Huffpost Germany
BLOG

Eine offene Plattform für kontroverse Meinungen und aktuelle Analysen aus dem HuffPost-Gastautorennetzwerk

Ahmed Agdas Headshot

Geheimbericht: Gülen spielte keine Rolle beim Putschversuch in der Türkei

Veröffentlicht: Aktualisiert:
FETHULLAH GUELEN
dpa
Drucken

Der islamische Prediger Fethullah Gülen soll laut einem Geheimpapier nicht persönlich in den gescheiterten Putsch im Juli letzten Jahres involviert gewesen sein. Der Umsturzplan sei vielmehr ein Versuch Dritter gewesen, eine drohende Verhaftungswelle abzuwehren.

Wer steckt hinter dem türkischen Putschversuch von vergangenem Juli? Ein streng vertrauliches, sechsseitiges Dokument der geheimdienstlichen Analyseabteilung des Auswärtigen Amtes der EU (EUINTCEN) liegt nun offen und zeigt, dass sich die türkischen Angaben widersprechen: Es sei "höchst unwahrscheinlich", dass der seit 1999 in den USA lebende Prediger Gülen "eine Rolle bei dem Putschversuch gespielt" habe, heißt es darin.

➨ Mehr zum Thema: Radikaler Umbau des politischen Systems: Erdogan-Pläne nehmen erste Hürde im Parlament

Die offizielle Lesart in Ankara beschreibt folgenden Ablauf: Nachdem die Unterstützer des islamischen Predigers Fethullah Gülen in den türkischen Streitkräften am 15. Juli 2016 ohne Erfolg versucht hatten, die Regierung der Türkei zu stürzen, sah sich Staatschef Erdogan zum Handeln gezwungen und leitete eine Säuberungswelle in den staatlichen Institutionen ein.

Die Folge: Rund 100.000 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes wurden bis Mitte November 2016 suspendiert. Darunter 8800 Mitarbeiter des Innenministeriums, 7700 Sicherheitskräfte, 4700 Militäroffiziere, 3500 Richter und Staatsanwälte, 5000 Akademiker, Uni-Präsidenten, Professoren, Schulleiter, 1500 Mitarbeiter der Religionsbehörde und viele mehr.

1300 Schulen und 35 Krankenhäuser wurden geschlossen

3500 Firmen und Einrichtungen wurden geschlossen oder enteignet, davon 1300 Schulen, 15 Universitäten, 800 Wohnheime, 35 Krankenhäuser sowie 129 Stiftungen. Die Zahlen stammen von der türkischen Regierung selbst. Von Verhaftungen und Folter in Gefängnissen ganz zu schweigen.

Die Experten des EUINTCEN sind bereits gut einen Monat nach dem gescheiterten Putsch in der Türkei zu dem Schluss gekommen, dass die von der türkischen Regierung vorgeschobenen Erklärungen für den Umsturzversuch und die Begründungen der eingeleiteten Säuberungswelle nicht wasserdicht sind.

➨ Mehr zum Thema: Prügel-Szenen im türkischen Parlament: Politiker beißt Gegner im Streit um Erdogan

Gestützt auf nachrichtendienstliche Quellen sind sie zur Einsicht gelangt, dass der Putsch nicht ausschließlich von Gülen Anhängern geplant und unternommen wurde, sondern von einer Gruppe von "Gülen Anhängern, Kemalisten (also Anhängern einer säkularen politischen Ordnung, Anm.), Opportunisten sowie generell Gegnern der Regierungspartei AKP".

Es deutet sehr viel darauf hin, dass der Putschversuch nur als Vorwand dient, um alle Kritiker mundtot zu machen und das auf Erdogan zugeschnittene Präsidialsystem ohne großen Widerstand einzuführen. Kritiker sprechen davon, dass das neue Präsidialsystem Erdogan volle Macht verleihen und die Demokratie verloren sein wird.

Pointiert und meinungsstark: Der HuffPost-WhatsApp-Newsletter

2016-07-22-1469180154-5042522-trans.png

Lesenswert:

Ihr habt auch ein spannendes Thema?
Die Huffington Post ist eine Debattenplattform für alle Perspektiven. Wenn ihr die Diskussion zu politischen oder gesellschaftlichen Themen vorantreiben wollt, schickt eure Idee an unser Blogteam unter blog@huffingtonpost.de.