Benzodiazepine

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Benzodiazepine sind polycyclische organische Verbindungen auf Basis eines bicyclischen Grundkörpers, in dem ein Benzol- mit einem Diazepinring verbunden ist, und zählen zu den psychotropen Substanzen.

Einige Vertreter der Gruppe finden in der Medizin Verwendung als angstlösende, zentral muskelrelaxierende, sedierend und hypnotisch (schlaffördernd) wirkende Arzneistoffe, sogenannte Tranquilizer.[1] Manche Benzodiazepine zeigen auch antikonvulsive Eigenschaften und dienen als Antiepileptika. Alle Benzodiazepine binden an GABA-Rezeptoren, den wichtigsten inhibitorischen Rezeptoren im Zentralnervensystem. Benzodiazepine haben ein hohes Abhängigkeitspotential.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die erste Verbindung aus dieser Gruppe, die zum Einsatz kam, war Chlordiazepoxid.[1] Es wurde von Leo Sternbach für das Pharmaunternehmen Hoffmann-La Roche entwickelt und 1960 unter dem Handelsnamen Librium auf den Markt gebracht. Im weiteren Verlauf der Forschung sind vor allem Verbindungen mit Lactamstruktur eingeführt worden (R2 = O). So auch das, ebenfalls von Leo Sternbach, entwickelte Diazepam, das 1963 unter dem Handelsnamen Valium durch Hoffmann-La Roche auf den Markt gebracht wurde. 1977 wurde Diazepam in die Liste der unentbehrlichen Arzneimittel der Weltgesundheitsorganisation aufgenommen. In Deutschland war Diazepam noch 2005 das am häufigsten verordnete Benzodiazepin.[2]

Chemie und Struktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Benzodiazepine Structural Formula V1.svg
Benzodiazepin-Gerüst
Thienodiazepine General Formula V1.svg
Thienodiazepin-Gerüst
Strukturunterschiede von Benzodiazepinen
R1 R2 R7 R2’ Name
H O NO2 Cl Clonazepam
H O Cl Cl Delorazepam
CH3 O Cl H Diazepam
H O Br Cl Phenazepam
C2H4N(C2H5)2 O Cl F Flurazepam
CH3 H Cl H Medazepam
H O NO2 H Nitrazepam
C4H7 O Cl H Prazepam
CH3 O Cl Cl Diclazepam
H O Cl H Nordazepam

Alle Benzodiazepine enthalten namensgebend ein System aus zwei miteinander verbundenen ringförmigen Strukturen: Benzol- und Diazepinring sind hier zu einem bicyclischen Ringsystem kondensiert. Dessen größerer siebengliedriger ungesättigter Ring enthält zwei Stickstoffatome und gehört somit zu den heterocyclischen Verbindungen. Gemäß der Hantzsch-Widman-Nomenklatur für heterocyclische Systeme wird solch ein Ring als Diazepin bezeichnet.[3] Im Falle der Benzodiazepine ist an den Diazepinring ein Benzolring anelliert.

Als Arzneistoffe kommen überwiegend Benzo-1,4-diazepine zum Einsatz, die außerdem in 5-Position einen weiteren sechsgliedrigen Ring wie Benzol (siehe obenstehende Strukturformel, in der 2'-Position der Phenylgruppe eventuell ein Halogen als Substituent), Cyclohexen oder Pyridin tragen.[4] Dieser dritte Ring ist bei Clobazam, dem einzig verwendeten Vertreter der Benzo-1,5-diazepine, gebunden an dessen N-Atom in 5-Position.[1]

Den Benzodiazepinen ähnlich aufgebaut sind die Thienodiazepine als Heterocyclen, die einen Diazepin-Ring enthalten;[5] an diesen ist jedoch in ihrem Fall ein Thiophen-Ring[6] statt eines Benzolrings anelliert.

Pharmakologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wirkungsmechanismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schematische Darstellung des GABAA-Rezeptors in Draufsicht. Die fünf Untereinheiten – im hiesigen Beispiel aus α1β2γ2 bestehend – sind um eine Achse herum gleichmäßig angeordnet und weisen in ihrer Mitte eine Pore, das Kanallumen, auf. Die Bindungsstelle für Benzodiazepine befindet sich zwischen der alpha- und gamma-Untereinheit.[7]

Benzodiazepine wirken als allosterische Liganden am GABAA-Rezeptor, sie komplexieren mit der Benzodiazepin-(BzD)-Bindungsstelle dieses ionotropen Rezeptors. Diese Anbindung ändert die Rezeptorgestalt und führt so zu einer Modulation der Aktivierung des Rezeptors. Die durch klassische Benzodiazepine hervorgerufene positive Modulation erhöht die Affinität des inhibitorisch wirkenden Neurotransmitters GABA an seiner orthosterischen Bindungsstelle. Dadurch nimmt die Öffnungswahrscheinlichkeit des Chlorid-Kanals zu und der Einstrom der Chlorid-Ionen in die Nervenzelle wird verstärkt, was wiederum zu einer geringeren Erregbarkeit der Neuronenmembran führt (durch Hyperpolarisation und Kurzschluss von EPSPs).[1]

Klassische Benzodiazepine binden an GABAA-Rezeptoren mit den alpha-Untereinheiten α1, α2, α3 und α5, keine Affinität haben sie an α4 und α6.

Benzodiazepine unterscheiden sich in ihrer Wirkung von Barbituraten.[8] Dafür sind folgende Mechanismen verantwortlich:

  • Benzodiazepine wirken nur zusammen mit GABA und sind allein nicht in der Lage, den GABAA-Rezeptor zu öffnen. Sie werden korrekt als positive, negative oder in seltenen Fällen als stille/neutrale allosterische Modulatoren bezeichnet. Die Ausdrücke Agonist, Antagonist und Invers-Agonist tauchen zwar in der Literatur als Bezeichnung dieser Wirkstoffe auf, sind aber missverständlich und bei reinen Modulatoren zu vermeiden.[4]
  • Benzodiazepine wirken an Synapsen, die wenig GABA enthalten, stärker als an solchen, die viel GABA enthalten.
  • Schwache Transmitter-Antworten werden mehr verstärkt als starke Transmitter-Antworten. Man spricht von einer aktivitätsabhängigen Wirkung (engl.: use dependence). Dieser Effekt könnte auch verantwortlich sein für eine relativ spezifische Wirkung der Benzodiazepine (anxiolytisch, antikonvulsiv, zentral muskelrelaxierend, sedativ/hypnotisch, amnestisch s. u.), trotz der ubiquitären Verteilung der GABA-Rezeptoren im Gehirn und Rückenmark.

Auch hohe Dosen von Benzodiazepinen verstärken die Maximalwirkung (die theoretisch auch durch GABA allein erreicht werden könnte) nicht. Sie setzen lediglich die GABA-Dosis herab, die zu einer Maximalwirkung führt. Pharmakologisch ausgedrückt führen sie zu einer Linksverschiebung der Dosis-Wirkungs-Kurve.

Wirkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Benzodiazepine wirken

Sie finden in der Psychiatrie Anwendung bei der Behandlung von Angst- und Unruhezuständen, als Notfallmedikation bei epileptischen Krampfanfällen und als Ein- und Durchschlafmittel. Ferner werden sie als Prämedikation vor Operationen verordnet, damit der Patient entspannt und angstfrei ist.[10]

Während im Tierversuch bereits nach einer Woche kontinuierlicher Gabe von Höchstdosis ein Entzugssyndrom ausgelöst werden kann, ist dies beim Menschen in therapeutischen Dosierungen wohl erst nach mindestens 8 Wochen Expositionsdauer möglich.[11] In der Regel wird empfohlen, eine Einnahmedauer von 4 Wochen[12] nicht zu überschreiten, um die Gefahr einer Abhängigkeitsentwicklung zu minimieren. Zusammenfassend muss die Indikation zur Verordnung von Benzodiazepinen somit kritisch gestellt werden und die Anwendung so kurz wie möglich und die Dosis so gering wie möglich gehalten werden. Bei einer Dauerbehandlung sind die Gefahren gegen den therapeutischen Nutzen sorgfältig abzuwägen. Die meisten Benzodiazepine sind grundsätzlich nicht zur Dauerbehandlung zugelassen. Ausnahmen bilden die antiepileptisch wirksamen Benzodiazepine, die bei entsprechender Indikationsstellung nicht selten lebenslang eingenommen werden müssen.

