27.04.16

Kündigung wegen menschenverachtenden Kommentars auf privatem Facebook-Account

- Arbeitsrecht -

Law-Blog„Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps!“ Diese alte Volksweisheit gilt im modernen Arbeitsleben längst nicht mehr uneingeschränkt. Dies musste auch ein Zugführer der DB Regio GmbH, gebürtiger polnischer Staatsangehöriger, erfahren, der auf seinem privaten Facebook-Nutzerkonto ein Foto gepostet hatte, das das Eingangstor des Konzentrationslagers Auschwitz mit der Tor-Überschrift „Arbeit macht frei“ zeigte. Darunter war auf Polnisch der Text: „Polen ist bereit für die Flüchtlingsaufnahme!“ zu lesen. Ursprünglich war dieses Foto in einer polnischen Satire-Zeitschrift veröffentlicht worden. Auf dieses Posting waren nicht weniger menschenverachtende Postings anderer Nutzer erfolgt.

Der Arbeitgeber, der hiervon über den Betriebsrat erfuhr, war der Ansicht, dass sein Arbeitnehmer damit die Grenzen der Meinungsfreiheit überschritten hatte und sich diese menschenverachtende Darstellung auch auf ihn ruf- und geschäftsschädigend auswirken könne, da der Zugführer auch ein Foto eingestellt hatte, das ihn in Dienstuniform vor einem Triebwagen zeigte und somit der Arbeitgeber identifizierbar war. Der Arbeitgeber kündigte deshalb das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich. Er erklärte, derartige rassistische und menschenverachtende Äußerungen seien schwere Pflichtverletzungen, die geeignet seien, den Betriebsfrieden nachhaltig zu stören.

Das Arbeitsgericht Mannheim (Urteil vom 19. Februar 2016, Az.: 6 Ca 190/15 – nicht rechtskräftig), das über die Kündigungsschutzklage zu entscheiden hatte, gab der Klage statt: Es schloss sich zwar insoweit der Ansicht des Arbeitgebers an, dass bereits die vom geschichtlichen Kontext losgelöste Verwendung des Satzes „Arbeit macht frei“ tabuüberschreitend und im Zusammenhang mit Flüchtlingen menschenverachtend sei und im maßgeblichen Zusammenhang nicht ersichtlich sei, dass es sich angeblich um Satire handeln solle, so dass es deshalb auch nicht zugunsten des Klägers berücksichtigt werden könne. Dennoch gewann der Zugführer den Kündigungsschutzprozess, weil er (wohl auf Anraten seines Anwalts) das Foto noch vor der Kündigung rasch von seinem Account gelöscht und sich für sein Verhalten entschuldigt und versprochen hatte, dass dies nicht mehr vorkomme. Das Arbeitsgericht hielt ihm außerdem zu Gute, das er sich keine Gedanken über die Auswirkungen seines Tuns gemacht hätte und dass das 14 Jahre bestehende Arbeitsverhältnis bis dahin beanstandungsfrei verlaufen wäre. Die Interessenabwägung falle deshalb zugunsten des Zugführers aus; der Arbeitgeber hätte sich auf eine Abmahnung beschränken müssen.

Gegen die Entscheidung legte der Arbeitgeber Berufung ein. Die Erfolgsaussichten dürften nicht schlecht stehen, wenn man diesen Sachverhalt mit dem Sachverhalt vergleicht, der der Entscheidung des BAG (Urteil vom 01. Juli 1999, Az.: 2 AZR 676/98) zu einer fristlosen Kündigung wegen rassistischer Äußerungen zugrunde lag: Ein Auszubildender hatte damals an der Werkbank eines türkischen Auszubildenden ein Blechschild mit der Aufschrift „Arbeit mach frei – Türkei schönes Land“ angebracht. Hiermit wollte der Auszubildende seinem als übereifrig empfundenen Kollegen zu verstehen geben, er solle lieber in der Türkei seinem Arbeitseifer nachgehen. Außerdem hatte er im Betrieb Nazi-Lieder gesungen. Das BAG hatte die Sache damals zwar zur weiteren Sachaufklärung zurückverwiesen. Es hatte jedoch darauf hingewiesen, dass in derartigen Fällen eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung durchaus in Betracht komme, und zwar selbst dann, wenn man die jugendliche Unreife entsprechend würdigt. Bei besonders schwerwiegenden Verstößen sei eine Abmahnung grundsätzlich entbehrlich. Eine Abmahnung sei nur dann sinnvoll, wenn sie geeignet sei, das Vertrauen in den Arbeitnehmer wieder herzustellen. Auf eine Wiederholungsgefahr komme es dann nicht an.

