Kategorie-Archiv: Theorie und Diskussion

Antifa in der Krise? – Diskussionsbeitrag der Antifa Jugend Brandenburg

Quelle: Antifa Jugend Brandenburg

In den ver­gan­ge­nen Mona­ten lös­ten sich etli­che große Anti­fa­zu­sam­men­hänge auf und es konnte viel dar­über gele­sen wer­den, dass sich die anti­fa­schis­ti­sche Bewe­gung in der Krise befin­det. Nahezu aus­nahms­los wird diese Dis­kus­sion nur in grö­ße­ren Städ­ten geführt, wobei allen klar sein muss, dass gerade außer­halb von Groß­städ­ten die Situa­tion mit der in den Städ­ten nur schwer ver­gleich­bar ist und es für viele Dorf­an­ti­fas, zu denen wir uns auch zäh­len, ein Schlag ins Gesicht war.

Die Situa­tion in den Groß­städ­ten aus Sicht der Dorf­an­ti­fas

Für viele ist gerade Ber­lin oder auch Leip­zig ein gro­ßes Vor­bild, sobald es neo­na­zis­ti­sche Akti­vi­tä­ten gibt, wird gehan­delt. Neo­na­zi­auf­mär­sche wer­den blo­ckiert. Diese Situa­tion hat sich jedoch in den ver­gan­ge­nen Mona­ten deut­lich geän­dert, Neo­na­zis und Rassist_innen gehen in die Rand­be­zirke von Ber­lin und haben dort immer leich­tes Spiel, denn viele ber­li­ner Antifaschist_innen ver­las­sen die eigene Wohl­fühl­zone, diese endet häu­fig am S-Bahn-Ring, nur sel­ten. Gleich­zei­tig beob­ach­ten wir, dass zahl­rei­che Antifaschist_innen aus dem Land Bran­den­burg nicht nur immer und immer wie­der nach Ber­lin fah­ren son­dern auch quer durch das Land Bran­den­burg um Pro­teste gegen Neo­na­zis und Rassist_innen zu unter­stüt­zen. Die­ses soli­da­ri­sche Ver­hal­ten muss sich auf die Men­schen in Ber­lin über­tra­gen, denn nur durch eine gelebte Soli­da­ri­tät kann ver­hin­dert wer­den, dass die Dör­fer und Städte im Land Bran­den­burg nach und nach auf­ge­ge­ben wer­den müssen.

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Re:organisiert die Antifaschistische Aktion

Europa führt Krieg gegen Flüchtlinge. Dieser Krieg ist nicht weit weg, er tobt vor unserer Hasutür. Fluchthelfer_innen und „Schlepper“ werden von Frontex angegriffen, die Grenzen dichtgemacht, Mauern und Zäune gebaut, Gräben ausgehoben, die Grenzen überwacht und Menschen gejagt. In Europa wird das Militär gegen Geflüchtete eingesetzt. „Wie würde die Welt aufschreien, wenn sich das Mittelmeer in ein Massengrab weißer Menschen verwandeln würde“, fragte unlängst eine Aktivistin im französischen Fernsehen. Doch es sind keine Europäer_innen, die dort ertrinken, es sind keine Menschen, die als Einzelne wahrgenommen werden, deren Leben wertvoll und schützenswert erscheint. Es sind Menschen aus Syrien, aus Tunesien, aus dem Irak, aus Afghanistan, Menschen auf der Flucht vor Tod und Elend. Präsentiert werden sie als anonyme Masse von Hungerbäuchen, die eine Belastung für den europäischen Wohlstand darstellen würden. Doch das sind sie nicht.

Mit jeder Ertrunkenen stirbt eine ganze Welt.

