Geschichte

Courtrai 1302

27.04.16

Der erste große Sieg des Bürgers über den Ritter

Im Jahr 1302 erhoben sich die Städte Flanderns gegen die drückende Herrschaft der Franzosen. Bei Courtrai kam es zur Schlacht. Die Flamen vertrauten auf eine merkwürdige Waffe – und siegten.

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Von Jan von Flocken

Beginn einer neuen Ära für die Flamen: Nachdem der französische König Philipp IV. (1268-1314) Brügge und Kortrijk besetzen ließ, um sich den städtischen Reichtum Flanderns anzueignen, kam es am 11. Juli 1302 zur Schlacht von Courtrai.

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Philipp IV. war einer der gewalttätigsten Herrscher des Mittelalters. Ihm missfielen die stolzen und unabhängigen Städte an Frankreichs Nordgrenze: Seine Beamten erhöhten als erste Maßnahme fast alle Steuern.

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Brügges Bürger reagierten am 18. Mai 1302 mit der "Brügger Morgenfeier": Sie stürmten das Rathaus (Foto links) und die Häuser, in denen Franzosen einquartiert waren und erschlugen die Besatzer. Ihren Anführern Jan Breydel und Pieter de Coninck wurde auf dem Großen Markt in Brügge ein Denkmal (Foto Mitte) gesetzt.

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Frankreich antwortete mit der Schlacht von Mons-en-Puelle am 18. August 1304, die es gewann. Doch trotz einer formellen Unterwerfungserklärung konnten die Städte Flanderns ihre Freiheiten weitgehend bewahren. Der "Guldensporenslag", der 11. Juli, ist deshalb offizieller "Feiertag der Flämischen Gemeinschaft" in Belgien.

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König Philipp IV. von Frankreich trug den Beinamen "der Schöne". Doch das täuscht. Er war keineswegs nur ein eitler Beau, sondern einer der tatkräftigsten und gewalttätigsten Herrscher des Mittelalters. Philipp legte sich mit den bedeutendsten Mächten seiner Zeit an: dem Papsttum, das er 1309 zur Unterwerfung in Avignon zwang, und dem Orden der Tempelritter, den er 1307 vernichtete. Doch bevor der König sich einen im ganzen Abendland gefürchteten Namen machte, musste er eine schwere militärische Schlappe hinnehmen.

Zunächst richtete sich Philipps außenpolitischer Ehrgeiz auf Flandern, dessen Reichtum ihn lockte. Mit diesen flämischen Tuchwebern und Metzgergesellen werde man kurzen Prozess machen, versprach des Königs bewährter Heerführer Graf Robert von Artois. Hochgemut zogen seine französischen Ritter am 11. Juli 1302 dem Feind entgegen. Kaum einer von ihnen sollte das Schlachtfeld lebend verlassen.

Flandrische Städte wie Brügge, Gent, Ypern und Kortrijk (Courtrai) verfügten über eine blühende Textilindustrie. Sie entwickelten sich seit dem 13. Jahrhundert zu bedeutenden Wirtschafts- und Kulturzentren. Antwerpen wuchs zum größten Seehafen Europas heran. In vielen Städten entstanden mächtige Handwerkerbünde. Vor allem die Weber, Wollscherer und Fleischer zeigten sich selbstbewusst – nicht zuletzt deshalb, weil sie den größten Teil der städtischen Milizen stellten.

Philipp IV. missfiel die Existenz so stolzer, unabhängiger Gemeinwesen an Frankreichs Nordgrenze. Um den städtischen Reichtum Flanderns in seine Gewalt zu bekommen, setzte er 1297 ein Heer in Bewegung und ließ Brügge sowie Kortrijk besetzen. Graf Guido von Flandern wurde unter dem Vorwand des Hochverrats eingesperrt, sein Besitz konfisziert und französische Beamte im Land eingesetzt, die als erste Maßnahme fast alle Steuern erhöhten.

Gegen diese Fremdherrschaft erhoben sich schließlich die Bürger von Brügge. Am 18. Mai 1302 stürmten sie das Rathaus und erschlugen alle Franzosen, derer sie habhaft werden konnten. König Philipp IV. musste auf diese "Brügger Morgenfeier" natürlich reagieren und schickte ein großes Heer unter dem Befehl des Grafen Robert von Artois nach Flandern. Es sollte nur eine militärische Strafexpedition werden.

Gegen das französische Ritterheer formierte sich eine Milizarmee unter Führung der Brügger Bürger Jan Breydel, einem Fleischer, und Pieter de Coninck, Weber von Beruf. Es war freilich eine ganz besondere Miliz; die Qualität ihrer Ausrüstung wurde von den finanzstarken Städten bestimmt. Die Männer waren mit Kettenhemden, stählernen Helmen, Schilden und Panzerhandschuhen gut geschützt. Ihre Bewaffnung bestand aus Bögen, Armbrüsten, Piken und einer ganz eigentümlichen Waffe, "Goedendag" genannt.

Es handelte sich um eine etwa anderthalb Meter lange, schwere Pike mit extrem zugespitztem eisernem Dorn sowie einem dicken Metallring, die zerlegbar war und so auch als Streitkeule benutzt werden konnte. Aus einer geschlossenen Phalanx heraus konnten "Goedendags" dem gepanzerten Ritter durchaus gefährlich werden.