Dies hat das Arbeitsgericht Mannheim nicht ausreichend gewürdigt. Der Arbeitgeber, mit dem natürlich auch polnische Staatsangehörige und auch Flüchtlinge reisen, dürfte kaum zuzumuten sein, auf die Wiederherstellung des Vertrauens zu setzen: Die Tor-Überschrift erinnert an die Deportationen in der Zeit des Nationalsozialismus; dieser Bezug und die dahinter stehende menschenverachtende Bedeutung ist jedem bekannt. Wenn dem Arbeitnehmer die Sensibilität für die Beurteilung eines derart menschenverachtenden Postings fehlt, er nicht auf die rassistischen Kommentare zu seinem Posting reagiert, sondern sich erst auf eine Anfrage seines Arbeitgebers in Anbetracht etwaiger arbeitsrechtlicher Konsequenzen nur bei diesem entschuldigt, reicht eine bloße allgemeine Entschuldigung („dumme Tat“, „blöde Aktion“, „geschmacklos“) ohne ausdrückliche Distanzierung vom nationalsozialistischen Hintergrund nicht aus, den Betriebsfrieden wiederherzustellen und dem Arbeitgeber das Vertrauen zu geben, dass der Arbeitnehmer verlässlich zu der freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht. Sich überhaupt keine Gedanken gemacht zu haben, kann entgegen der Bewertung des Arbeitsgerichts Mannheim keine Entschuldigung sein.

15.03.16

Wieder Ärger mit privater Internet-Nutzung am Arbeitsplatz

- Arbeitsrecht -

Law-BlogDer Arbeitnehmerdatenschutz ist ein hohes Gut. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs.1 GG) der Anspruchs auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 Europäische Menschenrechts-Konvention – EMRK) sowie einfachgesetzlich das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) begrenzen das Recht des Arbeitgebers personenbezogene Daten von Arbeitnehmern beliebig zu speichern und zu nutzen. Dennoch gibt es selbstverständlich keinen Freibrief für Arbeitnehmer, die firmeneigene IT beliebig während der Arbeitszeit für private Zwecke zu nutzen. In diesem Sinne hat ein Konstrukteur die Lage falsch eingeschätzt:

Dieser hatte wegen privater Internetnutzung während der Arbeitszeit auf der firmeneigenen IT die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung kassiert. Er zeigte sich – obwohl er den Vorwurf in Teilen der Sache nach einräumte – von der Vorgehensweise seiner Arbeitgeberin empört: er klagte gegen die Kündigungen und rügte (u.a.) Verstöße gegen das BDSG, TKG, TMG, TDG und sein Persönlichkeitsrecht. Darüber hinaus verlangte er Schadensersatz und Schmerzensgeld, weil er durch die ehrverletzenden Behauptungen der Arbeitgeberin psychisch erkrankt sei.

Was war passiert? Der Kläger war ein Freund ganz spezieller Internetdienste. Bei einer Kontrolle fiel auf, dass der Kläger während der Arbeitszeit nicht nur seine Bankgeschäfte abgewickelt hatte, sondern auch sehr aktiv auf Seiten mit Namen wie „petgirls.de“, „sklavenmarkt.de“ und „poppen.de“ unterwegs war. Auch wurde pikantes einschlägiges Bildmaterial auf seinem Rechner gefunden. Insgesamt ergab die Hochrechnung der Browserauswertung innerhalb von ca. 6 Arbeitswochen eine knapp 40 stündige private Internetnutzung, also ca. eine Arbeitswoche.

Dies war eindeutig zuviel, urteilte das LAG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 14. Januar 2016, Az.: 5 Sa 657/15), das über die Berufung des Klägers zu entscheiden hatte. Es gab der Arbeitgeberin in allen Punkten Recht. Sie habe sich bei der Aufklärung ordnungsgemäß verhalten, ein Verstoß gegen BDSG oder andere Vorschriften liege nicht vor. Die Browserauswertung war notwendig und verhältnismäßig. § 32 BDSG rechtfertige die Auswertung, ein Beweisverwertungsverbot ergebe sich auch bei anderer Auslegung nicht. Die Klage des Arbeitnehmers hatte in keinem Punkt Erfolg.

Übrigens: Das Urteil – leider bislang soweit ersichtlich nicht veröffentlicht – ist ausgesprochen lesenswert, da es zu allen einschlägigen Problemkreisen ausführlich Stellung bezieht: es finden sich überzeugende Ausführungen zum Fernmeldegeheimnis, intransparenten Klauseln zur IT-Nutzung, Manipulationsmöglichkeiten am Browserverlauf, den Voraussetzungen des § 32 BDSG, zur Heimlichkeit der Sachverhaltsaufklärung sowie zur Beweisverwertung.