Die, die es bis nach Deutschland schaffen, sind neuen Gefahren ausgesetzt. Das, was den Antiflüchtlingseinheiten nicht gelang, wird hier von Neonazis und anderen Rassist_innen fortgeführt – in Deutschland wird wieder gezündelt. Schon im letzten Jahr wurden in ganz Deutschland Unterkünfte von und für Geflüchtete angegriffen. Und es geht weiter. Fast jeden Tag gibt es neue Meldungen von Brandanschlägen auf bewohnte oder unbewohnte Gebäude. Über 200 Angriffe sollen nach „offiziellen“ Zählungen bereits im Halbjahr 2015 stattgefunden haben, mehr als im gesamten Jahr 2014. Momentan lesen wir jeden morgen die neusten Brandgeschichten. An manchen Orten, wie etwa in Freital, finden tagelang anhaltende rassistische öffentliche Agitationen samt Übergriffen statt. Die Geflüchteten mussten unter rassistischen Parolen ihre Unterkunft beziehen. In Escheburg zündete ein rassistischer Anwohner eine unbewohnte Unterkunft an. In Dresden agitieren Nazis und „Bürgerliche“ zusammen gegen eine Zeltstadt. In Heidenau tobt sich der Rassismus aus. Die Bullen schauen zu, wenn sie nicht gerade Antifaschist_innen aus dem Dorf prügeln. In Meißen, Trögliz, Remchingen, Reichertshofen, Roetgen, Waldaschaff wird Feuer gelegt in Unterkünften für Flüchtlinge. Die Liste ist viel zu lang und sie ließe sich zu weit fortsetzen.

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[Antifa] Worte zum Kampf

Und als wir erwachten, sahen wir, es war dunkelste Nacht, und das es nur unsere Träume gewesen waren, die uns kurz zuvor hatten darüber hinwegtäuschen können. Und sie zerbachen an klirrender Kälte, die uns den Schauer in die Glieder trieb. Unser Mut gleichsam mit zerberstend, im Angesicht dessen, was unvermittelt und doch nicht ohne Vorahnung als drohende Schemen sich aus der Finsternis auf uns zubewegend, uns alle Hoffnung raubte, als das, was wir noch schlafend für die Ausgeburt eines bösen Gedanken hielten, nun als grausame Wirklichkeit vor uns trat. Gleichsam mit dem Blick in die Scherben die Verheißung des Schlafes erneut spürend, sich dem Gedanken hingebend, dass alles, was uns umgab, nicht der Beginn von Schlimmeren sei, sondern nichts als eine flüchtige Erscheinung. Die Verlockung des Glaubens spürend, dass alles von alleine wieder gut werden würde, sich der eigenen Ohnmacht ergebend.

Liebe Genoss_innen,

fast erscheint es zu mühsam, das Wort zu ergreifen. Zu schwierig, Passendes zu finden, wo sich die Verhältnisse schneller entwickeln, als unsere Analysen es zu greifen vermögen, zu zahlreich sind unsere Feinde, zu stark erscheint der Staat, zu groß der globale Zusammenhang, dessen Auswirkungen nun in aller Deutlichkeit, nicht als abstrakte Gedanken, sondern als konkrete Menschen vor uns treten. Zu langsam unser Ringen um das angemessene Handeln. Kaum kann sich unsere Wut Bahn brechen in konkretes Tun, so wird sie schon an anderer Stelle heraus gefordert, verliert ihre Funktion als treibender Motor und wandelt sich in uns selbst überwältigende Ziellosigkeit. Sie vermittelt uns keine Kraft mehr, sondern lässt und umso stärker die eigene Ohnmacht verspüren. Die geballte Faust findet angesichts der vielen, keine Richtung und einmal mehr spüren wir nur den Druck unserer Nägel im Fleisch.

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1. Mai Berlin – La beauté est dans la rue

Während die GenossInnen in Italien den 1. Mai nutzten, um anlässlich der Expo Eröffnung gut ausgerüstet und organisiert schon während der Demo zahlreiche Banken anzugreifen und sich anschließend stundenlange Straßenschlachten mit den Bullen zu liefern, bei denen u.a. zahlreiche Fahrzeug der gehobenen Preiskategorie in Flammen aufgingen, setzte sich in Berlin die Tendenz zur Perspektivlosigkeit am 1. Mai weiter fort.

Ablauf- ein kurzer Abriss

Mit der gewohnten Stunde Verspätung setzten sich am Spreewaldplatz am Abend um die 20.000 Menschen in Bewegung. Begleitet von dem üblichen Gepose mit Pyrotechnik und Rauchtöpfen ging es im sehr zügigen Tempo in Richtung Neukölln. Diese Jahr war statt Abgeordneten und Vertretern von diversen Linksparteien wieder oldschool an der Spitze angesagt. Ein Frontblock von um die 150 Leute zog fast vollständig vermummt los, hing aber völlig in der Luft, weil dahinter nur lose und unorganisierte Leute folgten, die sich weder kannten, noch Ketten bildeten. Die Bullen hielten sich in 36 noch zurück und fingen erst in Neukölln an die Demo massiv in den Seitenstraßen parallel zu begleiten. Nachdem das Bullenrevier Sonnenallee Ecke Wildenbruch etwas Farbe abbekommen hatte, wurde die Demo einige hundert Meter weiter von zwei Hundertschaften aufgestoppt, die sich vor die Demo gesetzt, bzw. neben dem Frontblock Spalier gebildet hatten. Für die Bullen wäre es ohne weiteres möglich gewesen, den Frontblock komplett zu zerlegen, bzw. in ihn einzudringen, um Vermummte festzunehmen, offensichtlich hatte die Einsatzleitung aber andere Prioritäten im Sinn. So ging es nach zehn Minuten weiter, ab diesem Zeitpunkt nur noch im gemütlichen Spaziergangtempo und im Frontblock größtenteils auch nicht mehr vermummt.

