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Foto nordische Landschaft

21. Februar 2007

Äpfel und Birnen: Johnossi und Risto

Das kommt davon, wenn man Ende letzten Jahres als Vorband von Mando Diao durch Deutschland tourte: Plötzlich ist man so bekannt, dass die Leute heute in der Kälte Schlange stehen, um bloß das jüngste Hype-Event nicht zu verpassen. Genau so wars kürzlich beim Johnossi-Konzert in Frankfurt. Selbst die Veranstalter im Cooky´s scheinen von dem Andrang überrascht – um nicht zu sagen: überfordert. Dass es sich hier um den Veranstaltungsort mit der miserabelsten Sicht und den unverschämtesten Bierpreisen der Stadt handelt, tut an diesem Abend nichts zur Sache. Hauptsache dabei. Konzertgänger jenseits der 23 sind eindeutig in der Minderzahl.

John und Ossi lassen die erwartungsfreudige Menge ziemlich schmoren, ehe sie sich deutlich nach zehn auf die Bühne schlängeln: Zwei gutaussehende junge Männer etwa im Alter des Publikums.  Dass man nur mit Gitarre und Schlagzeug den schnellen, eleganten Powerpop wunderbar zelebrieren kann: Johnossi erweisen sich als Meister des gepflegten Temperamentausbruchs. Putzig zu erleben, wie das Publikum bei »Man Must Dance« textgenau mitsingen kann. Allerdings: Bei einer der wesentlichen Hürden von Live-Konzerten, der einigermaßen intelligenten Zwischenansage, da scheitern die Jungs grandios. Wirken ziemlich farblos. Mag dieser Mangel an Esprit am ziemlich grippekranken Ossi gelegen haben? Wir werden es nicht erfahren. Aber nach 50 Minuten ist Schluss. Gerade mal fünf Minute mehr als die ungnädigen Arctic Monkeys im letzten Jahr. Und trotz des flotten Tempos und durchaus ansprechenden Songs bleibt an diesem Abend ein Eindruck von Unverbindlichkeit hängen. Vom dem akuten Fehlen einer dringlichen Botschaft. Vom Mangel an echter Bühnenpräsenz. Die hat etwas mit Persönlichkeit und mutiger Hingabe zu tun. Auf der Bühne schwitzen kann jeder. Hm. Hm.

Man sollte nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Aber auf dem Nachhauseweg lege ich mit einem tiefen Seufzer der Erleichterung eine der derzeitigen Lieblingsplatten auf.  Das wunderbar anarchisch-druckvolle »AURINKO AURINKO PLAA PLAA PLAA« von Risto aus Tampere. Frechheit, Temperament, Respektlosigkeit, Tempo, Humor, Ausdrucksreichtum: Damit wird das uneitle Quartett niemals die (Klein)-Hallen ausverkaufen, zumal sie auf Finnisch singen. Aber diese vier haben mehr Herzblut in jedem ihrer Songs als die hübschen Johnossis auf ihrer ganzen Platte. Disco, Rap, Schlager, Postpunk und Singer-Songwritertum so frech zu einem unerwartet gelungenen Ganzen zu verabeiten. Hut ab, Risto! Gut, dass ihr die echten Birnen seid!

12. Februar 2007

Islands musikalisches Netzwerk: Plattenläden in Reykjavík

 Hände hoch! Wer kennt mehr als zwei Popbands aus Bonn? Und aus Island? Na eben. Bis auf die Einwohnerzahl von 300.000 Köpfen haben das Nordland und die ehemalige Bundeshauptstadt wohl eher wenig gemeinsam. Woran liegt es also, dass die musikalische Begeisterung in Island um ein vielfaches höher liegt, dass der kreative Output im Verhältnis so exorbitant hoch ist? Das Polarblog hat sich auf die Suche gemacht, mit diversen isländischen Künstlern gesprochen und festgestellt: Die isländische Szene bewegt sich um zwei Fixpunkte – die beiden Plattenladen/Label-Konglomerate 12 Tónar und Smekkleysa.

 Wir schalten den Fernseher ein. Zwar verstehen wir kein Wort, jedoch überrascht der Kulturblock vor dem Wetter aufs Ungewöhnlichste. Wir gucken aus dem Fenster. Kinder und Jugendliche verbringen ihre Freizeit in einer der 90 Musikschulen des Landes. Wir gehen raus. Kaum eine Veranstaltung kommt ohne Livemusik aus. Was überspitzt klingt und es gewiss auch ein wenig ist, zeigt schnell den hohen Stellenwert, den Musik als Kulturgut in Nachrichten, Erziehung und Freizeit in Island genießt.