01.03.16

Privates Kopieren von CDs und DVDs am Arbeitsplatz: IT-Verantwortlicher kassiert fristlose Kündigung

- Arbeitsrecht -

Law-BlogEinem als „It-Verantwortlicher“ bei einem Oberlandesgericht tätigen Mitarbeiter war fristlos, hilfsweise ordentlich gekündigt worden. Auf einem Computer der Justizbehörde, als dessen Administrator nur der Kläger festgestellt werden konnte, wurden Daten von 2.466 elektronischen Büchern, 2.378 Bilddateien, 843 Audiodateien und 230 Videodateien gefunden worden, außerdem vier Programme zum Umwandeln und Kopieren von DVDs und CDs. Auf zwei weiteren Festplatten befanden sich sogar u.a. 41.242 Audiodateien und 1.822 Cover. Außerdem konnte der Verbleib von 2000 auf Kosten des Landes von besagtem Mitarbeiter bestellten DVDs und über 1000 CDs nicht nachvollzogen werden. Der Mitarbeiter wollte die Kündigungen nicht akzeptieren und klagte dagegen. Er räumte ein, privat mit der behörden-eigenen IT kopiert zu haben, dies jedoch stets nur für andere Mitarbeiter des OLG, nie für sich selbst. Er verteidigte sich außerdem damit, dass nicht nur er Zugang zu dem Rechner gehabt hätte, sondern auch andere Mitarbeiter, sein Passwort sei leicht „zu knacken“ gewesen. Auch sei ihm in gewissem Umfang die private Nutzung erlaubt gewesen. Überdies befänden sich auf dem Server der Justizbehörde Tausende von privaten Dateien, was nie beanstandet worden sei, auch ein anderer Mitarbeiter habe Brennvorgänge durchgeführt.

Nachdem die Instanzgerichte dem Kläger noch Recht gegeben hatten, mit der erstaunlichen Begründung, es lägen lediglich „gewisse Verdachtsmomente“ vor, die Beklagte habe nicht beweisen können, welche einzelnen Vorgänge konkret dem Kläger anzulasten waren, hat das BAG der Revision des Beklagten abgeholfen (BAG, Urteil vom 16. Juli 2015, AZ.: 2 AZR 85/15): das Verfahren wurde zur weiteren Sachaufklärung zurückverwiesen. Das BAG stellte fest, dass eine außerordentliche Kündigung in Form der Tatkündigung unter mehreren Gesichtspunkten in Betracht kommt:

  • Zum einen habe der Arbeitgeber ganz offensichtlich ein Interesse daran, dass dienstliche Rechner nicht unter Umgehung des Kopierschutzes zu privaten Zwecken verwendet werden. Er könne selbst auf Unterlassung und Beseitigung in Anspruch genommen werden (§§ 97 Abs. 1, 99 UrhG). Beim Vorliegen einer Straftat im Sinne von § 110 UrhG komme auch die Einziehung des Tatmittels in Betracht.
  • Da die Kopiervorgänge auch während der Arbeitszeit vorgenommen worden seien, stehe zudem ein Arbeitszeitbetrug im Raum.
  • Die zweckwidrige Verwendung der betriebseigenen DVD- und CD-Rohlinge könne einen weiteren eigenständigen Kündigungsgrund darstellen.
  • Das BAG weist auch völlig zu Recht darauf hin, dass die in der Belegschaft verbreitete private Nutzung der Behörden-IT zu privaten Zwecken den Arbeitnehmer kaum entlasten kann, eher deutet dies auf ein mittäterschaftliches Zusammenwirken im Kollegenkreis hin.

    Fazit: Erstaunlich ist, dass eine derart massive rechtswidrige Nutzung solange unentdeckt bleiben konnte. Der Fall verdeutlicht, wie wichtig nicht nur die Einführung, sondern auch die Überwachung von Verhaltensregeln zur privaten IT-Nutzung im Betrieb ist. Versäumnisse des Arbeitgebers können nicht nur dazu führen, dass trotz massiver Verstöße vor Ausspruch einer Kündigung eine Abmahnung erforderlich wird. Darüber hinaus besteht, zumindest bei weniger eindeutig rechtswidrigen Verhaltensweisen, die Gefahr des Entstehens einer betrieblichen Übung, auf die sich der Arbeitnehmer berufen kann.

    23.02.16

    Privater E-Mail-Verkehr im Betrieb: Kontrolle durch den Arbeitgeber trotz Geheimhaltungsinteresse des Arbeitnehmers?

    - Arbeitsrecht -

    Law-BlogHerrn Barbulescu war von seiner Firma wegen Vertragsbruchs gekündigt worden, weil er trotz eines ausdrücklichen Verbots über die betriebliche IT private E-Mails mit seiner Verlobten und seinem Bruder getauscht hatte. Dies war bei einer umfassenden Kontrolle der E-Mail-Konten aufgefallen. Die E-Mails enthielten pikante Details, u. a. zum Gesundheitszustand und Sexualleben des Herrn Barbulescu. Nicht nur der Arbeitgeber, auch Kollegen nahmen Kenntnis vom Inhalt der E-Mails. Die Klage gegen die Kündigung wurde abgewiesen. Auch eine Beschwerde zum EGMR wegen Verstoßes gegen Art. 8 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten – Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens – blieb erfolglos.

    Der EGMR betonte, dass der Kläger nicht damit rechnen durfte, dass seine E-Mails privat bleiben würden, schließlich war vom Arbeitgeber kurz zuvor angekündigt worden, dass der E-Mail-Verkehr kontrolliert würde. Das Kontrollinteresse des Arbeitgebers überwiege. Dieser habe außerdem davon ausgehen dürfen, nur auf geschäftliche E-Mails zuzugreifen. Auch sei der Arbeitnehmer ordnungsgemäß angehört worden.

