Die New Yorker Band fällt ja schon alleine durch den Seltenheits-Faktor einer US-Band mit arabischen Texten auf und auch die wiederholten, unerfreulichen Begegnungen des Sängers Nader Haram mit diversen in der Terrorabwehr involvierten Organisationen haben vereinzelt für Schlagzeilen gesorgt. Nee, klar. Wer auf arabisch singt kann ja nur ein ganz fieser Terrorist sein.
Jetzt ist nach einigen EPs der erste Langspieler der Band erschienen und es stellt sich heraus, dass man ihnen auch alleine aufgrund ihrer Musik seine Aufmerksamkeit widmen sollte. Die weiß mich nämlich problemlos zu überzeugen. Kräftiger aber roher Hardcorepunk, der zeitgemäß und oldschoolig zugleich klingt, der nicht nur endlos die tausendmal gehörten, ausgelutschten dreieinhalb Riffs aufwärmt und sich auch nicht an der allgemeinen Breakdown-Epidemie beteiligen will. Die Betonung liegt hier auf „Punk“ und in den Songs verbirgt sich tatsächlich ein gewisses Maß an dreckigem Rock’n’Roll. Ich fühle mich etwas an diverse Vertreter des unmittelbaren prä-Revolution Summer Dischord-Sounds der mittleren Achtziger erinnert. Aber ich bin jetzt auch nicht so der große Experte im Hardcorebereich, Genre-Kenner werden da sicher noch ganz andere Einflüsse raushören.
Auch auf ihrer vermutlich fünften EP setzt die Band aus dem kalifornischen Santa Rosa nochmal einen drauf. Das sind zwei durchweg runde, unnachgiebige Noisecore-Attacken auf höchstem Niveau.
Seit einigen Jahren stehen die Wireheads aus Brisbane jetzt schon für einen ausgesprochen kruden Sound, der klingt als würde er jeden Moment in sich zusammen fallen und der auf seine ganz unverwechselbare Art Elemente aus Garage Rock, Proto-, Post- und Art Punk vermengt. Es treffen Versatzstücke von Modern Lovers und Velvet Underground auf den Minimalismus und die quasi zur Religion erhobene Repetition von The Fall. Aber mit einem Frontmann, der eher suizidgefährdet als streitlustig klingt. Dabei gibt er eine eigenwillige Lyrik von sich, die sich mehr auf einer emotionalen als auf einer logischen Ebene erschließt. Als wiederkehrendes Motiv lässt sich diesmal eine seltsame Zahlenmystik erkennen. Kann was bedeuten, muss aber nicht.
Zugänglicher klingen sie auf ihrem neuen Album und definitiv einfacher an einem Stück zu hören als auf dem sehr guten, aber auch recht fragmentarisch und sediert wirkenden Vorgänger Arrive Alive aus dem letzten Jahr. Das meine ich keineswegs abwertend. Der schleppende, resignierte Vibe der letzten Platte war kein Unfall, sondern genau der springende Punkt, das zentrale emotionale Statement dieses Albums. Auf Lightning Ears sind hingegen nicht nur die rockenden Nummern zahlreicher und haben deutlich mehr Biss, auch viele der ruhigeren Momente gehören zu ihrem besten Songmaterial. Die Psychedelia von Is Frances Faye God? und das folkige The Overview Effect gehören zu den definitiven Highlights hier.
Flat Worms aus Los Angeles drangen mir erstmals vor anderthalb Jahren mit einer äußerst appetitanregenden EP auf Volar Records ins Bewusstsein. Jetzt hat die Band, die sich aus durchaus bekannten Musikern mit Verbindungen zu u.a. Wet Illustrated, Kevin Morby, Oh Sees, Ty Segall und Sic Alps zusammensetzt, ihren ersten Langspieler – naheliegender Weise auf Castle Face – veröffentlicht. Die Platte passt natürlich ganz hervorragend ins Portfolio des Labels mit ihrem ordentlich Wind erzeugenden, abgefuzzten Garagepunk, den sie gelegentlich mit einer Messerspitze Noise und dem hier eher subtilen, jedoch unvermeidlichen psychedelischen Unterton verfeinern.
