Kategorie-Archiv: Poschardt

Der erste Prototyp des Lamborghini Countach (1971)

Der erste Prototyp des Lamborghini Countach (1971)

Der Krieger aus der Zukunft

Von ULF POSCHARDT

Das Leben ist grotesk, warum sollten es die Dinge um einen herum nicht auch sein? So dachte Traktorhersteller Ferruccio Lamborghini, als er 1962 beschloss, unglaubliche Sportwagen zu bauen. Warum? 
Weil er sich als Kunde vom damals schon legendären Enzo Ferrari ein wenig abgesnobt fühlte und weil Lamborghini auf inspirierende Art und Weise größenwahnsinnig war. Der im Sternzeichen des Stier geborene Norditaliener startete seine Himmelfahrtsexkursion mit einem Zwölfzylinder und taumelte in einen manieristischen Wahnsinn, der mit dem Countach in einer Idealform der Übertreibung, des haltlosen Futurismus und der selbstironischen Koketterie zu sich selbst kam.

Countach ist piemontesischer Dialekt und wird herausgeschrien, wenn etwas „non plus ultra“ oder „superkrass“ ist. Drunter wollte es der Traktormann nicht machen. Und weil er auch sonst gern pokerte, musste er Anfang der 70er-Jahre zuerst seine Landwirtschaftssparte verkaufen, dann auch Teile seiner Angeber-Herzensangelegenheit. Er hatte sich überschätzt.

Aber der Wahnsinn des Selfmademan hatte im Lamborghini Countach ein flottes Denkmal erhalten. Heroisch war nicht nur die kühne Keilform, sondern auch der Zeitpunkt der Premiere.
 Auf dem Genfer Auto-Salon 1973, direkt auf dem Zenit der Ölkrise, stand der Countach
 wie ein Kind der Sonne, ganz
 in einem metallischen
 Gelb lackiert, zwischen all der Konfektionsware der Konkurrenz. Hatte der elegante Miura noch den Schmelz der 60er-Jahre, war der Countach endlich jener Krieger, den sich der Stierfanatiker Lamborghini stets wünschte: einen Krieger aus 
der Zukunft.

Die Fahrleistungen des Countach waren spektakulär. Er sollte von Anbeginn zumindest auf dem Papier
 300 km/h schnell sein. Wenige mutige Piloten wagten sich mit dem Keil in den Grenzbereich, schon der Miura war jenseits der 220 km/h ein Russisches Roulette.

Einst auch auf dem Gebrauchtwagenmarkt verspottet, ist der Countach heute 
im Vintage-Handel ein Bluechip. Das hat auch mit seiner kulturellen Valorisierung zu tun. In dem grandios sinnlosen Raser-Epos “Cannonball“ wird dem Countach, wüst mit Flügel verwuchert, in der Eingangsszene ein exzentrisches Denkmal gesetzt. Verglichen mit dem vulgären Musclecar der Polizisten erscheint der Botschafter europäischer Autohöchstkultur erhaben und obszön zu gleich: Wer Countach fährt, kann auch nackt durch die Fußgängerzone schlendern. Der Keil bringt
 den Schock des Kriegerischen in friedlich dekadente Zeiten.

Dieser Text ist ursprünglich im Kunstmagazin BLAU erschienen. Dort schreibt Ulf Poschardt regelmäßig über die schnellsten Skulpturen der Welt.

 

 

Mercedes-Benz 280 SE Cabriolet (1968)

Mercedes-Benz 280 SE Cabriolet (1968)

Ein aufreizend sinnliches Cabrio

Von ULF POSCHARDT

Gut 20 Jahre nach dem Krieg waren die Deutschen wieder wer und der Bauch wuchs ebenso schnell wie die Blechkäfige der Aufsteiger in den Vororten der Städte, wo das Geld verdient wurde.
 Die Schönheit des Establishments veredelten die Vorläufer der S-Klasse in den 60er-Jahren zuerst mit amerikanischer Eleganz (Heckflosse), danach mit italienischer Eleganz.

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Fiat Ritmo 65 (1978 - 1982)

Fiat Ritmo 65 (1978 - 1982)

Dieser Fiat hatte Ritmo

VON ULF POSCHARDT

Teuer kann jeder. Autos sammeln mit unbegrenztem Budget ist fein, aber selten herausfordernd. Der Getriebene verschuldet sich, versetzt Aktien, Uhr und Kunst, trennt sich von allem Tand, um seine Garage sinnlos vollzustellen.

Wie wäre es mit einer trivialen Rarität? Dem Fiat Ritmo? Und zwar die erste Baureihe, von 1978 bis 1982 produziert, mit einem unverwechselbaren Gesicht, irgendwo zwischen 70er-Jahre-Popmoderne und dem blondierten Stil norditalienischer Tankstellen. weiterlesen

Verblüffende Agilität: der Porsche 550 Sypder RS

Verblüffende Agilität: der Porsche 550 Sypder RS

Warum ich den Porsche 550 Spyder RS nicht vergessen kann

VON ULF POSCHARDT

Let’s go bürgerlich: Leserbeschimpfung! Daran sind Kunstfreunde gewöhnt, wird ihnen doch oft genug eingeredet, Kapitalismus und Entfremdung seien ihre Schuld. Bei uns Freunden des kultivierten Blechkleids geht’s andersherum: Wir sind „Bourgeoisisten“, wie der Architekturtheoretiker Julius Posener sie so schön beschrieben hat. „Bourgeoisisten“ haben Schuldgefühle und Scham tiefergelegt und ihren Hedonis­mus getuned.

