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Foto nordische Landschaft

21. Januar 2016

Kein hundeäugiger Klampfer: Axel Flóvent

Das Eurosonic Festival im niederländischen Groningen ist ein wunderbares Entrée ins neue Jahr: Das Musikspektakel präsentiert immer im Januar viel versprechende Newcomer aus allen Ecken Europas. Jedes Jahr wundert man sich aufs Neue, wie viele Veranstaltungsstätten in der Studentenstadt existieren. Selbst die ehrwürdige AA Kerk wird zur Venue umfunktioniert. Die Kirchenleute verkaufen an einer improvisierten Bar eifrig Rotwein und Bier. Wer hätte das von den prüden Protestanten gedacht! Weit über 300 Bands und Musiker spielen an vier Tagen, wobei der Samstag exklusiv für die niederländischen Bands reserviert ist. Es ist immer nützlich, sich beim Eurosonic von Anfang an bewusst zu machen, dass man nur einen Bruchteil des Angebots nutzen kann. Umso wichtiger ist es, auf Empfehlungen zu setzen! Eine meiner derzeitigen isländischen Lieblingsbands, die putzmunteren, fröhlichen und selbstironischen Youngsters Rhytmatik, hatten mir ihren Freund Axel Flóvent ans Herz gelegt, der auch aus den abgelegenen Westfjorden kommt, und zwar aus dem Örtchen Húsavík. Der strubbelhaarige 19jährige spielt am ersten Tag im kuscheligen Obergeschoss des Grand Theatre am Markt, wo man dicht gedrängt auf Klappsitzen sitzend entspannt lauschen und ein leckeres Vedett-Bier schnabulieren kann. Axel Flóvent ist ein Singer-Songwriter, die auf der Atlantikinsel so zahlreich vertreten sind wie Geysire oder Gletscher. Gleichwohl! Herr Flóvent ist kein braver, hundeäugiger Klampfer, gottseidank! Sondern hat an diesem Abend seine Band mitgebracht, die ihn nicht nur akustisch, sondern auch mit elektronischen Gerätschaften unterstützt. Und das ist gut so! Im musikalischen Universum des jungen Mannes geht es zwar nachdenklich und melancholisch zu. Aber am wolkenverhangenen Himmel bricht immer wieder die Sonne durch und wärmt mit lichten Strahlen. Nein, es ist nicht die Folkecke, in die es diese Nachwuchskraft drängt. Sondern eher in Richtung des gehobenen, schwärmerischen Pop. Ein kleiner Troubadour, der Herr! Der kürzlich seine neue EP “Forest Fires” vorgelegt hat. Romantik für Fortgeschrittene: Gut, dass es dieses feine Piano gibt! Das sind keine simplen Songs, die der junge Isländer im fernen Holland vorträgt, das sind Tracks voller Zwischentöne. Besonders gefallen tun die Harmoniegesänge auf dem butterweichen, sehnsüchtigen “Your Ghost”. Die Festivalbesucher stehen an diesem Abend jedenfalls zwei Stockwerke hinunter Schlange, um Axel Flóvent zu sehen!

10. Januar 2016

Wegrennen mal anders: de Montevert

Die klassische Szene: Elaine Robinson und Benjamin Braddock rennen in den letzten Szenen von »Die Reifeprüfung” vor der grauenvoll angepassten Erwachsenenwelt davon. Und sitzen schließlich ganz hinten im Bus und schweigen auf die glückliche Art. Und dann setzt Simon And Garfunkels »Sound Of Silence« ein und 98 Prozent von dem, was Singer-Songwriter heute so von sich geben, ist einfach nur langweiliges Klampfen-Tralala im Vergleich. 50 Jahre später sieht die Sache anders aus: Die Absage ans Wegrennen ist die aufregendere Variante. Das bewussste Nein-Sagen zu einem Übermaß romantischer Versprechungen. Und die realisitische Einschätzung, dass der Mensch, der uns zum Wegrennen überreden will, doch nicht so ganz unser Typ ist. Sagt zumindest de Montevert. Dahinter steckt die junge schwedische Musikerin Ellinor Nilsson, die eigentlich ausgebildete Cellistin ist. Aber ihre Leidenschaft für fragile, zart tanzbare Songs entwickelt hat und schon seit einiger Zeit vor sich hin. An kleinen, durchaus vertrackten Tracks, die scheinbar im Lo-Fi-Modus daherkommen, aber sich beim zweiten Hören als durchaus komplex zeigen. Das selbst betitelte zweite Abum erscheint im Februar. Ein erster Vorgeschmack kommt in Form des gefühligen, leicht desillusionierten Streetmovie-Videos zu »Let´s Not Run Away Together«. Ganz klar stehen hier die klare Stimme Nilssons im Mittelpunkt, aber die zurückhaltenden Gitarren entwickeln ihren ganz eigenen Charme! Ein nostalgischer Hauch verlorener Blumenkinder-Romantik liegt über diesem Track. Und irgendwie muss ich hier an Nico denken. Und die wunderbare Balance zwischen Nüchternheit und Schwärmertum. Da wird man einem so schön mürbe ums Her! Die Backing-Vocals stammen hier übrigens von Anna Levander, Sängerin der Neo-Countryband Dolce, in die man durchaus auch hereinhören kann.