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Sechs Thesen über die Angst, warum sie effektiv Militanz verhindert und eine mögliche Strategie zu ihrer Überwindung

Alle haben ständig Angst. Angst vor Terrorismus. Angst vor Migrant_innen. Angst vor Epidemien. Aber eben auch: Angst, nicht mehr mithalten zu können im Hamsterrad. Angst vorm Jobverlust. Angst vorm Versagen. Diese Ängste sind das öffentliche Geheimnis unserer Gesellschaft, so das „Institute for Precarious Consciousness“ in diesem erstmals vollständig auf Deutsch vorliegenden Text. Dass die Angst strukturelle Ursachen hat, muss ausgesprochen werden, damit wir Gegenstrategien entwickeln können. Ihr Vorschlag: Mit der Analyse unserer alltäglichen Erfahrungen beginnen, denn nur so werden wir herausfinden, wie wir den Kapitalismus gemeinsam überwinden können.

1: Jede Phase des Kapitalismus verfügt über ihren eigenen, vorherrschenden, reaktiven Affekt

Jede Phase des Kapitalismus verfügt über einen bestimmten Affekt, der ihn zusammenhält. Das ist keine statische Situation. Die Vorherrschaft eines bestimmten Affekts2 ist nur so lange aufrechtzuerhalten, bis Strategien des Widerstands formuliert worden sind, die den Affekt und/oder seine gesellschaftlichen Ursachen zerstören können. Daher gerät der Kapitalismus ständig in Krisen und reorganisiert sich um neue vorherrschende Affekte.3

Alle diese Affekte zeichnen sich dadurch aus, dass sie ein öffentliches Geheimnis sind, etwas, was alle wissen, aber über das niemand redet und das niemand zugibt. Solange der vorherrschende Affekt ein öffentliches Geheimnis ist, bleibt er wirksam und Widerstandsstrategien können nicht entstehen.

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Arbeiter, Arbeitereliten und das Problem der Arbeit

Anmerkungen zu Michael Seidmans „Gegen die Arbeit“

Im Verlag Graswurzelrevolution ist – gerade noch rechtzeitig zum 75. Jahrestag der Ereignisse – ein Buch erschienen, das die beiden wohl wichtigsten Klassenkämpfe Europas der 1930er Jahre zum Thema hat: die spanische Revolution (1936-39) und die Welle der Fabrikbesetzungen in Frankreich (1936-1938), die beide in Volksfrontregierungen der Linken mündeten. Der Autor, der US-amerikanische Historiker Michael Seidman, untersuchte das Verhalten der ArbeiterInnen in den kollektivierten Fabriken bzw. den Betriebsbesetzungen und ihre Reaktionen auf die veränderten Machtverhältnisse am Arbeitsplatz. Er kommt, das sei vorausgeschickt, zu einem ernüchternden Ergebnis: letztlich seien sowohl die spanische Revolution als auch die Volksfront in Frankreich am anhaltenden Widerstand der ArbeiterInnen gegen die Arbeit gescheitert.

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1980: Die vergessene Rebellion

Klar, die 68er hatten die bessere Presse. Aber das ist kein Grund, nicht an das Jahr 1980 zu erinnern. Dem Jahr der letzten Jugendrevolte.

Die Ausgabe des Stern erschien im April. Auf dem Titel war ein Jugendlicher zu sehen, und im Inneren des Heftes machte man sich daran, den Lesern die Jugend zu erklären: Sie sei fragmentiert, es gäbe dutzende verschiedene Grüppchen: Popper, Punker, Grufties, Alternative und noch viel mehr. Die meisten hätten allerdings eines gemeinsam: Sie seien weitgehend unpolitisch. Von Rebellion keine Spur. Mehr oder weniger gut gestylte Individualisten.

