Europa muss aufrüsten. Aber das darf nicht an der Nato vorbei geschehen

29. November 2016 Autor: Richard Herzinger

Die Europäische Union muss mehr für ihre Verteidigung tun. Doch ihre Rüstungsanstrengungen dürfen nicht auf Kosten der Nato-Strukturen gehen, sondern müssen diese im Gegenteil stärken. Andernfalls würde die EU den isolationistischen Plänen Donald Trumps vorauseilend in die Hände spielen. Mein kurzer „Pro“-Kommentar auf die Frage: „Mehr europäische Verteidigung?“ in der jüngsten Ausgabe der Wochenzeitung „Das Parlament“:

Donald Trumps Drohung, das US-Engagement für die Nato zu beenden, sollten die Verbündeten keinen größeren Beitrag zum Bündnis leisten, unterminiert in unverantwortlicher Weise den Zusammenhalt des Westens. Doch trifft seine Attacke auch einen wunden Punkt: Die Europäer tun auf militärischem Gebiet tatsächlich zu wenig. Schon ihrer Selbstverpflichtung nachzukommen, den Wehretat auf zwei Prozent des Staatshaushalts aufzustocken, scheint die meisten europäischen Nato-Mitglieder zu überfordern.

Jetzt hat der Trump-Schock hektische Planungen zum Ausbau der EU-Verteidigungsgemeinschaft ausgelöst. Angesichts von Bedrohungen wie der durch Putins Neo-Imperialismus und Cyber-Angriffe autoritärer Mächte sind solche Anstrengungen dringend geboten. Doch nur, wenn sie nicht auf Kosten existierender supranationaler Nato-Strukturen gehen, sondern diese im Gegenteil stärken. Die Entwicklung von EU-Parallelstrukturen würde das Auseinanderdriften der atlantischen Allianz befördern und Trumps Isolationismus vorauseilend in die Hände spielen.

Das enge Bündnis mit den USA bleibt für Europas Sicherheit essenziell. Doch können die Europäer militärische Lasten, die sie selbst schultern müssten, nicht länger auf Washington abwälzen – gleichgültig, wer dort regiert. Seit Ende des Kalten Kriegs hat sich Europa der Illusion hingegeben, internationale Konflikte würden nur noch per friedlichem Interessenausgleich gelöst. Angesichts des globalen Erstarkens aggressiver Kräfte, die dieses Prinzip nicht anerkennen, trifft sie nun die Erkenntnis, dass in der Weltpolitik nur ernst genommen wird, wer auch militärische Stärke vorweisen kann. Zum Umdenken bleibt jetzt nicht viel Zeit.

Sieben Fragen, die der Westen Putin (immer wieder) stellen muss

23. Oktober 2016 Autor: Richard Herzinger

Am vergangenen Mittwoch wurde Russlands Präsident Wladimir Putin von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin im Kanzleramt zu Gesprächen im Normandie-Format (Deutschland, Frankreich, Russland, Ukraine) empfangen. Neben der Frage, wie es mit dem Minsker Abkommen weiter gehen soll, stand zum Abschluss des Treffens (nach Abreise des ukrainischen Präsidenten) auch das russische Vorgehen in Syrien und insbesondere gegenüber dem belagerten Aleppo zur Debatte. In der „Welt“ formulierte ich aus diesem Anlass sieben Fragen (vorwiegend zur Ukraine), die die westlichen Staatschefs Putin – nicht nur bei dieser Gelegenheit – stellen sollten. Eine längere Version davon lesen Sie hier:

 

1) Wann geben Sie endlich offiziell zu, dass verdeckt operierende russische Truppen beziehungsweise von der russischen Armee angeworbene „Freiwillige“ auf ostukrainischem Territorium stehen und fortgesetzt die im Minsker Abkommen vereinbarte Waffenruhe brechen? Die Fiktion, dass Russland in der Ukraine nicht Kriegspartei, sondern Friedensvermittler gegenüber den – in Wahrheit von der russischen Regierung vollständig abhängigen –„Volkrepubliken“ Donezk und Luhansk sei, kann nicht länger aufrechterhalten werden. Nur auf der Basis der Anerkennung der offensichtlichen Fakten sind wirklich erfolgversprechende Verhandlungen über die Zukunft der Ostukraine möglich. Den ganzen Beitrag lesen »

Die Ukraine haucht dem zweifelnden Europa neues Leben ein

7. Oktober 2016 Autor: Richard Herzinger

In der EU schwindet der Glaube an die gemeinsame europäische Zukunft. Umso erstaunlicher, dass die Begeisterung für Europas Freiheitswerte in der Ukraine ungebrochen ist. Sie stößt aber auf alte und neue Beharrungskräfte. Von besonderer Bedeutung für die demokratische Erneuerung der Ukraine ist ihr veränderter Umgang mit der eigenen Vergangenheit.