Aber anregend ist nicht nur das öffentliche Interesse an Musik, sondern auch die Infrastruktur von Plattenläden und Labels, die schon vor Jahren erkannt haben, dass die Verfilzung zwischen Musikern, Labels und Vertrieb eine sinn- und manchmal sogar gewinnbringende Angelegenheit ist. Das gilt nicht nur, wenn man in musikindustriellen Kategorien denkt, sondern auch, wenn man als Isländer seinen Lebensunterhalt bestreiten will. Zwei Job s gelten als Mindeststandard – denn als Musiker fällt man aus dem Rahmen der staatlichen Förderprogramme, die immer noch diskriminierenden Charakter aufweisen, wie Jóhann Jóhannsson im Interview bedauert. Kaum einer könne ohne Nebenjob sein Leben finanzieren – in Island werde überdurchschnittlich viel gearbeitet. Und Musik ist Luxus. Denn im Gegensatz zu unbesteuerten Büchern werden fast 25% Abschlagssteuer auf Musikproduktionen fällig, was CDs zu einem Luxusgut ersten Ranges erhebt.

Aber nicht nur dort treffen gefühltes Selbstverständnis und Realität kollidierend aufeinander. Kaum als Außenstehender mit verklärenden Blicken zu glauben, dass auf Island nicht zuerst die inländischen Produktionen wertgeschätzt werden. Jóhannsson klärt auf, dass der Fokus immer noch allzu sehr auf ausländischen Bands liegt. Erst durch die Etablierung von Festivals wie dem exzellent besetzten Iceland Airwaves mit eigensinnigem Line-Up zwische n internationalen Großkalibern und isländischen Independent-Künstlern scheint sich so langsam ein Wandel zu ergeben. Dennoch: Im Vergleich zu Deutschland scheint in Island ein solches Problem eher herbeigeredet. Für 5000 verkaufte Alben (16,6 Alben pro 1000 Einwohner) bekam kürzlich Lay Low den Gold-Status verliehen. In Deutschland braucht man derzeit 100.000 Exemplare (1,21 Alben pro 1000 Einwohner)… Birgir von der derzeit inaktiven Formation Maus sieht trotzdem noch Potenziale. Vor allem sei die Radiolandschaft eher karg – und vor allem klassisch ausgerichtet. Ein Ärgernis sind ihm zudem die Monopolisten, die ihre seichte Musik unters Volks bringen, wie er in der Zeitschrift Intro 2001 erzählte: »Die größte Plattenladenkette des Landes beispielsweise, Skífan, hat ein eigenes Label, ein eigenes Studio und besitzt auch noch diverse Radiostationen. Die perfekte Vermarktungskette.«

 Die Plattenläden spielen in Island eine gewichtige Rolle. In sozialer, aber auch in wirtschaftlicher Hinsicht. »Um zu verstehen, wie die Dinge in diesem kleinen Markt hier funktionieren, muss man wissen, dass alle wichtigen Record Stores hier auch Label sind. Das ist eine unzertrennliche Einheit.«, erklärt Benni Hemm Hemm. Seine Meinung zu den großen Ladenketten wie Sena (ehemals Skífan) ist dabei differenzierender. »Die sind der Langzeit-Gigant, die größte Firma – aber auch die schlimmste. Sie bringen die erbärmlichsten Alben raus und behandeln ihre Künstler auch nicht wirklich gut. Aber wie das immer so ist: Natürlich haben sie auch patente Leute, die in einigen ihrer Läden arbeiten, so dass die Auswahl an Alben manchmal gar nicht so schlecht dort ist. Allerdings liegt auch dort der Fokus auf DVDs oder blöden Videospielen – also keine Läden, die man ernsthaft als guten Plattenladen bezeichnen würde. Trotzdem: Ich verkaufe meine meisten Alben in deren Shops.« Kompletten Beitrag lesen …

10. Februar 2007

Wolfkin, Schweini oder Teitur?

