Estrogene

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Estrogene (standardsprachlich Östrogene, von altgriechisch οἶστρος oístrŏs, latinisiert oestrus „Stachel“, „Leidenschaft“), auch Follikelhormone genannt, sind die wichtigsten weiblichen Sexualhormone aus der Klasse der Steroidhormone. Sie werden hauptsächlich in den Eierstöcken (Ovarien) in Follikeln und im Gelbkörper, zu einem geringeren Teil auch in der Nebennierenrinde, produziert. Während der Schwangerschaft werden die Estrogene auch in der Plazenta gebildet. Auch Männer produzieren im Hoden kleine Mengen an Estrogenen; zudem wird ein gewisser Teil des Testosterons im Fettgewebe durch ein Enzym, die sog. Aromatase, in Estrogene umgewandelt.

Strukturformel von Estran
(13β-Methyl-gonan).

Estrogene sind Steroide, die als Grundgerüst Estran (13β-Methyl-gonan) besitzen. Die erstmalige Isolierung von Estrogenen und die Bestimmung der Struktur von Estrogenen erfolgte 1929 durch den deutschen Chemiker Adolf Butenandt.

Biosynthese[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Biosynthese der Steroidhormone

Estrogene entstehen durch die Umwandlung von männlichen Geschlechtshormonen. Hauptsächlich entsteht Estradiol durch Umwandlung von Testosteron. Die Umwandlung wird durch das Enzym Aromatase katalysiert. Dabei wird der Ring A mit den C-Atomen 1 bis 5 und 10 des Sterangerüstes in eine aromatische Struktur (siehe Aromat) umgewandelt.

Wirkung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Estrogene fördern die Reifung einer befruchtungsfähigen Eizelle. Durch Estrogene wird die Gebärmutterschleimhaut gut durchblutet, der Muttermund öffnet sich, und das Gebärmutterhalssekret wird durchlässig für Spermien. Estrogene signalisieren der Hypophyse die Eizellreife und lösen damit indirekt den Eisprung aus. Die Konzentration der Estrogene ändert sich erheblich im Verlauf des weiblichen Zyklus. Gesteuert wird die Produktion von der Hypophyse über die Gonadotropine (FSH und LH). Nach der Menopause fällt die Estrogensynthese im weiblichen Körper stark ab.[1]

Im Blut werden Estrogene meist an Eiweiß gebunden transportiert. An bestimmten Organen (z. B. der weiblichen Brust und der Gebärmutter) befinden sich spezifische Estrogenrezeptoren, an die sich die Estrogene binden. Die Estrogene werden direkt zum Zellkern transportiert und beeinflussen so die Aktivität der Zellen. In der Antibabypille sind Estrogene enthalten.[2]

Estrogene wirken physiologisch auf die Knochen in Form eines Epiphysenschlusses und Hemmung der osteoklastären Knochenresorption;[3] eine Verminderung des Estrogenspiegels im Blut kann zu Osteoporose (Knochenschwund) führen. Estrogene haben auch eine stimulierende Wirkung auf das Immunsystem, weswegen Estrogentherapien gelegentlich als Nebenwirkung die Aktivierung latenter Autoimmunerkrankungen haben. Zudem erhöhen Estrogene im Hirn die Sensibilität für das Hören; ein verminderter Estrogenspiegel, etwa nach der Menopause, verschlechtert dagegen das Hörvermögen. Das Hormon ist essentiell für das Speichern von Gedächtnisinhalten von Geräuschen und Sprache.[4]

Als Nebenwirkung von Estrogenpräparaten kann systemischer Lupus erythematodes, Erythema nodosum, Pruritus und Erythema multiforme (alles Autoimmunreaktionen) auftreten.[5] Estrogen kann negative Auswirkungen auf die Psyche haben; die Nebenwirkungen eines Estrogenpräparates enthalten den Hinweis, dass dies „sehr selten <1/10.000psychische Erkrankungen…sowie Schlaflosigkeit und Depressionen“ hervorrufen kann.[5] Bei einigen Tieren wie Fischen und Fröschen wurden unter Einfluss von Estrogenen und Halogenkohlenwasserstoffen künstliche Geschlechtsumwandlungen beobachtet.[6]

Estrogentypen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von den natürlichen Estrogenen zeigen lediglich Estriol und – in hoher Dosierung – Estradiol bei oraler Anwendung eine Wirkung. Wegen schneller Metabolisierung besitzen Estradiol und andere natürliche Estrogene bei parenteraler Applikation eine flüchtige und bei oraler Applikation nur geringe Wirkung. Aus diesem Grunde werden vorwiegend künstliche Estrogene medikamentös eingesetzt, die meist als Ester der natürlichen Verbindungen oder als substituierte Derivate wesentlich langsamer metabolisiert werden und damit länger wirksam sind.

Natürliche Estrogene[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Synthetische Estrogene mit 17α-Ethinylgruppe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Siehe auch: Ethin

Sonstige Estrogene[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 002208-12-0 : 6-Dehydroestron
  • 000053-63-4 : 17-Desoxyestradiol
  • 000362-05-0 : 2-Hydroxyestradiol
  • 000517-04-4 : Isoestradiol (8α-Estradiol)
  • 001818-12-8 : 2-Methylestradiol
  • 006171-48-8 : 4-Methylestradiol
  • 028014-46-2 : Polyestradiol-phosphat
  • 039219-28-8 : Promestrien
  • 088847-87-4 : 2-Chloroestradiol
  • 126559-87-3 : 1,11β-Ethanoestradiol

Nicht-steroidale Estrogene[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hyperandrogenismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Etwa fünf bis zehn Prozent aller Frauen leiden unter den Folgen einer Ungleichverteilung männlicher und weiblicher Hormone, mit eine Ursache des sogenannten polyzystischen Ovarsyndrom PCOS.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Christian Behl: Estrogen: Mystery drug for the brain? The neuroprotective activities of the female sex hormone: The Neuroprotective Activities of the Female Sex Hormone. Springer, Wien, 2001, ISBN 3-211-83539-3.
  2. Ulrich Meyer (2004): Die Geschichte der Östrogene. In: Pharmazie in unserer Zeit. Bd. 33, Nr. 5, S. 352–356. doi:10.1002/pauz.200400080.
  3. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 259. Auflage, 2002: Osteoporose (Knochenschwund).
  4. Estrogen Controls How The Brain Processes Sound, Meldung im Science Daily vom 6. Mai 2009.
  5. a b [[[Kategorie:Wikipedia:Weblink offline ]]@1@2Vorlage:Toter Link/www.kompendium.ch (Seite nicht mehr abrufbar; Suche in Webarchiven) Arzneimittelliste der Schweiz (Präparat: Vagifem)].
  6. BUND: Hormonaktive Substanzen im Wasser. September 2001 (Memento vom 11. März 2004 im Internet Archive). (PDF).
  7. C. J. Mirocha, B. Schauerhamer, C. M. Christensen, M. L. Niku-Paavola, M. Nummi: Incidence of zearalenol (Fusarium mycotoxin) in animal feed. In: Applied and Environmental Microbiology. Band 38, Nr. 4, Oktober 1979, S. 749–750, PMID 161492.
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