    Der Fall hat sich in Rumänien zugetragen. Ob das BAG ebenfalls einer Arbeitgeberkündigung in diesem Fall seinen Segen erteilt hätte, ist fraglich: Die deutsche Rechtsprechung misst dem Arbeitnehmer-Datenschutz eine hohe Bedeutung bei. Unabhängig von der Frage, ob ein Arbeitgeber, der einen E-Mail-Account zur Privatnutzung zur Verfügung stellt, auch dem Fernmeldegeheimnis nach § 88 Telekommunikationsgesetz unterliegt, ist jedenfalls das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) vom Arbeitgeber zu beachten. Danach ist eine Datenerhebung und –verarbeitung nur zulässig, wenn der Arbeitnehmer eingewilligt hat, §§ 4 Abs. 1, 4a BDSG, oder, nach § 32 BDSG, soweit dies für die Begründung, Durchführung oder Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist. Die Datenerhebung muss also zu den genannten Zwecken geeignet und erforderlich sein. Zudem dürfen keine überwiegenden Interessen des Arbeitnehmers entgegenstehen. Im vorliegenden Fall könnte mit guten Gründen ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das BDSG bejaht werden: Eine hinreichend konkrete Einwilligung im Sinne von § 4a BDSG dürfte wohl eher nicht vorgelegen haben. Und die Art und Weise der Kontrolle dürfte kaum als „mildestes, verhältnismäßiges Mittel“ durchgehen. Dennoch wäre wohl nicht mit einem Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der rechtswidrig erlangten Informationen zu rechnen: Das LAG-Rheinland-Pfalz (Urteil vom 25. November 2014, AZ.: 8 Sa 363/14) hat ein solches Beweisverwertungsverbot z. B. bei einer rechtswidrigen Einsichtnahme in einen dienstlich genutzten Kalender, der auch die Eintragung privater Termine technisch ermöglichte, verneint. Dies insbesondere deshalb, weil der Arbeitnehmer mit einer Einsichtnahme rechnen musste, z. B. im Vertretungsfall. So lag auch der Fall des Herrn Barbulescu.

    Letztlich dürfte die Kündigung dennoch am allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprinzip scheitern: Soweit sich der zeitliche Umfang der privaten Beschäftigung in einem vertretbaren Rahmen hält, wird wohl nur eine Abmahnung in Frage kommen. In einer extremen Fallkonstellation hat das LAG Niedersachsen (Urteil vom 31. Mai 2010, AZ.: 12 Sa 875/09) jedoch eine außerordentliche Kündigung für zulässig erachtet: Dort hatte ein Arbeitnehmer über einen Zeitraum von mindestens 7 Wochen arbeitstäglich mehrere Stunden mit privaten E-Mail-Verkehr verbracht. Für seine Arbeitsleistung hatte er faktisch kaum noch Zeit.

    15.02.16

    Verminderte Leistungsfähigkeit durch Fettleibigkeit – Kündigungsgrund oder rechtswidrige Diskriminierung?

    - Arbeitsrecht -

    Law-BlogKürzlich hatte das ArbG Düsseldorf (Urteil vom 17. Dezember 2015, AZ.: 7 Ca 4616/15) über die Klage eines angestellten Gärtners zu entscheiden. Sein Arbeitgeber war der Ansicht, der Kläger sei aufgrund seiner Fettleibigkeit nicht mehr in der Lage, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Er passe nicht mehr in Gräben und könne wegen Überschreitung der zulässigen Tragkraft keine Leitern benutzen. Nicht einmal passende Schutzkleidung sei in der erforderlichen Konfektionsgröße mehr verfügbar. Der Gärtner – er wog ca. 200 kg bei einer Körpergröße von 1,94 m – sah dies anders und erhob Kündigungsschutzklage. Darüber hinaus verlangte er eine Entschädigung wegen Diskriminierung aufgrund einer Behinderung nach § 15 Abs. 2 AGG.

    Das ArbG Düsseldorf gab der Kündigungsschutzklage des Gärtners statt. Der Arbeitgeber habe nicht ausreichend zur Leistungsminderung des Klägers vorgetragen. Ob die Adipositas des Klägers Krankheitswert hatte oder nicht, ließ es offen.

    Die Klage des Mitarbeiters auf Entschädigung wegen Diskriminierung aufgrund einer Schwerbehinderung wies das Gericht jedoch ab. Schließlich habe der Kläger selbst behauptet, dass er seine Arbeitsleistung trotz seiner Leibesfülle nach wie vor gut erbringen könne. Somit sei er nach eigenem Vortrag nicht behindert im Sinne des AGG.

