Von ULF POSCHARDT
Das Leben ist grotesk, warum sollten es die Dinge um einen herum nicht auch sein? So dachte Traktorhersteller Ferruccio Lamborghini, als er 1962 beschloss, unglaubliche Sportwagen zu bauen. Warum?
Weil er sich als Kunde vom damals schon legendären Enzo Ferrari ein wenig abgesnobt fühlte und weil Lamborghini auf inspirierende Art und Weise größenwahnsinnig war. Der im Sternzeichen des Stier geborene Norditaliener startete seine Himmelfahrtsexkursion mit einem Zwölfzylinder und taumelte in einen manieristischen Wahnsinn, der mit dem Countach in einer Idealform der Übertreibung, des haltlosen Futurismus und der selbstironischen Koketterie zu sich selbst kam.
Countach ist piemontesischer Dialekt und wird herausgeschrien, wenn etwas „non plus ultra“ oder „superkrass“ ist. Drunter wollte es der Traktormann nicht machen. Und weil er auch sonst gern pokerte, musste er Anfang der 70er-Jahre zuerst seine Landwirtschaftssparte verkaufen, dann auch Teile seiner Angeber-Herzensangelegenheit. Er hatte sich überschätzt.
Aber der Wahnsinn des Selfmademan hatte im Lamborghini Countach ein flottes Denkmal erhalten. Heroisch war nicht nur die kühne Keilform, sondern auch der Zeitpunkt der Premiere.
Auf dem Genfer Auto-Salon 1973, direkt auf dem Zenit der Ölkrise, stand der Countach
wie ein Kind der Sonne, ganz
in einem metallischen
Gelb lackiert, zwischen all der Konfektionsware der Konkurrenz. Hatte der elegante Miura noch den Schmelz der 60er-Jahre, war der Countach endlich jener Krieger, den sich der Stierfanatiker Lamborghini stets wünschte: einen Krieger aus
der Zukunft.
Die Fahrleistungen des Countach waren spektakulär. Er sollte von Anbeginn zumindest auf dem Papier
300 km/h schnell sein. Wenige mutige Piloten wagten sich mit dem Keil in den Grenzbereich, schon der Miura war jenseits der 220 km/h ein Russisches Roulette.
Einst auch auf dem Gebrauchtwagenmarkt verspottet, ist der Countach heute
im Vintage-Handel ein Bluechip. Das hat auch mit seiner kulturellen Valorisierung zu tun. In dem grandios sinnlosen Raser-Epos “Cannonball“ wird dem Countach, wüst mit Flügel verwuchert, in der Eingangsszene ein exzentrisches Denkmal gesetzt. Verglichen mit dem vulgären Musclecar der Polizisten erscheint der Botschafter europäischer Autohöchstkultur erhaben und obszön zu gleich: Wer Countach fährt, kann auch nackt durch die Fußgängerzone schlendern. Der Keil bringt
den Schock des Kriegerischen in friedlich dekadente Zeiten.
Dieser Text ist ursprünglich im Kunstmagazin BLAU erschienen. Dort schreibt Ulf Poschardt regelmäßig über die schnellsten Skulpturen der Welt.