Frankfurt: Flughafen-Arbeiter unterstützen Streiks in Frankreich

Von unseren Korrespondenten
28. Mai 2016

Arbeiter in ganz Europa verfolgen die Streikwelle in Frankreich mit großer Aufmerksamkeit. Am Frankfurter Flughafen suchen sich Kollegen der Fracht- und Bodendienste gezielt die Berichte der World Socialist Web Site raus und setzen sie auf Facebook, um die Nachrichtensperre in den Medien zu durchbrechen.

Wir sprachen mit Beschäftigten am Flughafen, und alle betonten ihre uneingeschränkte Solidarität mit den streikenden Arbeitern in Frankreich. Sie sehen zahlreiche Gemeinsamkeiten der Streikwelle in Frankreich mit ihren eigenen Erfahrungen mit staatlicher Repression und gewerkschaftlichem Ausverkauf.

Halil Sunar

„Arbeiter sind Arbeiter, egal in welchem Land“, sagt Halil Sunar, Betriebsratsvorsitzender der Lufthansa-Cargo-Tochterhandling counts. Deshalb müssten Arbeiter weltweit zusammenhalten: „Solange der Streik national oder regional begrenzt ist, hat er keine Chance.“

Halil betont, dass es jetzt wichtig sei, das Streikrecht gegen den Staat zu verteidigen. In Frankreich setzt die Regierung bewaffnete Bereitschaftspolizei gegen Streikende ein und beruft sich auf den seit Monaten immer wieder verlängerten Notstand.

„Soweit ich weiß, waren die Gesetze in Frankreich in dieser Beziehung besser als in Deutschland“, sagt Halil. Das Streikrecht sei eine enorm wichtige Errungenschaft, aber Deutschland hinke in dieser Beziehung hinter andern Ländern her. Eins sei ihm vor allem aufgefallen: „Hier in Deutschland darf man einen Streik überhaupt nur zusammen mit der Gewerkschaft beginnen. Ich finde, man müsste das Streikrecht auch unabhängig von der Gewerkschaft zulassen, denn manchmal wäre ein Arbeitskampf tatsächlich viel wirksamer, wenn man nicht auf Verdi angewiesen ist.“

Das sei auch die Erfahrung bei handling counts. Die Belegschaft dieser Tochter von Lufthansa-Cargo hatte Ende April einen 24-stündigen Warnstreik gegen Lohndumping und für menschenwürdige Arbeitsbedingungen geführt, der von Verdi komplett totgeschwiegen wurde. „Von dem Streik in Frankreich haben wir hier praktisch nichts gehört“, sagt Halil, „auch nicht von der Gewerkschaft.“

Streik bei handling counts am 29.April

Dejan H. von handling counts betont: „Wir sind auf der Seite der streikenden Arbeiter, das ist doch selbstverständlich. Arbeiter haben auf der ganzen Welt die gleichen Probleme.“ Die Arbeitsreform, die in Frankreich jetzt durchgesetzt werden solle, bezeichnet er als „moderne Sklaverei“, und fügt hinzu: „Das kennen wir. Die Arbeiter werden ausgequetscht wie Zitronen und danach gnadenlos weggeworfen.“

„Bei uns soll im Juni eine neue Arbeitszeitregelung eingeführt werden, die gegen alle Regeln verstößt. Ich zum Beispiel arbeite seit drei Jahren im Frühdienst, von Montag bis Freitag, weil ich eine kleine Tochter von acht Jahren und einen zehnjährigen Sohn zuhause habe. Darüber gibt es eine gesetzliche Bestimmung, dass man mit schulpflichtigen Kindern keine Nacht- und Schichtarbeit machen muss. Aber ab Juni soll ich wieder Wechselschicht arbeiten, das bedeutet dann auch Nachtschicht. Und nicht nur ich, ein großer Teil der Belegschaft wird auf diese Weise zu neuen Dienstplänen gezwungen.“

