Substanzinduzierte Psychose

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Klassifikation nach ICD-10
F10.- Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol
F11.- Psychische und Verhaltensstörungen durch Opioide
F12.- Psychische und Verhaltensstörungen durch Cannabinoide
F13.- Psychische und Verhaltensstörungen durch Sedativa oder Hypnotika
F14.- Psychische und Verhaltensstörungen durch Kokain
F15.- Psychische und Verhaltensstörungen durch alternative Stimulanzien, inklusive Koffein
F16.- Psychische und Verhaltensstörungen durch Halluzinogene
F17.- Psychische und Verhaltensstörungen durch Tabak
F18.- Psychische und Verhaltensstörungen durch flüchtige Lösungsmittel
F19.- Psychische und Verhaltensstörungen durch multiplen Substanzgebrauch und Konsum anderer psychotroper Substanzen
ICD-10 online (WHO-Version 2016)

Eine substanzinduzierte Psychose (auch bekannt als Drogenpsychose oder drogeninduzierte Psychose) ist eine psychotische Störung, die mit oder ohne ärztliche Verordnung, von einer oder mehreren psychotropen Substanzen (wie z. B. Alkohol, Cannabinoide, Opioide, Tabak, Kokain, Amphetamin, LSD etc.) ausgelöst wurde. Substanzinduzierte Psychosen können unter Umständen irreversibel (unheilbar), aber auch vorübergehend sein.[1] Psychiatrisch ist sie unter exogenen Psychosen klassifiziert.

Einordnung nach ICD-10[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach ICD-10 (2014) ist eine psychotische Störung durch Substanzgebrauch (F1x.5) von:

zu unterscheiden.[2]

Es gibt folgende Formen der substanzinduzierten Psychose:

  • schizophrenieform (F1x.50)
  • vorwiegend wahnhaft (F1x.51)
  • vorwiegend halluzinatorisch (F1x.52)
  • vorwiegend polymorph (F1x.53)
  • vorwiegend affektiv (F1x.54–56)

Krankheitsverlauf[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Psychoaktive Substanzen können Psychosen verursachen oder auslösen; bereits abgeklungene Psychosen können erneut ausbrechen. Hierfür reicht unter Umständen bereits einmaliger Konsum. Psychotische Störungen durch Substanzgebrauch werden wie andere Psychosen behandelt und heilen nicht immer durch Abstinenz vollständig aus.

Alkoholpsychose[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neben organischen Schäden an Magen, Herz und vor allem der Leber wird auch das Gehirn durch regelmäßigen Alkoholkonsum beeinträchtigt. Erkrankungen des Gehirns sind insbesondere das Delirium tremens, eine lebensgefährliche Erkrankung mit wahnhafter Wahrnehmung wie beispielsweise Spinnen, „weiße Mäuse“ usw. mit heftiger Erregung, Schlaflosigkeit, Angst und Desorientierung; das Korsakow-Syndrom, mit einer Geistesschwäche, die auf einem Versagen des Gedächtnisses beruht; den Alkoholwahn z. B. in der Form eines Eifersuchtswahns und die Alkohol-Halluzinose mit Wahnvorstellungen des Kranken, bei denen er beispielsweise Stimmen hört, welche ihn beschimpfen. Die Alkohol-Psychose kann wenige Wochen bis Monate dauern.

Kokainpsychose[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Kokainpsychose ist gekennzeichnet durch paranoid wahnhafte Wahrnehmungsstörungen sowie durch optische, akustische und taktile Wahrnehmungsstörungen.[3] Dermatozoenwahn ist ein charakteristisches Symptom, hierbei glaubt der Betroffene, Insekten krabbelten unter seiner Haut. Diese Zustände können chronisch bleiben.[4]

Halluzinogene[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Insbesondere bei halluzinogenen Substanzen wie LSD kann es zu Rauschzuständen kommen, bei denen nicht von der Sinneswahrnehmung stammende Farben, Formen oder Bilder wahrgenommen werden. Diese Zustände können einer Psychose ähneln,[5] sind jedoch von einer substanzinduzierten Psychose zu unterscheiden. Im Gegensatz zum psychisch Erkrankten können Konsumenten von Halluzinogenen in der Regel erkennen, dass die von ihnen wahrgenommenen Phänomene nicht äußeren, sondern inneren Ursprungs sind und lediglich Pseudohalluzinationen darstellen. Bei schizophrenen Formenkreisen dominieren akustische Halluzinationen und nur gelegentlich können optische Phänomene auftreten. Eine spezielle Form der substanzinduzierten Psychose durch Halluzinogene wird im US-amerikanischen Raum als Hallucinogen persisting perception disorder oder HPPD bezeichnet.[6]

Siehe auch: Modellpsychose

In einer retrospektiven Querschnittsstudie (2013) von Patientenangaben in Fragebögen aus den Jahren 2001 bis 2004 wurde ein möglicher statistischer Zusammenhang zwischen ärztlicher Behandlung innerhalb des vergangenen Jahres wegen psychischer oder psychiatrischer Probleme und mindestens einmaliger Einnahme von einer der psychedelischen Substanzen LSD, Psilocybin oder Mescalin/Peyote während des gesamten Lebens untersucht. Die Unterlagen des National Survey of Drug Use and Health (NSDUH), durchgeführt vom Gesundheitsministerium der USA, lieferten die Daten von 130.152 solcher Patienten für diesen Zeitraum. Von diesen gaben 21.967 an, mindestens einmal in ihrem Leben eine der genannten Substanzen konsumiert zu haben. Ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen den untersuchten Variablen wurde nicht gefunden. Die Autoren folgerten daraus, dass eine mindestens einmalige Einnahme von einer der psychedelischen Substanzen LSD, Psilocybin oder Mescalin/Peyote während des gesamten Lebens kein unabhängiger Risikofaktor für psychische Probleme des vergangenen Jahres sei. Sie wiesen jedoch darauf hin, dass eine Studie dieser Art keine Hinweise auf mögliche ursächliche Zusammenhänge gebe.[7]