 

Petro Poroschenko klang geradezu beschwörend. „Wir sprechen nicht von der Verteidigung der Ukraine, wir sprechen von der Verteidigung unseres gemeinsamen Europa“, rief er aus.

Der ukrainische Präsident sprach kürzlich in Kiew zu über 300 Teilnehmern der 13. Jahrestagung von „Yalta European Strategy“ (YES). Zum Kern dieser von dem ukrainischen Geschäftsmann (mancher nennt ihn einen Oligarchen) und Kulturmäzen Wiktor Pintschuk gegründeten internationalen Expertenrunde zur Unterstützung der Demokratie in der Ukraine und anderen osteuropäischen Ländern zählen Elder Statesmen wie der frühere polnische Präsident Aleksander Kwaszniewski und der ehemalige Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen. Doch auch aktive ukrainische und internationale Spitzenpolitiker zeigen sich gerne auf diesem Forum. Hillary Clinton etwa war schon zweimal dabei. Den ganzen Beitrag lesen »

Nur staatlich geeint kann Europa dem Terror standhalten

28. März 2016 Autor: Richard Herzinger

Angesichts der Kriegserklärung durch den islamistischen Terrorismus kann Europa nicht länger so weiter machen wie bisher. Die EU muss sich zu einem wehrhaften Bundesstaat konstituieren.

Wie oft lässt sich dieses Ritual wiederholen, bevor die Abstumpfung überhandnimmt? Nach jedem neuen verheerenden Terroranschlag der dschihadistischen Horrormiliz IS in Europa werden Entsetzen, Abscheu und Betroffenheit zelebriert, wird die Solidarität der Europäer und der ganzen freien Welt beschworen und trotzig skandiert, wir ließen uns von den Terroristen nicht einschüchtern und in unserer freiheitlichen Lebensführung einschränken. Den ganzen Beitrag lesen »

Hisbollah droht Israel vernichtende Schläge an

20. Februar 2016 Autor: Richard Herzinger

Die proiranische libanesische Hisbollah ist akut die größte Bedrohung für Israel – größer noch als der IS und al-Qaida. Als wichtiger Bestandteil der Kriegsachse Moskau-Teheran-Damaskus im Syrienkrieg steigert die schiitisch-islamistische Terrormiliz ihre Macht und militärische Schlagkraft – die sie gegen den jüdischen Staat in Stellung bringt. Aufgerüstet wird sie nicht nur vom Iran, sondern offenbar zunehmend auch von Russland.

Der Führer der libanesischen Hisbollah, Hassan Nasrallah, hat Israel für den Fall einer kommenden militärischen Konfrontation mit Vernichtungsschlägen gedroht, deren Zerstörungskraft der eines nuklearen Angriffs ähnelt. Das berichtet die Internetseite „The Israel Project“. Die Hisbollah verfüge nämlich über Raketen, mit denen sie die Speichertankanlagen für Ammoniakgas in Haifa treffen und in die Luft jagen könne. Den ganzen Beitrag lesen »

Moskaus Drohung mit dem Weltkrieg und die Augenwischerei um eine „Feuerpause“ in Syrien

12. Februar 2016 Autor: Richard Herzinger

Putins Sprechpuppe Dimitri Medwedew, offiziell der Ministerpräsident der Russischen Föderation, „warnt vor einem dritten Weltkrieg wegen Syrien“ – so wird es heute landauf -landab in den deutschen Medien verbreitet. Das ist ein exemplarisches Beispiel dafür, wie man in einer scheinbar objektiven Nachricht eine Beschönigung der Absichten des Kreml, um nicht zu sagen: die Manipulationen der Putin-Propaganda unterbringen kann. Denn in Wirklichkeit handelt es sich bei Medwedews Äußerung natürlich um eine ungeheuerliche Drohung, mit der er den Westen belegt, sollte dieser auf den Gedanken kommen, Bodentruppen nach Syrien zu schicken. Den ganzen Beitrag lesen »

