30. September 2008
Schöner schreien: Wildbirds & Peacedrums beim Reeperbahnfestival
Nirgendwo anders als in die Hamburger Prinzenbar hätten die zwei Musiker von Wildbirds & Peacedrums an diesem Abend besser hingepasst. Als in diesen grandios in Stuckgirlanden erstickenden, rot ausgeleuchteten neobarocken Konzertsaal, diesen lebendig gewordenen Traum jedes Vampirfilmfanatikers.
Ein Mann. Eine Frau. Mariam Wallentin and Andreas Werliin. Ein Ehepaar. Und ein wenig Schlagwerk und einige an ungewöhnliche Instrumente aus der Kinderzimmer-Grabbelkiste. Bei der Konstellation Schlagzeug und Gesang denkt man sofort an die White Stripes, womit man aber völlig danebenliegt. Oder an die Dresden Dolls, was ebenso wenig hinkommt. Denn in der ungewöhnlichen Musikmischung von Wildbirds & Peacedrums spielen Blues und Jazz und Improvisation und das Melodrama die entscheidende Rolle. Und wenn Mariam Wallentin einmal richtig loslegt, dann stehen einem eher die Kompromisslosigkeit und die an Selbstentäußerung grenzende Hingabe der jungen Patti Smith vor Augen.
Die beiden Musiker entwickeln inmitten des hektischen Getümmels, des Rennens von Bar zu Bar auf dem Reeperbahnfestival, eine erstaunliche intensive Atmosphäre um sich und ihre Musik herum. Der man sich nicht entziehen kann. Schaukeln sich gegenseitig hoch. Allein die Blicke, die sich Mann und Frau hier zwischendurch zuwerfen, um sich ihrer selbst in ihrer kontrollierten Raserei zu versichern, sind von atemberaubender Intimität und machen Herzklopfen.
Mariam Wallentin ist bereits heute eine junge Diva auf viel zu hohen Schuhen und im herausfordenendem Glitzerkleidchen. Sie haucht, sie flüstert, sie säuselt. Sie beschwört, sie leidet, sie schreit. Und wenn sie noch einen draufsetzen will, dann greift sie selbst zu den Trommelstöcken. Diamanda Galas hätte ihre Freude daran.
Einfache, eingängige musikalische Kost (wie sie etwa Lykke Li später an diesem Abend bieten wird) ist die Sache der beiden Schweden nicht. Dafür ist sind die Songs aber ebenso sperrig wie aufregend. Und was sich aus einem harmlosen Anfang entwickeln kann, ist ebenso wenig vorhersehbar wie die berserkerhaften Ausbrüche von Andreas Werliin am Schlagzeug. Gewissheiten schwinden. Neues, Überraschendes entsteht.
Die Zuhörer wollen Wildbird & Peacedrums nach dem viel zu kurzen Auftritt kaum von der Bühne lassen. Eine letzte Zugabe vom angenehm uneitlen Duo, ein letzter Ausflug ins Dickicht, eine letzte Expedition zu neuen Ufern. Dann stelzt Mariam Wallentin souverän auf geschätzten 30-Zentimeter-Absätzen Richtung Backstage, begleitet von einem freundlich sich bedankenden und winkenden Gatten. Bitte bald mehr.