Wie sehr der Stern mit seiner Beurteilung der damaligen Jugend daneben lag, sollte schon wenige Wochen später klar werden. 1980 – das war der Beginn von Jugendunruhen, von militanten Demonstrationen, die sich bis in die Mitte der achtziger Jahre ziehen sollten.

Hausbesetzungen standen im Zentrum des Protestes. Bei vielen dieser Besetzungen ging es um den Erhalt preiswerten Wohnraums – allein in Berlin waren zeitweilig über 100 Häuser besetzt. Aber etliche Besetzungen hatten auch das Ziel, autonome Zentren zu schaffen.  Ob die Besetzungen der Siesmayerstraße und des ehemaligen Bundesbahngeländes Nied in Frankfurt, die Auseinandersetzungen um das Dreisameck in Freiburg, die Bo-Fabrik in Bochum, das Stollwerk in Köln: Viele der Jugendlichen, die damals auf die Straße  gingen, wollten Orte, an denen sie selbst bestimmen konnten, was passiert: Räume zum Arbeiten, Räume für Kultur und Räume zum leben.

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Internationalismus und Antiimperialismus von unten

Anarchismus und Syndikalismus in der kolonialen und postkolonialen Welt

Tierra y Libertad

In den Weltregionen, die dem Kolonialismus und Imperialismus unterworfen sind, spielte die anarchistische Bewegung – einschließlich ihres gewerkschaftlichen Ablegers, des Syndikalismus – eine Schlüsselrolle. Die Rolle der Anarchisten und Syndikalisten in den nationalen Befreiungsbewegungen war zentral, manchmal führend. Die Bewegungen in Asien, Afrika, Lateinamerika und der Karibik – aber auch in Teilen von Europa, insbesondere in Osteuropa und Irland – müssen als integraler Bestandteil der Geschichte der Arbeiterklasse, der Linken und der Unabhängigkeitsbewegungen in diesen Regionen betrachtet werden.

Einige linke Autoren haben den Anarchismus mit Verweis darauf als „historischen Fehler“ verurteilt, dass er „fast nichts zu tun [hatte] mit den antikolonialen Kämpfen, die revolutionäre Politik [im 20. Jahrhundert] definierten“1. Weniger polemisch behauptete John Crump, ein mit dem japanischen Anarchismus sympathisierender Autor, der „Anarchismus hat in der ‚Dritten Welt’, in den Kolonialgebieten kaum Wurzeln geschlagen“2.

Solche Auslassungen sind in gewissem Sinne verständlich. Texte über die Geschichte des Anarchismus und Syndikalismus konzentrieren sich tendenziell auf die nordatlantischen Länder und ignorieren 80 Prozent der Menschheit und einen Großteil der Geschichte dieser Strömung. Darüber hinaus widmen diese Studien der anarchistischen und syndikalistischen Beteiligung an den antiimperialistischen Kämpfen kaum Aufmerksamkeit3. Das Kernproblem aber besteht darin, dass diese Behauptungen schlicht falsch sind. Anarchisten und Syndikalisten spielten in den Kämpfen all dieser Regionen, auch in Unabhängigkeitskämpfen, eine wichtige Rolle. Daher sollten die Debatten, die in der (post-)kolonialen Welt innerhalb der anarchistischen und syndikalistischen Bewegung geführt wurden, genau untersucht werden.

Anarchistischer Antiimperialismus?

Die Themen, mit denen sich diese Bewegungen konfrontiert sahen – und sehen –, sind heute noch entscheidend für revolutionäre Politik und müssen von Anarchisten und Syndikalisten auf Grundlage klarer historischer Referenzen und nicht abstrakter Losungen angegangen werden. Etwa die Frage, ob der Imperialismus geschlagen werden kann: Führen Unabhängigkeitskämpfe immer und zwangsläufig nur zur Herrschaft einer neuen Elite, wie einige meinen4, oder können sie ein Weg zur sozialen Revolution sein? Wie können ‚rassische’ Spaltungen in Arbeiterklasse und Bauernschaft überwunden werden? Dies sind Fragen, die von der Bewegung in der (post-)kolonialen Welt ausführlich diskutiert wurden; und aus ihrer aktuellen Praxis lässt sich einiges lernen.

