätte, wäre YouTube voll von Videos der Rebellen, von den Leichen, von den Beerdigungen, von Aufnahmen von dem Massaker, daran besteht kein Zweifel. Aber auf YouTube gibt es kein einziges Video, das diese Darstellung stützt.“

Es gibt auf YouTube allerdings eine Reihe von Videos, in denen zu sehen ist, wie die syrische Opposition Mitglieder anderer Religionsgemeinschaften tötet. Unter anderem eines, in dem zwei angebliche Alawiten von syrischen Rebellen getötet werden, einer der Rebellen ist ein Kind.

Am gleichen Tag, an dem die UN-Kommission ihren Bericht veröffentlichte, stellte die FSA einen Videobericht ins Netz, in dem sie sich damit brüstete, zum ersten Mal einen Grenzübergang eingenommen zu haben, und zwar den Übergang zwischen der syrischen Stadt Rankous und der libanesischen Stadt Tfeil.

Die Kontrolle über diesen Grenzposten und seine Nutzung als wichtige Nachschubroute wird die FSA in Konflikt mit der Hisbollah bringen. Diese schiitische Gruppe im Libanon unterstützt das Assad-Regime. Der Libanon wird damit noch direkter in den Konflikt in Syrien hineingezogen.

Es kommt fast täglich zu Grenzverletzungen. Dabei kam es bereits zu Dutzenden von Todesopfern. Gleichzeitig kam es durch Zusammenstöße zwischen Assad-Gegnern- und Anhängern in Grenzgebieten schon zu hunderten von Toten. Die Spaltungen haben wieder eine religiöse Dimension erhalten. Dieses Muster, könnte sich im ganzen Nahen Osten wiederholen.

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