Benzodiazepinpräparate sind dosisabhängig und je nach Substanz unterschiedlich stark atemdepressiv, d. h., sie dämpfen das Atemzentrum. Lebensbedrohliche Intoxikationen sind bei alleiniger BZD-Einnahme selten, allerdings potenziert sich das Risiko bei gleichzeitigem Alkoholkonsum oder bei gleichzeitiger Gabe anderer ZNS-wirksamer Präparate, hier besonders zu erwähnen die Opioide, da diese selbst stark atemdepressiv wirken. Außerdem wird bei gleichzeitiger Einnahme von Opioiden und Benzodiazepinen deren sedierende Wirkung gegenseitig verstärkt. Zwischen Benzodiazepinen und Alkohol besteht zudem eine sogenannte Kreuztoleranz. Benzodiazepine beeinträchtigen die Reaktionszeit. Zumindest während der ersten Tage einer Einnahme von benzodiazepinhaltigen Arzneimitteln besteht Fahruntüchtigkeit. Im Verlaufe einer fortgesetzten Therapie entscheidet der behandelnde Arzt von Fall zu Fall, ob das Führen eines Kraftfahrzeuges oder das Bedienen gefährlicher Maschinen wieder möglich ist.[13]

Benzodiazepine gelten weltweit als die Medikamente mit der höchsten Missbrauchsrate.[14]

Es gibt klare Hinweise für Risiken des menschlichen Fötus in Verbindung mit Benzodiazepin-Verabreichung während der Schwangerschaft. Im Tierversuch gab es zudem Hinweise auf Verhaltensstörungen der Nachkommen, wenn den Muttertieren während der Trächtigkeit Benzodiazepine verabreicht wurden.[15]

Kontraindikationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kontraindikationen bei der Anwendung von Benzodiazepinen:[16]