    Zum Verhängnis wurde also beiden Parteien ein ungeschickter Sachvortrag. Doch das Urteil des ArbG Düsseldorf vermag nicht zu überzeugen: Das Gericht setzte die Begriffe „mangelnde Arbeitsfähigkeit“ und „Behinderung“ zu Unrecht gleich. Arbeitsfähigkeit schließt das Vorliegen einer Behinderung keineswegs aus. Die Sichtweise des ArbG Düsseldorf hätte die absurde Folge, dass behinderte Arbeitnehmer, die ihren Beruf ausüben können, vom Schutzbereich des AGG bzw. der zugrunde liegenden Richtlinie 2000/78/EG vom 27. November 2007 ausgeschlossen wären. Hierauf hat auch schon der Generalanwalt Jääskinen in seinem Schlussantrag zur Rechtssache AZ.: C – 354/13 vor dem EuGH hingewiesen. Nach dem EuGH ist eine Behinderung im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG, die zur Auslegung des AGG heranzuziehen ist, gegeben, wenn eine Einschränkung vorliegt, die unter anderem auf physische, psychische oder geistige Beeinträchtigungen von Dauer zurückzuführen ist, die in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren den Betreffenden an der vollen wirksamen Teilhabe am Berufsleben, gleichberechtigt mit anderen Arbeitnehmern, hindern kann.

    Nach dieser Definition kann man die morbide Adipositas (Stufe III nach WHO) des Klägers unschwer als Behinderung einstufen: Ungeeignetes Arbeitsmaterial stellt ganz offensichtlich eine Barriere dar, die geeignet ist, den Kläger an einer gleichberechtigten Teilhabe zu hindern.

    Fazit: Das ArbG Düsseldorf hat leider zu der eigentlich entscheidenden Frage gar nicht mehr Stellung genommen, welche Vorkehrungen dem Arbeitgeber zuzumuten sind, um einen Ausgleich für die Beeinträchtigung des Klägers durch seine krankhafte Adipositas zu schaffen. In Anbetracht dessen, dass der Anteil der Bevölkerung an übergewichtigen Menschen ständig zunimmt, wäre eine Antwort hierauf höchst interessant gewesen.

    10.06.15

    Darf der Arbeitgeber Werbefilme, in denen ehemalige Mitarbeiter zu sehen sind, auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiter nutzen?

    - Arbeitsrecht -

    Streitigkeiten über die Verwertung von Fotos oder Videos, die der Arbeitgeber unter Beteiligung von seinen Mitarbeitern zu Werbezwecken für sein Unternehmen anfertigen ließ, beschäftigen die Arbeitsgerichte immer wieder, besonders, wenn das Arbeitsverhältnis zwischenzeitlich beendet wurde. In „guten Zeiten“ erklärt der Arbeitnehmer sich gerne zur Mitwirkung bereit, nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses beurteilt er die Verwendung seines Bildes zu Zwecken des Arbeitgebers oftmals anders.

    Bereits im Januar 2012 hatte das LAG Hessen (AZ.: 19 SaGa 1480/11) im Rahmen einer einstweiligen Verfügung den Fall einer angestellten Rechtsanwältin zu entscheiden, die Ihr Konterfei samt Tätigkeitsbeschreibung weder auf der Homepage der Kanzlei noch deren „News-Blog“ weiterhin verwendet wissen wollte, nachdem man ihr bereits in der Probezeit gekündigt hatte. Die verklagte Kanzlei hatte das Profil der Rechtsanwältin zwar von der Homepage, nicht jedoch von ihrem „News-Blog“ genommen. Sie hatte aber süffisant angeboten, gerne den Hinweis, dass das Arbeitsverhältnis arbeitgeberseitig in der Probezeit beendet wurde, aufzunehmen. Das LAG Hessen gab der Rechtsanwältin recht und verfügte die beantragte Unterlassung. Das Persönlichkeitsrecht der Anwältin werde durch die Veröffentlichung ihres Profils im Rahmen eines Werbeauftritts der – inzwischen zur Konkurrenz gewordenen – Kanzlei rechtswidrig verletzt. Ihre seinerzeit erklärte Einwilligung habe sich „evident“ auf die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses beschränkt, ihr Widerruf nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei deshalb wirksam. Der www.law-blog.de berichtete dazu am 25. Juni 2012.

    Diesen Fall mag der Rechtsvertreter eines Monteurs im Blick gehabt haben. Der Monteur wirkte in einem Werbefilm seines Arbeitgebers – diesmal ein Unternehmen aus dem Bereich Kälte- und Klimatechnik – mit. Am Anfang des Videos sieht man kurz einen vom Kläger gesteuerten Pkw, gegen Ende ist er auf einem Gruppenbild mit ca. 30 anderen Belegschaftsmitgliedern zu sehen. Das Video konnte auf der Homepage des Unternehmens eingesehen werden. Seine Einwilligung zur Verbreitung des Videofilms hatte er auf einer Unterschriftenliste zusammen mit anderen Kollegen erklärt. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses – man ahnt es schon – widerruft er seine Einwilligung, verlangt Unterlassung sowie Schmerzensgeld (!).

    Diesem Begehren hat das BAG mit seinem Urteil vom 11. Dezember 2014, AZ.: 8 AZR 1010/13, wie auch schon die Vorinstanz des LAG Rheinland Pfalz, eine Absage erteilt.

