Heinrich und der Papst
Durch Selbsterniedrigung zum
Erfolg
Es ist ein Machtkampf, wie es ihn nie zuvor gegeben hat: König gegen Papst. Wer ist der Stärkere? Es geht um die Macht im Königreich der Deutschen und im christlichen
Abendland. Als der deutsche König
Heinrich IV. im
Jahr 1077 in
Canossa vor Papst Gregor
VII. kniet, scheint er auf dem Tiefpunkt seiner Macht angekommen. Die nackte
Angst vor dem Verlust der Krone hat den stolzen Herrscher zu diesem letzten Mittel greifen lassen. Nur der Papst kann seine Macht retten und ihn vom kirchlichen
Bann lösen.
In der
Burg Canossa in Oberitalien bahnt sich die Entscheidung an. Ihr
Name wird in die Geschichte eingehen, denn in dieser Burg hat sich der Papst verschanzt. Er befürchtet einen Angriff des deutschen Königs.
Holt der sich seine Krone jetzt zurück?
So etwas hat es in der Geschichte noch nicht gegeben. Was treibt den König auf Knien zum Papst? Immerhin ist er der mächtigste weltliche Herrscher auf
Erden. Der "
Gang nach Canossa" steht bis heute sprichwörtlich für die schlimmste Selbsterniedrigung eines Kontrahenten. In Canossa findet eine Auseinandersetzung ihren Höhepunkt, die die mittelalterliche
Welt erschütterte. Im sogenannten "Investiturstreit" stritten Papst Gregor und König Heinrich um nichts Geringeres als die beherrschende Machtposition in der christlichen Welt.
Wer steht über wem?
Im Kern geht es um die Frage, ob der Papst über dem
Kaiser steht oder der Kaiser über dem Papst. Als Heinrich ihm den Gehorsam verweigert, belegt ihn der
Pontifex mit dem Bann. Das kommt faktisch einer Absetzung gleich. Heinrich zahlt mit gleicher Münze heim und spricht dem "falschen
Mönch", wie er den Papst nennt, die Amtsgewalt ab. Doch die deutschen Fürsten schlagen sich auf die Seite des Papstes. Sie geben Heinrich ein Jahr
Zeit, sich vom Bann zu lösen - sonst werden sie einen neuen König wählen.
Jetzt muss Heinrich einlenken. Durch Schnee und Eis zieht er über die
Alpen und fällt vor dem Papst in Canossa auf die Knie. Beim
Gang zum Papst ist Berechnung im
Spiel, und Heinrichs
Plan geht auf: Er rettet seine Macht als deutscher König. Vom Bann befreit, kehrt Heinrich zurück in sein deutsches Königreich. Als er
1080 auch seinen Kontrahenten unter den Fürsten, den "Gegenkönig"
Rudolf von Rheinfelden, auf dem Schlachtfeld bezwingt und tötet, ist seine Macht gesichert.
Heinrich greift nach der Kaiserkrone
Jetzt will er mehr: Die Kaiserkrone, wie sein
Vater. Als deutscher König ist er dazu erwählt - doch krönen muss ihn der Papst. Am Ostersonntag des Jahres 1084, in der
Peterskirche in Rom, ist es so weit: Heinrich lässt sich von einem neuen Papst zum Kaiser krönen. Keiner soll über ihm, dem Kaiser stehen.
Der abgesetzte Gregor VII. verbringt seine letzten Tage im Exil in
Salerno. Heinrich IV. stirbt 21 Jahre später im Jahr 1106. Der Konflikt von weltlicher und geistlicher Gewalt hatte Folgen für die Geschichte: Es ist nicht das römische Kaisertum, sondern die Kirche, die als einzige Supermacht des Mittelalters unangefochten bleiben sollte.
Investiturstreit und Wormser Konkordat
Den Kampf zwischen weltlicher und geistlicher Macht in den Jahren 1075 bis 1122 bezeichnet man als Investiturstreit, obwohl es um mehr ging als um die Frage, wer über die Berufung von Bischöfen entscheiden durfte. Die Zuständigkeit für die "Investitur", also die Einsetzung der Bischöfe, war eines der wichtigsten Machtpotenziale des Mittelalters: Denn wer den Bischof bestimmte, entschied damit gleichzeitig über einen Großteil der Machtverteilung im
Reich. Gregor VII
. war fest entschlossen, diese "Investitur" wieder vollständig der Kirche zu übertragen.
1122 in
Worms kommt es zu einer Einigung. Das "Wormser Konkordat" regelt ab diesem Zeitpunkt die Bischofsernennung neu: Innerhalb des Bischofsamtes wird nun zwischen dessen weltlichen und geistlichen Funktionen unterschieden. Die Trennung zwischen weltlicher und geistlicher Macht - hier wurde sie festgeschrieben.
- published: 16 Nov 2015
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