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Urlaub in Frankreich In Cognac macht sogar die Luft betrunken

Von Martina Meister | Stand: 06.11.2016 | Lesedauer: 8 Minuten
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Cognac liegt am Ufer der Charente

Cognac liegt am Ufer der Charente

Quelle: Getty Images/Hemis.fr RM

In Cognac in Frankreich verdunsten pro Jahr Millionen Flaschen des Branntweins - was der Stadt ihren ganz eigenen Geruch verleiht. Und der Alkohol sorgt zudem für ein ganz spezielles Erscheinungsbild.
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Engel haben’s gut. „La part des anges“ nennen die Einwohner Cognacs jenen alkoholgeschwängerten Duft, der entsteht, wenn Branntwein verdunstet. Könnte man einen finanziellen Verlust poetischer beschreiben als als „Anteil der Engel“? Denn was hier vom flüssigen in den gasförmigen Zustand wechselt, ist ein Vermögen wert. 23 Millionen Flaschen Cognac könnte man Jahr für Jahr füllen mit der hochprozentigen Luft, die von den Weinlagern emporzieht und nicht nur himmlische Wesen beflügelt.

Cognac benebelt – das gilt für das weltbekannte Getränk, aber eben auch für die Stadt, die ihm seinen Namen gegeben hat. Vermutlich wirken die morgendlichen Jogger am Ufer der Charente deshalb so berauscht. Touristen, die es nach Cognac zieht, bleibt das beglückende Aroma nicht verborgen, überall liegt es in der Luft. Gerade jetzt, im Herbst, zieht es viele Besucher in die Gegend – wegen der goldgelb gefärbten Landschaft, wegen des Branntweins, der hier seit Jahren geduldig in Holzfässern reift, und natürlich wegen der Weinlese.

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Fässer in der Otard-Brennerei: Sie hat ihren Sitz in den restaurierten Ruinen der Burg von Valois

Fässer in der Otard-Brennerei: Sie hat ihren Sitz in den restaurierten Ruinen der Burg von Valois

Quelle: Getty Images

Cognacs Weinbauern müssen sich nach den Wetterkapriolen dieses Jahres allerdings große Sorgen über die Zuckerwerte und den Säuregehalt der Trauben machen, der Jahrgang 2016 wird ein schwieriger sein.

Frankreich ist ein Land, das manche seiner Geheimnisse allzu gut hütet. Vielleicht, weil man hier vieles für selbstverständlich hält. Die Stadt Cognac und ihre Umgebung gehören dazu. Der Cognac ist eine globale Marke, man trinkt ihn in den Bars von New York und in den Chefetagen Chinas. Aber wer kennt schon seine Heimat?

Gut 75.000 Hektar Reben zählt das kontrollierte Anbaugebiet Cognac. Es liegt nordöstlich der Gironde-Mündung, rund 120 Kilometer entfernt von Bordeaux. Sechs Lagen hat es insgesamt, in der Mitte die Grande Champagne mit einem Boden aus weichem Kreidekalk, der dem Cognac dieser exklusiven Lage sein blumiges Aroma und einen Duft verleiht, der an Lindenblüten erinnert. Mitten hindurch fließt die Charente, die aus den Savoyer Bergen kommt und hier schon mehr als 300 Kilometer zurückgelegt hat. Sanft schlängelt sie sich durchs Land, bevor sie sich kurz hinter Rochefort ins Meer wirft.

Eichen aus den Zeiten des Sonnenkönigs

Von Paris aus erreicht man die Region mit dem Schnellzug in zweieinhalb Stunden, der Bahnhof heißt Jarnac. Das ist das Dorf, in dem François Mitterrand geboren und auch beerdigt wurde.

Quelle: Infografik Die Welt

Die Zentrale von Courvoisier, eines der großen Cognac-Häuser, thront hier stolz über der Charente. Die Destillerie Moines & Frères ist eher etwas für Eingeweihte und liegt ein Stück weiter draußen, mitten in den Reben. Yann Moines, 37 Jahre, Künstlernatur, Dreitagebart, lässt sich von der schlechten Lese die Laune nicht verderben. „Die Trauben sind nicht alles beim Cognac. Die Fässer sind mindestens genauso wichtig.“