    Das BAG führt zunächst aus, dass die Zulässigkeit der Videonutzung durch den Arbeitgeber sich nach den spezielleren Regelungen der §§ 22, 23 Kunsturhebergesetz (KUG), nicht nach dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) richtet. Es ist also eine Einwilligung des Arbeitnehmers in die Verbreitung und „Zur-Schau-Stellung“ seines Bildnisses nach § 22, 23 KUG erforderlich.

    Sodann befasst sich das Urteil ausführlich mit der Frage, welche Anforderungen an eine wirksame Einwilligung in die Bildnutzung zu stellen sind, wie weit diese reicht sowie, ob und unter welchen Voraussetzungen sie widerrufen werden kann. Anders als § 4a BDSG – auf den sich der Kläger berufen hatte – schreibt das KUG zunächst keine Schriftform der Einwilligungserklärung vor. Allerdings stellt das BAG fest, dass eine verfassungskonforme Auslegung des KUG unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses ausnahmsweise eine Schriftform fordert. Nur so könne dem Arbeitnehmer verdeutlicht werden, dass er seine Einwilligung unabhängig von seinen Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis erklärt oder eben auch verweigern kann. Nur so werde sein informationelles Selbstbestimmungsrecht gewahrt.

    Das BAG führt weiter aus: Die Einwilligung muss „anlassbezogen“ erklärt werden. Sie darf also nicht bereits pauschal vorab z.B. im Arbeitsvertrag erteilt werden. Außerdem muss sie inhaltlich klar bezeichnet sein und darf nicht zusammen mit anderen Erklärungen abgegeben werden. Sie muss aus freier Entscheidung erteilt werden. All diese Voraussetzungen sah das BAG hier als gegeben an.

    Die einmal erteilte Einwilligung des Arbeitnehmers erlischt auch nicht automatisch mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wenn das Bild oder der Film keinen auf die individuelle Person des Arbeitnehmers Bezug nehmenden Inhalt transportiert. Dies war hier anders als im Fall der Rechtsanwältin, wo ausdrücklich mit der Kompetenz der neuen Kollegin für die Kanzlei geworben wurde. Der Arbeitnehmer muss – will er die weitere Verwendung seines Bildes verhindern – seine Einwilligung also in diesem Fall widerrufen.

    Ein solcher Widerruf ist jedoch nicht grundlos möglich, wie das BAG erklärt. Es ist eine Abwägung der beidseitigen Interessen vorzunehmen. Auf der einen Seite steht das Veröffentlichungsinteresse des Arbeitgebers und sein Wunsch nach wirtschaftlicher Verwendung der aufgewendeten Mittel, auf der anderen Seite das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Arbeitnehmers. Die zwischenzeitliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann bei der Bewertung eine Rolle spielen, muss es jedoch nicht zwingend. Da in dem strittigen Video der Kläger mit seiner Person und Identität nicht auf irgendeine Weise besonders hervorgehoben wurde lehnte das BAG eine wirtschaftliche oder persönlichkeitsrelevante „Weiterverwertung“ ab. Auf die Frage, ob die Einwilligung nach § 23 KUG im vorliegenden Fall evtl. gar nicht nötig gewesen wäre, kam es nicht mehr an.

    Das BAG lehnte also sowohl Unterlassungsanspruch als auch den Schmerzensgeldanspruch ab.

    Fazit: Arbeitgeber sind gut beraten, wenn Sie Foto- oder Videoaufnahmen veröffentlichen wollen, die ihre Arbeitnehmer zeigen, sich zuvor von diesen eine schriftliche Einwilligung geben zulassen.

    11.02.15

    Produktpiraterie – Haftungsrisiken für Unternehmen und Geschäftsführer

    - Markenrecht, Patentrecht, Wettbewerbsrecht -

    Law-Blog Hinweis zum Aufsatz “Markenpolo” im DATEV magazin 02/2015, abrufbar unter:

    https://www.datev-magazin.de/2015-02/praxis-2015-02/marken-polo/

    Dass Produktpiraten nicht “säbelrasselnd” unter Kriegsflagge durch die Weltmeere segeln, um fremde Handelsschiffe zu kapern, weiß jeder. Doch wie steht es um die Gefahren und Haftungsrisiken, welche die immer größeren Ausmaße der Produktpiraterie verursachen? Haften Unternehmer für Gesundheitsschäden, die Fälschungen verursachen? Schließlich stammen diese ja nicht vom Originalhersteller. Und kann unter Umständen sogar der Geschäftsführer eines Unternehmens persönlich auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden, wenn er der Fälschung von Produkten seines Unternehmens tatenlos zusieht?

    06.02.15

    Mitarbeiterdatenschutz sticht Patienteninformationsrecht

    - Arbeitsrecht -

    Law-BlogWissen ist Macht – umgekehrt kann die Preisgabe von Information einen Rechtsverlust bedeuten. Bei der Preisgabe von personenbezogenen Arbeitnehmerdaten an Dritte ist – wie das BAG nunmehr in seinem Urteil vom 20. Januar 2015, Az.: VI ZR, 137/14) festgestellt hat – besondere Vorsicht geboten, will sich der Arbeitgeber nicht unterlassungs- oder gar schadensersatzpflichtig machen.