Der dieses Jahr aus der Taufe gehobene Tape Club des New Yorker Labels Exploding In Sound hat mich vor kurzem ja schon mit dem großartigen Tape von Milked sehr beeindruckt. Auch die neueste Kassettenveröffentlichung der Bude weiß mir durchaus zu gefallen. Die kommt von von Big Heet aus Tallahassee, Florida und zu hören gibt’s recht verschwurbelten und vielseitigen Postcore, der neben vielen anderen Einflüssen öfter mal an so Bands wie Unwound, Jawbox oder Drive Like Jehu erinnert. Den Songstrukturen würde hier und da noch etwas Feinschliff und Entwirrung gut tun, aber es gibt auch haufenweise positive Überraschungen. Etwa wenn der Opener On A Wire mit sehr markanten Mission Of Burma-Harmonien aufwartet. Wenn in Mirror aus an 80er Sonic Youth erinnernden Dissonanzen plötzlich ein kurzes Gitarrensolo aufpoppt, das man so eher auf einem frühen Television-Demo erwartet hätte. Oder wenn sie, wie in Incomplete, in einen absolut tadellosen, melodischen Punkklopper ausbrechen, der bei aktuellen Genre-Größen wie Red Dons oder Radioactivity nicht fehl am Platz wäre. Die weitere Entwicklung der Band wird sicher spannend.
Das in Portland ansässige Label Drop Medium hat eine sehr nette Split-7″ rausgehauen mit zwei Garagepunk-Bands/Projekten aus Nashville. Datenight spielen davon eine etwas traditionellere Variente mit diesem gewissen 77er-Touch. Das Soloprojekt Spodee Boy hingegen kommt hier noch mal eine Spur unterirdischer in seinem LoFi-Sound rüber als auf der eh schon sehr knarzigen letzten EP. Klanglich ist das irgendwo in der Nähe von Neo Neos und Wonder Bread zu verorten, aber auch dem jüngeren Schaffen von Erik Nervous, der sich hier auch an einem Song beteiligt, ist das nicht ganz unähnlich.
Eine eiskalte Brise kommt in Form dieser Platte von irgendwo aus Frankreich zu uns rübergeweht, mit Klängen die gleichermaßen sinister und einlullend sind. Minimalistische Kraftwerk-Elektronik wird darauf zusammen mit einer kulturell unbedarften Vorstellung von was auch immer zum Henker ein Chanson sein könnte durch den Suicide-Fleischwolf gedreht; das alles vermengt sich letztendlich zu einem surrealen Albtraum in dem David Lynch und John Carpenter die Bontempi-Orgel bedienen. Gute Nacht, schlaft alle gut.
Dayshifters sind ein Trio aus Austin. Die schnell und dreckig produzierten Songs ihres Demos machen als erstes Lebenszeichen schon einen absolut vielversprechenden Eindruck, ich werde mit großer Spannung verfolgen, wohin sich das ganze noch entwickeln wird. Soundmäßig haben wir es hier mit Noise-infiziertem Postcore zu tun, der sich wohl die eine oder andere Scheibe bei Jawbox und Hot Snakes abgeschnitten hat, aber auch an Embrace kann man sich in einigen Momenten erinnert fühlen.
Schon wieder ist ein neuer Kurzspieler des umtriebigen Blind Shake-Seitenprojektes am Start. Anders als auf der letzten 7″ geht auf diesem Tape etwas weniger der Punk ab. Dafür tobt sich das wie gewohnt sehr klassige Songmaterial irgendwo im Umfeld von 60s Pop und Psychedelia aus, vereinzelt kommen auch ein paar Surf-Vibes zum tragen.