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Ein Auto wie Burt Reynolds mit einem Irokesenschnitt: De Tomaso Longchamp, Foto: DERDEHMEL

Ein Auto wie Burt Reynolds mit einem Irokesenschnitt: De Tomaso Longchamp, Foto: DERDEHMEL

Die Porno-Proportionen des De Tomaso Longchamp

Von ULF POSCHARDT

Die Ästhetisierung der Welt ist ein totalitäres Anliegen. Die Postmoderne hat das, sehr grob gesagt, etwas vulgarisiert. Und während es endlose Architekturdebatten um Villen und Antivillen gibt, wird das Straßenbild mit den rollenden Kisten als Designthema vernachlässigt. Nicht hier. Nicht bei uns.

Alles muss schöner werden, aber wenn alles schön wird, fehlt der Biss. Deshalb ist dieses Auto aufs Schärfste empfohlen: der De Tomaso Longchamp, ein Sport­coupé, das von 1972 
bis 1989 gebaut wurde. Es ist ein Auto wie ein Pitbull, wie eine Tom-­of-­Finland­-Karikatur, von vorn böse und erigiert, von hinten ein wenig der italienische Landadlige mit dicken (Auspuff-­)Rohren.

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Schönheitsschock, 60er-Jahre: Iso Grifo A3/L, Foto: DERDEHMEL

Schönheitsschock, 60er-Jahre: Iso Grifo A3/L, Foto: DERDEHMEL

Die hysterische Eleganz des Iso Grifo

Von ULF POSCHARDT

Alle reden von ’68, dabei fand die Revolution Jahre vorher statt. Roy Lichtenstein und Andy Warhol ließen den Abstrakten Expressionismus alt aussehen, zeitgleich befreiten drei Twens das Automobildesign von barocken Blechbergen und kantigen Biederismen. Der 25-jährige Ferdinand Alexander Porsche entwarf den Porsche 911, der 28-jährige Paul Bracq
die Mercedes Pagode und der blutjunge Giorgio Giugiaro gestaltete den unterschätztesten Gran Turismo der frühen 60er-Jahre: den Iso Grifo.
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Man with sunglasses driving car

Man with sunglasses driving car

Die Hölle, das sind die anderen Narzissten

Man with sunglasses driving car
Bin ich nicht geil?

Von ULF POSCHARDT

Der Narzisst ist ein Klassiker der Gegenwartsphänomenologie. Es werden zunehmend mehr, und mit dem Anwachsen ihrer Masse schwindet der Zauber. Die Postmoderne und die Ästhetisierung der Welt haben den Narzissten vom eleganten Exoten zum gut frisierten Clown gemacht.

Nun ist der Narzisst in der automobilen Welt angekommen. Mehr noch, er verstopft die Straßen mit seiner lahmgesäßigen Selbstverliebtheit, die dazu führt, dass er in der Regel ganz in sein Rück- oder Seitenspiegelbild versunken ist, sodass er auf den Verkehr weder achten kann noch will. Es sind die neuen Männer, jene neuen Männer, die wie der große Schriftsteller Thomas Meinecke zuletzt in einem Interview erklärte, keine Männer mehr sein wollen, weil Mann ein Schimpfwort geworden sei.

Das würden die gut Geföhnten, mit oder ohne Dreitagebart, so nicht sagen, weil sie aussehen wie Männer in der Werbung aussehen und vermutlich auch nach den Rasiercremes für Dreitagebart riechen und nach edlen Rasierwässern. Diese Auto-Narzissten würden nie sagen, sie sind kein Mann, aber sie benehmen sich im Auto wie  Frauen in einem Schuhgeschäft: Sie sind erregt und konstant abgelenkt.

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Bildschirmfoto 2014-11-19 um 16.00.24

André und der Graf – und wie sie Freunde wurden!

Bildschirmfoto 2014-11-19 um 16.00.24
Foto: Alex Trebus

Von PIA FREY und ULF POSCHARDT

Mit Autoliebhabern ist es wie mit Fußballfans: Jeder hält vor allem zu seinem Team. Die anderen werden misstrauisch beäugt. Wir wagten ein Experiment. Ein LOWRIDER aus Köpenick und ein EDELMANN aus Westfalen treffen sich an der Rennstrecke. Im westfälischen Bad Driburg gibt es auf dem Gelände eines ehemaligen Munitionsdepots einen Ort, der jedem, der auch nur einen leichten Autoknall hat, heilig vorkommen muss: die private Rennstrecke auf dem Bilster Berg, laut Rennfahrer Hermann Tilke „die geilsten 4,2 Kilometer der Welt“. weiterlesen