    Zur Entscheidung stand folgender Fall: Ein Patient hatte von einer Klinik Nennung der Privatanschrift des behandelnden und bei der Klinik angestellten Arztes verlangt, um Schadensersatzansprüche gegen diesen geltend zu machen. Der in Anspruch genommene Krankenhausträger weigerte sich. Fraglich war, ob dem Informationsrecht des Patienten oder dem Datenschutzinteresse des Arbeitnehmers der Vorrang einzuräumen war. Dabei steht nicht in Zweifel, dass dem Patienten prinzipiell ein Recht auf Einsicht in seine Krankenunterlagen zusteht, was seit 2013 sogar gesetzlich ausdrücklich normiert ist, § 630 g BGB. Der Klinikträger habe auch Namen und Anschrift des behandelnden Arztes mitzuteilen, denn das Arzt-Patientenverhältnis verbiete eine Anonymität der Person des Arztes, befand die Berufungsinstanz des LG Görlitz (Urteil vom 14. Februar 2014, Az.: 2 S 174/13). Mit dieser Auffassung befand es sich in guter Gesellschaft mit dem LG Düsseldorf (Urteil vom 28. Juli 1983, 8 U 22/83) sowie dem AmtsG Offenbach (Urteil vom 5. Juli 1989, 39 C 1963/1989), welche in den 80er-Jahren ohne große Bedenken dem Patienten einen entsprechenden Auskunftsanspruch gegen den Klinikbetreiber einräumten: die Auskunft sei dem Arbeitgeber zumutbar, denn die ihm obliegende Fürsorgepflicht gegenüber dem angestellten Arzt bedeute nicht, dass der Arbeitnehmer, wenn der Vorwurf eines Behandlungsfehlers erhoben wird, „nach außen gedeckt“ werden müsse.

    Dieser einseitigen Sichtweise schob der BGH nun einen Riegel vor und verwies auf § 32 BDSG: Hiernach ist der Arbeitgeber zur Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten eines Beschäftigten nur insoweit befugt, als dies zu Zwecken des Beschäftigungsverhältnisses geschieht und für die Entscheidung über die Begründung oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Eine Übermittlung der Daten an Dritte stellt sich prinzipiell als zweckfremde Verwendung dar. Eine Weitergabe privater Kommunikationsdaten bedarf entweder der Einwilligung des Betroffenen oder der besonderen Gestattung durch eine Rechtsvorschrift. Eine solche vermochte der BGH nicht zu erkennen. Der BGH lehnte im konkreten Fall also sowohl eine weite Auslegung des in § 32 Abs. 1 BDSG verwendeten Begriffs “für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses“ ab, obwohl der Anspruch des Patienten ja durchaus mit der Arbeitsleistung des Arztes in Zusammenhang stand, als auch das Vorliegen einer anderen Erlaubnisnorm. Zu denken wäre hier insbesondere an die Erlaubnisnorm des § 28 Abs. 2 BDSG, die unter gewissen Voraussetzungen eine Übermittlung von Daten erlaubt, soweit dies zur Wahrung berechtigter Interessen erforderlich ist und kein schutzwürdiges Interesse des Betroffenen entgegen steht. Auch wenn die Urteilsgründe des BGH noch nicht veröffentlicht sind, so ist davon auszugehen, dass der Klageanspruch im vorliegenden Fall am Kriterium der „Erforderlichkeit“, scheiterte: Der Patient war nämlich gar nicht auf die Privatanschrift des Arztes angewiesen, er konnte die Klage unter der Anschrift des Krankenhausbetreibers als dessen Arbeitsplatz zustellen lassen (§§ 177, 178 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO). Für eine spätere Zwangsvollstreckung gegen den Arzt mag die Privatadresse von besonderer Bedeutung sein. Solange jedoch noch keine rechtskräftige Entscheidung über den Schadensersatzanspruch vorliegt, besteht kein Bedürfnis des Patienten, die Privatanschrift des Arztes zu erfahren. Mit dieser Begründung hatte bereits die erste Instanz (AG Weißwasser, Urteil vom 8. August 2013, Az.: 6 C 58/13) die Klage des Patienten als „derzeit unbegründet“ abgelehnt.

    Fazit: Der Arbeitgeber hat mit den Daten seiner Arbeitnehmer sensibel umzugehen. Selbst ein grundsätzlich anerkennenswertes Interesse an der Auskunft kann im Einzelfall die Preisgabe der Daten unter Umständen nicht rechtfertigen.

    08.01.15

    Aus Wut fotografiert – Abmahnung kassiert!