So fanden zwei der drei großen anarchistischen Revolutionen im 20. Jahrhundert außerhalb der westlichen Welt statt und waren Teil von Unabhängigkeitskämpfen oder nationalen Befreiungsbewegungen: Die Rede ist von der Ukraine (1918–1921) und von Korea/Mandschurei (1929–1931); die dritte ist natürlich Spanien (1936–1939). Jüngste Arbeiten beginnen die bisherigen Behauptungen und irreführenden Ansätze infrage zu stellen. Ein Beispiel hierfür ist Anarchism and Syndicalism in the Colonial and Postcolonial World, 1870-1940: the praxis of national liberation, internationalism and social revolution, herausgegeben von Steven Hirsch und Lucien van der Walt (Brill, 2010). Mit einem Vorwort von Benedict Anderson und einer Einleitung der Herausgeber umfasst der Band Beiträge zu Argentinien (Geoffroy de Laforcade), Brasilien (Edilene Toledo und Luigi Biondi), China (Arif Dirlik), Kuba, Mexiko, Panama und Puerto Rico (Kirk Shaffer), Ägypten (Anthony Gorman), Irland (Emmet O’Connor), Korea (Dongyoun Hwang), Peru (Hirsch), Südafrika (van der Walt) und zur Ukraine (Aleksandr Shubin). Dieses internationale Team widmete sich intensiv den Berührungspunkten von Anarchismus und Syndikalismus mit der „nationalen Frage“ in diesen Regionen: Das sind einerseits die ethnischen und ‚rassischen’ Spaltungen in der Bauernschaft und Arbeiterklasse und andererseits die Kämpfe um nationale Selbstbestimmung und antirassistische Gleichheit im Kontext kolonialer und imperialer Machtkonstellationen.

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Alltagsrassismus: Alles nur Theater?

In Deutschland wird Rassismus im Allgemeinen verurteilt. Wie hohl diese Rhetorik ist, zeigt sich insbesondere dann, wenn Alltagsrassismus skandalisiert wird. Weiche Formen der Diskriminierung stoßen hierzulande immer noch massive Abwehrreflexe, wie die Auseinandersetzung um den Blackface-Einsatz am Berliner Schlosspark-Theater zeigt.

Von Andreas Strippel

Dieter Hallervorden fühlt sich missverstanden. Ausgerechnet er, der sich so oft über Rechte und Rechtsradikale und ihre Ansichten lustig gemacht hat, soll eine rassistische Inszenierung an seinem Theater haben. In dem Stück „Ich bin nicht Rappaport“ wird mit Blackface gearbeitet, also ein weißer Schauspieler wird schwarz geschminkt. Das an deutschen Theatern die rassistische Tradition des Blackface ignoriert wird, ist ein Musterbeispiel über die Ignoranz der Wohlmeinenden gegenüber dem Alltagsrassismus.

Der Vorwurf des Alltagsrassismus wird zurückgewiesen und offenbart dabei ein tiefes Unverständnis gegenüber dem, was Rassismus ist und wie er funktioniert. Gerade für Menschen, die sich ernsthaft gegen Formen von Rassismus wehren, ist die Vorstellung sich selbst rassistisch zu verhalten oder zu äußern, oftmals abwegig. Weil man etwas nicht rassistisch Gemeint habe, könne es auch nicht rassistisch sein. Damit wird Rassismus jedoch auf ein individuelles Problem reduziert, das man mit gutem Willen aus der Welt schaffen könnte.

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Kultur der Barbarei

Interview mit Werner Seppmann über die Zunahme von Gewalt und Irrationalismus in der Gesellschaft. Teil 1
Brutalisierung des Alltagslebens, Gewalt in den Medien, Drogenkonsum, Hooliganismus, Amokläufertum, Esoterik, die Renaissance politischer Mythen, Fremdenhass und neo-nazistischer Terror sind nach Meinung des Sozialwissenschaftlers Werner Seppmann Formen, in denen Menschen versuchen, auf zivilisatorische Krisenerscheinungen zu reagieren.

Die Menschen stehen den Unsicherheiten der ökonomischen Prozesse, die sie zu Variablen des Wirtschaftswachstums degradieren, ohnmächtig gegenüber – und kompensieren dies oft durch die Annahme schlichter Erklärungsmuster und unterkomplexer Weltanschauungen, was sich auch in höherer Gewaltbereitschaft oder selbstzerstörerischen Taten niederschlägt.

Ausgerechnet die übelste Form des Irrationalismus in Gestalt von faschistischen Mörderbanden scheint zudem von gewissen Segmenten des Staates aktiv unterstützt zu werden. Telepolis sprach mit Werner Seppmann.

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Zweiter Teil: „Schleichende Pathologisierung der Gesellschaft“