Einzelstoffe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wirkstoff Wirkungstyp Chemische Bezeichnung Plasmahalbwertszeit
(Metaboliten-HWZ)
Äquivalenzdosis zu 10 mg Diazepam[17] Jahr der
Markteinführung
Alprazolam Tranquilizer, Anxiolytikum 8-Chlor-1-methyl-6-phenyl- 4H-[1,2,4]-triazolo[4,3-a][1,4]benzodiazepin 12–15 h 0,5–1 mg 1984
Bromazepam Tranquilizer, Anxiolytikum 7-Brom-2,3-dihydro-5-(2-pyridyl)- 1H-1,4-benzodiazepin-2-on 15–28 h 6 mg 1977
Chlordiazepoxid Tranquilizer 7-Chlor-2-methylamino-5-phenyl- 3H-1,4-benzodiazepin-4-oxid 5–30 h (48–96 h) 20–25 mg 1960
Clobazam Tranquilizer, Anxiolytikum, Antiepileptikum 7-Chlor-1-methyl-5-phenyl- 1H-1,5-benzodiazepin-2,4(3H,5H)-dion 18 h (36–80–120 h) 20 mg
Clonazepam Antiepileptikum 5-(2-Chlorphenyl)-2,3-dihydro-7-nitro- 1H-1,4-benzodiazepin-2-on 30–40 h 0,5–2 mg
Clonazolam Antiepileptikum 6-(2-Chlorphenyl)-1-methyl-8-nitro-4H-s-triazolo(4,3-a)-(1,4)-benzodiazepin 16 h 0,5 mg
Clorazepat Tranquilizer 7-Chlor-2,3-dihydro-2,2-dihydroxy-5-phenyl- 1H-1,4-benzodiazepin-3-carbonsäure 2 h [ca. 30–90 h für den aktiven Metaboliten Nordazepam (N-Desmethyldiazepam)][18] 20 mg
Clotiazepam Anxiolytikum, Myotonolytikum (Muskelrelaxans) 2-(2-Chlorphenyl)-9-ethyl-6-methyl-8-thia-3,6-diazabicyclo[5.3.0]deca-2,9,11-trien-5-on 4 h 5 mg
Delorazepam Anxiolytikum, Prämedikation 7-Chlor-5-(2-chlorphenyl)-1,3-dihydro-1,4-benzodiazepin-2(2H)-on 80–115 h 1 mg
Diazepam Tranquilizer, Antiepileptikum, Anxiolytikum 7-Chlor-2,3-dihydro-1-methyl-5-phenyl- 1H-1,4-benzodiazepin-2-on 24–48 h [ca. 30–90 h für den aktiven Metaboliten Nordazepam (N-Desmethyldiazepam)][18] 10 mg 1963
Diclazepam Tranquilizer, Anxiolytikum, Muskelrelaxans 7-Chlor-1-methyl-5-phenyl-1,3-dihydro-1,4-benzodiazepin-2-on 42 h[19] 1 mg
Flubromazepam Hypnotikum, Anxiolytikum, Tranquilizer, Muskelrelaxans, Antiepileptikum 7-Brom-5-(2-fluorphenyl)-1,3-dihydro-1,4-benzodiazepin-2-on 106 h[20] 4 mg
Flubromazolam 8-Brom-6-(2-fluorphenyl)-1-methyl-4H-[1,2,4]triazolo[4,3-a][1,4]benzodiazepin 20 h[20] 0,25 mg
Flunitrazepam Hypnotikum 5-(2-Fluorphenyl)-2,3-dihydro-1-methyl-7-nitro- 1H-1,4-benzodiazepin-2-on 16–35 h 0,5–1 mg 1975
Flunitrazolam 6-(2-fluorophenyl)-1-methyl-8-nitro-4H-benzo[f][1,2,4]triazolo[4,3-a][1,4]diazepin 0,5mg
Flurazepam Hypnotikum 7-Chlor-1-(2-diethylaminoethyl)-5-(2-fluorphenyl)-2,3-dihydro- 1H-1,4-benzodiazepin-2-on 1,5 h [ca. 30–90 h für den aktiven Metaboliten Nordazepam (N-Desmethyldiazepam)][18] 15–30 mg
Loprazolam Tranquilizer 6-(2-Chlorphenyl)-2,4-dihydro-2-[(4-methyl-1-piperazinyl)methylen]-8-nitro- 1H-imidazo[1,2-a][1,4]benzodiazepin-1-on 8–9 h 1–1,5 mg
Lorazepam Tranquilizer, Hypnotikum, Antiepileptikum (RS)-7-Chlor-5-(2-chlorphenyl)-2,3-dihydro-3-hydroxy- 1H-1,4-benzodiazepin-2-on 12,9–16,2 h 1–2 mg 1963
Lormetazepam Hypnotikum (RS)-7-Chlor-5-(2-chlorphenyl)-2,3-dihydro-3-hydroxy-1-methyl- 1H-1,4-benzodiazepin-2-on 10–14 h 1 mg
Meclonazepam (3S)-5-(2-Chlorphenyl)-3-methyl-7-nitro-1,3-dihydro-2H-1,4-benzodiazepin-2-on 1 mg
Medazepam Tranquilizer 7-Chlor-2,3-dihydro-1-methyl-5-phenyl- 1H-1,4-benzodiazepin 2–5 h [ca. 30–90 h für den aktiven Metaboliten Nordazepam (N-Desmethyldiazepam)][21] 20 mg
Midazolam Kurzhypnotikum 8-Chlor-6-(2-fluorphenyl)-1-methyl- 4H-imidazo[1,5-a][1,4]benzodiazepin 1,5–2,5 h 7,5 mg oral (1 mg i. v.) 1985
Nifoxipam 5-(2-Fluorphenyl)-3-hydroxy-7-nitro-1,3-dihydro-2H-1,4-benzodiazepin-2-on
Nimetazepam Hypnotikum 2,3-Dihydro-7-nitro-5-phenyl-1-methyl- 1H-1,4-benzodiazepin-2-on 18–30 h 5 mg
Nitrazepam Hypnotikum, Antiepileptikum 2,3-Dihydro-7-nitro-5-phenyl- 1H-1,4-benzodiazepin-2-on 18–30 h 5 mg 1965
Nordazepam Tranquilizer 7-Chlor-2,3-dihydro-5-phenyl- 1H-1,4-benzodiazepin-2-on 50–90 h (8 h) 20 mg
Oxazepam Tranquilizer (RS)-7-Chlor-2,3-dihydro-3-hydroxy-5-phenyl- 1H-1,4-benzodiazepin-2-on 5–15 h 20–40 mg 1965
Phenazepam Tranquilizer 7-Brom-5-(2-chlorphenyl)-1,3-dihydro-1,4-benzodiazepin-2-on (60 h) 1 mg
Prazepam Tranquilizer 7-Chlor-1-(cyclopropylmethyl)-2,3-dihydro-5-phenyl- 1H-1,4-benzodiazepin-2-on 1,5 h [ca. 30–90 h für den aktiven Metaboliten Nordazepam (N-Desmethyldiazepam)][21] 20 mg
Pyrazolam Anxiolytikum 8-Brom-1-methyl-6-(pyridin-2-yl)-4H-[1,2,4]triazolo[4,3-a][1,4]benzodiazepin 16–18 h 1 mg
Temazepam Hypnotikum (RS)-7-Chlor-3-hydroxy-1-methyl-5-phenyl- 1H-1,4-benzodiazepin-2(3H)-on 5–13 h 20 mg 1969
Tetrazepam Myotonolytikum (Muskelrelaxans) 7-Chlor-5-(1-cyclohexenyl)-1-methyl- 1H-1,4-benzodiazepin-2(3H)-on 18 h 20 mg
Triazolam Hypnotikum 8-Chlor-6-(2-chlorphenyl)-1-methyl- 4H-1,2,4-triazolo[4,3-a][1,4]benzodiazepin 1,4–4,6 h 0,5 mg 1982