Christian S., ein Vorfeldlotse, der die WSWS seit vier Jahren liest, sagt zu den Streiks in Frankreich: „Wir fragen uns schon, warum das Thema in den Medien so stiefmütterlich behandelt wird: Die ganzen großen Nachrichtensendungen, Tagesschau und Heute-Journal, erwähnen es kaum. Das wirft zwei Fragen auf: Wie ist es bei uns mit der Pressefreiheit bestellt? Und zweitens: wer fürchtet hier eigentlich was? Man hat offensichtlich Angst vor der Wut und Solidarität der Arbeiter, vor allem dass sich das international ausbreitet.“

Christian betont: „Die einzigen, die die Nachrichtensperre durchbrechen, sind die Leute von der WSWS. So bin ich ja selbst auf sie gestoßen.“

Er hatte die WSWS im März 2012 kennengelernt, als die Vorfeldlotsen für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen im Streik standen. Der Streik wurde damals von Verdi boykottiert und vom Arbeitsgericht verboten. Dazu Christian: „Bei unserm Arbeitskampf 2012 hier am Flughafen war die WSWS das einzige Medium, das die Wahrheit sagte. Sie haben die Hintergründe recherchiert und den Arbeitern gesagt, worum es wirklich ging, und das war sehr wichtig. Die Artikel gingen als Flugblätter von Hand zu Hand.“

Christian beobachtet die Streikbewegung in Frankreich sehr aufmerksam. Er sagt: „Interessant ist ja, dass diese Bewegung unabhängig von den Gewerkschaften entstanden ist. Es waren die Jugendlichen, die Schüler und Studenten, die zuerst gegen das neue Gesetz auf die Straße gingen, das ihnen komplett den gesetzlichen Rückhalt für Berufsanfänger entzieht. Als dann LKW-Fahrer und Raffineriearbeiter die Bewegung aufnahmen und einen großen Druck aufbauten, hatte die CGT offenbar gar keine andere Wahl, als mitzuziehen. Aber die Gewerkschaften dienen eher als Instrument, Druck vom Kessel abzulassen und die Bewegung in ‚politisch kontrollierte‘ Bahnen zu lenken.“

Dasselbe habe man schon in Griechenland beobachten können, so Christian weiter: „Die griechischen Gewerkschaften haben die Streiks immer zeitlich und national terminiert, um sie unter Kontrolle zu halten. Letztendlich haben sie Syriza immer unterstützt, die jetzt das heftigste Spardiktat seit Menschengedenken in Griechenland durchführt. Syriza hat sich eiskalt über das Referendum [vom 5.Juli 2015] hinweggesetzt, in dem sich die Bevölkerung ganz klar gegen das Spardiktat ausgesprochen hatte.“

„Das ist genau der Mechanismus jetzt in Frankreich“, fährt Christian fort. „Die Gewerkschaften versuchen, die Arbeiterbewegung zu vereinnahmen. Die CGT nimmt es in die Hand und bringt es unter ihre Kontrolle, um es am Ende niederschlagen zu können. Die WSWS hat diese Entwicklung ebenfalls vorhergesehen, genau wie in Griechenland: Dort haben sie den wahren Charakter von Syriza schon lange vor der Wahl erkannt und hervorgehoben. Diese Stärke kommt daher, dass die WSWS eine internationale Zeitung ist.“

Christian hält es für absolut wichtig, „dass Arbeiter jetzt international zusammenarbeiten. Sie haben denselben Gegner. Das beste Beispiel ist Frankreich: Der französische Präsident hat Peter Hartz, den Urvater der deutschen Angriffe auf die Arbeitsrechte, zu sich eingeladen. Gemeinsam haben sie das Programm ausgearbeitet, das jetzt zum Beispiel die Berufsanfänger in die Sklaverei schickt, was diese Streikwelle überhaupt ausgelöst hat.“