„Wenn man weiß, wer der Böse ist, hat der Tag Struktur.“
Dieser Satz stammt von einem der bekanntesten politischen Kabarettisten des
Landes,
Volker Pispers und führt immer zu garantierten Lachern im Publikum. Dabei handelt es sich bei diesem Satz keineswegs um einen Gag, sondern um eine schlichte Bestandsaufnahme der menschlichen
Psyche.
Menschen, fast alle und fast überall, haben ein Feindbild. Bei einigen wird dieses täglich sichtbar zur Schau getragen und prägt das tägliche Verhalten, andere hingegen gehen davon aus, ihre hohe Bildung wäre ein Garant, um nicht selber Opfer des eigenen Feindbildes zu werden.
Dies ist ein Irrtum. Feindbilder sind oft derart tief in uns verankert und werden, kaum sind wir auf der
Welt, von unserem Umfeld derart subtil vermittelt, dass sie auch für Menschen, die auf diesem Gebiet sehr sensibel sind, fast unsichtbar sind.
Feindbilder haben eine Funktion. Vor allem, wenn man Macht ausüben will. Feindbilder sorgen dafür, Massen zu lenken.
Daher ist das Kreieren von Feindbildern die Voraussetzung, wenn man plant, einen
Krieg zu beginnen. Vor allem, wenn man es bei der eigenen Bevölkerung mit Menschen zu tun hat, die Krieg vollständig ablehnen. Und doch ist niemand sicher davor, in Mitleidenschaft gezogen zu werden, wenn in seinem Umfeld ein frisch gezimmertes Feindbild greift.
Schon
Joseph Goebbels empfahl, über den
Hebel „Feindbild“ auch die Pazifisten in einem
Volk mental fit für den Krieg zu machen. Alles, was man tun müsse, sei einen äußeren Feind zu erfinden, und jeden, der diesen
Feind nicht bestätigen würde, als Vaterlandsverräter zu brandmarken. Diesem sozialen
Druck würde jeder Pazifist früher oder später nachgeben. Ein massiv vermitteltes Feindbild hat also enorme
Kraft und ist in der
Lage, selbst Weltkriege der Bevölkerung schmackhaft zu machen.
Aus diesem
Grund sind Feindbilder und deren
Genese immer auch Forschungsgegenstand an Universitäten. Feindbilder kann man aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln untersuchen. Aus der Sicht der Psychologie natürlich, aber eben auch im Hinblick, wie Feindbilder in der Geschichte der Menschheit immer wieder variieren. Wie sie in unterschiedlichen
Kulturen unterschiedlich eingesetzt werden.
Prof. Dr. Rainer Rothfuß arbeitet seit vielen Jahren an der
Universität Tübingen im Forschungsbereich Geowissenschaften. In dieser Funktion organisiert er immer wieder Vortragsreihen, die sich mit Feindbildern beschäftigten.
Rothfuß untersuchte z.B. schlicht die Tatsache, dass die Intoleranz weltweit massiv zunimmt. Der „
Clash of Civilizations“ in etwa kann Teil eines geopolitisch bewusst gewählten Konfrontationskurses sein, bei dem es im Kern um Bodenschätze geht. Aber auch religiös motivierte Kriege nehmen zu. Wo immer unterschiedliche Kulturräume aufeinander prallen, kommt es zu Spannungen.
Nur wie will der
Mensch mit diesen Konflikten in Zukunft umgehen?
Ist die klassische
Form, Krieg, noch eine
Option auf einem Planeten, auf dem immer mehr Staaten über Kernwaffen verfügen?
Der Forschungsgegenstand der „Feindbildgenese“ ist hochaktuell und immens wichtig, um das Überleben der Menschheit auf diesem Planeten zu sichern.
Gerade daher erstaunte die Tatsache, dass Prof. Dr. Rainer Rothfuß im Rahmen dieser Forschung immer wieder Probleme aus dem eigenen Haus bekam.
Als er
Ende 2014 im Rahmen seiner Forschung Wladimir Michailowitsch Grinin, Botschafter der Russischen Föderation, einlud, um dessen Sicht auf die Krim-Krise zu hören - sein Vortrag trug die Überschrift „
Wege in eine partnerschaftliche Beziehung zwischen
Ost und West: Die Perspektive Russlands“ - begann es im Lehrkörper der Uni
Tübingen heftig zu brodeln.
Dieses Brodeln entwickelte sich zu einem heftigen Überkochen, als Rothfuß darauf bestand, auch den Schweizer Historiker Dr.
Daniele Ganser einzuladen. Sein Vortrag, den KenFM Anfang Februar veröffentlichte, trug den
Titel „Die Terroranschläge vom 11.
September 2001 und der „Clash of Civilizations“:
Warum die Friedensforschung medial vermittelte Feindbilder hinterfragen muss“.
Die gesamte Vortragsreihe von Rotfuß war extrem erfolgreich.
http://www.tuepps.de/events/view/date/1421622000/id/116180
Dennoch wird sich der
Mann endgültig von der UNI-Tübingen verabschieden. Er kann es nicht länger hinnehmen, dass an deutschen Universitäten Forschung, wenn diese gesellschaftspolitisch brisant ist, behindert wird.
Wir trafen Prof. Dr. Rainer Rothfuß am 15.12. in Tübingen, um mit ihm nach dem Vortrag von Daniele Ganser ein
Interview über die
Motive seiner Arbeit zu führen.
Obwohl das Gespräch nachts um zwei Uhr geführt wurde, erlebten wir einen extrem wachen
Geist, der vor die Entscheidung gestellt, moralisch einzuknicken und Karriere machen oder Rückgrat bewahren und einen Knick der Karriereleiter hinzunehmen, nie auf die Idee kommen würde, die eigenen Ideale die der Geisteswissenschaften zu verraten.
- published: 05 Feb 2015
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