Analytik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aufgrund der toxikologischen Eigenschaften der Benzodiazepine besteht großes Interesse an der rechstssicheren qualitativen und quantitativen Bestimmung in den unterschiedlichsten Untersuchungsgütern.[22][23][24] Als analytische Methoden werden in der Regel nach adäquater Probenvorbereitung die Kopplung zwischen der Gaschromatographie, HPLC und Massenspektrometrie eingesetzt.[25][26]

Gegenmittel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Flumazenil, ein reversibler kompetitiver Antagonist, hebt nach intravenöser Gabe vorübergehend die Wirkung von Benzodiazepinen auf (HWZ etwa 45 min). Im Behandlungsverlauf einer akuten Überdosierung ist unbedingt auf die etwaige Notwendigkeit einer fortgesetzten Gabe weiterer Flumazenil-Dosen zu achten, da dessen HWZ mit etwa 45 min wesentlich kürzer ist als jene der allermeisten Benzodiazepine (HWZ etwa 60 min bis 120 h).

Rechtslage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Rechtslage zu den einzelnen Benzodiazepinen ist vom jeweiligen Benzodiazepin und von der jeweiligen Gesetzgebung des Landes abhängig. Im Jahr 1984 wurden 33 Benzodiazepine als Schedule IV drug durch die United Nations Convention on Psychotropic Substances eingestuft. Midazolam (1990) und Brotizolam (1995) wurden später hinzugefügt. Flunitrazepam wurde 1995 in die Schedule III umgruppiert.[27] Phenazepam (auch Fenazepam) wird außerhalb der Europäischen Union verwendet und befindet sich nicht in der UN-Konvention.[27]

Deutschland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bis auf wenige Ausnahmen sind therapeutisch verwendete Benzodiazepine betäubungsmittelrechtlich geregelt.[28] Jedoch sind, ausgenommen Flunitrazepam,[29] benzodiazepinhaltige Arzneimittel bis zu bestimmten Höchstmengen von den Regelungen der Betäubungsmittel-Verschreibungs-Verordnung ausgenommen („ausgenommene Zubereitungen“) und können auf einem normalen Rezept verordnet werden. Der Gesetzgeber hat hierzu Höchstmengen pro abgeteilter Form (Tablette, Suppositorium, Ampulle, Volumeneinheit bei Tropfen) und/oder Höchstmengen pro Packung festgelegt. Diese Höchstmengen sind für jeden einzelnen Wirkstoff einzeln festgelegt (z. B. 10 mg pro abgeteilter Tabletten-Einheit für Diazepam) und ergeben sich aus der Anlage III zum BtMG. Mengen darüber hinaus erfordern ein BtM-Rezept.