Die Aufhebung der Sanktionen gegen Iran – ein verhängnisvoller Irrweg

18. Januar 2016 Autor: Richard Herzinger

Weil der lran laut der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) seine Verpflichtungen aus dem im Juli 2015 geschlossenen Abkommen über die Rückführung seines Nuklearprogramms erfüllt habe, hebt der Westen die Sanktionen gegen die Islamische Republik auf. Bei westlichen Politikern und Wirtschaftsführern herrscht darüber Euphorie. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel spricht von dem „Beginn eines neuen Kapitels“ in den Wirtschaftsbeziehungen mit Teheran, und Außenminister Frank-Walter Steinmeier sieht darin „einen historischen Erfolg der Diplomatie.“ Den ganzen Beitrag lesen »

Die Forderung nach einer neuen „Realpolitik“ blendet die Wirklichkeit aus

6. Januar 2016 Autor: Richard Herzinger

Der Aufstieg des IS hat realpolitischen Forderungen Auftrieb gegeben, zusammen mit Baschar al-Assad gegen die Terrormiliz vorzugehen. Ein Plan, der allenfalls geeignet ist, noch verheerendere Konflikte zu schaffen. Und: Die Geschichte lehrt, dass Demokratien nur bestehen, wenn sie den Anspruch nicht aufgeben, ihre Werte weltweit zu verankern. Mein Essay über die ganz und gar nicht realitätstüchtigen Enthusiasten einer neuen „Realpolitik“, der soeben in der Zeitschrift „Internationale Politik“ erschienen ist.

Als im Spätsommer und Frühherbst 2015 die Flüchtlingswelle aus Syrien den Zusammenhalt der Europäischen Union erschütterte und die militärische Intervention Russlands auf Seiten des massenmörderischen Assad-Regimes das Gemetzel in Syrien auf eine neue weltpolitische Eskalationsstufe hob, erlebte hierzulande ein – lange Zeit gar nicht sehr beliebter – Begriff inflationäre Hochkonjunktur: die „Realpolitik“. Den ganzen Beitrag lesen »

Die saudisch-iranische Eskalation: Folge der verheerenden Desorientierung des Westens

4. Januar 2016 Autor: Richard Herzinger

Die dramatische Zuspitzung des Konflikts zwischen Saudi-Arabien und der Islamischen Republik Iran ist die absehbare Konsequenz des Einknickens des Westens vor dem Assad-Regime  in Syrien und seinen Schutzherren in Moskau und Teheran. Der westliche Schwenk zugunsten des Hinrichtungsstaats Iran ist kein Weg zur Befriedung des Nahen Ostens, sondern treibt die Region in einen großen Krieg

Die weltweite Empörung ist enorm: Saudi-Arabien hat 47 Todesurteile auf einen Schlag vollstreckt. Eine Hinrichtung traf den schiitischen Prediger Scheich Nimr Baker al-Nimr. Dass Saudi-Arabien mit dieser Terrorjustiz den bösartigen, Menschenrechte zynisch missachtenden Charakter seines autokratischen Herrschaftssystems unterstrichen hat, steht außer Frage. Die Proteste dagegen wären freilich glaubwürdiger, riefen die Zustände in der Islamischen Republik Iran, dessen Regime jetzt am lautesten gegen die Saudis wettert, bei uns auch nur annähernd ähnlich heftige Reaktionen hervor. Den ganzen Beitrag lesen »

Putin ist nicht genial. Der Westen leidet vielmehr unter Amnesie

30. Oktober 2015 Autor: Richard Herzinger

Der Westen darf nicht abwarten, bis Putin mit seiner globalstrategischen Offensive von selbst gegen die Wand fährt. Doch entschiedene Gegenmaßnahmen sind nicht zu erwarten – nicht von den USA, und noch viel weniger von den Europäern. Statt dessen wird nun auch der Iran zum potenziellen strategischen Friedenspartner nobilitiert. Als plumpester Vorturner des Appeasements profiliert sich indessen SPD-Chef Sigmar Gabriel.

Putins vermeintliches strategisches Genie wird maßlos überschätzt, meint Michael A. McFaul in der „New York Times“. In der Tat, der Kremlherr wird sich wohl ebenso ungläubig staunend wie köstlich amüsiert auf die Schenkel schlagen ob der Erkenntnis, dass es ausreicht, einfach stur nach dem KGB-Regelbuch vorzugehen, um den Westen in heillose Konfusion und ratlose Ohnmacht zu stürzen. Während er bei seiner globalpolitischen Offensive exakt nach dem Schema verfährt, wie es die Sowjetunion im Kalten Krieg immer getan hat, scheint die andere Seite von Totalamnesie befallen zu sein und nicht nur die Regeln vergessen zu haben, denen dieses Machtspiel folgt, sondern nicht einmal mehr zu wissen scheint, um welches Spiel es sich hier überhaupt handelt. Den ganzen Beitrag lesen »

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