Can Dündar

Der türkische Journalist Can Dündar im ZDF heute journal • 8.05 min. • 8.9.2016

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• published: 18 Sep 2016
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„In unserem Land wird bestraft, wer ein Verbrechen begeht, in der Türkei wird vor Gericht gestellt, wer ein Verbrechen aufdeckt.“ - In diesen typisch knappen, scharfen Sätzen fasst der international bekannteste Journalist der Türkei, Can Dündar sein Schicksal zusammen. Interview mit Can Dündar im „ZDF heute journal“ zur Situation in der Türkei und über das Verhältnis zwischen der Türkei und Europa. ... Jetzt kommt es darauf an, dass wir die demokratischen Kräfte in der Türkei, die Demokratie in der Türkei verteidigen. Es kommt darauf an, dass sie - die europäischen Kräfte für die Demokratie - auch an unserer Seite sind und nicht auf der falschen Seite und dass sie unseren Kampf unterstützen. Claus Kleber: Sie reden jetzt in europäischen Hauptstädten u. a. in Berlin mit Abgeordneten, Vertretern der Regierungen. Was sagen Sie denen, was der richtige Kurs aus Ihrer Sicht für die deutsche und die europäische Politik jetzt ist ? Can Dündar: Soweit ich es beurteilen kann ist die grösste Angst Europas und Deutschlands die Angst vor den Flüchtlingen. Diese Angst ist so gross, dass man bereit ist, alle Zugeständnisse zu machen, die man sich denken kann. Und ein Zugeständnis betrifft die Demokratie und den Kampf für die Menschenrechte. Ich plädiere dafür, das nicht zu tun. Denn der Preis wird höher sein, Wenn man eine despotische Regierung der Türkei unterstützt, damit keine Flüchtlinge kommen. Dann wird Europa letztendlich einen viel höheren Preis dadurch zahlen müssen. Claus Kleber: Sie verfolgen, wie europäische Politiker, wie jetzt die Kanzelrin, regelmässig nach Ankara pilgern und dort ihre Gespräche mit der türkischen Regierung führen. Wie beurteilen SIe das, was da stattfindet und was daraus kommt ? Can Dündar: Die Türkei hat tatsächlich unter grössten Anstregungen 3.000.000 Flüchtlinge aufgenommen. Und deswegen war das eine sehr gute Prüfung der Menschlichkeit. Und darauf bin ich auch stolz. Ich staune darüber, dass Europa das so nicht wahrnimmt. Für Frau Merkel geht es, glaube ich darum, diese Flüchtlinge in der Türkei zu halten. Das kann man natürlich auch verstehen. Aber wenn man im Gegenzug - obwohl man „die schlechten Noten“ der Türkei in der Demokratie und in Sachen Menschenrechte kennt - das alles gar nicht zur Sprache bringt, dann ist das sehr enttäuschend. Claus Kleber: Was wäre jetzt der richtige Kurs für Europa ? DIe Türkei isolieren, bestrafen für ihre gegenwärtige Innenpolitik ? Oder vielmehr eine Taktik der ständigen Gespräche der Umarmung, der Zugeständnisse des Dialogs ? Can Dündar: Ich glaube daran, dass es sehr wichtig ist, dass die Türkei ein Teil der Familie der Europäischen Union ist, nicht nur für die Türkei, sondern auch für die EU. D.h. eine Bevölkerung, die mehrheitlich muslimisch ist, wenn sie in der europäischen Familie ein Teil ist, dann wird es auch gegen die Polarisierung in der Welt eine sehr gute Antwort sein. Deswegen bin ich der Auffassung, dass man sehr schnell zu den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zurückkehren sollte. Die grösste Gefahr liegt in der Isolation. Eine isolierte Türkei könnte in ganz andere Ecken geschleudert werden wie wir das heute auch sehen. Wenn die Türkei innerhalb der europäischen Union ist, wird das für die Türkei, die EU und für die Welt ein grosser Gewinn sein. Und deswegen sage ich: Weiter mit den Verhandlungen ! Claus Kleber: Nun sind Sie ja gerade dem Gefängnis entkommen. Sie leben zur Zeit ausserhalb der Türkei, zur Zeit in Deutschland. Ihre Frau aber wird in der Türkei festgehalten. Wie soll das für Sie persönlich weitergehen ? Can Dündar: Im Moment bin ich zu 5 Jahren und 10 Monaten Haft verurteilt, aber das geht in die Revision. D.h. ich könnte jetzt in die Türkei reisen. Es gibt eher Probleme, was meine Sicherheit betrifft. Aber: Wenn ein Mensch bestraft wird oder verurteilt wird, weil er etwas geschrieben hat und wenn seine Frau vom türkischen Staat als Geisel genommen wird, das ist etwas Einmaliges in der Türkei. Das haben wir ja nicht einmal während der Militärdiktatur in der Türkei gesehen. Das ist ein grosser Fehler. Ich hoffe, dass wir diesen Fehler ganz bald wieder aufheben. Ich bin nicht der einzige. Viele… von vielen wurden Ehefrauen, Ehemänner, Kinder festgenommen, sogar 80-jährige Menschen in Rollstühlen wurden in Gefängnisse gesteckt. Das ist ein grosses Unrecht.