In den 90er-Jahren hatte sein Vater den „Circuit du chêne“ ins Leben gerufen, die Eichentour. Touristen beginnen den Besuch der Brennerei Moines beim Daubenhauer, wo die mindestens 200 Jahre alten Eichen aus dem Limousin gespalten und zu Dauben, den Längshölzern der Fässer, verarbeitet werden. Zwei bis drei Jahre werden sie gelagert und der Witterung ausgesetzt, bis Wasser und Wind die stärksten Tannine herausgewaschen haben. „Man muss sich das mal vorstellen“, sagt Yann, „hier lagern die Eichen, die Colbert gepflanzt hat.“ Jean-Baptiste Colbert, Finanzminister des Sonnenkönigs Ludwig XIV., hatte tatsächlich die Weitsicht, riesige Eichenwälder anpflanzen zu lassen, um den Holznachschub für die königliche Marine sicherzustellen. Die Franzosen zehren bis heute davon.

Es riecht nach Herbstlaub, Lagerfeuer und Eichenholz bei Familie Moines. Unter einer enormen Remise bindet Jacky, ein Küfer, ein Fass zusammen. Die Dauben stehen kreisrund auf dem Boden, zusammengehalten von einem eisernen Reifen. Innen brennt Feuer. Von seiner Stärke wird das Aroma des Cognacs abhängen. „Jeder Cognacmacher weiß in der Regel sehr genau, was er will“, sagt Jacky. 42 Jahre lang hat er als Küfer gearbeitet und zu seinen besten Zeiten bis zu sechs Fässer am Tag gebaut.

Cognac-Pilz färbt die Fassade schwarz

Wer glaubt, das alles wäre nur ein nettes Spektakel für Touristen, täuscht sich gewaltig. Bis heute gibt es noch gut zwei Dutzend Küfereien in der Region, die ihre Fässer weltweit exportieren. Überhaupt ist der Cognac ein Luxusprodukt, das man vor allem im Ausland schätzt. 98 Prozent der Produktion wird exportiert, über 170 Millionen Flaschen pro Jahr, das entspricht dem Wert von 40 Airbus-Maschinen.

Cognac mit seinen knapp 20.000 Einwohnern entfaltet seine Schönheit vielleicht nicht auf den ersten Blick. Am Ufer des Flusses begrüßt den Besucher zunächst ein Betonbau aus den 30er-Jahren, dessen postindustrieller Charme sich nicht jedem erschließt. Wer aber dahinter die Grande Rue in die Altstadt hinaufsteigt, wird das eigentliche Cognac entdecken. In der eisernen Markthalle, gebaut nach dem Pariser Vorbild von Victor Baltard, kann man großartig einkaufen. Die romanische Kirche Saint-Léger wurde bis ins 19. Jahrhundert immer wieder verändert, ein Zeugnis der wilden Baugeschichte.

„Cognac ist eine Stadt der Widersprüche“, sagt Vincent Bretagnolle, Historiker und Stadtführer. „Die Architektur hier ist aus weißem Kalkstein, aber der Cognac hat sie schwarz gefärbt.“ Tatsächlich zieht der verdunstende Branntwein einen Pilz an, der die Wände der Häuser und der „chais“, der Weinlager, erkennbar verdunkelt.

francisco I square. cognac. france

Das Stadtzentrum von Cognac: Die Fassaden werden durch einen Pilz geschwärzt

Das Stadtzentrum von Cognac: Die Fassaden werden durch einen Pilz geschwärzt

Quelle: Getty Images

Die Fassaden der Altstadt lesen sich wie ein Geschichtsbuch: hier ein steinerner Salamander, Wappentier von König Franz I., dort die Spuren des Religionskrieges, der in der Region gewütet hat.

Die Stadt, sagt Vincent, sei lange Zeit wie ein verwöhntes Kind gewesen. Ihren frühen Reichtum hat sie der Charente zu verdanken. Das Salz, das auf den Atlantikinseln Oléron und Ré kultiviert wurde, kam auf Langschiffen flussaufwärts ins Landesinnere – und Cognac profitierte von den Zöllen. Nach dem Salz war es vom 17. Jahrhundert an der Branntwein, der die Stadt reich machte.

Briten und die Holländer waren froh, dass der Alkohol in destillierter Form die Reise schadlos überlebte – sie bestellten reichlich davon. Am Ankunftsort wurde der Branntwein dann mit Wasser verdünnt. Doch erst mit der Entdeckung der doppelten Destillation begann das Geschäft richtig zu florieren. Kontore und große Handelshäuser siedelten sich an, viele kamen aus England und Holland.

