SPD-Chef Gabriel fordert Aufrüstung der Bundespolizei

Von Dietmar Henning
11. August 2016

Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat sich am Wochenende für eine Aufrüstung der Bundespolizei ausgesprochen. In der Bild am Sonntag bemängelte er deren Ausstattung und kritisierte insbesondere Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), den er dafür verantwortlich macht.

In den letzten elf Jahren, seitdem die CDU die Innenminister stellen, sei bei der Bundespolizei immer nur gespart worden, beklagte Gabriel. Inzwischen würden allein 45 Millionen Euro für neue Hubschrauber fehlen, die dringend für die schnelle Verlegung von „Spezialkräften“ benötigt würden.

Der SPD-Vorsitzende Gabriel fordert, die Bundespolizei müsse endlich angemessen ausgestattet werden — „mit ausreichend Personal und mit der nötigen Technik“. Der SPD-Fraktionschef im Bundestag Thomas Oppermann kündigte in der gleichen Ausgabe des Blattes Nachbesserungen bei den anstehenden Haushaltsberatungen an. „Wenn der Finanzminister auf Kosten der Sicherheit unserer Bürger sparen will, ist das der falsche Ansatz.“ In den Haushaltsverhandlungen werde die SPD darauf achten, dass die Einsatzfähigkeit der Bundespolizei nicht in Zweifel gerate.

Unterstützt wird die SPD von der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Der Vize-Vorsitzende Jörg Radek sagte, drei abgestürzte Hubschrauber seien nicht ersetzt worden. Die Bundespolizei habe für Modernisierung und Wartung der Flotte 45 Millionen Euro im Haushalt 2017 angemeldet, dies sei aber vom Finanzministerium nicht genehmigt worden. „Das ist verantwortungslos“, sagte Radek und warnte, wenn der Sparkurs im kommenden Jahr so fortgeführt werde, sei die Einsatzfähigkeit der Bundespolizei gefährdet. Laut GdP seien allein im Sachhaushalt für 2017 183 Millionen Euro zu wenig berücksichtigt worden.

Der ehemalige Bundesgrenzschutz, der 2005 von der rot-grünen Regierung unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) in Bundespolizei umbenannt wurde, ist die Spezialtruppe der Bundesregierung zur Abschiebung von Flüchtlingen, bei denen sie äußerst brutal vorgeht. Inzwischen ist sie auch in der Abschottung der EU-Außengrenzen tätig. Hier arbeitet die Bundespolizei eng mit der europäischen Organisation Frontex zusammen.

Die Bundespolizei sorgt immer wieder mit ihren rassistischen Methoden für Schlagzeilen. Vielfach wurde sie von Menschenrechtsorganisationen für ihre diskriminierenden Personenkontrollen kritisiert. Dabei greifen sie willkürlich („verdachtsunabhängig“) Menschen anderer Hautfarbe oder nichteuropäischer Herkunft auf, um sie zu schikanieren.

Vor einem Jahr wurden Misshandlungsvorwürfe gegen einen Bundespolizisten in Hannover bekannt, der Flüchtlinge in der Gewahrsamszelle gefoltert haben soll. In einem Fall war ein 29-jähriger Flüchtling aus Afghanistan sein Opfer. Seinen Polizeikollegen schrieb er über Whatsapp, was er mit ihm anstellte: „Hab den weggeschlagen. Nen Afghanen. Mit Einreiseverbot. Hab dem meine Finger in die Nase gesteckt. Und gewürgt. War witzig. Und an den Fußfesseln durch die Wache geschliffen. Das war so schön. Gequikt wie ein Schwein. Das war ein Geschenk von Allah.“

Ein 19-jähriger Marokkaner wurde ebenfalls in der Gewahrsamszelle der Bundespolizei am Hauptbahnhof Hannover misshandelt. In seiner Handy-Kurzmitteilung schrieb der Beamte: „Das ist ein Marokkaner. Den habe ich weiß bekommen.“ Sein Vorgesetzterhabe gesagt, „dass er ihn oben gehört hat, dass er geqikt hat, wie ein Schwein. Dann hat der Bastard erst mal den Rest gammeliges Schweinefleisch aus dem Kühlschrank gefressen, vom Boden.“ Im April stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein, weil keine „strukturellen Probleme“ auf der Wache aufgedeckt worden seien.

