Conor J. O'Brien im Gebäude 9 |
Als Support durfte der Londoner Luke Sital-Singh vorab sein Können unter Beweis stellen. Nur mit einer Gitarre und einer wirklich vorzüglichen Stimme ausgestattet, zeigte der Brite zwar, dass er sein Handwerk beherrscht, aber je länger das Set dauerte, umso mehr wurde ersichtlich, dass die Songs doch ziemlich austauschbar und immer wieder nach dem gleichen Schema absolviert wurden. Böse Zungen hätten vielleicht sogar behauptet, ein bisschen nahe am Ponyhof gebaut der junge Mann.
The Villagers |
Während O'Brien das 2010er Debütalbum "Becoming A Jackal" noch so gut wie im Alleingang aufnahm, merkt man nun doch, dass aus den Villagers eine echte Band mit James Byrne am Schlagzeug, Tommy McLaughlin an der Gitarre, Danny Snow am Bass und Cormac Curran am Keyboard, geworden ist.
Der Schwerpunkt des Abends liegt natürlich auf dem neuen Album. Da "{Awayland}" deutlich mehr elektronische Einflüsse hat als das Debüt, darf auch der obligatorische Apple-Laptop auf der Bühne Präsenz zeigen. Aber der Apfel stört nicht, denn ob mit oder ohne elektronische Effekte, die Villagers machen poetischen Folkpop. Jede andere Behauptung würde in die Irre führen.
Los geht es mit "Grateful Song" und auch die nachfolgenden "Home", "Passing a Message", "Ritual" und "Set the Tigers free" nimmt das Publikum dankbar und ehrfürchtig entgegen. Erstes Highlight des Konzertes ist die neue Single "The Bell". Mit, für O'Brien Verhältnisse, kraftvollen Gitarrenanschlag beginnt das stark auf Rhytmik aufgebaute Lied. Elektronische Effekte flirren und surren. Instrumental sehr reduzierte Parts, wo nur der Rhythmus oder die Grundmelodie durch das E-Piano vorgegeben sind, wechseln sich mit orchestralen Parts, in denen O'Brien aufschreit. Die Hookline ist betörend und ich komme nicht umhin mitzusingen :-). Das kann man wohl Folk im Breitwandformat nennen!
Mit seiner naiven Melodie gefällt mir "The Pact (I'll Be Your Fever)" vom Debüt-Album auch noch beim 1000ten Mal hören. Der Refrain hat irgendwas von den Beach Boys und das perkussive karbische Intermezzo lässt sogar bei dieser Arschkälte Wärme aufkommen. Wie schön, dass die Band nun auf ein Repertoire aus zwei Alben zugreifen kann!
"Earthly Pleasure" ist deutlich bedrückender, flehentlicher und düsterer. O'Brien wechselt zwischen Sprech- und echtem Gesang und irritiert mit einer Stottereinlage. Man kann die unheilvolle Atmosphäre fast greifen und doch ist es mir ein irdisches Vergnügen. Danach passt natürlich vorzüglich "Judgement Call" - ebenfalls dramatisch und rätselhaft.
Der mit Abstand tieftraurigste Song der Villagers ist aber wohl das hymnenhaft "Nothing Arrived". Eigentlich zu dieser Jahreszeit das perfekte Lied, wo alle Welt den strengen Winter satt hat: "I waited for something / And something died / So I waited for nothing / And nothing arrived." Hat da eigentlich der Ire Samuel Beckett den Iren Conor J. O'Brien beeinflußt?
Nebenbei bemerkt: Der Sound im Gebäude 9 sitzt wirklich erstaunlich gut. Das neue Album verlangt diesbezüglich ja schon Einiges! Zuhause sollte man, um die vielen kleinen Feinheiten des Albums zu entdecken, sich unbedingt der Kopfhörer bedienen. Was man da alles hört! Esel, Maschinengewehr und und und ...
Nun lässt O'Brien wieder leisere Töne erklingen. "Rhythm Composer" fließt sanft, ist schwelgerisch in der Melodie und den Harmoniegesängen. Dann endlich die heimlichen Hits! Der Song "Becoming a Jackal" ist ein Meisterwerk, welches leider viel zu wenig Lorbeeren geerntet hat. Auf das beste Lied vom ersten Album folgt das beste Lied des zweiten Albums. "The Waves" lebt, noch mehr als der vorherige Song, von der dramatischen Steigerung in der Komposition und schwillt gegen Ende zu einer Art Kakophonie an - wenn live auch nicht ganz so ausufernd wie auf Platte, trotzdem eine großartige Live-Darbietung!
Danach hat es "Ship of Promises" nicht ganz leicht die Spannung zu halten. Zwar hat der Song auch ordentlich Dynamik, aber die Melodie gehört eher zu den schwächeren aus der Feder des Iren.
Nach kurzer Verabschiedung von der Bühne folgen die Villagers dem Aufruf zur Zugabe und O'Brien mit seiner Gitarre und Keyboarder Cormac Curran spielen alleine die ersten beiden des vier Songs umfassenden Zugabenblocks. Die Zugabe besteht ausschließlich aus leisen Tönen: "That Day", die Pianoballade "In A Newfound Land You Are Free" und dann endlich, von vielen sehnlichst erwartet, das akustische "My Lighthouse". Der Abend endet mit "On a Sunlit Stage" und ich bin sicher, beim nächsten Mal wird das Gebäude 9 nicht mehr ausreichen, um die stetig wachsende Jüngerschar O'Briens unterzubringen.