Politische Krise in Washington

Die Arbeiterklasse muss mit ihrem eigenen Programm eingreifen

18. Mai 2017

Mit jedem Tag wird klarer, dass die politische Krise in Washington ein Konflikt zwischen zwei reaktionären Fraktionen der herrschenden Klasse und des Staatsapparats ist.

Die Trump-Regierung stellt eine große Gefahr für die demokratischen und sozialen Rechte der Arbeiterklasse dar. Trumps Regierung, eine Ansammlung von Oligarchen und Generälen, will eine Form der politischen Diktatur auf Grundlage einer Präsidentschaft mit unbegrenzter Macht einführen. In Hinblick auf ihre soziale Physiognomie verkörpert die Trump-Regierung direkt das Gangstertum, das die in Amerika herrschende Finanz- und Wirtschaftselite kennzeichnet.

Trumps Gegenspieler in den Medien und im politischen Establishment, angeführt von der Demokratischen Partei, sind lediglich eine andere Fraktion der herrschenden Elite. Sie erheben keine einzige fortschrittliche und demokratische Forderung in ihrer Kampagne gegen Trump. Sie stützen sich nicht auf die Arbeiterklasse sondern auf den Militär- und Geheimdienstapparat, insbesondere auf das FBI, die NSA und die CIA. Dahinter steht eine unausgesprochene Agenda, die hinter den Kulissen geschrieben wurde und sich vor allem auf außenpolitische Fragen konzentriert.

Wenn ihre Bemühungen, Trump auf Linie zu bringen oder ihn aus dem Amt zu entfernen, erfolgreich sind, wird dies nur die Position der Finanz- und Wirtschaftselite und des „tiefen Staats“ von Geheimdienstoffizieren und Generälen stärken. Die wichtigste Folge bestünde darin, die Außenpolitik aggressiver gegen Russland auszurichten, den Kurs in Richtung Weltkrieg und - damit verbunden - sozialer Konterrevolution zu eskalieren.

Während sich dieser Konflikt in Washington abspielt, findet im ganzen Land etwas anderes statt, was von den erbitterten Fraktionskämpfen in Washington getrennt ist und durchaus im Gegensatz zu diesen steht. Die Menschen sind massenhaft gegen Krieg und legen keinerlei Wert auf eine Konfrontation mit Russland. Sie sorgen sich nicht um „russische Hackerangriffe“, sondern um Arbeitslosigkeit, Ungleichheit, die Zerschlagung der Gesundheitsversorgung und der Renten, die Verschuldung und andere Manifestationen der wachsenden sozialen Krise.

Was ist die Wirklichkeit der großen Bevölkerungsmehrheit in Amerika?

Trotz Behauptungen aus der Demokratischen Partei, dass es der Wirtschaft noch nie so gut ging, und Trumps demagogischer Behauptung, er werde „Amerika wieder groß machen“, erleben die Arbeiterinnen und Arbeiter Niedriglöhne, einen sinkenden Lebensstandard und Langzeitarbeitslosigkeit. Fast neun Jahre nach dem Beginn der Finanzkrise 2008 steht die tatsächliche Arbeitslosenquote bei 8,6 Prozent, wenn man auch solche Menschen berücksichtigt, die die Arbeitssuche aufgegeben haben oder in Teilzeitjobs gezwungen wurden. Im Einzelhandel und im produzierenden Gewerbe sind massenhaft Stellen vernichtet worden (81.000 seit Trumps Wahl). Am Dienstag kündigte Ford die Entlassung von 10 Prozent seiner Belegschaft weltweit an und folgt damit den Massenentlassungen bei General Motors.

Die Löhne stagnieren, Zuwächse liegen kaum über der Inflationsrate. Ein jüngst erschienener Bericht vom Nationalen Wirtschaftsforschungsamt besagt, dass ein durchschnittlicher 27jähriger Mann im Jahre 2013 ein um 31 Prozent niedrigeres reales Jahreseinkommen hatte als ein 27jähriger im Jahre 1969. Das mittlere Haushaltseinkommen ist seit 1999 stetig gesunken.

