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Vorstoß in Rotterdam Muss man schlechte Eltern zum Verhüten zwingen?

Von Sarah Maria Brech | Stand: 01.10.2016 | Lesedauer: 2 Minuten
Rotterdam bringt Zwangsverhütung ins Gespräch
Quelle: Die Welt
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Schon öfter wurde die Idee der zwangsweisen Schwangerschaftsverhütung diskutiert und jedes Mal abgeschmettert. Nicht zu Unrecht wird auf die Zwangssterilisierungen durch die Nationalsozialisten verwiesen.

Quelle: Die Welt

Mit einer heiklen Idee will die Stadt Rotterdam Kindesmisshandlung vorbeugen: Verantwortungslose Frauen sollen zum Gebrauch von Verhütungsmitteln gezwungen werden können. Politiker sind entsetzt.
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Es ist ein Thema, das heikler kaum sein könnte: Darf ein Staat Menschen dazu zwingen, eine Schwangerschaft zu verhüten? Die Stadt Rotterdam unternimmt jetzt einen entsprechenden Vorstoß. In einem Brief an den Gemeinderat schlägt der für Jugend zuständige Christdemokrat Hugo de Jonge zusammen mit Kollegen ein neues Gesetz vor.

Demnach könnte ein Gericht in Zukunft beschließen, dass potenzielle Eltern zwangsweise verhüten müssen – wenn sie sich als besonders verantwortungslos erwiesen haben. In Rotterdam könnten pro Jahr zehn bis 20 Frauen betroffen sein, etwa Drogenabhängige oder Obdachlose. Ihnen würde dann zum Beispiel ein Verhütungsstäbchen oder eine Spirale eingesetzt.

Manche Kinder würden in Familien geboren, bei denen jeder in der Umgebung „Bauchschmerzen bekäme“, argumentierte de Jonge. „Sicher und gesund aufzuwachsen ist genau so ein Recht wie Kinder zu bekommen.“

Einige Experten unterstützen die Idee. So berichtete etwa Gynäkologe Tom Schneider der Zeitung „NRC Handelsblad“ von seinen Erfahrungen aus dem Rotterdamer Erasmus-Krankenhaus. Dort traf er drogenabhängige Prostituierte, die ständig schwanger sind, weil es Freier gibt, die dann mehr Geld bezahlen.

Ein Richter erzählte von einer geistig behinderten Frau, die 14 Kinder bekommen habe, von denen nur eins bei ihr aufwuchs. Im armen Rotterdam sehen Sozialarbeiter besonders viele Fälle von Kindesmisshandlung und Vernachlässigung.

Sozialdemokraten befürworten erzwungene Verhütung

Mehrmals schon wurde die Idee der zwangsweisen Schwangerschaftsverhütung in den Niederlanden diskutiert und jedes Mal abgeschmettert – meist mit Verweis auf die Zwangssterilisierungen durch die Nationalsozialisten. Auch diesmal lehnen die meisten Parteien den Vorschlag rundheraus ab.

„Die Behörden können nicht entscheiden, wer Kinder bekommt oder nicht. Das ist eine Grenze, die wir nicht überschreiten dürfen“, sagte der liberale Ministerpräsident Mark Rutte.

Andere Politiker zeigen zwar Verständnis für die Herausforderungen, vor die sich Ärzte und Sozialarbeiter gestellt sehen, sind aber gegen Zwangsverhütung. Die grüne Parlamentsabgeordnete Linda Voortman plädierte im öffentlich-rechtlichen Rundfunk dafür, gefährdete Frauen enger zu begleiten und sie davon zu überzeugen, freiwillig zu verhüten.

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Nur die Sozialdemokraten unterstützen de Jonges Plan. Wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft seien, könne man in Ausnahmefällen diese Maßnahme ergreifen, um besonders schlimme Situationen zu verhindern, sagte die Abgeordnete Agnes Wolbert.

Rotterdam startet erst einmal ein Projekt, mit dem Frauen in schwierigen Lebensphasen davon überzeugt werden sollen, nicht schwanger zu werden. Die Stadt Tilburg hat damit ermutigende Erfahrungen gemacht: Vier Fünftel der Teilnehmerinnen verhüten inzwischen.

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