Das hat man nun davon, wenn man seine Freunde zu Konzerten von Skandinaviern mitnimmt, um ihnen zu zeigen, was richtig gute Musik ist. Sie wollen unbedingt wieder hin!  Dabei war der Abend doch so schön durchgeplant: Erst Fussball-Länderspiel, (naja, zumindest die erste Halbzeit!), dann ab nach Frankfurt, um die vom Kollegen Frank so warm empfohlenen Wolfkin zu hören.

Doch dann kommt diese Mail. »Fahren wir heute abend nach Heidelberg zum Teitur-Konzert?«, fragt die Konzertgeh-Freundin dringlich an. Der junge Musiker von den Faröern habe ihr doch vor einigen Monaten so gut gefallen. Und die Platte »STAY UNDER THE STARS« erst, die hat sie sich nach dem Gig vom freundlichen Teitur selbst signieren lassen.

»Freundin«, seufze ich tief. »Es ist doch Länderspiel heute abend! Das heißt sozusagen Schweini, und ich bin bekennender Schweini-Fan, auch wenn er einen schlechten Tag hat. Und Kuranyi spielt wieder!«

»Ach, die spielen auch ein andermal! Lass uns mal spontan sein!«

»Na gut!«, stimme ich ganz leise grummelnd zu.  Durch Schneeregen kämpfen wir uns über rutschige Autobahnen zum wirklich wunderbaren Karlstorbahnhof, einem der angenehmesten Clubs in der Kategorie »überschaubarer mittelgroßer Veranstaltungsort«. Und die Laune wird schlagartig besser. Genug gejammert, denn dies wird eines der Konzerte, die noch den ganzen folgenden Tag eine intensive Wärme im Herzen hinterlassen. Von denen man mit glänzenden Augen erzählt.

Die erste Überrschung ist das sehr junge Publikum. Hatten wir doch gedacht, dass der intellektuell anspruchsvolleTeitur eine Fangemeinde aus der Kategorie »30plus« anziehen wüde. Nichts da! In den ersten Reihen tummeln sich die Girlies in den knappen, pastellfarbenen Shirts. Und die können fast alle Lieder auswendig mitsingen.

Ob es am schlunzig-ungelenken Charme liegt, mit dem sich Teitur auf der Bühne bewegt? Am seinem allerliebst färöisch eingefärbten Englisch? Oder ganz einfach an seinen Qualitäten als Songwriter und seiner unbestreitbaren Bühnenpräsenz? Ach, dieses Rätsel wollen wir jetzt nicht lösen. Sondern uns einfach darüber freuen, dass Teitur zu der angenehmen Kategorie Künstler gehört, die nicht Monat für Monat das gleiche Programm abspulen, sondern in ihrem Repertoire neue Akzente setzen und Songs neu arrangieren und interpretieren. Begleitet von zwei zurückhaltenden Begleitmusikern an Bass und Schlagzeug, die eine Plattform bauen, von der aus Teitur abheben kann.

Eine Jukebox der besonderen Art kündigt der immer leicht zerknautscht wirkende Musiker für den Abend an: Das gesamte aktuelle Album will er in der korrekten Reihenfolge herunterspielen. Vom verträumten Liebeslied »Don´t Want You To Wake Up« bis zu »All My Mistakes«, einer kleinen Hymne für alle, die glauben, dass Fehler manchmal das Beste im Leben sind.

 Das Heidelberger Publikum hat Teitur spätestens nach dem dritten Song auf seiner Seite. Er wechselt zwischen Klavier und Gitarre, guckt verschmitzt von unten wie Lady Diana, radebrecht auf deutsch und vergleicht das Heidelberger Schloss mit den tausenden von Schlössern, die auf den Faröern herumstehen. Und singt sich derweil die Seele aus dem Leib. Das tut er so intensiv, dass es akute Herzschmerzen verursacht. Und außerdem lernen wir, warum »Eleanor Rigby« Teitur inspiriert. »All The Lonely People, Where Do They All Come From?«: Teitur will diese Frage beantworten. Und nimmt in seinen Songs etwa die Perspektive von dem komischen Typen ein, der das Karussel auf dem Rummelplatz betreut. Das ist sehr klassisch und trotzdem überraschend.

Ganz zum Schluss kommt er zur zweiten Zugabe alleine mit der Akustik-Gitarre auf die Bühne und spielt die zwei schönsten Songs vom ersten Album »POETRY AND AEROPLANES«. »Josephine«, eine Liebeserklärung an eine Kindheitsfreundin. Und »I Was Just Thinking«, der ultimative Schwanengesang auf  bröckelnde Fernbeziehungen. Das ist so schön, das man fast das Atmen vergisst und das entfernte Gläserklingen von der Bar draußen als unerhörte Störung empfindet.