    - Fotorecht, Persönlichkeitsrecht -

    Law-BlogWer hat nicht ab und zu das Bedürfnis, es jemandem “heimzuzahlen”? So tatsächlich geschehen in einem Rechtsstreit zwischen zwei selbstständigen Handwerkern, die unabhängig voneinander Renovierungsarbeiten in ein und derselben Wohnung durchführten. Einem der beiden warf der Bauherr vor, er würde die Oberflächen seiner Tischplatten verkratzen. Tatsächlich war es aber der andere Handwerker, der die Tische als “Hilfmittel” benutzte, um Lampen an der Zimmerdecke zu montieren. Vielleicht war ihm die Stehleiter zu schwer. Der zu Unrecht gescholtene Handwerker ertappte seinen Kollegen auf frischer Tat, als dieser gerade – auf einem wertigen Schreibtisch stehend – eine Lampe montiert. Er zückte kurzerhand sein Smartphone und fotografierte die Szene. Dieses Foto verschickte er an den Bauherren sowie an weitere Handwerker. Der Bauherr stellte den Täter zur Rede.

    Sie ahnen bestimmt schon, was jetzt kommt: Der Fotografierte bekam Wind von der Aktion und mahnte den Fotografen kostenpflichtig ab. Da dieser sich jedoch im Recht sah und keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgab, nahm ihn der Betroffene gerichtlich u. a. auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch. Das Gericht verurteilte den Fotografen antragsgemäß. Bereits das Anfertigen des Fotos, ohne dass der Betroffene eingewilligt hat, stelle einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers gemäß Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG, § 823 Abs. 1 BGB dar. Ferner habe der Beklagte das Recht des Klägers am eigenen Bild gemäß § 22 KUG, § 823 Abs. 2 BGB sowie das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gemäß § 823 Abs. 1 BGB verletzt, indem er das Foto ohne Einwilligung des Betroffenen per E-Mail an eine Vielzahl von Empfängern gesendet hatte.

    Der Beklagte schuldete dem Kläger ferner Schadensersatz in Form einer fiktiven Lizenzgebühr (Lizenzanalogie). Dabei fingiert das Gericht den Abschluss eines Lizenzvertrages zu angemessenen Bedingungen. Früher wäre der Betroffene leer ausgegangen, da er für sein Bildnis keine Lizenzgebühr hätte erzielen können. Da das ungerecht ist, können mittlerweile auch nicht-prominente Betroffene Schadensersatz nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen verlangen.

    Die Moral von der Geschicht': Übeltäter fotografiert man nicht (ohne Einwilligung)!

    15.12.14

    Anwalt bleib bei deinen Leisten! – Abmahnanwalt Thomas Urmann droht Entzug seiner Lizenz.

    - Urheberrecht -

    Law-BlogErinnern Sie sich noch, als vor rund einem Jahr ein Aufschrei durch das Internet hallte? Die regensburger Kanzlei Urmann + Collegen (“U+C”) hatte eine Abmahn-Lawine losgetreten, die nicht mehr nur über den üblichen “Filesharern” hereinbrach, sondern über Konsumenten, die angeblich pornografische Videos gestreamt hatten. Beim streaming spielt der Nutzer ein Musikstück bzw. Video direkt im Webbrowser ab, ohne, dass er es vorher auf der Festplatte abspeichern muss (wenngleich die Datei üblicherweise im “cache” gespeichert wird, ohne dass der Nutzer dies merkt).

    Einige der Abmahnopfer haben sich jedoch gewehrt und sich auf ihr gutes Recht berufen. Sie meinten, dass streaming lediglich eine technisch bedingte “vorübergehende Vervielfältigung” sei. Wenn die Vorlage dazu – also das Video auf dem Server – nicht offensichtlich rechtswidrig sei (was U+C nicht näher dargelegt hatten und offensichtlich auch nicht wussten), dann sei eine vorübergehende Vervielfältigung nach § 44a Nr. 2 UrhG erlaubt. Zumindest aber sei streaming nach § 53 Abs. 1 S. 1 UrhG erlaubt, da es sich um eine einzelne Vervielfältigung eines Werks handle, die keinen Erwerbszwecken diene.

    Diese Klagen hatten Erfolg (siehe Urteil des AG Hannover v. 27.5.2014 – 550 C 13749/13; Urteil des AG Potsdam v. 9.4.2014 – 20 C 423/13; Beschluss des LG Köln v. 24.1.2014 – 209 O 188/13).

    Damit hat RA Thomas Urmann alle “redtube”-Verfahren verloren, als auch seinen guten Ruf als Anwalt.

    Aber es kommt noch schlimmer für Urmann: Rechtsanwalt Thomas Urmann verliert nun vielleicht auch noch seine Anwaltslizenz. Dies aber nicht, weil seine Abmahnwelle “nach hinten losging”, sondern weil er wegen Insolvenzverschleppung und Sozialbetrug verurteilt worden ist. Er hatte unter anderem die Zahlungsunfähigkeit einer Wurstfabrik, die er leitete, verschleiert. Damit kann er nach dem Berufsrecht der Anwälte als zur Berufsausübung “unzuverlässig” “unwürdig” betrachtet werden.

    Wir lernen daraus: Anwalt bleib bei deinen Leisten! Die Jagt nach dem (vermeintlich) schnellen Geld geht schnell nach hinten los, wenn man sich zu weit aus dem Gesetzbuch herauslehnt.

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