Die Zeiten sind hart. Das sollte mittlerweile allen klar sein, die nicht die Augen verschließen. Verschließen vor den tagtäglichen Angriffen auf Unterkünfte von Asylsuchenden und dem Erstarken der deutschnationalen Scheiße, vorangetrieben durch Pegida und Co. und der Vernetzung des gesellschaftlichen Extremismus der Mitte mit faschistischen Kameradschaften. Die Diskussionen um die Ereignisse von Köln haben erneut die rassistischen und nationalistischen Strukturen aufgezeigt, anhand derer Sexismus ethnisiert und die eigene Rape Culture auf das Fremde projiziert wird. Als Frauen gelesene Menschen werden – mal wieder – zu passiven Objekten gemacht, die es zu beschützen gilt und weiße deutsche Männer schwingen sich auf zu Verteidigern der Gleichberechtigung. Eine gesellschaftliche Debatte über das Patriarchat als systemimmanente Struktur findet nicht statt.
Es reicht! Sexismus und Rassismus sind miteinander verschränkte Unterdrückungsverhältnisse, die das Funktionieren der kapitalistischen Gesellschaft bedingen. Diese Zustände werden durch das staatliche Gewaltmonopol am Leben erhalten – Staat und Nazis; eine glückselige Liäson.
Wir schreiben aus der Perspektive eines Hauskollektivs, dass sich die Aufgabe gestellt hat, queer und anarcha-feministisch miteinander leben zu wollen. Das bedeutet für uns unter anderem, dass wir separatistisch leben, also uns ohne Cis-Männer organisieren und zusammenwohnen. Die Vorsilbe „Cis“ bedeutet, dass sich eine Person mit dem Geschlecht identifiziert, welches ihr bei der Geburt zugeschrieben wurde. Es wird benutzt, damit „cis“ und „trans“ nebeneinander stehen können und nicht das eine als das „Normale“ gehandelt wird und das andere nicht. Unser Haus ist ein Schutzraum vor sexualisierter/ geschlechtsbezogener Gewalt und wir arbeiten daran, Supportstrukturen füreinander zu stellen, uns gegenseitig und selbst zu empowern und Mut zu machen. Wir denken, dass es Räume braucht, in denen wir das kollektive Leben ausprobieren, Geschlechter und Identitäten verschieben, anti-patriarchale Strukturen ausbauen und anwenden, uns mit eigenen Machtstrukturen und Privilegien auseinandersetzen und gemeinsam gestärkt daraus hervorgehen können.
Außerdem schreiben wir aus dem Herzen des Gefahrengebietes im Nordkiez von Friedrichshain. Direkt am Dorfplatz (Rigaer Str. / Liebigstr.) erleben wir seit Herbst 2015 und besonders in diesem Januar massive Angriffe der Bullen und Politik auf unsere selbstorganisierten und rebellischen Strukturen. Diese Angriffe sollen genau die treffen, die sich gegen die gesellschaftlichen Zustände zur Wehr setzen. Genau die, die sich dafür entscheiden, solidarische Wege des Zusammenlebens zu suchen und ein Stachel im Prozess der Gentrifizierung sind. Dass die Spirale der Verwertung sich ständig höher schraubt, wird in der direkten Umgebung spürbar. Sei es die Bebauung der ehemaligen Freifläche Bambiland, die Errichtung unzähliger Townhouses auf dem alten Schlachthofgelände nördlich der Eldenaer Straße oder der Plan, das Gelände der alten Möbelfabrik in der Rigaer Straße 71-73 mit teuren Wohnungen und einem Hotel zu bebauen. Es sind nur einige der unzähligen Beispiele für die Stadt im Kapitalismus.
In dem Gebiet um die Rigaer Straße soll der Prozess der Verdrängung mithilfe des Bullenknüppels beschleunigt werden. Damit stehen wir nicht alleine da. Zusammen mit den Gefahrengebieten rund um die Revaler Straße und dem Görlitzer Park gilt fast für den gesamten Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg der polizeiliche Ausnahmezustand. Berlinweit gibt es um die zwanzig Gefahrengebiete, die von der Staatsmacht beschlossen werden können, ohne öffentlich gemacht zu werden. Sie werden überall dort eingerichtet, wo noch nicht alles stramm nach den Regeln staatlicher Kontrolle funktioniert, sich derer (noch) entzogen wird oder sich Möglichkeiten des Arbeitens und (Über-)Lebens gesucht werden. Seien es Wohnungslose, Drogenkonsument*innen, Dealer*innen, Sexarbeiter*innen oder andere, die nicht ins Bild passen – sie werden durch ständige Bullenpräsenz, Zubetonierung öffentlicher Parks und Schikanen versucht zu vertreiben.
Die Schikanen auf der Straße bedrohen besonders People of Colour, Menschen, die sich nicht einem der binären Gender zuordnen oder nicht dem, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde, Menschen ohne Papiere und diejenigen, die kein Deutsch sprechen. Aber auch die, die in den Karteien der Bullen schon ein Dorn im Auge des Drecksstaates sind. Wir sollen uns an Repression, Kontrolle und Überwachung gewöhnen. Es wird versucht, den Bullenstaat zum geduldeten Normalzustand zu machen. Zusammen mit medialer Hetze soll ein Klima der Angst geschaffen und ein Keil in die Vernetzung im Kiez getrieben werden. Wir lassen uns nicht einschüchtern!
Wir verstehen diesen Kiez als ein Projekt, einen Raum zu schaffen, in dem sich Nachbar*innen auf der Straße austauschen, die genannte deutschnationale Scheiße keinen Platz findet und wir uns gegen Verdrängung wehren. In den letzten Monaten ist die Nachbarschaft, statt sich auseinandertreiben zu lassen, stärker zusammengewachsen. Das hat uns gezeigt, dass Solidarität kein hohles Wort ist.
Wir müssen unsere Kämpfe weiter miteinander verknüpfen. So wie unser Haus darf auch der Rigaerkiez keine Insel des Selbstzwecks sein. Sondern Räume, aus denen wir selbstermächtigt die Verhältnisse angreifen und schließlich für eine Welt kämpfen, in der das binäre Geschlechtersystem und alle Unterdrückungsverhältnisse aufgehoben werden.
Dass widerständige antifaschistische Strukturen zerschlagen werden sollen, während rechte Übergriffe nicht verfolgt werden, kann nicht als lapidares „die Justiz ist auf dem rechten Auge blind“ abgetan werden, sondern muss als ein Angriff auf den Kampf für die Freiheit verstanden werden! Wir sind bereit zu kämpfen!
Dass als Frauen gelesene Menschen in eine Rolle der Passivität und Hilflosigkeit gedrängt werden, macht uns wütend! Wir lassen uns nicht instrumentalisieren, sondern sind selbstbestimmte Akteur*innen in einem feministischen Kampf, der untrennbar mit dem Kampf gegen Kapital, faschistische und rassistische Ideologien verknüpft ist!
Wir solidarisieren uns mit allen antiautoritären & emanzipatorischen Kämpfen!
Heute sind unsere Gedanken bei den Menschen, die sich militant gegen die Räumung der Luftschlossfabrik in Flensburg gewehrt haben.
Geht mit uns am Samstag, den 06.02.2016 für rebellische Kieze und solidarische Strukturen auf die Straße! Stellt euch den Nazis, ob in Weimar, Dresden, Berlin oder sonstwo und reaktionären Arschlöchern in den Weg, die am gleichen Tag ihre menschenverachtenden Ideologien verbreiten wollen!
Unsere Leidenschaft für Freiheit ist stärker als jede Autorität!
Eure Liebig 34