06. Januar 2016

So wundervoll traurig: Antler

Was ist nur im Moment in Norwegen los? Die interessantesten neuen Töne kommen aus dem Fjordland. Das fällt nicht nur bei der Vorbereitung auf das Eurosonic Festival in Groningen statt, das genau in einer Woche startet, wo ich bei den norwegischen Künstlern besonders häufig ein Kreuzchen mit “unbedingt sehen” gemacht habe. Stöbern in Festivalprogrammen ist sowieso eine große Inspirationsquelle. Denn beim digitalen Flanieren durch das Programm von Trondheim Calling, das Anfang Februar in der nördlichen Metropole stattfindet, bin ich über das neue Elektronikpoptrio Antler aus Oslo gestolpert. Und länger hängegeblieben! Allein die himmlisch fragile Stimme von Sängerin Natali Abrahamsen Garner ist ein Grund, Tracks wie die das traumtänzerische “Quiver” lange auf Repeat zu stellen. Die irische Bloggerkollegin DervSwerve fragt sich verwundert, wie das bloß kommt: Dass norwegische Chanteusen die klarsten Stimmen der Welt haben? Ich kann nur die Frage anschließen: Und die zärtlichsten Stimmen dazu? Antler liefern jedenfalls den perfekten Soundtrack für die dunkellblaue Zeit zwischen Tag und Traum. Und sind dabei von einer wundervollen Grenzwert-Traurigkeit. Das ist Synthie-Chanson-Romantik fern allen Kitsches! Antler werkeln derzeit an ihrem Debütalbum, da voraussichtlich im Frühjahr herauskommen soll. Unbedingt im Auge zu behalten!

Foto: Marius Svaleng Andresen

30. Dezember 2015

Ary und Carl Louis erkunden das Universum

Zum Jahresende mag man gerne hoch zu den Planeten schauen. Auch wenn man sein Jahreshoroskop in der Buntpresse noch nicht gelesen hat! Wie schön, dass sich zwei der begabtesten Newcomer der norwegischen Elektropopszene jüngst zusammengetan haben, um die endlosen romantischen Rätsel des Universums zu erkunden. Die himmlisch helle Stimme stammt von Ary, einer jungen Multiinstrumentalistin aus Oslo, die jüngst vom renommierten Antwerpener Label Eskimo Recordings unter Vertrag genommen wurde. Dort ist man hin und weg von diesen fragilen, schwärmerischen Vocals! Dass Ary aussieht wie die schüchterne kleine Schwester von Prinzessin Leia muss auch kein Nachteil sein! Die geschmeidigen Beats hat Carl Louis beigetragen, der sich als Produzent und DJ schon einige Meriten erworben hat und nun auf Solopfaden wandert. Offenkundig auf der Suche nach wärmeren, organischeren Tönen, die sich himmelwärts schwingen und unbestimmte Sehnsüchte wecken. Carl Louis ist, klar, ein Sternengucker und hat kürzlich sein Mini-Album »TELESCOPE« herausgebracht, wo Sternschnuppen über blaue Abendhimmel flitzen. Gemeinsam irrlichtern die beiden im Titelstück durch ferne Galaxien und finden auf ihrer Sinnsuche doch nur vertraute Dinge wie Angst vor Verlust und Furcht vor Vergänglichkeit. Aber sie tun das mit einer solch naiven und herzzereißenden Intensität, dass man kurz vorm Taschentuchzücken ist. Ary ist übrigens einer der Acts, die in zwei Wochen beim Eurosonic Festival in Groningen auf meiner Liste der »unbedingt zu sehenden« Acts steht!

24. Dezember 2015

Besinnliche Weihnachten mit Åse Ava Fredheim

An Heiligabend durch Vogelgezwitscher aufwachen. Im Innenhof fangen die Bäume schüchtern an zu blühen. Und so was nennt sich Weihnachten! Aber wenigstens scheint die Sonne. Die Straßen leeren sich. Und bevor ich mich selbst auf den Weg südwärts gen alte Heimat mache, gibt es besinnliche Töne von Åse Ava Fredheim, einer Singer-Songwriterin aus Norwegen. Ich verstehe zwar kein Wort von dem, was sie auf “Julefred” singt, aber gehe stark davon aus, dass es sich dabei um den Weihnachtsfrieden handelt. Und er klingt sehr zart und ruhig, dieser kleine Song, der von kullernden Klaviertönen begleitet wird. Wunderbar naiv kommt dieser fein zurückgenommene Track daher. Der ein wenig an die Weihnachten erinnert, als man noch Kind war und die Stunden zählte, bis endlich das Glöckchen am Baum klingelte und man ins geschmückte Wohnzimmer durfte. In diesem Sinne: Fröhliche Weihnachten!

 
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