Wir sollten unbedingt mehr auf unsere Freunde hören! Ääähm, und wer war nochmal Schweini? 

06. Februar 2007

Wolfkin in meiner Stadt

Warum in einen anderen Club gehen, wenn der Club, in den ich immer gehe, einfach der beste ist? Also ab in die Astra-Stube, wo an diesem Abend das Duo Wolfkin aus Dänemark spielte. Wolfkin, tja.

Ein erstes, zugegebenes oberflächliches Hören ihrer Debüt-CD »Brand New Pants« hinterließ bei mir nicht unbedingt anhaltende Begeisterung. Eine seltsame Mischung aus Psychobilly war da zu hören, garniert mit ein paar Indieanklängen und einigen angeschrägten Rockelementen. Irgendwie ziseliert, nicht immer auf den Punkt gebracht, um eine gewisse Prise Humor bemüht auch, so wie manchmal Kunststudenten Musik machen, wenn sie sich noch nicht ganz zum Malen oder Bildhauern durchringen mögen.

Aber egal, denn die Astra-Stube ist nun mal die Astra-Stube, das reicht ja schon. Umso angenehmer die Überraschung, als Wolfkin auf die Bühne kam, doch zu fünft, also in Konzertbesetzung. Und gleich fingen sie schier ausgelassen zu rocken an, alle ihre Schnörkel und Verzierungen waren wie weggeblasen; alles Manierierte ihrer Studioproduktion blieb ausgeklammert, als hätte es das nie gegeben. Und so wurde es ein richtig netter Abend, der wie im Fluge verging und nach zehn Stücken war Schluss und die Band fing noch mal von vorne an und wie schön ist es doch, wenn man das eigene Urteil revidieren muss, kurzum: Wolfkin sind eine fabelhafte Live-Band und ihr Album hört sich heute auch schon viel besser an.

01. Februar 2007

Sunrise Avenue und eine Million Fliegen

Sunrise Avenue

Wir zitieren eine aktuelle Pressemeldung des EMI-Konzerns:

Die finnischen Newcomer Sunrise Avenue (Capitol) eilen von einem Erfolg zum Nächsten: Mit ihrem Airplay-Dauerbrenner »Fairytale Gone Bad« landen sie auf Platz 3 der deutschen Single Charts!

Das Debütalbum »ON THE WAY TO WONDERLAND« ist in dieser Woche von Position 42 auf 33 der Alben Charts geklettert, Tendenz weiter steigend. Im Nachbarland Österreich ist das Album auf Anhieb auf Platz 8 der Charts eingestiegen. Die aktuellen Download Charts unterstreichen den Erfolg von Sunrise Avenue einmal mehr: Bei iTunes und musicload liegt »Fairytale Gone Bad« auf Platz 2, bei AOL auf Position 3. Auch in ihrem Heimatland haben die Finnen die Nase vorn. U.a. hat Radio NRJ Finnland die Band jüngst in vier Kategorien ausgezeichnet: »Best Nordic Act«, »Best Finnish/Domestic Song (Fairytale Gone Bad)«, »Best Finnish/Domestic Newcomer« und »Best Finnish/Domestic Album«. Nach LaFee ist Sunrise Avenue bereits der zweite Newcomer Act, den EMI Music Germany in den letzten Monaten erfolgreich im deutschsprachigen Raum etabliert hat.

Die Club Tour im Februar ist bereits restlos ausverkauft, deshalb geben die Finnen im März noch einige Zusatzkonzerte. Für Oktober sind Konzerte von Sunrise Avenue in größeren Hallen in Planung, und in der Rubrik »beste Rock Band« sind sie für den Bravo OTTO nominiert! Im April erscheint die 2. Single Auskopplung »Forever Yours«, ein sicherer Garant, dass für Sunrise Avenue die Sonne mit Sicherheit noch lange nicht untergeht.

Soweit die Lobhudelei der Kaufleute. 

Nun die Meinung des Nordische Musik-Rezensenten: http://www.nordische-musik.de/1741-Sunrise-Avenue.html …

Können eine Million Fliegen irren? Ja, sie können.