Warum Linke konformistische Kritiker vielleicht scheiße finden, aber nicht kritisieren können.

So richtig scharf auf eine öffentliche Auseinandersetzung mit Brie ist bei der Linken keiner. Kein Wunder, schließlich ist innerparteiliche Geschlossenheit eine demokratische Tugend. Da gilt es nicht etwa, die Kritik zur Kenntniss zu nehmen oder zu widerlegen, sondern den Medien kein Material für hämische Kommentare zu bieten. Da der Spiegel aber einen Bericht über eine zerstrittene Linke im Programm hatte, ist er dieser Zurückhaltung begegnet und hat die für wichtig befundenen Funktionäre direkt nach Veröffentlichung des Brie-Essays angerufen und um eine Stellungnahme gebeten. Die fällt erwartungsgemäß empört aus und hat an Brie genau einen Kritikpunkt: Parteischädigendes Verhalten. Ob der Mann Recht hat oder nicht interessiert nicht – Kritik gehört hinter verschlossene Türen. Das kann man auch richtig SED-mäßig sagen: „Wer nicht in der Partei denkt, neigt dazu, ein Fehldenker zu werden“ (Ramelow). Die Partei hat halt immer recht. Und der, der in ihr denkt auch, wenigstens irgendwie ein bißchen. Nicht dass das jetzt als DDR-Bashing rüberkommt. Die pluralistische innerparteiliche Toleranz ist ja grade ein Ausweis an Demokratismus: In gewissen Grenzen darf jeder alles sagen. Auf den Inhalt wird kein großer Wert gelegt, wenn nur der Tenor stimmt, wofür dieser auch keine Rolle spielt. Ein Überschreiten jener Grenze aber ist ungehörig und gibt für sich einen Kritikpunkt ab.
So beinhalten alle weiteren Kommentare an Weiterführendem nur ein Geschmacksurteil (MdB Knoche findet Bries Konformismus bieder), eine Denunziation (MdB Dagdelen erinnert an Bries Stasivergangenheit: „die Form der Denunziation als politisches Mittel ist die gleiche geblieben“ ) und ein einfaches Dementi aller Vorwürfe. Statt einer Widerlegung der Kritik aber hat Wagenknecht eine psychologische Erklärung für ihr Zustandekommen zu bieten: Brie ist halt beleidigt, weil er keine Rolle mehr spielen darf. Soll wohl heißen, dass das Ganze Ausfluß eines Minderwertigkeitskomplexes und einer inhaltlichen Befassung daher unwürdig ist.
Einen längeren Kommentar wert war die ganze Affäre aber der Jungen Welt (13.6.09, Wochenendbeilage S. 3). Hier ist man zwar in der Lage, die Anerkennungsvorbehalte von Demokraten an eine linke Partei und ihre Deckungsgleichheit mit Bries Positionen zu identifizieren. Dem entnimmt man aber nur ein deformiertes Demokratieverständniss liberaler Zeitgeister, ohne einen Realitätsbezug dieses Verständnisses auch nur in Erwägung zu ziehen. Man sieht ein „Konzentrat aller Vorurteile, die über die Linkspartei im Umlauf sind“. Dass diese Urteile was damit zu tun haben könnten, dass soziale Forderungen nicht in dieses System passen sondern einfach verdächtig sind und statt mit Erfüllung mit Populismusvorwürfen und Verfassungsschutz zu rechnen haben, könnte man einfach mal zur Kenntniss nehmen, statt unermüdlich gegen die Realität der Demokratie ein Ideal hochzuhalten, welches wirklich mal den Utopismusvorwurf verdient hätte. Dies ist aber nicht das Programm der inner- und außerparlamentarischen Linken. Die begnügt sich mit ein paar demokratischen Techniken der Kritikzurückweisung und tut weiter ihre Dienste am parlamentarischen Kapitalismus, indem sie ihrer Klientel einredet, auch für ihre Interessen sei in dieser Gesellschaft Platz und die Linke deren geeignete Vertretung.


1 Antwort auf „Warum Linke konformistische Kritiker vielleicht scheiße finden, aber nicht kritisieren können.“


  1. 1 Pirx Trackback am 14. Juni 2009 um 19:14 Uhr
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