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Finnland Warum Sie im hohen Norden besser schweigen

Von Kira Hanser | Stand: 13.09.2016 | Lesedauer: 7 Minuten
Ferienhaus am Saimaa-See in Finnland Ferienhaus am Saimaa-See in Finnland

Ferienhaus am Saimaa-See in Finnland

Ferienhaus am Saimaa-See in Finnland

Quelle: age fotostock/Getty Images

Wer durch Finnland reist, lernt das nordische Jedermannsrecht schätzen. An Seen darf man angeln, im Wald Beeren pflücken – eine Plaudertasche sollte man allerdings nicht sein. Fünf Tipps.
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Stundenlang können sie nebeneinander sitzen, grillen, saunieren, trinken, sich anschweigen und einfach eine gute Zeit haben. Small Talk, Floskeln, Reden um des Redens willens? Nichts als Ruhestörung. Lieber schaut man gemeinsam ins Feuer, auf die glühenden Steine oder auf den See. Finnen sind sehr gesellig, feiern gern zusammen, aber reden dabei auch nicht unbedingt viel. Von einem Finnen angeschwiegen zu werden, sollten Urlauber weder als peinlich noch unhöflich empfinden. Im Zweifel ist es besser mitzuschweigen.

Denn Schweigen ist in Finnland eine Form der Etikette. Man will sich nicht aufdrängen. Dem anderen zu nahe treten durch zu viel Gelaber. „Worte sind zu kostbar, als dass man sie verschwenden dürfe“, lautet ein Bonmot in Finnland. Auch darf man nicht immer sofort eine Antwort erwarten. Erst wird geschwiegen, und dann wohlüberlegt eine Antwort formuliert – und zwar kurz, damit die Finnen möglichst bald wieder in Ruhe schweigen können.

In einem typischen finnischen Witz nörgelt eine Ehefrau, dass ihr Mann ihr zuletzt vor 30 Jahren bei der Hochzeit gesagt habe, dass er sie liebe. Er antwortet darauf: „Solange sich daran nichts ändert, warum soll ich es wiederholen?“ Nichts sagen heißt nämlich in Finnland, rundum zufrieden sein.

„Am liebsten schweigen die Finnen“, sagt auch Tarja Prüss, in Deutschland lebende Autorin mit finnischen Wurzeln. „Ich kenne kein Volk, das so leise und still sein kann und gleichzeitig so leidenschaftlich still und leise.“ Jetzt hat Tarja Prüss eine Hommage an die Finnen geschrieben, „die gern schweigen, sich in Luftgitarrespielen messen, in Moll tanzen und stundenlang vor Eislöchern sitzen“. Der neue Band „111 Gründe, Finnland zu lieben“ ist eine Liebeserklärung an Suomi, wie die Finnen ihr Land nennen. Fünf ungewöhnliche Tipps, warum sich Finnland lohnt.

Weil in der Sauna fast alles erlaubt ist

Es ist ein Fauxpas, eine Einladung zum gemeinsamen Saunieren abzulehnen. Ein Treffen in der Sauna ist völlig normal und gilt sogar als besonderer Sympathiebeweis. Als Ablehnungsgrund lässt man höchstens gesundheitliche Gründe gelten. Frauen und Männer saunieren getrennt, das gilt auch bei Besuchen in Privatsaunen. Anders als in Deutschland gibt es auch kaum Regeln beim Saunieren – außer: nackt und mit Handtuch zum Draufsetzen. Aber weder Handtuchwedeln noch Sanduhren sind üblich. Erlaubt ist, was wohltut. Es wird beim Saunieren auch Dosenbier getrunken und Wurst gegart. Finnen gehen selbst bei Erkältungen in die Sauna, egal ob frühmorgens, mittags oder gemeinsam nach dem Abendessen.