"Gegen berittene Gegner konnte diese Infanterie Erfolge erzielen, wenn sie ihre enge Formation diszipliniert einhielt und geeignetes Gelände mit natürlichen Hindernissen durch das Ziehen von Gräben oder Aufstellen von spitzen Pfählen ihren Erfordernissen anpasste", schreibt Thom Richardson vom Londoner Königlichen Waffenmuseum in seinem Buch "Militärgeschichte".

Um die von den Flamen belagerte Burg Courtrai zu entsetzen, rückte Robert von Artois mit ungefähr 7500 Berittenen und knapp 5000 Mann Söldnerfußvolk, darunter Armbrustschützen aus Genua, Richtung Gent vor. Das flämische Heer zählte zwar fast 15.000 Mann, aber es bestand fast ausschließlich aus Infanterie. Nur ein Dutzend Ritter unter Führung des deutschen Grafen Wilhelm von Jülich stand ihnen im Kampf bei und sollte sich als eiserne Reserve bereithalten.

Die Flamen hatten sich hinter dem etwa anderthalb Meter tiefen Gröningen-Bach verschanzt. Vor dessen sumpfigem Ufer hoben sie getarnte Löcher, sogenannte Wolfsgruben, aus. Hinter dem flämischen Heer zog sich der Fluss Lys hin, den man nicht durchwaten konnte. Damit wurde eine Flucht nahezu unmöglich, und der Gedanke liegt nahe, dass dies eine psychologische Maßnahme bildete, um die Männer zum äußersten Widerstand zu treiben.

Links hinter der Frontlinie lag die französisch besetzte Burg Courtrai. Also postierte man eine Abteilung der Milizen aus Ypern vor dem Tor, um zu verhindern, dass die Besatzung während der Schlacht den Flamen in den Rücken fiel.

Am Vormittag des 11. Juli 1302 schickte Robert von Artois seine genuesischen Armbrustschützen vor, die den Feind an beiden Flanken unter Beschuss nahmen. Als die Flamen hier schrittweise zurückwichen, glaubte der Franzose den entscheidenden Augenblick gekommen. Er kommandierte die Armbruster zurück und befahl gleichzeitig der ersten Linie seiner Ritter den Angriff. Dieses ungeschickte Manöver führte dazu, dass in dem morastigen Gelände Reiter und Fußvolk sich gegenseitig behinderten und in die Wolfsgruben fielen.

Auf Gefangennahme stand die Todesstrafe

In diesem Moment gingen die Flamen mit ihrem Schlachtruf "Flandern und der Löwe!" zum Gegenangriff über. Graf Artois sah seine desorientierten Männer schon dem Untergang geweiht. Um sie zu retten, rückte er mit der Hauptstreitmacht vor – der entscheidende Fehler. Denn als die Ritter den Gröningen-Bach überquerten, wurden sie von beiden Flanken angegriffen.

Die mit Schlachtbeilen und "Goedendags" bewaffneten Flamen fielen über die Pferde des Gegners her, töteten sie und erschlugen danach die zu Boden gestürzten Reiter. Es war bei Todesstrafe verboten, den damals üblichen Pardon zu geben oder Gefangene zu machen, obwohl man für sie oft ein hohes Lösegeld verlangen konnte.

Bald zog sich das französische Heer in regelloser Flucht nach Süden zurück. Den meisten gelang sie nicht mehr. 700 Ritter fielen im Gefecht, unter ihnen Robert von Artois und zwei Marschälle von Frankreich, Guy de Clermont und Simon de Melun. Der Leichnam des Grafen von Artois wies 30 Wunden auf. Seine Zunge war abgeschnitten worden.

Die Schlacht von Morgarten 1315

Die Schlacht am Morgarten am 15. November 1315 begann mit einem Überraschungsangriff der Schweizer, bei dem sie Felsbrocken und Hölzer auf die dichten Reihen der habsburgischen Ritter warfen.

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Obwohl Chroniken ersten Jahrzehnte später von der Schlacht, die wohl eher ein Gefecht war, berichteten, wurden die Schweizer stets mit ihrer typischen Waffe dargestellt, der Hellebarde.

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Die dicht gedrängten Ritterhaufen konnten sich nicht entfalten und wurden gnadenlos niedergemacht.

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Noch heute führt die Schweizergarde des Vatikan Hellebarden als Prunkwaffen.

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Am Ende des Schlachttages sammelten die flämischen Sieger ihre Trophäen ein: Mehr als 500 vergoldete Sporen, ein begehrtes Statussymbol jener Zeit. Sie wurden in der Liebfrauenkirche von Courtrai aufgehängt. Diese "Goldsporenschlacht" verkörperte den ersten spektakulären Erfolg von bürgerlichen Fußtruppen gegen gepanzerte Reiterei. Offenbar waren Ritterheere doch nicht unbesiegbar, wie bald auch die Schweizer und nach ihnen die englischen Bogenschützen beweisen sollten. Die Taktik und die Zusammensetzung der flämischen Streitkräfte wurden in den folgenden Jahrzehnten erfolgreich kopiert und dem Schlachtgeschehen angepasst.

Trotz einer formellen Unterwerfungserklärung gegenüber Frankreich konnten die Städte Flanderns ihre Freiheiten weitgehend bewahren. Deshalb gilt das Datum der "Guldensporenslag", der 11. Juli, bis heute als offizieller "Feiertag der Flämischen Gemeinschaft" in Belgien.

Jan von Flocken ist Journalist und Historiker und hat zahlreiche Bücher, darunter "Geschichten zur Geschichte" sowie zur Militärgeschichte, veröffentlicht. Er lebt bei Berlin.

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