http://de.euronews.com/ In der bulgarischen Hauptstadt
Sofia hat euronews ein Exklusiv-Interview mit Ministerpräsident
Boiko Borissov geführt. Der Regierungschef wurde
1959 geboren und machte Karriere in der Sicherheits-Branche. Bevor er an die Spitze der gegenwärtigen Mitte-Rechts-Regierung trat, war er Bürgermeister von Sofia.
Euronews-Reporter
Hans von der Brelie fragte den Regierungschef nach der Verzögerung beim Beitritt seines
Landes zum Schengen-Raum, nach den Problemen Bulgariens mit dem organisierten Verbrechen, und nach der Energie-Abhängigkeit des Landes von
Russland.
Euronews
Herr Ministerpräsident, die Europäische Kommission hat als Wettbewerbsaufsichtsbehörde ein Kartellverfahren gegen
Gazprom eröffnet. Hält der russische Gaslieferant in Bulgarien die Regeln des freien Wettbewerbs ein oder nicht?
Borissov
Bulgarien war eines der am meisten betroffenen EU-Länder während der Gas-Krise. Damals war ich Bürgermeister von Sofia. Die Temperatur lag zwischen minus 15 und minus 12
Grad. Und in der
Situation hatten wir zehn bis fünfzehn Tage lang kein
Gas. Und niemand hat uns geholfen.
Wir helfen der Europäischen Kommission bei ihren Ermittlungen wegen Gazprom.
Alle relevanten Dokumente im Besitz der Unternehmen Bulgargas und Bulgartransgas wurden der Europäischen Kommission vor einigen Monaten übergeben.
Derweil haben wir unsere Lektionen gelernt, und deshalb haben wir mit dem Bau einer Gas-Pipeline-Verbindung mit
Rumänien begonnen. Und der Bau ist schon weit fortgeschritten. Er wird in ein bis zwei Monaten abgeschlossen werden.
In Kürze werden wir mit dem Bau einer Verbindung mit der
Türkei und auch mit Serbien beginnen.
Aber eine wichtigere
Rolle bei der Diversifizierung unserer Energiequellen spielen die Öl- und Gas-Lagerstätten im Schwarzen
Meer.
Ich mache mir keine Sorgen um die Diversifizierung der Energiequellen Bulgariens in drei oder vier Jahren.
Euronews
Um die Frage etwas zuzuspitzen: Unterstützen Sie noch das europäische Pipeline-Projekt Nabucco, oder unterstützen Sie stattdessen das russische
Projekt South Stream?"
Borissov
Ich hatte nicht mit dieser Frage gerechnet, aber
... zufälligerweise liegt da auf meinem Schreibtisch eine Landkarte, können Sie mir die bitte geben...
Die Karte gibt eine Antwort auf Ihre Frage. Das hier ist Bulgarien, und hier können Sie sehen, wo die Quellen für die Diversifizierung unserer Energie liegen: Das hier ist das Gebiet, das nach Erdgas-Reserven durchsucht wird, und die werden Bulgarien mit Gas versorgen, das ist die größte Lagerstätte, und dort ist das russische "South Stream" Pipeline-Projekt, und hier sind die türkische TANAP-Pipeline und das Nabucco-Projekt. Und das asiatische Gas aus den Shah-Deniz-Gasfeldern wird dieser
Route folgen. Mit meinem
Finger zeige ich auf das, was wir gerade bauen. Und warum tun wir das? Es ist mir sehr wichtig, dass die türkische TANAP-Pipeline Bulgarien erreicht, und dass "Nabucco-West" und die Südost-Europa-Pipeline SEEP weiter nach
Europa kommen.
Die andere Route namens
TAP ist eine Verbindung, die nach Italien weiterführen soll, und wir tun zur Vorbereitung unser bestes, damit beide vorankommen: Nabucco-West und das SEEP-Projekt.
Hinsichtlich des Nabucco-Projekts hat Bulgarien alles getan: Unser Parlament hat den Bau beschlossen. Wir haben alle erforderlichen Dokumente unterzeichnet. Wir könnten sogar morgen mit dem Bau beginnen. Ich freue mich auf den Beginn des Nabucco-Projekts.
Euronews
Da wir gerade von Geographie sprechen, und da Bulgarien gerade sehr viel mit
Griechenland und seinen Wirtschaftsproblemen zu tun hat: Welche Auswirkungen haben die griechischen Probleme auf die bulgarische Wirtschaft?
Borissov
Griechenland ist ein guter Nachbar und Freund. Aber die EU war zwar sehr streng mit Bulgarien und Rumänien, ist aber gegenüber Griechenland sehr geduldig. Und darunter leiden wir zur
Zeit alle, unter dieser Duldsamkeit. Das wichtigste ist, dass die Maastricht-Kriterien eingehalten werden.
Was hat Bulgarien bisher getan, in den letzten drei Jahren? Wir haben eine Rentenreform durchgeführt. Wir haben das Renteneintrittsalter angehoben und Renten und Gehälter eingefroren. Das Haushalts-Defizit beläuft sich derzeit auf
1,2 Prozent. Und die Auslandsverschuldung liegt bei 14 Prozent. Die Inflationsrate beträgt null Prozent.
Die EU-Staaten, die wirtschaftlich vergleichbares geleistet haben wie Bulgarien, sind
Dänemark und
Finnland!
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- published: 26 Sep 2012
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