Sieben Jahre nach der Einführung von Obamacare ist die Krise im Gesundheitssystem so tief wie nie zuvor. Folge des Gesetzes war, die Last der Kosten von den Unternehmen auf die Arbeiter zu verlagern, während die Arbeitgeber ihre „übertrieben generösen“ Krankenversicherungspolicen strichen. Im vergangenen Monat schaffte der Luftfahrt- und Rüstungsriese Honywell die Krankenkassenzulagen für Rentner ab.

Während die Demokratische Partei ihre Aufmerksamkeit auf Trumps angebliche Verbindungen zu Russland richtet, setzen die Trump-Regierung und der von Republikanern kontrollierte Kongress ihren Angriff auf die Gesundheitsversorgung fort. Zu Beginn dieses Monats wurde der American Health Care Act verabschiedet, ein reaktionäres Gesetz, dass Medicaid, das staatliche Programm für Bedürftige, aushöhlt und Millionen Amerikanern die Beihilfe zur Gesundheitsversorgung zusammenstreicht.

Der Ärger in der Bevölkerung bricht im ganzen Land bei kommunalen Meetings mit Kongressabgeordneten aus. Millionen Menschen, auch Festangestellte, sind auf Wohltätigkeitsmaßnahmen angewiesen. Im März standen Tausende Menschen vor Sonnenaufgang in der Kälte Schlange, um in einer Klinik in Maryland kostenlose zahnärztliche Leistungen zu erhalten. Die Washington Post schrieb in einem Artikel zu dem Ereignis, dass in Amerika beinahe ein Fünftel der über 65jährigen keinen einzigen echten Zahn mehr im Mund hat.

Renten sind unter ständigem Angriff. Noch nie seit 1962 haben so viele so alte Menschen noch gearbeitet – vor allem, weil sie es sich nicht leisten können, in Rente zu gehen. Mehr als ein Viertel aller Arbeiter über 55 Jahre haben weniger als 10.000 Dollar auf dem Sparbuch. Große Pensionsfonds von Unternehmen für Berufskraftfahrer, Bergarbeiter und andere stehen kurz vor der Insolvenz.

Das gesamte Finanzierungsdefizit für öffentliche Rentenfonds stieg im vergangenen Jahr um 434 Milliarden Euro auf 3,85 Billionen, wie die Financial Times berichtete. Der Bankrott des US-Territoriums Puerto Rico soll zum Vorwand für eine Rentenkürzung um 10 Prozent und die Entlassung Tausender Lehrer und Beschäftigter im Öffentlichen Dienst genutzt werden. Nach diesem Vorbild werden Insolvenzen von Städten wie Detroit und anderswo genutzt, um Sozialleistungen zu streichen.

Darüber hinaus wird die grundlegende soziale Infrastruktur zerstört. In Flint sind 8.000 Bewohner von Zwangsversteigerung bedroht, weil sie ihr bleiverseuchtes Wasser nicht gezahlt haben – drei Jahre nach der Freisetzung des Gifts im Trinkwasser aufgrund von kriminellen Machenschaften der Kommunalpolitiker und Bundesstaatsvertreter beider Parteien. Nichts wurde getan, um das völlig veraltete Leitungssystem zu erneuern. Ähnlich heruntergekommene Wasserleitungen gibt es im ganzen Land in vielen Städten.

Junge Leute blicken in eine Zukunft mit Niedriglohnarbeit und ständiger Überschuldung. Kontinuierlich steigen die Gebühren für Schulen und Universitäten. Ohne eine entsprechende Ausbildung gibt es keine Chance auf einen Job mit anständigem Gehalt: Seit 1985 haben die Studiengebühren um 500 Prozent zugelegt. Für kommendes Jahr ist eine Erhöhung der Zinsen für staatliche Studienkredite angekündigt. Die Gesamtsumme aller Studienkredite in den Vereinigten Staaten beträgt 1,4 Billionen Dollar, wobei ein durchschnittlicher Collegestudent am Ende seiner Ausbildung mit Schulden von mehr als 37.000 Dollar belastet ist.

Der Ärger in der Bevölkerung über die Angriffe auf die öffentliche Bildung zeigte sich vergangene Woche, als Studenten auf einem Unicampus die Bildungsministerin der Trump-Regierung Betsy De Vos ausbuhten. Die Milliardenerbin, die früher für die Wiedereinführung von Kinderarbeit eintrat, führt die Angriffe auf die öffentliche Bildung, die bereits und George W. Bush und Barakc Obama begannen, mit großer Schärfe weiter.

