Winzige Plastikpartikel beeinträchtigen die Entwicklung von jungen Barschen. Die Larven der Fische wachsen in einer Umgebung voller Mikroplastik schlechter, sie bewegen sich deutlich weniger und reagieren nicht mehr auf chemische Signale ihrer Feinde.
Das haben schwedische Wissenschaftler nun in Laborversuchen gezeigt. Wenn ähnliche Effekte auch bei anderen Fischarten zu beobachten seien, müsse man mit erheblichen Auswirkungen der bestehenden Mikroplastik-Belastung auf aquatische Ökosysteme rechnen, schreiben die Forscher im Fachblatt „Science“.
Jedes Jahr werden weltweit etwa 300 Millionen Tonnen Plastik produziert. Erhebliche Mengen gelangen in die Umwelt und enden häufig in Flüssen, Meeren und Seen. Plastik ist sehr beständig und wird nur langsam abgebaut. Durch Reibung und unter dem Einfluss des Sonnenlichts wird es im Laufe der Zeit in immer kleinere Partikel zerrieben.
Als Mikroplastik bezeichnen Experten Teile mit einer Größe unter fünf Millimetern. Sie werden zum Teil auch eigens erzeugt, etwa für Kosmetika. Die Ansammlung der Partikel in der Umwelt bereitet vielen Experten Sorge, die Auswirkungen auf einzelne Tierarten sind aber erst in Teilen untersucht.
80.000 Partikel pro Kubikmeter finden sich schon in Gewässern
Oona Lönnstedt und Peter Eklöv von der Universität Uppsala in Schweden verteilten nun im Freiland gesammelte Laich-Schläuche von Flussbarschen (Perca fluviatilis) im Labor auf drei Becken. Das eine war frei von Mikroplastik, bei den beiden anderen fügten die Forscher Polystyrol-Mikropartikel hinzu – bei einem Becken in einer mittleren Konzentration von 10.000 Partikeln pro Kubikmeter, bei dem zweiten in eine hoher Konzentration von 80.000 Partikeln pro Kubikmeter. Solche Konzentrationen werden in schwedischen Küstengewässern und anderen Regionen der Welt gemessen, erläutert Lönnstedt.
Die Forscher stellten fest, dass in dem hoch belasteten Becken deutlich weniger Larven aus den Eiern schlüpften: Die Rate lag bei 81 Prozent im Vergleich zu 96 Prozent im Becken ohne Plastikpartikel. Im Alter von zehn Tagen zeigten sich auch Unterschiede im Verhalten der Larven: Mikroplastik-belastete Larven waren deutlich inaktiver, sie schwammen kürzere Strecken und verharrten häufiger regungslos in ihrem Becken als unbelastete Larven.
Gaben die Forscher ein chemisches Signal eines Fressfeindes ins Wasser, reagierten die belasteten Larven nicht artgerecht, indem sie ihre Aktivitäten weitgehend einstellten. Das hatte verheerende Folgen: Setzten die Forscher Hechte in die Becken, waren innerhalb von nur 24 Stunden alle Larven der hochbelasteten Gruppe von diesen verschlungen. In der Kontrollgruppe lebten immerhin noch 46 Prozent der Larven.
Und noch etwas stellten die Wissenschaftler fest: Die Larven der hoch belasteten Gruppe verschmähten normales Futter und fraßen ausschließlich Mikropartikel. „Das ist das erste Mal, dass bei einem Tier festgestellt wurde, dass es bevorzugt Plastikpartikel frisst – und das gibt Anlass zur Sorge“, . Die Larven dieser Gruppe waren auch deutlich kleiner als ihre unbelasteten Artgenossen.
„Seit einiger Zeit wird in der Ostsee eine zunehmende Mikroplastik-Verschmutzung und gleichzeitig ein deutlicher Rückgang bei Schlüsselarten wie Barsch und Hecht festgestellt“, sagt Eklöv. Die Studie liefere eine mögliche Erklärung für diese Beobachtung.
Konsummüll, der sich absetzt
Die Arbeit der schwedischen Wissenschaftler sei ein wichtiger Schritt hin zu einem besseren Verständnis der Auswirkungen von Mikroplastik-Verschmutzung, schreibt Chelsea Rochman von der University of Toronto in einem Kommentar zur Studie. Weitere Untersuchungen sollten jetzt klären, wie sich die Belastung über mehrere Generationen hinweg sowie auf die Artenvielfalt in Ökosystemen auswirkt.
Eine 2014 im Fachjournal „Environmental Pollution“ veröffentlichte Studie zeigte, dass in der Donau stellenweise mehr Plastikpartikel als Fischlarven treiben. Im zweitgrößten Fluss Europas fanden sich nach Schätzung der Forscher um Hubert Keckeis von der Universität Wien im Schnitt 317 Plastikpartikel und nur 275 Fischlarven je 1000 Kubikmeter Wasser.
Am italienischen Gardasee liegen Partikel von weniger als fünf Millimetern in manchen Uferbereichen so dicht wie an Meeresstränden, hatte zuvor ein Team um Laforsch in der Fachzeitschrift „Current Biology“ berichtet. Die Krümel bestehen aus Kunststoffen wie PVC, Polystyrol oder Polyurethan, oft sind Chemikalien wie Weichmacher oder Flammschutzmittel zugesetzt.
100 Mal mehr Kunststoff als zu beginn seiner Ära
Die Kunststoffteile stammen demnach vorwiegend von Konsumgütern und Verpackungen und geraten direkt oder durch Verwehungen von Mülldeponien in den See. In Würmern, Schnecken, Muscheln, Wasserflöhen und Muschelkrebsen ließen sich bereits aufgenommene Mikropartikel nachweisen.
Erwartet hatten die Forscher eine weit geringere Verschmutzung: Der Gardasee liegt unterhalb der Alpen, Bäche und Flüsse haben keine lange Strecke bis zu ihrer Mündung – entsprechend kurz sind die möglichen Eintragswege. Es sei anzunehmen, dass Gewässer nahe von städtischen Zentren und Industriegebieten noch viel stärker belastet sind, hieß es.
Der Siegeszug der Kunststoffe hatte um 1950 begonnen. Damals wurden weltweit eine Million Tonnen Kunststoff hergestellt – vier Jahrzehnte später waren es schon gut 100 Millionen.