Abkühlen im See nach dem Saunagang

Abkühlen im See nach dem Saunagang

Abkühlen im See nach dem Saunagang

Quelle: AFP/Getty Images

Die Zahl der Saunen wird auf mehr als drei Millionen geschätzt – bei 5,4 Millionen Einwohnern. Die Finnen erfinden auch ständig neue Saunagänge. Im Bus beispielsweise: Passagiere steigen in den „Sauna-Bussi“ und fahren kreuz und quer durch Kuusamo im Nordosten Finnlands. Die vierstündige Tour mit Karaokeanlage kostet für 17 Personen ab 495 Euro. Im Preis enthalten sind Handtücher und Bademantel (www.rukapalvelu.fi). Oder in der Gondel: Am nördlichen Polarkreis können Schwindelfreie nackt in einer Gondel bei 100 Grad schwitzen. Etwa 20 Minuten dauert die heiße Fahrt auf den Berg Ylläs und zurück, nur vier Personen haben Platz. Es ist wohl auch der weltweit teuerste Saunagang: 1500 Euro beträgt die Gondelmiete.

Vor drei Jahren eröffnete in Helsinki die erste Kultursauna: In einer kleinen öffentlichen Sauna, direkt am Wasser gelegen, werden zwischen den Aufgüssen Kulturveranstaltungen organisiert, von Gedichtvorträgen bis hin zu Vorlesungen. Eintritt: 15 Euro, www.kulttuurisauna.fi. Und wer private Saunen bei Fremden kennenlernen will, für den gibt es jetzt erstmals einen Helsinki Sauna Day (helsinkisaunaday.fi). Am 29. Oktober 2016 öffnen sich die Türen zu privaten und Firmensaunen. Einzige Voraussetzung ist, dass die Saunen für die Besucher kostenlos sein müssen.

Weil Finnland das Land der 100.000 Seen ist

Seen sind nirgends weit – und bis auf wenige Ausnahmen fast überall öffentlich zugänglich. Man darf hier also ohne Genehmigung für den Eigenbedarf angeln, sofern die Ausrüstung nicht zu professionell aussieht. „Rein statistisch kommt auf 30 Finnen ein See“, sagt Tarja Prüss. Knapp 188.000 Seen gibt es in Finnland. Und an jedem dieser Seen stehen mökkis, die holzverkleideten Ferienhäuser. Hier verbringen die Finnen viele Wochenenden und ihre Sommerferien. Der herrlich gelegene Saimaa-See in Südostfinnland ist mit 4370 Quadratkilometer der größte See, der sich aber nicht mal eben umrunden lässt: Seine Uferlänge beträgt fast 15.000 Kilometer.

Weil finnische Spezialitäten so delikat sind

Eine typische Spezialität ist graavi loh, gebeizter Lachs, serviert mit frischem Dill und hauchdünn geschnitten. Finnlandexpertin Tarja Prüss empfiehlt auch muikku, eine Maräne, in Mehl gewendet und kross gebraten. Eine Besonderheit ist liekkilohi, ein sogenannter Flammlachs. Dabei wird der Lachs gesalzen und auf Holzbretter genagelt senkrecht am Feuer geräuchert. Sie selbst bestellt am liebsten poronkäristys, Rentiergeschnetzeltes mit Kartoffelbrei und Preiselbeermarmelade – und Würstchen.

„Die Finnen sind Spezialisten darin, immer eine Gelegenheit zu finden, Würstchen zu essen. Kein Spaziergang, keine Wanderung im Wald, kein Langlauf ohne anschließendes Würstchengrillen über dem Lagerfeuer. Egal, ob Sommer oder Winter. Ohne lenkkimakkara, die Fleischwurst im Ring, kann kein Finne sein“, sagt Tarja Prüss. Auch viele Beeren sind Finnlands Spezialität. Die gibt es nicht nur frisch auf dem Markt, sondern in jedem Wald. Zum Selberpflücken. Blaubeeren, Brombeeren, Preiselbeeren – und orangefarbene Moltebeeren, die gern heiß gekocht mit Vanilleeis serviert werden.

