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Interview Wie Wigald Boning 204 Nächte im Freien schlief

Eine Sommernacht war dem Comedian Boning in seiner Wohnung zu heiß, er entschied sich, eine Nacht im Zelt zu schlafen - und blieb dabei. Ein Gespräch über Facebookfans und unfreundliche Obdachlose.
Von Gesine Jordan | Stand: 26.09.2016 | Lesedauer: 5 Minuten
Wigald Boning Wigald Boning

Wigald Boning fŁhlt sich wohl in Gottes Natur. Foto: Peter Gercke

Wigald Boning fŁhlt sich wohl in Gottes Natur. Foto: Peter Gercke

Quelle: dpa

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Alles fing ganz harmlos mit einer heißen Sommernacht im August 2015 an. Weil es Wigald Boning in seiner Münchner Innenstadtwohnung zu heiß war, packte er sein kleines Ein-Mann-Zelt und den Schlafsack ein und zog auf eine Kiesbank an der Isar. Der ersten Nacht folgte eine zweite, eine dritte. Und dann „kam ich aus der Nummer nicht mehr raus“. Über seine Nächte im Freien hat der Entertainer jetzt ein Buch geschrieben: „Im Zelt – von einem, der auszog, um draußen zu schlafen“.

Welt am Sonntag: Herr Boning, in heißen Sommernächten unterm Sternenhimmel zu schlafen kann man ja noch verstehen, aber warum haben Sie nach der Hitzewelle 2015 nicht einfach aufgehört?

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Wigald Boning, geboren 1967 bei Oldenburg, wollte ursprünglich Profimusiker werden. Seine Alben floppten, parallel arbeitete er als TV-Moderator. Bekannt wurde er mit der Comedy-Se ...

Wigald Boning, geboren 1967 bei Oldenburg, wollte ursprünglich Profimusiker werden. Seine Alben floppten, parallel arbeitete er als TV-Moderator. Bekannt wurde er mit der Comedy-Sendung „RTL Samstag Nacht“. Boning lebt von seiner Ehefrau getrennt und hat zwei Söhne. „Im Zelt“ ist sein fünftes Buch.

Wigald Boning, geboren 1967 bei Oldenburg, wollte ursprünglich Profimusiker werden. Seine Alben floppten, parallel arbeitete er als TV-Moderator. Bekannt wurde er mit der Comedy-Sendung „RTL Samstag Nacht“. Boning lebt von seiner Ehefrau getrennt und hat zwei Söhne. „Im Zelt“ ist sein fünftes Buch.

Quelle: pa/dpa/dpa-ZB

Wigald Boning: Es gefiel mir so gut. Schon in der zweiten Nacht fing ich an zu grübeln, wie lange man es aushalten könnte, draußen zu schlafen. Ein Jahr? Oder einen Winter? Das Ganze war ein Selbstexperiment, deshalb habe ich es auch geflissentlich protokolliert. Eine ethnografische Studie an mir selbst.

WamS: Tagsüber haben Sie sich ganz normal in vier Wänden aufgehalten, aber konsequent draußen geschlafen. Hat Ihnen an kalten, nassen Tagen nicht das Wohlige, Heimelige gefehlt?

Boning: Ich habe das kleinste Ein-Mann-Zelt, das es gibt. Darin fühlte ich mich wie Jonas, der vom Wal verschluckt wurde. Das Zelt taufte ich dann Walmagen. Darin kam ich mir sehr geborgen vor.

WamS: Draußen haben Sie genauso gut genächtigt wie zu Hause im Bett?

Boning: Ja und Nein. Ich musste mich erst daran gewöhnen. Über Wochen kumulierte sich ein Schlafmangel, der mich aggressiv werden ließ. Ich habe mich auf dieser Ebene ganz neu kennengelernt: dass ich unausgeschlafen zu einer diffusen Aggression neige. An manchen Tagen wähnte ich mich auch dement, aber es war dann doch nur Schlafmangel.

WamS: Wenn Sie beruflich unterwegs waren, musste Ihnen das Management „Draußen-Schlafplätze“ organisieren. Wo waren die Schönsten?

