von CARL CHRISTIAN JANCKE
Das internationale Oldtimer-Meeting in Baden-Baden ist eine familiäre, fast schon verschlafene Veranstaltung. Aber das macht es so sympathisch.
Spätestens, wenn der Tag zur Neige geht, verziehen sich Honoratioren und Teilnehmer eines Klassiker-Events üblicherweise zum Gala-Diner in einen Festsaal.
In Baden-Baden werden stattdessen Kerzen gezündet und Lampions aufgehängt. Rund 360 automobile Klassiker stehen Spalier in der untergehenden Sonne. Das weiche Abendrot lässt sie noch mehr glänzen. Hinter den Wagen werden lange Tafeln mit weißen Tischdecken und großen Kerzenleuchtern aufgebaut.
An ihnen nehmen die Eigentümer der Wagen mit ihren Gästen Platz, um im Baden-Badener Kurpark stilvoll zu dinieren. Das hat Klasse.
Später sieht man auf der Galerie der Trinkhalle die endlos-langen Beine einer ehemaligen Miss Germany, die mit viel Charme durch die Gesangseinlagen eines begabten Paares führt, deren Namen der Nicht-Baden-Badener noch nie gehört hat und von denen man sich fragt, ob sie nun wirklich eine Gesangsausbildung haben.
Den Ton treffen sie irgendwie und um in der lauen Sommernacht zwischen den ganzen Raritäten der “Ehrengastmarke” ins Schwelgen zu geraten. Sowas heißt andernorts Sponsor und schmückt Volkswagen in dieser Zeit ungemein. Hier hat man Raritäten aus der eigenen Geschichte aufgestellt, zwischen denen sich die Zuhörer tummeln.
Drei Tage lang stehen die Wagen im Park und für 10 Euro pro Tag können sie besichtigt werden. Für die Eigentümer ist der Spaß schon teurer, sie sind mit 40 Euro für den Standplatz dabei, Dinner nicht eingerechnet. Dabei gibt es durchaus einige Pretiosen zu besichtigen und das Feld ist bunt und nicht eintönig.
Nur ein 300 SL, eine ordentliche Restaurierung, bei der nur die nicht zeitgemäßen Kopfstützen stören.
Highlights sind sicher zwei Maserati 3500 GT (ein Cabrio und ein Coupé).
Der Ford GT 40 hat vor 40 Jahren erstmals die 24 Stunden von Le Mans gewonnen. Die Bitte der Veranstalter, doch bitte ein paar Lampions aufzuhängen, hat er eigenwillig interpretiert.
Auch ein Aston Martin DB2 und (im Bild) ein DB4 sind zu bewundern. Die neuen Klassiker-Nummernschilder aus Frankreich und einige Schweizer Teilnehmer riefen in Erinnerung, dass Baden-Baden im Dreiländer-Eck liegt.
Das führte auch zur Präsentation von Vorkriegs- Citroens, einigen Traction Avant, seltenen Peugeots und auch sehr frühen Citroen 2 CV (Ente).
Zu erwähnen ist vielleicht noch, dass gleich sieben Modelle des Berliner Karosseriers Erdmann und Rossi zu sehen sind.
Bei dem ließ man sich früher gerne ein Blechkleid für sein Fahrgestell von Horch, Bentley, Rolls-Royce oder Mercedes-Benz maßschneidern.
Dass Automobilfans eine klassenlose Gesellschaft sind, zeigt sich direkt vor dem Kurhaus. Wo vor Jahresfrist 111 Rolls-Royce standen, sind dieses Mal 40 Golf GTI aller Jahrgänge akkurat aufgereiht.
Sowas, denkt man, passt nur an den Wörthersee in Kombination mit der Wahl der Miss Tuning. Aber auf der Treppe der Trinkhalle stand ja auch eine Miss Germany.
Die meisten der 1.-3. Generation des GTI dürften durch die Hölle gegangen sein. Erst wurden sie mit GFK-Teilen verbreitert und brutal entstellt, um im Anschluss wahlweise an niedersächsischen Alleebäumen zu zerschellen oder aufgrund der Substanzvernichtung durch Korrosion am TÜV zu scheitern.
Das trifft für all die hier präsentierten Wagen nicht zu. Man kann ihren Eigentümern nur dankbar sein, dass sie diese Kulturgüter erhalten, obwohl Kosten, Arbeit und Wertsteigerung in keinem verlässlichen Verhältnis stehen. Auch wenn sie nicht an der mit Leinentischtuch gedeckten Tafel sitzen, sondern am Stand der VW Nutzfahrzeuge eine Currywurst holen.