Weil Kaamos mehr ist als nur Dunkelheit

Nur ganz im Norden, oberhalb des Polarkreises, gibt es kaamos, das finnische Wort für die Polarnacht. Die Sonne zeigt sich in Utsjoki in Nuorgam, dem nördlichsten Dorf Finnlands, von Ende November bis Mitte Januar gar nicht mehr. Es wird zappenduster. Tarja Prüss: „Als ob man 150 Meter tief in ein Bergwerk hinabfährt und zusätzlich noch eine Augenbinde verpasst bekommt. So lichtlos kann die Dunkelheit in Finnland schon um vier Uhr nachmittags sein.“ Oft schimmert die Dunkelheit auch in Schattierungen von Blau und Violett bis Lila. Kerzen stehen überall zum Verkauf für drinnen und draußen, um der Dunkelheit etwas entgegenzusetzen. Helsinki und Oulu feiern Lichtfestivals. Spaziergänger tragen reflektierende Warnwesten, Reflektoren baumeln an Taschen, Jacken und Handschuhen und Hundehalsbändern. Autos fahren mit doppelten Scheinwerfern. Kaamos sorgt auch dafür, dass man die Polarlichter am dunklen Himmel viel besser sehen kann. Und Utsjoki, das nördlichste Dorf, freut sich schon auf Mitte Mai, dann geht die Sonne erst Ende Juli wieder unter.

Weil ein paar finnische Vokabeln nützlich sind

Auch wenn die Finnen wenig reden, und es kein äquivalentes Wort für „bitte“ gibt, bedanken tun sie sich reichlich. Auch für Urlauber gilt: kiitos ist höflich. Beim korrekten Bierbestellen sagt man einfach „olut, kiitos“, was wortwörtlich „ein Bier, danke“ heißt. Schlicht und einfach „olut“ (Bier) reicht aber auch völlig, um freundlich bedient zu werden. Das finnische Wort für Prost lässt sich wortmalerisch rasch merken: „Kippis!“ Finnisch ist mit 15 Fällen und ellenlangen Wörtern mit vielen Ä’s, Ö’s und Ypsilons zwar eine der schwierigsten Sprachen, doch es gibt viele internationale Worte, die sie mit einem -i eingefinnt haben: wie etwa: hotelli, anorakki, bussi, banaani, bumerangi, elefantti, fööni, humpuuki (Humbug), optimisti, posti, salaatti, tomaatti, tunneli. Doch ein PC heißt wiederum nicht Computeri, sondern tietokone für Wissensmaschine. Eine E-Mail ist die sähköposti, elektronische Post, wobei die Finnen auch exzellent Englisch sprechen. Vom Nobelpreisträger und ehemaligen Präsidenten Finnlands Martti Ahtisaari stammt der Ausspruch: „Wer Finnisch lernt, der kann alles lernen.“

Weil es scharfe Souvenirs gibt

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Nach Salmiakki, Salzlakritz in allen Geschmacksrichtungen, sind fast alle Finnen geradezu süchtig. Und nach Fazer-Schokolade mit 70 Prozent Kakaoanteil. Und nach rosaschwarzen Lakritzstangen names Mustikka-Vadelma Lakritsi, die mit Blaubeercreme gefüllt sind. Klassische Mitbringsel: Rentier- oder Elchschinken und Moltebeerenmarmelade. Für Outdoorfans lohnt eine Holztasse namens kuksa. Sie wird direkt aus der Birke geschnitten und ausgehöhlt. Praktisch ist auch ein puukko. Das Gürtelmesser hat eine geschwungene, oft verzierte Stahlklinge, einen Birkenholz- oder Elchhorngriff und eine Rentierlederhülle. Ein Werkzeug für alle Gelegenheiten – zum Angeln, Grillen und Brotzeitmachen. Tarja Prüss: „Jeder Finne hat so ein Messer.“

Tarja Prüss: „111 Gründe, Finnland zu lieben“ , Schwarzkopf & Schwarzkopf, 328 Seiten, 12,99 Euro

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