Die Benzodiazepine Clonazolam, Pyrazolam, Flubromazolam, Nifoxipam, Flunitrazolam, 3-Hydroxyphenazepam, Cloniprazepam und Meclonazepam hingegen unterliegen aktuell in Deutschland nicht dem Betäubungsmittelgesetz. Im Juli 2014 urteilte der EuGH, dass nicht als Betäubungsmittel eingestufte, zum Berauschen verwendete Stoffe und Zubereitungen nicht als Arzneimittel anzusehen seien,[30] das Herstellen und Inverkehrbringen zu diesem Zweck könne daher nicht nach dem Arzneimittelgesetz verboten werden.

Nordamerika[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den USA sind Benzodiazepine verschreibungspflichtig und als Schedule IV drugs nach dem Federal Controlled Substances Act eingestuft. Die am häufigsten verwendeten Benzodiazepine in den USA und Kanada sind Alprazolam und Diazepam, gefolgt von Clonazepam und Lorazepam.[31] Bei rund 1,25 Millionen Fällen, in denen Personen im Jahr 2011 in den USA aufgrund von Medikamentenmissbrauch in eine Notaufnahme kamen, waren in etwa 358.000 Fällen Benzodiazepine beteiligt, vorwiegend Alprazolam (123.750), Clonazepam (61.000), Lorazepam (43.000) und Diazepam (24.000).[32]

Singapur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Singapur ist Nimetazepam als Class C controlled drug eingestuft.[33]

Hong Kong[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Hong Kong werden Benzodiazepine von Heroinabhängigen zur Minderung einer Entzugssymptomatik eingesetzt.[34]

Verordnungspraxis in Deutschland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Verordnung von Benzodiazepinen in Deutschland ging von 228 Millionen definierten Tagestherapiedosen (DDD) im Jahr 1995 auf 68 Millionen DDD im Jahr 2004 zurück.[35]

Allerdings hat die Anzahl der Verordnungen auf Privatrezepten zugenommen, gemäß der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN):

„Die Verordnung von Benzodiazepinen zulasten der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) ging von 11 Mio. (1993) auf 2,5 Mio. Packungen (2004) zurück, während laut Einkaufsstatistik die Abgabe durch Apotheken nur von 12,7 Mio. auf 5,6 Mio. Packungen zurückging. Z-Drugs (Zaleplon, Zopiclon, Zolpidem) nahmen in der GKV von 2,1 Mio.(1993) auf 3,8 Mio. Packungen (2004) zu, die Abgabe durch Apotheken laut Einkaufsstatistik aber wesentlich ausgeprägter von 2,2 Mio. auf 7,4 Mio. Packungen. Dies interpretieren die Autoren Hoffmann, Glaeske, Scharffetter[36] wohl zutreffend als vermehrte Verordnung auf Privatrezept. Die Datenbasis erlaubt nicht den Versicherungsstatus (GKV/PKV) der Patienten festzustellen. Es erscheint aber plausibel anzunehmen, dass die steigende Zahl von Verordnungen von Benzodiazepinhypnotika auf Privatrezept auch GKV-Versicherten gilt. Letztendlich basieren die Empfehlungen der AkdÄ auf der Vermutung, dass die Verordnung von Benzodiazepinhypnotika auf Privatrezept bei Kassenpatienten auf einen Missbrauch dieser Substanzgruppe hinweise, der durch eine solche Verordnungsweise weniger transparent und nachvollziehbar gemacht werden solle.“

Stellungnahme der Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde -DGPPN- zu den „Empfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft zur Verordnung von benzodiazepinhaltigen Hypnotika“ vom 11. September 2008[37]

