Von wegen gewaltfreie Bürgerwehren: Im bulgarischen Fernsehen läuft ein Interview mit einem rechtsextremen Kompagnon von Ex-Pegida-Frontfrau Tatjana Festerling aus dem Ruder. Es ist kein gewöhnliches Fernsehinterview. Der private bulgarische Fernsehsender bTV bittet den Flüchtlingsjäger Petar Nizamov zum Gespräch. Jenen Mann also, den Ex-Pegida-Frontfrau Tatjana Festerling im Rahmen ihrer Bulgarien-Mission traf, nach der sie zur Jagd auf Flüchtlinge mit Hilfe von bulgarischen Bürgerwehren mobilisierte. Inzwischen ermittelt die Hamburger Polizei in dieser Sache gegen Festerling. Sie verdächtigt sie, des “Anwerbens für einen fremden Militärdienst”, Paragraph 109 h des Strafgesetzbuches. Wegen ihres Mitstreiters Edwin Wagensveld, der bei der Exkursion zur bulgarisch-türkischen Grenze dabei war, hat der Vorgang ein parlamentarisches Nachspiel in den Niederlanden. Und in Bulgarien richtete die Opposition kritische Fragen an Premier Boiko Borissow. Knapp drei Minuten informiert bTV zunächst über Festerlings Bulgarien-Reise, über ihren Auftritt anschließend beim Leipziger Pegida-Ableger Legida, den Aufruf an die “Männer Europas”, sich sich den bulgarischen Bürgerwehren anzuschließen. Und über den Streit von Festerling mit Pegida-Chef Lutz Bachmann, nach dem sie sich nun für die “Festung Europa” engagiert. In ihr haben sich europaweit rechtspopulistische Anti-Asyl-Initiativen vernetzt, auch die Bürgerwehren aus Bulgarien. Zwölf Minuten wird das anschließende Interview dauern – wenn man es denn wirklich so nennen kann. Denn statt eines klassischen Interviews bekommen die Zuschauer einen Kampf zwischen Nizamov und der Moderatorin zu sehen. Sie im Studio, er zugeschaltet aus seinem Wohnort, wo er wegen der Jagd auf Flüchtlinge von der bulgarischen Justiz unter Hausarrest gestellt wurde.(…) Das Interview mit dem bulgarischen TV-Sender hat die geordneten Bahnen längst verlassen. Moderatorin und Flüchtlingsjäger reden durcheinander. Bis irgendwann Nizamov zum Schlusswort ansetzt: “Ich bin ein Patriot und verteidige die Interessen der Bulgaren. Es ist offensichtlich, dass du dagegen protestierst, irgendetwas zu verteidigen, das bulgarisch ist. Das ist offensichtlich.” Die Moderatorin: “Das ist nicht wahr. Ich liebe Bulgarien auch, aber ich zeige es auf eine sehr andere Art als du.” Nizamov: “Was auch immer. Die Europäer schließen sich zusammen, weil ein Genozid gegen sie verübt wird. Die Medien sind nicht mehr die Medien, sie verhalten sich irrational und das führt dazu, dass Menschen sich zusammentun. Sie sind die Opfer des Genozids. (…) Ich leide für Bulgarien und deshalb unterstützen die Menschen mich.” Tatjana Festerling hatte Petar Nizamov nach ihrem Besuch in Bulgarien als “charismatisch, klug und kämpferisch” gelobt. Seine “Bürgertruppen” agierten “gewaltfrei, unbewaffnet und legal”. Nach dem Anschlag in Nizza veröffentlichte sie auf ihrer Facebook-Seite einen Kommentar: “Merkel hat den Islam nach Europa eingeladen. Es sind ihre Toten.” Auf ihrer Homepage im Internet gibt sie unter der Überschrift “Nach Nizza – jetzt erst recht!” konkrete Instruktionen zur Beteiligung an den bulgarischen Bürgerwehren. Anlaufstelle sei Burgas am Schwarzen Meer, “Hotels und Verpflegung in Bulgarien sind sehr günstig”. Von dort aus würden die Treffen “mit den Führungsleuten der freiwilligen, unbewaffneten Bürgerpatrouillen” organisiert. “Die bringen die Invasoren zurück zur Grenze, statt sie zu registrieren, wie es die regierungstreue Landespolizei ganz im Sinne von Merkel und der EU-Administration macht.” Mitzubringen seien unter anderem Zelt, Schlafsack, möglichst zwei ausrangierte Bundeswehr-Jacken und -hosen oder feste Outdoor-Ausrüstung in gedeckten Farben, ein Erste-Hilfe-Paket, Anti-Mücken-Spray und ein Fernglas. Gewehre und Stichwaffen sind Pflicht Unbewaffnete Bürgerpatrouillen? Festerling selbst verweist auf die Homepage der Organisation “Shipka Bulgarian National Movement” – auf den englischen Text. Auf deren bulgarischen Internetseite wird konkret beschrieben, wie eine Einsatzgruppe mit bis zehn Menschen auszusehen hat – mit Anführer, Stellvertreter, Arzt, Funker und Kämpfern.
Unter dem Kapitel “Ausrüstung” heißt es: “Verlassen Sie sich nicht auf die Polizei und die Armee. (…) Bewaffnen Sie sich mit Feuerwaffen und Munition dafür. Gewehre sind Pflicht. Zu Beginn benötigen Sie ca. 2000 bis 3000 Stück Munition dafür.” Standardmodelle seien zu empfehlen, da sich für diese leichter Munition besorgen lasse. Zu bedenken sei, dass “mit der rapiden Verschlechterung der allgemeinen Situation” der Staat Gesetze erlassen werde, die den Zugang zu Feuerwaffen erschweren würden. “Sogar die Jagdwaffen werden dann eingezogen.” Zur Ausrüstung gehören sollten neben Tarnbekleidung und geländetauglichen Fahrzeugen schusssichere Westen sowie “Stichwaffen für jedes Mitglied”. Die Anweisung endet mit dem Satz: “Die Befehlsunterordnung ist bedingungslos.”
via tagesspiegel: Bürgerwehren in Bulgarien Irres TV-Interview mit einem Flüchtlingsjäger