Cannabis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Sinne des Vulnerabilitäts-Stress-Modells wird vermutet, dass chronischer Cannabiskonsum bei anfälligen Personen im Sinne eines Stressors zu verstehen ist, der eine schizophrene Episode auslösen kann. Einige Studien belegen ein leicht erhöhtes Risiko. 1,2 % der in einer australischen Erhebung erfassten Konsumenten wiesen diese Symptome auf. Der Durchschnitt in der Bevölkerung liegt bei 1 %.[8][9]

MDMA (Ecstasy)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Akute, als auch über Wochen und Monate anhaltende, psychotische Effekte – neben Halluzinationen auch Panikattacken und Depersonalisation – sind nach Einnahme von MDMA (Ecstasy) beschrieben worden, mehrfach auch nach nur einmaligem Konsum in üblicher Dosis.[10]

Substanzinduzierte Psychosen in den Medien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Cannabis

  • T. H. Moore, S. Zammit, A. Lingford-Hughes, T. R. Barnes, P. B. Jones, M. Burke, G. Lewis: Cannabis use and risk of psychotic or affective mental health outcomes: a systematic review. In: Lancet. Band 370, Nummer 9584, Juli 2007, ISSN 1474-547X, S. 319–328, doi:10.1016/S0140-6736(07)61162-3, PMID 17662880 (Review).
  • D. M. Semple, A. M. McIntosh, S. M. Lawrie: Cannabis as a risk factor for psychosis: systematic review. In: Journal of psychopharmacology. Band 19, Nummer 2, März 2005, ISSN 0269-8811, S. 187–194, PMID 15871146 (Review).

Kokainpsychose

  • Jerome J. Platt: Cocaine Addiction: Theory, Research, and Treatment, Harvard University Press 2000, ISBN 0674001788.
  • Roger D. Weiss, Steven M. Mirin, Roxanne L. Bartel: Cocaine, American Psychiatric Pub 2002, ISBN 1585621382.

Halluzinogene

  • Lee M. Cohen, Frank L. Collins, Jr., Alice Young, Dennis E. McChargue, Thad R. Leffingwell, Katrina L. Cook: Pharmacology and Treatment of Substance Abuse: Evidence and Outcome Based Perspectives, New York, Routledge 2013, ISBN 1135704015.
  • Jan Dirk Blom: A Dictionary of Hallucinations, Springer Science & Business Media 2009, ISBN 1441912231.

MDMA (Ecstasy)

  • Leslie Iversen: Speed, Ecstasy, Ritalin: The Science of Amphetamines, Oxford University Press 2008, ISBN 0198530900.
  • Ralph E. Tarter, Robert Ammerman, Peggy J. Ott: Handbook of Substance Abuse: Neurobehavioral Pharmacology, Springer Science & Business Media 2013, ISBN 1475729138.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Suchtmittel, Behandlungsmöglichkeiten, Beratungsstellen, BZgA, Köln (PDF; 0,8 MB)
  2. ICD-10-GM Version 2014: Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen (F10–F19)
  3. C. Roncero, E. Ros-Cucurull, C. Daigre, M. Casas: Prevalence and risk factors of psychotic symptoms in cocaine-dependent patients. In: Actas españolas de psiquiatría. Band 40, Nummer 4, 2012 Jul-Aug, ISSN 1578-2735, S. 187–197, PMID 22851479 (Review).
  4. J. D. Brewer, A. Meves, J. M. Bostwick, K. L. Hamacher, M. R. Pittelkow: Cocaine abuse: dermatologic manifestations and therapeutic approaches. In: Journal of the American Academy of Dermatology. Band 59, Nummer 3, September 2008, ISSN 1097-6787, S. 483–487, doi:10.1016/j.jaad.2008.03.040, PMID 18467002 (Review).
  5. A. L. Halberstadt, M. A. Geyer: Serotonergic hallucinogens as translational models relevant to schizophrenia. In: The international journal of neuropsychopharmacology / official scientific journal of the Collegium Internationale Neuropsychopharmacologicum (CINP). Band 16, Nummer 10, November 2013, ISSN 1469-5111, S. 2165–2180, doi:10.1017/S1461145713000722, PMID 23942028, PMC 3928979 (freier Volltext) (Review).
  6. J. H. Halpern, H. G. Pope: Hallucinogen persisting perception disorder: what do we know after 50 years? In: Drug and alcohol dependence. Band 69, Nummer 2, März 2003, ISSN 0376-8716, S. 109–119, PMID 12609692 (Review).
  7. Teri S. Krebs, Pål-Ørjan Johansen, Lin Lu: Psychedelics and Mental Health: A Population Study. In: PLoS ONE. 8, 2013, S. e63972, doi:10.1371/journal.pone.0063972.
  8. Uni-Düsseldorf – Australische Erhebung
  9. Kurzzeitgedächtnis als Verbindung zwischen Marihuana-Konsum und Schizophrenie, aerzteblatt.de
  10. Review in: F. Rugani, S. Bacciardi, L. Rovai, M. Pacini, A. G. Maremmani, J. Deltito, L. Dell’osso, I. Maremmani: Symptomatological features of patients with and without Ecstasy use during their first psychotic episode. In: International journal of environmental research and public health. Band 9, Nummer 7, Juli 2012, ISSN 1660-4601, S. 2283–2292, doi:10.3390/ijerph9072283, PMID 22851941, PMC 3407902 (freier Volltext).
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