Sonstiges[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zum Nachweis natürlich vorkommender Benzodiazepine in biologischen Materialien, wie z. B. Nahrungsmitteln, Pflanzen, menschlichen Gehirngewebeproben von vor 1960 u. a., liegt eine umfangreiche Untersuchung unter Anwendung von GC/MS-Kopplung und Radiorezeptorassays vor.[38]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d Wissenschaft-Online-Lexika: Eintrag zu Benzodiazepine im Lexikon der Neurologie. abgerufen am 28. Mai 2009.
  2. ePsy.de Psychopharmaka in der Praxis 2005.
  3. D. Hellwinkel: Die systematische Nomenklatur der Organischen Chemie. 4. Auflage. Springer Verlag, Berlin, 1998, ISBN 3-540-63221-2.
  4. a b American Psychiatric Association: Task Force on Benzodiazepine Dependency: Benzodiazepine dependence, toxicity, and abuse: a task force report of the American Psychiatric Association. American Psychiatric Pub, 1990, ISBN 0-89042-228-1.
  5. Otto-Albrecht Neumüller (Hrsg.): Römpps Chemie Lexikon. 8. Auflage. Frank’sche Verlagshandlung, Stuttgart 1983, ISBN 3-440-04513-7, S. 930.
  6. Otto-Albrecht Neumüller (Hrsg.): Römpps Chemie Lexikon. 8. Auflage. Frank’sche Verlagshandlung, Stuttgart 1983, ISBN 3-440-04513-7, S. 4234.
  7. E. Sigel, B. P. Lüscher: A closer look at the high affinity benzodiazepine binding site on GABAA receptors. In: Curr Top Med Chem. Band 11, Nr. 2, 2011, S. 241–246, PMID 21189125.
  8. Hans Walter Striebel: Die Anästhesie: Grundlagen und Praxis. Schattauer Verlag, 2003, ISBN 3-7945-1985-X, S. 36–37.
  9. Claus-Jürgen Estler, Harald Schmidt: Pharmakologie und Toxikologie. 6. Auflage. Schattauer Verlag, 2007, ISBN 978-3-7945-2295-8, S. 201–206.
  10. Reinhard Larsen: Anästhesie. 8. Auflage. Elsevier, Urban & Fischer Verlag, 2006, ISBN 3-437-22501-4, S. 442.
  11. AWMF online: Medikamentenabhängigkeit (Memento vom 26. März 2007 im Internet Archive)
  12. Christopher L Sola and Co-Authors: Sedative, Hypnotic, Anxiolytic Use Disorders; Medscape, 2010
  13. R. Braun, F. von Bruchhausen, Hermann Hager, Hubert Schneemann, Gisela Wurm: Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis. Band 1: Waren und Dienste. 5. Auflage. 1995, ISBN 3-540-58958-9, S. 474–477.
  14. The Ashton Manual: Benzodiazepines: How they work and how to withdraw. abgerufen am 5. Juni 2013.
  15. Fachinformation des Arzneimittel-Kompendium der Schweiz für Dormicum® Ampullen. Stand der Informationen: November 2009.
  16. Otto Benkert, Hanns Hippius: Kompendium der psychiatrischen Pharmakotherapie. ISBN 978-3-540-78470-8, S. 335.
  17. Frank Schneider, Sabrina Weber (Hrsg.): Klinikmanual – Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Springer, Heidelberg 2008, ISBN 978-3-540-78466-1, S. 209.
  18. a b c W. Forth, D. Henschler, W. Rummel, K. Starke (Hrsg.): Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. 6. Auflage. BI-Wissenschaftsverlag, 1992, ISBN 3-411-15026-2, S. 292–293.
  19. Bjoern Moosmann, Philippe Bisel, Volker Auwärter: Characterization of the designer benzodiazepine diclazepam and preliminary data on its metabolism and pharmacokinetics. In: Drug Testing and Analysis. 2014. doi:10.1002/dta.1628
  20. a b Bjoern Moosmann and Volker Auwärter, Institute of Forensic Medicine Freiburg, Forensic Toxicology, Germany: Designer benzodiazepines ‐ Metabolism and detection (PDF-Datei)
  21. a b W. Forth, D. Henschler, W. Rummel (Hrsg.): Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. 5. Auflage. Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus, 1987, ISBN 3-411-03150-6, S. 558.
  22. G. Famiglini, F. Capriotti, P. Palma, V. Termopoli, A. Cappiello: The Rapid Measurement of Benzodiazepines in a Milk-Based Alcoholic Beverage Using QuEChERS Extraction and GC-MS Analysis. In: J Anal Toxicol. 39(4), Mai 2015, S. 306–312. PMID 25712439