In letzter Zeit wird die Bundespolizei zunehmend aufgerüstet und soll zu einer paramilitärischen Spezialtruppe ausgebaut werden. Die berüchtigte Spezialtruppe GSG 9 war schon immer Teil des Bundesgrenzschutzes und nun der Bundespolizei. Ende 2015 wurde ihr die neue Spezialeinheit BFE+ beiseite gestellt. Die sogenannte „Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit plus“ ist schwer bewaffnet. Zu ihrer Standardausrüstung gehören neben schwarzer Kampfmontur, Sturmhauben und kugelsicheren Westen auch das Sturmgewehr G36 der Bundeswehr. Zusätzlich wird sie mit gepanzerten Fahrzeugen ausgestattet.

So soll die Bundespolizei in eine paramilitärische Polizeieinheit, wie sie in anderen europäischen Staaten mit den Compagnies Républicaines de Sécurité (CRS) und der Gendarmerie Mobile in Frankreich, den italienischen Carabinieri oder der spanischen Guardia civil existiert. Diese kasernierten Kräfte sind de facto militärische Einheiten. Die Bundespolizei trainiert schon seit mehreren Jahren mit diesen und anderen Einheiten aus europäischen Ländern für den Häuserkampf und andere Bürgerkriegsszenarien.

Die immer wieder vorgebrachte Begründung der „Terrorbekämpfung“ ist ein billiger Vorwand. Erstens haben die Kriege, die die USA und ihre Verbündeten, darunter Deutschland im Nahen Osten und Nordafrika führen den Terror erst hervorgebracht. Die Terroristen sind dabei Teil der Kriegsmaschinerie der imperialistischen Regierungen, die sie wie in Syrien gegen Baschar al Assad mit Waffen und Geldern unterstützen.

Zweitens ist die innere Aufrüstung nur die Kehrseite dieser Außenpolitik. Seit 2014 verfolgt die Bundesregierung ihre wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen zunehmend mit militärischen Mitteln. Der Militarismus, das Auseinanderbrechen der Europäischen Union, das Heraufziehen neuer internationaler Finanzkrisen und zunehmende soziale Angriffe führen zu wachsendem Widerstand in der Bevölkerung. Die innere Aufrüstung ist die Vorbereitung auf große Klassenkämpfe.

Dabei sind die Unterschiede zwischen der SPD und der CDU rein taktischer Natur. In den letzten Tagen hatten sich SPD-Führer gegen einen Einsatz der Bundeswehr im Innern ausgesprochen. So sagte Hamburgs Bürgermeister und SPD-Bundesvize Olaf Scholz der Nachrichtenagentur dpa: „Vom Einsatz der Bundeswehr im Inneren halte ich (...) nichts, sofern er über das hinausgehen soll, was die Verfassung schon vorsieht.“ Und SPD-Chef Gabriel kritisierte, dass die Union durch Debatten über Bundeswehreinsätze im Inneren von den eigentlichen Problemen bei den Sicherheitsbehörden ablenke. „Wer die Ausweitung des Bundeswehreinsatzes im Inneren fordert, missachtet die Arbeit unserer Polizistinnen und Polizisten“, sagte Gabriel.

Diese Wortgefechte sind reine Augenwischerei. Die SPD hat als Regierungspartei im letzten Monat dem neuen Weißbuch der Bundeswehr zugestimmt. Darin heißt es, dass „die Streitkräfte zur Unterstützung der Polizeikräfte bei der wirksamen Bekämpfung des Unglücksfalls unter engen Voraussetzungen auch hoheitliche Aufgaben unter Inanspruchnahme von Eingriffs- und Zwangsbefugnissen wahrnehmen können“.

Die Sozialdemokraten halten den beschleunigten Aufbau einer paramilitärischen Polizei-Truppe im gegenwärtigen Moment für effektiver. Denn dies hat den Vorteil, dass die grundgesetzlich verankerte Trennung von Polizei und Militär, umgangen wird. Die Bundespolizei untersteht dem Innenministerium und muss sich weder mit Klagen beim Bundesverfassungsgericht – die einem Bundeswehreinsatz im Innern folgen könnten – noch mit dem Parlament aufhalten.

An der Zielrichtung – der Unterdrückung von Opposition und Widerstand innerhalb Deutschlands – ändert dies nichts. Die Spezialtruppen der Bundespolizei sehen aus wie Militärs, üben wie Militärs und sollen auch so eingesetzt werden. Der massive Polizeiaufmarsch in München nach dem schrecklichen Amoklauf eines 18-jährigen am 22. Juli war dazu eine erste Probe. Gabriels Forderung nach mehr Geld für die Bundespolizei ist eine Vorbereitung auf große Klassenkämpfe und eine Warnung an die arbeitende Bevölkerung.