Europa muss aufrüsten. Aber das darf nicht an der Nato vorbei geschehen
29. November 2016
Die Europäische Union muss mehr für ihre Verteidigung tun. Doch ihre Rüstungsanstrengungen dürfen nicht auf Kosten der Nato-Strukturen gehen, sondern müssen diese im Gegenteil stärken. Andernfalls würde die EU den isolationistischen Plänen Donald Trumps vorauseilend in die Hände spielen. Mein kurzer „Pro“-Kommentar auf die Frage: „Mehr europäische Verteidigung?“ in der jüngsten Ausgabe der Wochenzeitung „Das Parlament“:
Donald Trumps Drohung, das US-Engagement für die Nato zu beenden, sollten die Verbündeten keinen größeren Beitrag zum Bündnis leisten, unterminiert in unverantwortlicher Weise den Zusammenhalt des Westens. Doch trifft seine Attacke auch einen wunden Punkt: Die Europäer tun auf militärischem Gebiet tatsächlich zu wenig. Schon ihrer Selbstverpflichtung nachzukommen, den Wehretat auf zwei Prozent des Staatshaushalts aufzustocken, scheint die meisten europäischen Nato-Mitglieder zu überfordern.
Jetzt hat der Trump-Schock hektische Planungen zum Ausbau der EU-Verteidigungsgemeinschaft ausgelöst. Angesichts von Bedrohungen wie der durch Putins Neo-Imperialismus und Cyber-Angriffe autoritärer Mächte sind solche Anstrengungen dringend geboten. Doch nur, wenn sie nicht auf Kosten existierender supranationaler Nato-Strukturen gehen, sondern diese im Gegenteil stärken. Die Entwicklung von EU-Parallelstrukturen würde das Auseinanderdriften der atlantischen Allianz befördern und Trumps Isolationismus vorauseilend in die Hände spielen.
Das enge Bündnis mit den USA bleibt für Europas Sicherheit essenziell. Doch können die Europäer militärische Lasten, die sie selbst schultern müssten, nicht länger auf Washington abwälzen – gleichgültig, wer dort regiert. Seit Ende des Kalten Kriegs hat sich Europa der Illusion hingegeben, internationale Konflikte würden nur noch per friedlichem Interessenausgleich gelöst. Angesichts des globalen Erstarkens aggressiver Kräfte, die dieses Prinzip nicht anerkennen, trifft sie nun die Erkenntnis, dass in der Weltpolitik nur ernst genommen wird, wer auch militärische Stärke vorweisen kann. Zum Umdenken bleibt jetzt nicht viel Zeit.