Gleichzeitig setzt die Trump-Regierung ihren harten Kurs gegen Einwanderer fort, inhaftiert und deportiert weiterhin Migranten. Und da der Drogenmissbrauch epidemische Ausmaße annimmt, hat Justizminister Jeff Sessions angekündigt, dass Verbrechen mit Drogenkonsum künftig härter bestraft werden. Täglich ereignet sich schreckliche Polizeigewalt, von der in den Medien meist nicht berichtet wird. In diesem Jahr sind bereits 445 Menschen von der Polizei getötet worden.

Die politische Krise in Washington hat einen historischen Charakter mit explosiven Folgen für die ganze Welt. Im Zentrum des Weltkapitalismus bricht die verfassungsmäßige Regierungsform zusammen, als Folge von endlosen Kriegen und einem historischen Niveau sozialer Ungleichheit.

Solche Krisen kündigen eine vorrevolutionäre Situation an, doch eine revolutionäre Bewegung wird nicht aus den rivalisierenden Fraktionen der herrschenden Klassen heraus erwachsen. In den Vereinigten Staaten entwickelt sich ein Konflikt mit einem ganz anderen Charakter, der viel größere weltweite Auswirkungen haben wird – ein Konflikt zwischen der Arbeiterklasse und der Kapitalistenklasse.

Die Arbeiterklasse muss das Heft in die Hand nehmen. Die Arbeiterklasse muss in diese Krise mit ihrer eigenen Lösung eingreifen und ihre wirklichen Interessen benennen. Die Socialist Equality Party (SEP) baut eine politische Führung in der Arbeiterklasse auf, einigt die entstehenden Kämpfe aller Arbeiter – weißer, schwarzer und Latinos, eingewanderter und eingeborener, Männer und Frauen – auf der Basis eines sozialistischen und revolutionären Programms.

Die SEP erklärt die Grundrechte der Arbeiter – das Recht auf eine gut bezahlte und sichere Arbeit, auf Gesundheitsversorgung und eine auskömmliche Rente, das Recht auf kostenlose öffentliche Bildung, das Recht auf Freizeit und bezahlbaren Wohnraum, das Recht auf eine Grundversorgung und eine gesunde Umwelt, das Recht auf Kunst und Kultur. Diese Rechte sind nur durch einen Frontalangriff auf die Privilegien der Unternehmen und Reichen zu sichern. Eine große Umverteilung von Vermögen ist notwendig, auch die Beschlagnahmung von unrechtmäßig durch Spekulation und Betrug erworbenen Gewinnen. Die großen Banken und Unternehmen müssen in öffentliches Eigentum überführt und unter die demokratische Kontrolle der Arbeiterklasse gestellt werden.

Die politische Mobilisierung der Arbeiterklasse, um diese Rechte zu erringen und zu sichern, ist untrennbar verbunden mit dem Kampf gegen imperialistischen Krieg, die außenpolitische Achse der herrschenden Elite, die den gesamten Planeten bedroht. Es kommt auf die Vereinigung der Arbeiter aller Länder an, die unter den gleichen Bedingungen leiden und dasselbe bankrotte gesellschaftlichen und wirtschaftliche System erleben.

Eine Lösung für die tödliche Krise des Kapitalismus kann nur durch eine unabhängige Organisation der Arbeiterklasse erreicht werden, in Opposition zu den politischen Parteien, die von der Wirtschaft, und dem gesamten kapitalistischen Staat kontrolliert werden. Das Ziel muss die Errichtung einer Arbeitsregierung sein, um das Wirtschaftsleben im Interesse der gesellschaftlichen Bedürfnisse, und nicht privater Profite neu zu organisieren.

Hundert Jahre nach der Russischen Revolution ist die Perspektive der sozialistischen Weltrevolution der einzige Weg nach vorn für die Menschheit. Die dringendste praktische Aufgabe besteht darin, eine Führung für den Aufbau dieser Bewegung aufzubauen.

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Joseph Kishore