Boning: Ein absoluter Höhepunkt war die Nacht im Weser-Stadion. Ich bin seit meiner Kindheit Werder-Bremen-Fan. Ich war noch nie auf dem Spielfeld. Dann stand ich da, es war ein Herbstabend, das Flutlicht war an, ich habe laut gelacht. Vor Freude. Die Platzwarte waren nicht so begeistert, es wurde genau vereinbart, wie tief die Heringe in den Boden durften. Und dann wusste ich nicht, wo ich mein Zelt aufschlagen sollte. Im Strafraum? Auf dem Elfmeter-Punkt? Ich bin dann in den Mittelkreis gegangen. Mein Ohr lag genau auf dem Anstoßpunkt. Ich hörte das Summen der Rasenheizung. Ein merkwürdiges UV-Licht für den Rasen brannte. Ich habe die ganze Nacht kein Auge zugemacht – aber das wäre ja auch Frevel gewesen.

WamS: Und wo war Ihre erholsamste Nacht?

Boning: Auf den Shetlandinseln, auf einem Hügel mit Rundum-Blick auf eine wunderschöne Landschaft. Der Sonnenaufgang war spektakulär. Wenn man auf den Shetlandinseln im Hotel schläft, ist man blöd, es entgeht einem so viel!

WamS: Hatten Sie nie Angst?

Ich dachte, es wird eine besondere Nacht. Ich hatte Kerzenlicht angezündet, mich wohlig reingelegt.
Wigald Boning, Der Dauercamper nach 204 Nächten über seine erste Nacht im Bett

Boning: Wenn ich das Gefühl hatte, in einer unsicheren Gegend zu sein, habe ich mich möglichst versteckt. In Parks beispielsweise hinter Holzhaufen. Es gab eine unangenehme Nacht in Köln. Es regnete stark und ich wollte unter einer Brücke kampieren, die war aber schon von Obdachlosen besetzt, die mich weggescheucht haben.

WamS: Stichwort Körperpflege...

Boning: Als Komponist des Liedes „Mief“ („Nimm mich jetzt, auch wenn ich stinke“, d. Red.) beanspruche ich natürlich Sonderregeln. Eigentlich ist das gar nicht so schwer, auf den Campingplätzen gibt es Duschen. In Zürich bin ich aus dem Zelt direkt in den See gesprungen.

WamS: …aber einmal ist Ihnen doch ein Dusch-Malheur passiert...

Boning: Richtig – als ich schon länger ganz allein unter der Dusche stand, hörte ich lauter Frauenstimmen und mir dämmerte, hier bist du falsch. Ich habe gefühlt stundenlang unter der Dusche zugebracht, bis ich den Eindruck hatte, jetzt ist die Luft rein.

WamS: Ihre Facebook-Fan-Gemeinde hat mit Ratschlägen und Kommentaren nicht gespart.

Boning: Die überwiegende Mehrheit hat mich unterstützt. Sehr selten gab es interessante Kritik. Etwa, in Zeiten der Flüchtlingskrise sei es dekadent, freiwillig draußen zu schlafen. Oder, im heimischen Innenhof hatte ich mir ein Stromverlängerungskabel zum Zelt gelegt, da wurde mir vorgeworfen, ein richtiger Zelter macht so etwas nicht. Ich bin in einem beständigen Nachdenken, wofür die sozialen Netzwerke eigentlich gut sind, und versuchte mich mit meinem Zelttagebuch an einem Gegenentwurf zu Essensfotos und Katzenvideos.

WamS: Im März haben Sie Ihren Selbstversuch beendet, warum?

Boning: Ich musste für eine Doku-Reihe nach Tschernobyl und dachte, das sei ein günstiger Schlusspunkt. Obwohl ich im Nachhinein erfahren habe, man hätte auch dort zelten können.

WamS: Und wie war die erste Nacht in einem richtigen Bett?

Boning: Ich dachte, es wird eine besondere Nacht. Ich hatte Kerzenlicht angezündet, mich wohlig reingelegt. Die ersten Minuten waren auch ganz angenehm, aber nach einer Viertelstunde wurde mir so warm, dass ich wieder rausging in mein Zelt, das noch im Innenhof stand. Tatsächlich war es ein längerer Prozess, bis ich wieder genussvoll in meinem Bett schlafen konnte.

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WamS: Und heute?

Boning: Ich übernachte immer noch gerne draußen, aber nicht mehr unter dem Zwang, es jede Nacht machen zu müssen.

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