Jean-Yves et François Moine cellar cognac

Cognac: Die Stadt, aus der der Branntwein stammt, feierte 2016 1000-jähriges Bestehen

Cognac: Die Stadt, aus der der Branntwein stammt, feierte 2016 1000-jähriges Bestehen

Quelle: Getty Images

Aber auch Franz I. hat in der Geschichte Cognacs eine wichtige Rolle gespielt: Frankreichs Ritterkönig ist in Cognac geboren. Seine Mutter, Luise von Savoyen, hatte ihn frühzeitig am Hof platziert. Als Ludwig XII. ohne Thronfolger verstarb, wurde Franz neuer König. Der Regent hing jedoch an seiner Geburtsstadt. Regelmäßig kam er mit seinem Hofstaat zurück – für Feste, die mitunter Wochen dauerten.

2016 feiert Cognac sein 1000-jähriges Bestehen, seit 2003 trägt es auch das Label „Ville d’art et d’histoire“. Aber mehr noch als Kunst- und Geschichtsliebhaber zieht es Branntwein-Fans hierher. Eine Tour wäre daher nicht komplett ohne den Besuch eines der Häuser, deren Namen man in Deutschland nur von Flaschen im Regal eines gut sortierten Feinkostmarktes kennt. Otard etwa hat seinen Sitz in den restaurierten Ruinen der Burg von Valois, wo der Ritterkönig das Licht der Welt erblickt hat. Hennessy darf stolz sein auf sein luxuriöses Museum. Martell zeigt, wie Cognacfässer auf die Gabares verladen werden, die für diese Gegend typischen Boote.

Die originellste Visite bietet das Haus Camus an, eines der wenigen, das noch in Familienbesitz ist. Dort gilt die Devise: „Es ist einfach, Cognac zu machen. Man braucht nur einen Vater, einen Großvater und einen Urgroßvater.“ Mit anderen Worten: jahrhundertelange Erfahrung.

Sylvie Perret, eine zarte Frau mit sanfter Stimme, lässt die Verkostungsgäste bei Camus an Phiolen riechen, die mit Cognac gefüllt sind. Heu, Rosenblätter, Eichenmoos, Trüffel, gedörrte Feigen und Kakao – das Spektrum des Cognacs scheint mit seinen 63 Aromen genauso groß zu sein wie seine Farbpalette, die von Blassgelb bis zu Bernstein reicht. An den Fässern darf man sogar Cognac zapfen und seine ganz persönliche Mixtur zusammenstellen. „Maître Assembleur“ heißt der Kurs.

Wer als ahnungsloser Tourist nach Cognac gekommen ist, wird die Stadt spätestens nach diesem Erlebnis als wahrer Cognacfreund verlassen.

Tipps und Informationen

Anreise: Mit dem Auto aus Paris rund fünf Stunden Fahrt auf der Autobahn A10. Mit dem Zug sind es ab Paris rund 2,5 Stunden nach Angouleme, dort umsteigen nach Cognac. Ab 2017 wird die Fahrtzeit durch bessere TGV-Trassen deutlich verkürzt. Per Flugzeug bis Bordeaux, dann 90 Autominuten bis Cognac.Direktflüge nach Bordeaux etwa von München und Hamburg.

Unterkunft: Mit vier Sternen ist das „Hôtel François Premier“ in Cognac das erste Haus am Platz (DZ ab 110 Euro, hotelfrancoispremier.fr). Das „Quai des Pontis“ liegt direkt am Ufer der Charente – hier kann man nicht nur in normalen Zimmern, sondern auch in Zirkuswohnwagen oder in Stelzenhütten übernachten (DZ ab 90 Euro, quaidespontis.com).

Essen und Trinken: „Le Coq d’or“, klassische Brasserieküche; „Voiles des Pontis“, frische, leichte Küche; „L’arty show“, Slowfood in der Altstadt; „La maison“, Gastronomie mit Anspruch; „L’atelier des quais“, gute französische Küche; „La Cognathèque“, Cognac-Laden in Cognac, der 270 unterschiedliche Cognacs im Angebot hat.

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Auskunft: Französische Zentrale für Tourismus/Atout France, de.france.fr; Tourismusbüro Cognac, tourism-cognac.com.

Die Teilnahme an dieser Reise wurde unterstützt von Atout France. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter www.axelspringer.de/unabhaengigkeit

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