  23. S. Karampela, I. Vardakou, I. Papoutsis, A. Dona, C. Spiliopoulou, S. Athanaselis, C. Pistos: Direct urine analysis for the identification and quantification of selected benzodiazepines for toxicology screening. In: J Chromatogr B Analyt Technol Biomed Life Sci. 902, 1. Aug 2012, S. 42–46. PMID 22790390
  24. E. N. Sauve, M. Langødegård, D. Ekeberg, A. M. Øiestad: Determination of benzodiazepines in ante-mortem and post-mortem whole blood by solid-supported liquid-liquid extraction and UPLC-MS/MS. In: J Chromatogr B Analyt Technol Biomed Life Sci. 883-884, 1. Feb 2012, S. 177–188. PMID 22119506
  25. I. I. Papoutsis, S. A. Athanaselis, P. D. Nikolaou, C. M. Pistos, C. A. Spiliopoulou, C. P. Maravelias: Development and validation of an EI-GC-MS method for the determination of benzodiazepine drugs and their metabolites in blood: applications in clinical and forensic toxicology. In: J Pharm Biomed Anal. 52(4), 1. Aug 2010, S. 609–614. PMID 20172681
  26. E. L. Oiestad, U. Johansen, A. M. Oiestad, A. S. Christophersen: Drug screening of whole blood by ultra-performance liquid chromatography-tandem mass spectrometry. In: J Anal Toxicol. 35(5), Jun 2011, S. 280–293. PMID 21619723
  27. a b European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction (EMCDDA): Benzodiazepines.
  28. Anlage III (verkehrsfähige und verschreibungsfähige Betäubungsmittel) zum BtMG.
  29. Bundesrat: Fünfundzwanzigste Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften. Drucksache 130/11 vom 3. März 2011.
  30. „Demnach ist der Begriff des Arzneimittels in Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83 dahin auszulegen, dass er keine Stoffe erfasst, deren Wirkungen sich auf eine schlichte Beeinflussung der physiologischen Funktionen beschränken, ohne dass sie geeignet wären, der menschlichen Gesundheit unmittelbar oder mittelbar zuträglich zu sein.“CURIA - Documents
  31. Most Common Benzodiazepine Prescriptions, 2010, abgerufan am 2. April 2015.
  32. United States Government, U.S. Department of Health and Human Services: Drug Abuse Warning Network, 2011: National Estimates of Drug-Related Emergency Department Visits, S. 49 (PDF; 911 kB). Substance Abuse and Mental Health Services Administration, 5. Juni 2014, abgerufen am 2. April 2015 (PDF).
  33. Central Narcotics Bureau, Singapore Government, Singapore: Drug Situation Report 2003. cnb.gov.sg, 2003, abgerufen am 23. September 2011.
  34. Hong Kong Government, Hong Kong: Suppression of Illicit Trafficking and Manufacturing. nd.gov.hk, abgerufen am 13. Februar 2009 (PDF).
  35. Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (Hrsg.): Möglichkeiten und Defizite in der Erreichbarkeit ausgewählter Zielgruppen (sozial benachteiligte Frauen und ältere Menschen) durch Maßnahmen und Materialien zur Reduzierung von Medikamentenmissbrauch und -abhängigkeit: Bewertung anhand aktueller Forschungsergebnisse und Beispielen aus der Praxis. 2006.
  36. F. Hoffmann, G. Glaeske, W. Scharffetter: Zunehmender Hypnotikaverbrauch auf Privatrezepten in Deutschland. In: Sucht. 52. Jahrgang 2006, Heft Nr. 6, S. 360–366.
  37. Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN): Stellungnahme zu den „Empfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft zur Verordnung von benzodiazepinhaltigen Hypnotika“ (PDF) vom 11. September 2008, abgerufen am 17. Januar 2012.
  38. Elisabeth Unseld: Nachweis natürlich vorkommender Benzodiazepine in biologischem Material. Dissertation. Universität Tübingen, 1989, DNB 900345713.
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